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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundessozialgericht
Urteil verkündet am 17.12.2002
Aktenzeichen: B 4 RA 23/02 R
Rechtsgebiete: SGB VI


Vorschriften:

SGB VI § 300
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESSOZIALGERICHT Im Namen des Volkes Urteil

in dem Rechtsstreit Az: B 4 RA 23/02 R

Der 4. Senat des Bundessozialgerichts hat ohne mündliche Verhandlung am 17. Dezember 2002 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Meyer, die Richterin Tüttenberg und den Richter Dr. Knörr sowie den ehrenamtlichen Richter Dr. Wirsam und die ehrenamtliche Richterin Schuh für Recht erkannt:

Tenor:

1. Auf die Revision der Klägerin werden das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 22. März 2002 und das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 26. Mai 2000 sowie die Entscheidungen der Beklagten über die Höhe des Nachzahlungsanspruchs für Bezugszeiten vom 1. Januar bis zum 30. September 1999, über den Rentenhöchstwert des Rechts auf Rente wegen Berufsunfähigkeit für Bezugszeiten vom 1. Oktober 1999 bis zum 31. Dezember 2000 und über die Höhe der monatlichen Zahlungsansprüche im letztgenannten Zeitraum im Bescheid vom 12. August 1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Februar 2000 aufgehoben.

2. Die Beklagte wird verpflichtet, über die Höhe des Nachzahlungsanspruchs, des Rentenhöchstwertes und über die Höhe der Einzelansprüche hieraus unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden.

3. Im Übrigen wird die Revision der Klägerin zurückgewiesen.

4. Die Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits zu erstatten.

Gründe:

I

Streitig sind der Wert des Rechts auf Rente wegen Berufsunfähigkeit (BU) für Bezugszeiten vom 1. Oktober 1999 bis zum 31. Dezember 2000, die Höhe der hieraus der Klägerin in diesen Monaten zustehenden Zahlungsansprüche im Blick auf einen Hinzuverdienst und die Höhe des Nachzahlungsanspruches aus den Einzelansprüchen für Januar 1999 bis September 1999.

Die im Jahre 1947 geborene Klägerin war zuletzt als Krankenpflegehelferin beschäftigt. Den Antrag auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsunfähigkeit (EU) lehnte die Beklagte ab. Im anschließenden Klageverfahren vor dem Sozialgericht (SG) Freiburg (S 9 RA 3619/97) schlossen die Beteiligten am 20. Januar 1999 einen Vergleich. Dieser beinhaltete, dass die Beklagte der Klägerin, beginnend mit dem 1. Januar 1999, Rente wegen BU gewährt; die Klägerin nahm im Übrigen die Klage zurück.

In Ausführung dieses Vergleiches stellte die Beklagte (im Bescheid vom 12. August 1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Februar 2000) für die Zeit vom 1. Januar bis 30. September 1999 einen Nachzahlungsanspruch von 2.251,36 DM fest. Ab 1. Oktober 1999 setzte sie den Wert des Rechts auf BU-Rente auf 407,75 DM fest. Ferner entschied sie unter Berufung auf § 96a Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) in der ab 1. Januar 1999 geltenden Fassung, für die Monate Januar und Februar 1999 und ab dem Monat Juni 1999 sei wegen der Höhe des Hinzuverdienstes Rente wegen BU in Höhe von einem Drittel zu leisten. Als Hinzuverdienst berücksichtigte sie ein monatliches Arbeitsentgelt von 3.900,-- DM, das dem Arbeitslosengeld (Alg) zu Grunde lag, das die Klägerin in diesem Zeitraum bezog. Für die Monate März bis Mai 1999 bestimmte die Beklagte, dass wegen eines zusätzlichen Einkommens aus einer geringfügigen Beschäftigung die höchste Hinzuverdienstgrenze überschritten werde und deshalb keine Rente zu zahlen sei.

Klage und Berufung hatten keinen Erfolg (Urteil des SG vom 26. Mai 2000; Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg <LSG> vom 22. März 2002). Das LSG hat ausgeführt: Die Beklagte habe zutreffend § 96a Abs 3 SGB VI angewandt. Die Beteiligten hätten sich in dem Vergleich darauf geeinigt, Rente wegen BU erst ab 1. Januar 1999 zu gewähren. Mithin sei nach § 300 Abs 1 SGB VI neues Recht anzuwenden. Es verstoße nicht gegen Art 3 Abs 1 Grundgesetz (GG), gemäß § 96a Abs 3 Satz 3 SGB VI das dem Alg zu Grunde liegende Arbeitseinkommen zu berücksichtigen.

Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt die Klägerin eine Verletzung von § 300 SGB VI. Sie ist - wie schon im Klage- und Berufungsverfahren - der Auffassung, dass gemäß § 300 Abs 2 SGB VI auf den vorliegenden Fall nicht die Neufassung des § 96a SGB VI, sondern der bis zum 31. Dezember 1998 geltende § 95 SGB VI anzuwenden sei. Der Rentenantrag sei vor dem 1. Januar 1999 gestellt worden. Ausweislich des Rentenbescheids sei auch der "Leistungsfall" auf den 31. Dezember 1998 festgelegt worden. Demnach sei der Anspruch auf BU-Rente bereits am 31. Dezember 1998 entstanden. Hilfsweise macht die Klägerin geltend, § 96a Abs 3 Satz 3 SGB VI verstoße gegen Art 3 Abs 1 GG und Art 14 Abs 1 GG. Bezieher von Alg würden in verfassungswidriger Weise gleichbehandelt wie Arbeitnehmer, obwohl diese sozial weniger schutzbedürftig seien.

Die Klägerin beantragt schriftsätzlich,

das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 22. März 2002 (sowie das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 26. Mai 2000) aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheids vom 12. August 1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10. Februar 2000 zu verurteilen, ihre Rente wegen Berufsunfähigkeit neu zu berechnen und unter Außerachtlassung des § 96a Abs 3 SGB VI zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 22. März 2002 zurückzuweisen.

Sie trägt vor: Der am 20. Januar 1999 geschlossene Vergleich habe unstrittig zum Inhalt, dass die ab 1. Januar 1999 beginnende Rente wegen BU auf einer Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen am 31. Dezember 1998 beruhe. Werde die Rente erst nach Inkrafttreten der Gesetzesänderung fällig, richte sich der Rentenanspruch nach den zum Zeitpunkt des Rentenbeginns geltenden Rechtsvorschriften. Vorliegend sei das SGB VI in der ab 1. Januar 1999 geltenden Fassung maßgebend. Dies ergebe sich aus § 300 Abs 1 SGB VI. Es sei damit auch die Hinzuverdienstregelung des § 96a Abs 3 SGB VI anzuwenden. Als Hinzuverdienst sei nach Satz 3 dieser Vorschrift nicht die Sozialleistung selbst, sondern das ihr zu Grunde liegende Arbeitsentgelt zu berücksichtigen. Vorliegend sei deshalb von einem rentenschädlichen Hinzuverdienst von 3.900,00 DM ausgegangen worden. Die Verfassungsmäßigkeit dieser Regelung werde nicht in Frage gestellt.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz <SGG>).

II

Die vom LSG zugelassene Revision hat Erfolg, soweit die Klägerin sinngemäß die Aufhebung der angefochtenen Entscheidungen und die Feststellung eines höheren Wertes ihres Rechts auf Rente wegen BU, ferner höhere Einzelansprüche hieraus sowie einen höheren Nachzahlungsanspruch für Bezugszeiten vom 1. Januar 1999 bis 30. September 1999 begehrt. Das LSG hat die Berufung der Klägerin zu Unrecht zurückgewiesen. Die kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklagen sind begründet. Die angefochtenen Entscheidungen der Beklagten über die Höhe des Nachzahlungsanspruches für Bezugszeiten vom 1. Januar 1999 bis 30. September 1999 sowie über den Rentenhöchstwert des Rechts auf Rente wegen BU und über die sich daraus ergebende Höhe der monatlichen Zahlungsansprüche ab 1. Oktober 1999 sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihrem Recht auf Rente (§ 54 Abs 2 Satz 1 SGG).

1. Gegenstände der Anfechtungsklagen sind die Entscheidungen der Beklagten vom 12. August 1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10. Februar 2000 über den Wert des Rechts auf Rente wegen BU, die Einzelansprüche und den Nachzahlungsanspruch jeweils für die (noch) streitigen Zeiträume. Die weiteren Entscheidungen über die Rentenart, den Beginn und die Dauer des Rechts auf Rente (vgl stRspr des BSG, zB BSG SozR 3-2600 § 34 Nr 1 S 4; BSG SozR 3-1300 § 31 Nr 13 S 22 f; BSG SozR 3-2600 § 300 Nr 7 S 26 f) wurden bereits vorher in dem vor dem SG geschlossenen Vergleich vom 20. Januar 1999 durch vertragliche Verfügung geregelt:

"1. Die Beklagte gewährt der Klägerin, beginnend mit dem 1. Januar 1999, Rente wegen Berufsunfähigkeit.

2. Die Klägerin nimmt die Klage im Übrigen zurück."

Es wurde mithin vereinbart, der Klägerin stehe ein Recht auf Rente wegen BU ab 1. Januar 1999 dauerhaft zu. Diesen Inhalt hat auch das LSG ohne Verstoß gegen anerkannte Auslegungsregeln dem Vergleich gegeben. Nach den bindenden Feststellungen des LSG ist demnach im gerichtlichen Vergleich auch der Beginn des Rechts auf Rente geregelt worden, nämlich der 1. Januar 1999. Es ist allein schon deshalb das ab diesem Zeitpunkt geltende Recht anzuwenden. Die §§ 300 ff SGB VI sind nicht anwendbar. Soweit die Klägerin im Revisionsverfahren einwendet, die Beklagte habe in dem Rentenbescheid den Versicherungsfall auf den 31. Dezember 1998 festgelegt, ist dies unerheblich. Der Versicherungsfall und der Zeitpunkt seines Eintritts sind ein Element des Entstehens eines Rechts auf Rente und daher keine Rechtsfolge, deren Eintritt iS des Verwaltungsaktbegriffs (§ 31 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch <SGB X>) geregelt werden könnte. Die Mitteilung im Ausführungsbescheid, der Versicherungsfall (nicht: Leistungsfall) sei am 31. Dezember 1998 eingetreten, ist also ein bloßes Begründungselement. Auch wenn der Versicherungsfall - ohne Vergleichsvertrag - objektiv am 31. Dezember 1998 eingetreten wäre, ergäbe sich der Wert des Stammrechts (seit Inkrafttreten des SGB VI am 1. Januar 1992) aus dem am Beginn des 1. Januar 1999 gültigen Gesetz; auf die §§ 300 ff SGB VI käme es auch dann nicht an.

Die Anfechtungsklagen sind begründet, weil die Beklagte in dem angefochtenen Bescheid die ab 1. Januar 1999 geltenden Vorschriften über die Hinzuverdienstgrenzen bei Rente wegen BU, die einen nur Einzelansprüche, nicht das Stammrecht vernichtenden Übersicherungseinwand ausgestalten, rechtsfehlerhaft ausgelegt und schon deshalb falsch angewandt hat. Für die gerichtlichen Entscheidungen über den Übersicherungseinwand kommt es auf den Zeitpunkt des Abschlusses der (letzten) Tatsacheninstanz an. Denn die mit den isolierten Anfechtungsklagen angegriffenen (Grundrechts-)Eingriffe ergehen auf der Grundlage eines Dauerrechtsverhältnisses in dem auch noch spätere Entwicklungen für die Rechtmäßigkeit des Eingriffsaktes bedeutsam werden können (zB nachträglich "für" einen zurückliegenden Monat erzieltes Arbeitsentgelt). Im Übrigen liegt keine - verfassungsrechtlich jeweils gebotene - parlamentsgesetzliche Ermächtigung für die Beklagte vor, den Übersicherungseinwand durch einstweiligen Verwaltungsakt oder durch einen Verwaltungsakt auf der Grundlage einer Prognose über künftigen Hinzuverdienst für spätere Monate festzustellen.

2. Die Klägerin ist in ihrem Recht auf Rente wegen BU bereits dadurch verletzt, dass die Beklagte im angefochtenen Bescheid einen falschen, weil offensichtlich zu niedrigen, Geldwert des Stammrechts festgestellt hat, der Grundlage für die weiteren Entscheidungen über die Höhe der monatlichen Zahlungsansprüche (Einzelansprüche) ist. Die Klägerin hat bei Rentenbeginn ein Recht auf (richtige) Feststellung des Wertes ihres (Voll-)Rechts auf Rente wegen BU (so genannter Monatsbetrag der Rente - § 64 SGB VI). Zu den Entscheidungen, die zur vollständigen Regelung eines Stammrechts auf Rente notwendig sind, gehört, wie bereits ausgeführt, ua diejenige über den Wert des Rechts auf Rente wegen BU. Dies war hier nicht bereits vorher durch vertragliche Verfügung geregelt worden. Die Beklagte hat deshalb - insoweit nicht in bloß mitteilender, also nicht iS von § 31 SGB X regelnder Ausführung des Vergleichsvertrages (noch auf Vertragsebene), sondern in originärer Anwendung des Gesetzes - diesen Wert festzustellen, bevor sie den anspruchsvernichtenden Einwand der Übersicherung wegen des Überschreitens einer Hinzuverdienstgrenze geltend machen kann, durch den sie die Folge des völligen oder anteiligen Erlöschens des jeweiligen monatlichen Einzelanspruchs regelnd feststellt. Für die Voraussetzungen des Übersicherungseinwands trägt sie die Darlegungs- und objektive Beweislast. Verfügt die Beklagte bezüglich eines Einzelanspruchs, der Einwand greife durch, setzt sie damit die Rechtsfolge verbindlich, dass dem Versicherten der monatliche Zahlungsanspruch nur noch zu einem Bruchteil (zwei Drittel; ein Drittel) des vollen Werts oder überhaupt nicht mehr zusteht. Demgemäß berührt der Übersicherungseinwand den Wert des Stammrechts auf Rente nicht. Auf Grund des Rechenwerks im Bescheid vom 12. August 1999 ist noch erkennbar, dass dieser Wert erheblich zu niedrig festgesetzt wurde.

3. Die Beklagte hat ferner die gesetzliche Regelung über den (einzel-) anspruchsvernichtenden Übersicherungseinwand, die im streitigen Zeitraum bis Ende 2000 galt, rechtsfehlerhaft ausgelegt und deshalb der Klägerin zu wenig zuerkannt und gezahlt, weil sie entgegen § 43 Abs 5 SGB VI nicht den "erzielten Hinzuverdienst", sondern ein fiktives Entgelt als Hinzuverdienst berücksichtigt hat. Dies gilt unabhängig davon, dass schon die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) die erforderlichen tatsächlichen Feststellungen nicht getroffen hat, aus denen sich die individuelle Hinzuverdienstgrenze und das in jedem Kalendermonat erzielte Arbeitsentgelt ergeben könnten. Die Ansicht des LSG, die Anordnung der Berücksichtigung eines fiktiven Hinzuverdienstes durch § 96a Abs 3 Satz 3 SGB VI sei hier anwendbar, verletzt Bundesrecht.

Durch das Gesetz zur Änderung des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze (SGB VI-ÄndG) vom 15. Dezember 1995 (BGBl I 1824) wurde in der Erwerbsminderungsversicherung auch bei Renten wegen BU ab 1. Januar 1996 durch § 43 Abs 5 SGB VI aF der Übersicherungseinwand bei Überschreiten einer Hinzuverdienstgrenze eingeführt, welche in § 96a SGB VI ausgestaltet wurde.

a) Sofern ein Stammrecht auf Rente wegen BU nach Maßgabe des bis Ende 2000 gültigen § 43 Abs 1 bis 4 SGB VI aF (vgl seither § 240 SGB VI) entstanden war, bestimmte seit dem 1. Januar 1996 bis Ende 2000 der § 43 Abs 5 SGB VI aF: "Eine Rente wegen Berufsunfähigkeit wird abhängig vom erzielten Hinzuverdienst (§ 96a Abs 2 Nr 2 SGB VI) in voller Höhe, in Höhe von zwei Dritteln oder in Höhe von einem Drittel geleistet". Dadurch wurde klargestellt, dass ein Überschreiten der Hinzuverdienstgrenzen des § 96a Abs 2 Nr 2 SGB VI (anders als bei den Hinzuverdienstgrenzen für Renten wegen Alters vor Vollendung des 65. Lebensjahres in § 34 Abs 2 und 3 SGB VI) nicht das Stammrecht auf Rente selbst betrifft (dazu BSG SozR 3-2600 § 34 Nr 1 S 3), sondern ausschließlich die daraus monatlich erwachsenden Einzelansprüche auf Zahlung ganz oder teilweise vernichten soll (vgl BT-Drucks 13/3150 S 42 zu Nr 15a). Liegt also in einem bestimmten Monat (im Sinne des Vollbeweises nachgewiesen) ein (für diesen) erzielter Hinzuverdienst vor, ist er den in § 96a Abs 2 Nr 2 SGB VI ausgestalteten drei Gruppen von individuellen Hinzuverdienstgrenzen gegenüberzustellen (monatliche Gegenüberstellung). Falls der erzielte Verdienst einer dieser individuellen Grenzen übersteigt, wird der Einzelanspruch, der in Höhe des Wertes des Stammrechts erwachsen ist, in dem in § 43 Abs 5 SGB VI genannten Umfang vernichtet. Der über der Grenze liegende Hinzuverdienst wird also gerade nicht auf den monatlichen Zahlungsanspruch angerechnet. § 43 Abs 5 iVm § 96a Abs 2 Nr 2 SGB VI aF ist - anders als die bis Ende 1998 gültige Regelung über die Anrechnung von Arbeitslosengeld auf die Ansprüche aus einem Stammrecht auf BU-Rente - keine Anrechnungsermächtigung; dies hat das LSG verkannt (§ 170 Abs 1 Satz 2 SGG).

Verwaltungstechnisch wurden nach § 96a Abs 2 Nr 2 SGB VI aF die individuellen Hinzuverdienstgrenzen (im Rahmen zwischen einer Mindest- und einer Höchstgrenze) aus dem Produkt des Hinzuverdienstfaktors, des aktuellen Rentenwerts (§ 68 SGB VI) und den individuell erworbenen Entgeltpunkten <EP> (§ 66 Abs 1 Nr 1 bis 3 SGB VI) des letzten Kalenderjahres vor Eintritt der BU (mindestens jedoch 0,5 EP) errechnet. Es werden demnach für jeden Versicherten drei Gruppen von individuellen Hinzuverdienstgrenzen festgelegt. Sie orientieren sich in grober Typisierung am versicherten Arbeitsverdienst (also unter Beachtung der Beitragsbemessungsgrenze als Obergrenze) des letzten Kalenderjahres vor Eintritt der BU (unter Berücksichtigung beitragsfreier und sog beitragsgeminderter Zeiten). Liegen in diesem Zeitraum die EP unter 0,5, so gilt die Mindesthinzuverdienstgrenze, bei der 0,5 EP in die Formel eingestellt werden. Die höchste individuelle Hinzuverdienstgrenze ergibt sich in jeder der drei Gruppen, wenn der Versicherte im letzten Kalenderjahr vor Eintritt der BU die jährlichen Höchstwerte an EP gemäß der Anlage 2b zum SGB VI erlangt hat. Rente in voller Höhe ist bis zu einem Hinzuverdienst in Höhe des 52,5fachen des Produkts aus aktuellem Rentenwert und den EP aus dem letzten Jahr zu zahlen, eine solche von zwei Dritteln bis zu einem solchen Produkt mit dem Hinzuverdienstfaktor von 70, Rente in Höhe von einem Drittel bis zu einem solchen Produkt mit dem Hinzuverdienstfaktor von 87,5. Wird die höchste Hinzuverdienstgrenze überschritten, geht der Zahlungsanspruch unter (vgl § 96a Abs 1 Satz 1 SGB VI in der seit dem 1. Januar 1996 gültigen Fassung).

Allerdings ist diese Rechtsfolge in der Grundnorm des § 43 Abs 5 SGB VI aF nicht ausdrücklich, sondern nur andeutungsweise vorgesehen. Rente ist grundsätzlich in voller Höhe zu leisten und kann insoweit nicht von einem Hinzuverdienst abhängig sein. Nur eine - hier nicht gegebene - Minderung des Wertes des Stammrechts oder eine Minderung der Einzelansprüche aus diesem kann von einem Hinzuverdienst abhängig gemacht werden. Die in § 43 Abs 5 SGB VI genannte Dreistufigkeit der Abhängigkeit der Höhe der Einzelansprüche kann daher als sinnvolle Rechtsfolgenanordnung nur verstanden werden, wenn sie wie folgt gefasst wird: "Die Einzelansprüche aus einem Recht auf Rente wegen BU werden abhängig vom erzielten Hinzuverdienst (§ 96a Abs 2 Nr 2 SGB aF) nur in Höhe von zwei Dritteln, von einem Drittel oder gar nicht geleistet." Dies wird durch die zeitgleich in Kraft getretene Rechtsfolgenanordnung in § 96a Abs 1 Satz 1 SGB VI bestätigt, auf die § 43 Abs 5 SGB VI jedoch nicht verweist (dazu sogleich).

b) Die Beklagte hat unzutreffend angenommen, sie dürfte auf Grund der ab 1. Januar 1999 gültigen Regelung des § 96a Abs 3 Satz 3 SGB VI, entgegen der bis Ende 2000 gültigen Fassung des § 43 Abs 5 SGB VI einen fiktiven, in Wirklichkeit nicht erzielten "Hinzuverdienst" in die Prüfung der Frage einbeziehen, ob die Hinzuverdienstgrenzen des § 96a Abs 2 Nr 2 SGB VI im jeweiligen Monat überschritten sind. § 43 Abs 5 SGB VI aF lässt (auch unter dem Blickpunkt verfassungskonformer <Art 100 Abs 1 GG> Auslegung) eine Anwendung des dort nicht in Bezug genommenen § 96a Abs 3 Satz 3 SGB VI nicht zu.

§ 43 Abs 5 SGB VI aF trat am 1. Januar 1996 in Kraft und galt unverändert bis zum Ende des Jahres 2000. Er legte die rechtliche Bedeutung der Tatbestandsmerkmale (des in ihm begründeten einzelanspruchsvernichtenden Übersicherungseinwandes) "abhängig vom erzielten Hinzuverdienst" nicht selbst fest, sondern bediente sich einer (statischen) Verweisung auf den ebenfalls am 1. Januar 1996 in Kraft getretenen § 96a Abs 2 Nr 2 SGB VI aF. Er nahm diese Vorschrift nicht "in ihrer jeweiligen Fassung" in Bezug, sondern so, wie sie zeitgleich eingeführt wurde. In § 96a Abs 2 Nr 2 SGB VI aF war die og Formel zur Feststellung der Hinzuverdienstgrenzen geregelt; die rechtliche Bedeutung des Ausdrucks "Hinzuverdienst" wurde auch hier nicht festgelegt.

Auf Grund des Sinnzusammenhanges zwischen der (für den Einwand) rechtlichen Grundnorm des § 43 Abs 5 SGB VI und der diese teilweise ergänzenden Bezugsnorm des § 96a Abs 2 Nr 2 SGB VI ist es gerechtfertigt, in erweiternder Auslegung des § 43 Abs 5 SGB VI auf § 96a Abs 1 Satz 1 bis 6 SGB VI aF zurückzugreifen, und zwar in dessen ebenfalls am 1. Januar 1996 in Kraft getretenen und über das Jahr 2000 hinaus gültig gewesenen Fassung. Nach § 96a Abs 1 Satz 1 SGB VI wird "eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit nur geleistet, wenn die Hinzuverdienstgrenze nicht überschritten wird". Auf den Tatbestand dieser Vorschrift ist nicht einzugehen, weil die Grundregel des § 43 Abs 5 SGB VI aF nach Thema und Ausgestaltung insoweit spezieller (und rechtlich wesentlich genauer) ist. Die Rechtsfolge ("wird nicht geleistet") bestätigt allerdings die oben genannte, an die Dreistufigkeit anknüpfende Rechtsfolgenkonkretisierung in § 43 Abs 5 SGB VI aF. § 96a Abs 1 Satz 2 SGB VI aF bestimmt, dass die Hinzuverdienstgrenze nicht überschritten wird, "wenn das Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen aus einer Beschäftigung oder selbstständigen Tätigkeit im Monat die in Abs 2 aaO genannten Beträge nicht übersteigt, wobei ein zweimaliges Überschreiten um jeweils einen Betrag bis zur Höhe der Hinzuverdienstgrenze nach Abs 2 aaO im Laufe eines jeden Kalenderjahres außer Betracht bleibt". § 96a Abs 1 Satz 3 bis 6 SGB VI aF behandelt die Gleichstellung von Vorruhestandsgeld mit Arbeitsentgelt, die Zusammenrechnung mehrerer Beschäftigungen und Tätigkeiten sowie die Nichtberücksichtigung bestimmter Pflege-Entgelte. Die - rechtlich anders geartete - Anrechnung von Arbeitslosengeld blieb bis Ende 1998 in § 95 SGB VI aF geregelt (ab 1. Januar 1999 siehe für Bestandsrentner § 313a SGB VI).

Die erweiternde Auslegung verändert den Rechtsinhalt des § 43 Abs 5 SGB VI aF nicht, weil sie die darin enthaltene Bezugsnorm des § 96a Abs 2 Nr 2 SGB VI aF überhaupt erst anwendbar macht. Denn aus § 96a Abs 1 Satz 2 bis 6 SGB VI ergibt sich erst, dass "Hinzuverdienst" der Arbeitsverdienst ist, der für denselben Zeitraum erzielt wurde, auf den der Einzelanspruch bezogen ist; jeder Einzelanspruch aus einem Stammrecht auf Rente hat einen bestimmten Kalendermonat als Bezugszeitraum.

Als Hinzuverdienst war also nur "erzieltes Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen aus einer Beschäftigung oder selbstständigen Tätigkeit" zu berücksichtigen, also Arbeitsverdienst iS der §§ 14 und 15 Viertes Buch Sozialgesetzbuch <SGB IV> (vgl BSG SozR 3-2600 § 34 Nr 1, 3, 4 mwN). Schon aus der Formulierung "im Monat ... nicht übersteigt" ergibt sich zudem, dass es auch nach § 96a Abs 1 Satz 2 SGB VI aF bei der Beurteilung, ob die Hinzuverdienstgrenzen überschritten sind, auf das für den Monat erzielte Arbeitsentgelt ankam, wie § 43 Abs 5 SGB VI aF ohnehin bestimmte (vgl Niesel in Kasseler Kommentar, § 34 SGB VI RdNr 9). § 14 Abs 1 SGB IV (ab 1. April 1999: § 14 Abs 1 Satz 1 SGB IV) und § 15 Abs 1 Satz 1 SGB IV stellen ebenfalls auf das erzielte Erwerbseinkommen entweder aus einer Beschäftigung oder einer selbstständigen Tätigkeit ab. Insoweit ist die erweiternde Auslegung des § 43 Abs 5 SGB VI nicht von den verschiedenen hier eingreifenden Gesetzesvorbehalten betroffen.

c) An der Maßgeblichkeit des für den jeweiligen Monat tatsächlich erzielten Arbeitsverdienstes hat die Einführung des § 96a Abs 3 und 4 SGB VI durch Art 1 Nr 52 des Gesetzes zur Reform der gesetzlichen Rentenversicherung (RRG 1999) vom 16. Dezember 1997 (BGBl I 2998) mit Wirkung zum 1. Januar 1999 nichts geändert. § 43 Abs 5 SGB VI aF wurde nicht erweitert, die Klammer in dieser Vorschrift nicht gestrichen. In § 96a Abs 3 Satz 1 SGB VI wurde der Bezug bestimmter Sozialleistungen mit Lohnersatzfunktion iS des § 18a Abs 3 Satz 1 Nr 1 SGB IV "bei der Feststellung eines Hinzuverdienstes, der neben einer Rente wegen BU erzielt wird" dem Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen iS der §§ 14, 15 SGB IV bzw § 96a Abs 1 Satz 2 SGB VI gleichgestellt. In Satz 2 wurden die Lohnersatzleistungen benannt, die "bei der Feststellung eines Hinzuverdienstes, der neben einer Rente wegen Erwerbsunfähigkeit erzielt wird" dem Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen gleichstehen. Satz 3 bestimmte, dass als Hinzuverdienst das der Sozialleistung zu Grunde liegende monatliche Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen zu berücksichtigen ist. Nach Satz 4 waren die Sätze 1 und 2 auch für eine Sozialleistung anzuwenden, die aus Gründen ruht, die nicht in dem Rentenbezug liegen. Zugleich wurde § 95 SGB VI aF (Anrechnung von Arbeitslosengeld) aufgehoben.

Im Ergebnis kann für die streitigen Bezugszeiten von Januar 1999 bis zum Ende des Jahres 2000 die erweiternde Auslegung des statischen Verweises in dem unverändert gebliebenen § 43 Abs 5 SGB VI aF, die sogar die Ausdehnung des Übersicherungseinwands gemäß § 96a Abs 3 Satz 1 (und 2) SGB VI auf für den jeweiligen Monat tatsächlich zustehende Lohnersatzleistungen erfasst, gerade noch gerechtfertigt werden. Es handelt sich insoweit zwar um eine belastende Inhaltsänderung. Diese gestaltet aber lediglich die zuvor in § 96a Abs 1 Satz 3 bis 6 SGB VI aF und in § 95 SGB VI aF bereits geregelte Thematik näher aus und trägt der im Vergleich (Art 3 Abs 1 GG) untereinander gleichartigen Lohnersatzfunktion der in den Tatbestand des Einwandes neu einbezogenen mit den bereits früher erfassten Lohnersatzleistungen Rechnung, beseitigt also bedenkliche Ungleichbehandlungen. Ausschlaggebend ist, dass die erweiternde Auslegung auch in diesem Ausmaß nicht im Widerspruch zu § 43 Abs 5 SGB VI aF steht. Dies ist bei der Berücksichtigung von fiktiven, tatsächlich nicht erzielten Einkünften anders. Daher ist Abs 3 Satz 3 aaO im streitigen Zeitraum bei "BU-Renten" unanwendbar, nach dem bei diesen Lohnersatzleistungen der (stets höhere) Arbeitsverdienst als Hinzuverdienst zu berücksichtigen ist, der ihnen zu Grunde liegt.

Fraglich ist schon, ob Satz 3 aaO überhaupt für die Lohnersatzleistungen neben den "BU-Renten" aus Satz 1 aaO Geltung beansprucht oder ob Satz 3 aaO sich nur auf die Lohnersatzleistungen neben der "EU-Rente" bezieht. Denn im nachfolgenden Satz 4 wird ausdrücklich gesagt, dass die Sätze 1 und 2 auch für bestimmte ruhende Sozialleistungen gelten. Allerdings wird in diesem Zusammenhang das Auslegungsergebnis der Beklagten vom Schrifttum geteilt (vgl etwa Zweng/Scheerer/Buschmann/Dörr, Handbuch der Rentenversicherung - SGB VI, § 96a RdNr 84 ff; Kamprad in Hauck/Noftz, SGB VI K § 96a RdNr 29 ff; Eicher/Haase/Rauschenbach, Die Rentenversicherung der Arbeiter und der Angestellten, § 96a SGB VI Anm 5; Verbandskommentar, § 96a SGB VI RdNr 23; Gürtner in Kasseler Kommentar, § 96a SGB VI RdNr 27).

Im Wege der über die statische Verweisung in § 43 Abs 5 SGB VI aF hinausgehenden erweiternden Auslegung kann § 96a Abs 3 Satz 3 SGB VI aber schon deswegen nicht einbezogen werden, weil er - das Verständnis der BfA als insoweit richtig unterstellt - im Widerspruch zum ausdrücklichen Tatbestand des § 43 Abs 5 SGB VI aF steht, wonach Rente wegen BU abhängig vom "erzielten" Hinzuverdienst geleistet wird. § 96 Abs 3 Satz 3 SGB VI stellt demgegenüber einen nicht erzielten fiktiven Arbeitsverdienst dem erzielten gleich. Eine Auslegung, die zu einer Inhaltsänderung des Gesetzes gegen dessen Wortlaut führt, ist grundsätzlich "contra legem" und im Regelfall schon deshalb verfassungswidrig; grundrechtseinschränkendes originäres Richterrecht ist dies stets. Die gesetzliche Unterscheidung zwischen erzieltem und fiktivem Hinzuverdienst hat auch im Wortlaut des einleitenden ersten Halbsatzes des § 96a Abs 3 Satz 1 SGB VI seinen Niederschlag gefunden ("bei der Feststellung eines Hinzuverdienstes, der erzielt wird ..."). Der Deutsche Bundestag hat bei der Neufassung des § 96a SGB VI durch das RRG 1999 den Wortlaut und insbesondere die statische Verweisung des § 43 Abs 5 SGB VI gerade nicht verändert (etwa durch die Formulierung "erzielten oder gleichgestellten" Hinzuverdienst oder durch Änderung der Verweisung). Eine abermalige erweiternde Auslegung der Verweisung auf § 96a Abs 3 Satz 3 SGB VI kommt wegen des Widerspruchs der Normen (§ 45 Abs 3 SGB VI: "abhängig vom erzielten Hinzuverdienst"; § 96a Abs 3 Satz 3 SGB VI: Berücksichtigung des der Sozialleistung zu Grunde liegenden Erwerbseinkommens als Hinzuverdienst) nicht in Betracht. Auf Grund ihrer unzutreffenden Auslegung des Gesetzes hat die BfA somit einen fiktiven und offensichtlich überhöhten Hinzuverdienst berücksichtigt.

Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass dann, wenn der Geldwert des Stammrechts auf Rente in voller Höhe festgestellt ist, keine Bedenken gegen die rein verwaltungstechnische "Verwaltungsvorschrift in Gesetzesform" des § 66 Abs 4 SGB VI in dessen von 1996 bis 2000 gültig gewesenen Fassung bestehen. Danach war der Monatsbetrag ua einer nur teilweise zu leistenden Rente wegen BU aus dem Teil der Summe aller EP zu ermitteln, der dem Anteil der teilweise zu leistenden Rente an der vollen Rente entspricht. Es muss aber gesichert sein, dass die Berechnungsmethode zu keinen ungünstigeren Ergebnissen für den Rechtsinhaber führt als die materiell-rechtliche Regelung des § 43 Abs 5 SGB VI selbst erlaubt hat.

4. Die mit den Anfechtungsklagen zulässig (§ 54 Abs 4 SGG) kombinierten Leistungsklagen haben iS des unter Nr 2 ausgesprochenen Bescheidungsurteils Erfolg. Im Übrigen war die Revision zurückzuweisen. Die Beklagte muss über die Höhe des Nachzahlungsanspruches, den Rentenhöchstwert und über die Höhe der Einzelansprüche hieraus unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats erneut entscheiden. Dem weiter gehenden Begehren der Klägerin konnte allein mangels Spruchreife nicht entsprochen werden. Die von § 54 Abs 4 SGG erlaubte Kombination von Anfechtungs- und Leistungsklage konsumiert die nach materiellem Recht wegen des Verwaltungsvorbehalts der verfügenden Entscheidung über den "Anspruch" auf Leistung gebotene Verpflichtungsklage. Kann aber - wie hier - über die prozessualen Ansprüche auf Verurteilung zu (höheren) Leistungen sogar dem Grunde nach (§ 130 Abs 1 Satz 1 SGG) noch nicht entschieden werden, erlangt die konsumierte Verpflichtungsklage ihre Bedeutung zurück. Soweit auch ihr - mangels Spruchreife - nur im Sinne eines (Verpflichtungs-) Bescheidungsurteils stattgegeben werden kann, das gemäß § 201 SGG vollstreckbar ist, muss dies nach dem Gebot des effektiven Rechtsschutzes (Art 19 Abs 4 Satz 1 GG) geschehen.

Die Sache ist für die prozessualen Leistungs- oder Verpflichtungsansprüche nicht spruchreif. Aus den Bescheiden und Verwaltungsvorgängen der Beklagten, die der Senat insoweit bei der Prüfung der Frage einer Zurückverweisung iS von § 170 Abs 2 Satz 2 SGG durchgesehen hat, hat sich kein Anhalt dafür ergeben, welche Tatsachen für die einzelnen Entscheidungen über die Zahlungsansprüche in den streitigen 24 Monaten von Januar 1999 bis Dezember 2000 und für den Geldwert des Stammrechts zu Grunde zu legen sein könnten. Die Sozialgerichtsbarkeit kann im vorliegenden Fall die entscheidungserheblichen Tatsachen nur ermitteln und entscheiden, wenn sie sich völlig an die Stelle der Verwaltung setzt. Denn sämtliche Ermittlungen und alle Berechnungen müssen noch durchgeführt werden. Das aber wäre mit dem gesetzlichen (§ 117 SGB VI) und verfassungsrechtlichen Verwaltungsvorbehalt für verfügende Einzelfallentscheidungen nicht vereinbar.

Bei ihren jetzt nach ordnungsgemäßer Durchführung der gebotenen Verwaltungsverfahren (§§ 8, 18 Satz 2 Nr 1 SGB X iVm §§ 115 Abs 1, 43 Abs 5 SGB VI aF) zu treffenden Entscheidungen wird die Beklagte im Wesentlichen Folgendes zu beachten haben: Bei der monatlichen Gegenüberstellung der Einzelansprüche mit den erzielten Einkünften ist das Alg, das die Klägerin für den jeweiligen Monat tatsächlich bezogen hat, als Hinzuverdienst zu berücksichtigen. Für die Monate März bis Mai 1999 wird die Beklagte außerdem zu prüfen haben, ob sich das Arbeitsentgelt aus der von der Klägerin ausgeübten Beschäftigung in Höhe von 595,00 DM - wie das LSG festgestellt hat - auf einen Monat bezieht oder gemäß der Bescheinigung des Arbeitgebers insgesamt Entgelt für drei Monate (März bis Mai 1999) ist. Ferner wird die Beklagte die Tatsachen feststellen und nachvollziehbar mitteilen müssen, aus denen sich die individuellen EP der Klägerin im letzten Kalenderjahr vor Eintritt der BU (1997; Eintritt der BU 1998) ergeben.

5. Die Regelungen über den Übersicherungseinwand bei Überschreiten der Hinzuverdienstgrenzen bei Rente wegen BU (§§ 43 Abs 5, 66 Abs 4, 96a Abs 1, Abs 2 Nr 2 SGB VI idF des SGB VI-ÄndG; § 96 Abs 3 Satz 1 SGB VI idF des RRG 1999) sind in der vorgenannten Auslegung im Grundsatz verfassungsgemäß. Dabei lässt der Senat ausdrücklich offen, ob dies auch für die Ausgestaltung der drei Gruppen von Hinzuverdienstgrenzen im Einzelnen, insbesondere für die Hinzuverdienstfaktoren gilt. Denn deren materielles Differenzierungskriterium iS von Art 3 Abs 1 GG erschließt sich aus dem Gesetz ebenso wenig wie der genaue Sach- und Rechtsgrund für die gewählten Hinzuverdienstfaktoren. Ob es sich um sachgemäße Differenzierungen zwischen den Hinzuverdienenden handelt, muss hier allerdings noch nicht entschieden werden, solange nicht feststeht, ob die Klägerin überhaupt betroffen ist.

a) Der in den Hinzuverdienstgrenzen ausgestaltete anspruchsvernichtende Einwand beeinträchtigt den Schutzbereich der individualgrundrechtlichen Eigentumsgarantie und den allgemeinen Gleichheitssatz. Er muss sich daher an Art 14 Abs 1 GG und Art 3 Abs 1 GG messen lassen. Die Einführung eines solchen Übersicherungseinwands ist durch sachliche Gründe gerechtfertigt, die dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit genügen.

Das subjektiv-öffentliche Recht der Versicherten auf Rente wegen BU in voller Höhe seines Werts wird durch die Minderung oder den Wegfall der Rechtsfrucht des monatlich entstandenen und fällig gewordenen Zahlungsanspruchs eingeschränkt (anspruchsvernichtender Einwand - vgl BSGE 82, 83, 86 f = SozR 3-2600 § 93 Nr 7 S 49 f). Der Schutzbereich des Art 3 Abs 1 GG ist zum einen dadurch betroffen, dass die Personengruppe, die einen Hinzuverdienst über einer Hinzuverdienstgrenze erzielt, gegenüber den Personen, die keinen oder nur einen geringeren Hinzuverdienst haben, benachteiligt wird. Letztere erhalten bei gleicher Versicherungsbiografie, insbesondere gleicher Beitrags-vorleistung während ihres Erwerbslebens, die Rente ungekürzt ausbezahlt, während die andere Personengruppe nur einen Bruchteil des Werts erhält oder überhaupt keine Zahlung beanspruchen kann. Zum anderen ist auch die Gleichbehandlung von erzieltem Arbeitsverdienst und bezogenen Sozialleistungen mit Lohnersatzfunktion am Gleichheitssatz zu messen.

Rechte auf Versichertenrenten und "Rentenanwartschaften" (Anwartschaftsrechte) aus der gesetzlichen Rentenversicherung genießen den Schutz der Eigentumsgarantie des Art 14 Abs 1 Satz 1 GG (vgl BVerfGE 95, 143, 160 f; 100, 1, 31 ff). Die konkrete Reichweite dieses Schutzes ergibt sich aber stets (BVerfGE 58, 300 ff) erst aus der bereichsspezifischen gesetzlichen Bestimmung von Inhalt und Schranken des Eigentums, die nach Art 14 Abs 1 Satz 2 GG Sache des Gesetzgebers ist. Wie bereits ausgeführt, lassen die Regelungen über den Übersicherungseinwand bei der Rente wegen BU das Stammrecht unberührt. Sie haben Auswirkungen auf die Höhe der monatlichen Zahlungsansprüche. Verfassungsrechtlich handelt es sich insoweit um eine Schrankenbestimmung, weil dadurch für die Gruppe der Berechtigten, die einen Hinzuverdienst über den Hinzuverdienstgrenzen erzielen, die Rechtsposition - abweichend vom gesetzlichen Normalfall - umgestaltet wird (vgl BSGE 82, 83, 88 f = SozR 3-2600 § 93 Nr 7 S 51 f). Schrankenbestimmungen müssen stets verhältnismäßig sein. Der Eingriff in individuell entstandene Rechte und Anwartschaften muss in einem angemessenen Verhältnis zu dem mit dem Gesetz verfolgten (verfassungsgemäßen) Zweck stehen. Darüber hinaus bedürfen Schrankenbestimmungen immer auch eines Sachgrundes, der Art und Ausmaß der Abweichung von der Normalregelung rechtfertigt. Dies deckt sich in diesem Zusammenhang mit den verfassungsrechtlichen Anforderungen, welche auch durch den allgemeinen Gleichheitssatz gestellt werden (vgl BSGE 82, 83, 90 = SozR 3-2600 § 93 Nr 7 S 52 mit Hinweisen auf die Rechtsprechung des BVerfG).

b) Der Übersicherungseinwand genügt den verfassungsrechtlichen Anforderungen des Art 14 Abs 1 GG und Art 3 Abs 1 GG. Er ist dazu bestimmt (vgl BT-Drucks 13/2590 S 19 f, 23 zu Nr 5; BT-Drucks 13/3150 S 42 zu Nr 15a) die (irreführend "Lohnersatzfunktion" genannte) Funktion des Ersatzes von versichertem Erwerbseinkommen (Ersatzes von versichertem Arbeitsverdienst iS von §§ 14, 15 SGB IV) der Rente wegen BU zu stärken. Dazu soll verhindert werden, dass der Versicherte durch Rente und Hinzuverdienst aus einer Beschäftigung oder Erwerbstätigkeit ein höheres Gesamteinkommen erzielen kann, als vor dem Eintritt des Versicherungsfalles versichert war. Auch in der Sparte der Erwerbsminderungsversicherung ist nämlich der Versicherungsgegenstand, bei dessen Verlust oder Minderung die Versicherungsleistung zum Ausgleich zu erbringen ist, der in der Rentenversicherung beitragsbelastet gewesene Arbeitsverdienst. Dieser wird - anders als bei Lohnersatzleistungen - nicht durch das im letzten maßgeblichen Zeitraum Erlangte, sondern durch die im bisherigen Versicherungsverlauf erbrachte Vorleistung für die Rentenversicherung repräsentiert, die technisch (seit 1992) in EP bemessen wird. Der Umfang des Ausgleichs, den die Versicherungsleistung (hier Rente wegen BU) bewirken soll, wird durch das im Rentenartfaktor ausgestaltete Sicherungsziel festgelegt (§§ 63 Abs 4, 67 SGB VI); es betrug bei Renten wegen BU zwei Drittel des Versicherungsgegenstandes, also keine Vollsicherung (Rentenartfaktor 1,0). Ist aber der Versicherungsgegenstand trotz Eintritt des Versicherungsfalls nicht oder nur geringfügig gemindert worden, verfehlt die Versicherungsrente ihren gesetzlichen Zweck. Es besteht insoweit eine Übersicherung. Der Zweck, diese zu begrenzen, ist verfassungsgemäß.

c) Auch gegen die Begrenzungswirkung bestehen (vorbehaltlich der Ausdifferenzierungen im Einzelnen, auf die es hier <noch> nicht ankommt), keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken. Zweck der Rente wegen BU ist es, bei dauerhaft gesundheitsbedingtem Verlust eines versicherungspflichtig betätigten besonderen beruflichen Leistungsvermögens, die daraus sich langfristig ergebenden Nachteile für das Einkommensniveau des Versicherten und seine Alterssicherung teilweise auszugleichen. Sicherungsziel der Rente wegen BU ist der Nachteilsausgleich in Höhe von zwei Dritteln der Vollsicherung in Form der Altersrente (bis 31. Dezember 1991 Steigerungssatz 1 : 1,5 - §§ 1253 Abs 1, 1254 Abs 1 RVO; §§ 30 Abs 1, 31 Abs 1 AVG; ab 1. Januar 1992: Rentenartfaktor 0,6667 : 1,0 ab 1. Januar 2001 nur noch : 0,5 - §§ 63 Abs 4, 67 Nr 1 und 2 SGB VI). Sie ist deshalb auf Hinzuverdienst hin angelegt, wobei dieser in der Regel nur in einer unter halbschichtigen Beschäftigung oder vollschichtig in einem nach seiner Qualität unzumutbaren Verweisungsberuf erzielt werden kann. Anderenfalls ist schon kein Versicherungsfall der BU eingetreten (zum Versicherungsfall der BU näher: BSGE 78, 207, 208 ff = SozR 3-2600 § 43 Nr 13 S 19 ff; BSG SozR 3-2600 § 43 Nr 14 S 39 ff). Soll dem Versicherten nach Eintritt des Versicherungsfalls der BU (bis Ende des Jahres 2000) kein dadurch bedingter Schaden am zuvor versichert gewesenen Arbeitsverdienst bleiben, ist es notwendig, dass er das weitere Drittel (ab 2001: die weitere Hälfte - netto) hinzuverdienen kann. Eine Übersicherung kann überhaupt erst dann vorliegen, wenn diese Vollsicherung (brutto) wesentlich überschritten wird, wenn also der Versicherte aus Hinzuverdienst und BU-Rente ein Einkommen hat, das wesentlich mehr als das 1,5-fache (ab 2001: das Doppelte) des vollen Wertes des Rechts auf BU-Rente beträgt.

Gemessen an diesem Sicherungsziel hat der Gesetzgeber mit den Hinzuverdienstgrenzen bei Renten wegen BU (in den §§ 43 Abs 5, 66 Abs 4, 96a Abs 1, Abs 2 Nr 2 SGB VI idF des SGB VI-ÄndG; § 96 Abs 3 Satz 1 idF des RRG 1999) eine die Betroffenen keinesfalls übermäßig belastende Regelung getroffen. Der anspruchsvernichtende Einwand der Übersicherung ist zukunftsgerichtet im Grundsatz eine offensichtlich nicht unverhältnismäßige Konkretisierung einer im Grundrecht selbst angelegten Schranke. Soweit - wie hier - eine tatbestandliche Rückanknüpfung zu bedenken ist, greift die Einführung des Einwands nicht unverhältnismäßig in bestehende Rechte und Anwartschaftsrechte auf Renten wegen BU ein. Die Regelung ermöglicht einen Hinzuverdienst, bei dem das Einkommen aus Rente wegen BU und erzieltem Hinzuverdienst eindeutig im Bereich der Übersicherung liegt. Die dreifach gestuften Gruppen von Hinzuverdienstgrenzen hängen (in der Regel) von den individuellen Vorleistungen für die Rentenversicherung (in EP bemessen) im letzten Kalenderjahr vor Eintritt der BU ab. Auch die ausnahmsweise heranzuziehenden Mindesthinzuverdienstgrenzen sind noch erheblich und decken bei weitem den in der BU-Versicherung versicherten Schaden ab. Ab 1. Januar 1999 war - gemessen an der Untergrenze - bis zu einem monatlichen Hinzuverdienst von 1.250,81 DM (52,5 x 47,65 DM x 0,5) Rente wegen BU in Höhe ihres vollen Wertes zu zahlen. In Höhe von zwei Dritteln ihres vollen Wertes war bis zu einem monatlichen Hinzuverdienst von 1.667,75 DM (70 x 47,65 DM x 0,5) zu erfüllen. Anspruch auf eine monatliche Zahlung in Höhe von einem Drittel bestand bis zu einem Hinzuverdienst von 2.084,64 DM (87,5 x 47,65 DM x 0,5). War im letzten Kalenderjahr vor Eintritt der BU ein höherer Rangstellenwert (EP) als 0,5 (bis zu den jährlichen Höchstwerten an EP nach der Anlage 2 b zum SGB VI) erzielt worden, konnten entsprechend der Formel noch höhere Hinzuverdienste rentenunschädlich erzielt werden.

Die Gleichbehandlung von erzieltem Arbeitsverdienst und erhaltenen Sozialleistungen mit Lohnersatzfunktion verstößt ebenfalls nicht gegen Art 3 Abs 1 GG. Die in § 96a Abs 3 Satz 1 SGB VI idF des RRG 1999 genannten Lohnersatzleistungen (im Falle der Klägerin das Alg), treten an die Stelle des Arbeitsverdienstes und sind in der Regel niedriger als dieses. Auch das Alg repräsentiert das Arbeitsentgelt aus einer Beschäftigung oder das Arbeitseinkommen aus einer selbstständigen Tätigkeit. Es betrug in dem streitigen Zeitraum 60 % bzw 67 % des pauschalierten Nettoentgelts (§ 129 Drittes Buch Sozialgesetzbuch - SGB III - idF vom 24. März 1997, BGBl I 594). Wegen ihrer Lohnersatzfunktion bewirken diese Sozialleistungen ohnehin ebenfalls, dass trotz des Versicherungsfalls der BU der deswegen ausgefallene rentenversicherte Arbeitsverdienst in jedem Falle mehr als vollständig ersetzt wird. Dies ist ein hinreichend gewichtiger Grund, der die Gleichbehandlung dieser Einkunftsarten rechtfertigt.

Darauf, dass in den og Gesetzesmaterialien auch berufsregelnde Absichten bekundet wurden, welche die Berufsfreiheit gerade der behinderten Menschen verfassungswidrig einschränken könnten (Art 3 Abs 3 Satz 3 iVm Art 12 Abs 1 GG), ist nicht näher einzugehen, weil diese Absichten im (verfassungskonform verstandenen) Gesetz keinen Niederschlag gefunden haben.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 183, 193 SGG und beruht auf der Erwägung, dass die Beklagte überwiegend unterlegen ist und durch die Gestaltung des Bescheides vom 12. August 1999, dessen genauer Gehalt im Einzelnen weder von den Tatsachengerichten noch vom Revisionsgericht nachvollzogen werden konnte, in allen Instanzen ausschlaggebend Veranlassung zum Rechtsstreit gegeben hat.



Ende der Entscheidung

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