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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundessozialgericht
Urteil verkündet am 31.10.2002
Aktenzeichen: B 4 RA 51/02 R
Rechtsgebiete: ZPO, SGG


Vorschriften:

ZPO § 579 Abs. 2
ZPO § 579 Abs. 1 Nr. 1
ZPO § 579 Abs. 1 Nr. 2
ZPO § 579 Abs. 1 Nr. 3
ZPO § 579 Abs. 1 Nr. 4
SGG § 179 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESSOZIALGERICHT Im Namen des Volkes Urteil

in dem Rechtsstreit

Az: B 4 RA 51/02 R

Der 4. Senat des Bundessozialgerichts hat am 31. Oktober 2002 ohne mündliche Verhandlung durch den Vorsitzenden Richter Dr. Meyer, die Richterin Tüttenberg und den Richter Husmann sowie die ehrenamtliche Richterin Grützmacher und den ehrenamtlichen Richter Oster

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Revision des Klägers wird der Beschluss des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 15. März 2001 aufgehoben. Der Rechtsstreit wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.

Gründe:

I

Der 4. Senat des Landessozialgerichts (LSG) Nordrhein-Westfalen hat am 15. März 2001 in Besetzung mit drei Berufsrichtern folgenden Beschluss gefasst:

"Die gegen das Urteil des Senats vom 16.08.1999 gerichtete Nichtigkeitsklage sowie die weiteren Begehren des Klägers werden als unzulässig verworfen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

Die gegen das ihm am 28.09.1999 zugestellte Urteil des Senats vom 16.08.1999 am 25.10.1999 eingelegte Nichtigkeitsklage ist unzulässig, weil keine Gründe im Sinne von § 579 Abs. 1 Nrn. 1 - 4 ZPO i.V.m. § 179 Abs. 1 SGG geltend gemacht worden sind. Tatsächlich rügt der Kläger mehrere Verfahrensfehler, aufgrund derer seiner Meinung nach das Urteil vom 16.08.1999 zustande gekommen sein soll. Solche Verfahrensfehler hätte er entsprechend der Rechtsmittelbelehrung in dem Urteil mit der Nichtzulassungsbeschwerde angreifen müssen (vgl. insoweit auch § 579 Abs. 2 ZPO), was er aber nicht getan hat.

Mangels Zulässigkeit der Nichtigkeitsklage ist eine 'Fortsetzung' im Sinne einer Wiederaufnahme des Verfahrens ausgeschlossen. Darüber hinaus gibt es für eine Fortsetzung des Verfahrens nach rechtskräftig gewordenem Endurteil keine prozessuale Rechtsgrundlage. Deshalb ist auch kein Raum für die neuen Anträge zur Sache.

Soweit darüber hinaus die im Schriftsatz des Klägers vom 27.02.2001 genannten Auskunfts- und Untätigkeitsklagen als eigene neue Klagen gemeint sein sollten, sind diese gemäß § 29 SGG unzulässig, weil das Landessozialgericht - außer in Fällen des § 96 SGG - Entscheidungen nur im zweiten Rechtszug zu treffen hat.

Dieser Beschluß konnte in entsprechender Anwendung von § 158 Satz 1 SGG (s. Meyer-Ladewig, SGG, 6. Aufl. 1998, § 158 Rn. 6) ergehen. Der Kläger ist nach Satz 2 dieser Bestimmung mit Verfügung vom 09.02.2001 angehört worden und hat sich mit Schriftsatz vom 27.02.2001 erneut geäußert.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG. Anlaß, die Revision zuzulassen, bestand nicht."

Auf die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers hat das Bundessozialgericht (BSG) durch Beschluss vom 31. Juli 2002 die Revision gegen den vorgenannten Beschluss des LSG wegen des Verfahrensfehlers des Fehlens von Entscheidungsgründen zugelassen. Der Kläger hat diese Revision eingelegt und macht geltend, es liege keine hinreichende oder auch nur nachvollziehbare Begründung vor.

Der Kläger beantragt schriftsätzlich sinngemäß,

den Beschluss des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 15. März 2001 aufzuheben und den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückzuverweisen.

Die Beklagte stellt keinen Antrag.

II

Die zulässige Revision des Klägers ist im Sinne der Aufhebung des angefochtenen Beschlusses des LSG und der Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht begründet. Das LSG hat Bundesrecht ua dadurch verletzt, dass es seinen auf § 158 Satz 1 und 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) gestützten Verwerfungsbeschluss entgegen § 142 Abs 2 Satz 1 SGG nicht hinreichend begründet hat. Nach § 158 Satz 3 SGG steht den Beteiligten gegen einen solchen Verwerfungsbeschluss das Rechtsmittel zu, das zulässig wäre, wenn das Gericht durch Urteil entschieden hätte. Deswegen muss ein solcher Beschluss derart begründet sein, dass er wie ein Urteil selbstständige Grundlage der revisionsgerichtlichen Überprüfung sein kann. Er muss also nicht nur die nach § 136 Abs 1 SGG für ein Urteil, an dessen Stelle er ergeht, notwendigen Inhalte darstellen, insbesondere entsprechend § 136 Abs 2 Satz 2 SGG in jedem Falle die erhobenen Ansprüche genügend kennzeichnen und die dazu vorgebrachten Angriffs- und Verteidigungsmittel ihrem Wesen nach hervorheben, sondern insbesondere auch alle Haupttatsachen festhalten, auf welche das Berufungsgericht seine Entscheidung gestützt hat. Genügt die Entscheidung des Berufungsgerichts diesen Anforderungen nicht, liegen keine ausreichenden Entscheidungsgründe iS von § 547 Nr 6 der Zivilprozessordnung (ZPO) vor. Denn der Beurteilung des Revisionsgerichts unterliegen nur diejenigen Tatsachen, die aus der Entscheidung des Berufungsgerichts (oder - hier nicht einschlägig - dem Sitzungsprotokoll) ersichtlich sind (§ 202 SGG iVm § 559 Abs 1 ZPO).

Der Kläger rügt zulässig und begründet, dass die Entscheidung des LSG nicht mit nachvollziehbaren Gründen versehen ist. Aus dem angefochtenen Beschluss ergibt sich zwar, dass das LSG das von ihm nicht näher beschriebene Vorbringen des Klägers als Erhebung einer Nichtigkeitsklage gegen ein Berufungsurteil des LSG vom 16. August 1999 qualifiziert hat; ferner, dass der Kläger "weitere Begehren" vorgebracht hat. Aus der Begründung des LSG ist auch noch erschließbar, dass der Kläger gegen das frühere Berufungsurteil keine Nichtzulassungsbeschwerde erhoben und wohl auch "neue Anträge zur Sache" gestellt hat. Schließlich wird noch mitgeteilt, er habe im Schriftsatz vom 27. Februar 2001 Ausführungen gemacht, die als Auskunfts- und Untätigkeitsklagen gemeint gewesen sein könnten. Der angefochtene Beschluss enthält somit keine genügende Kennzeichnung der vom Kläger vor dem LSG erhobenen Ansprüche, der von ihm dazu vorgebrachten Angriffs- und Verteidigungsmittel und insbesondere - außer einigen fast unverständlichen Hinweisen auf die Prozessgeschichte - keine Feststellung des Vorliegens oder Nichtvorliegens von Tatsachen. Das Revisionsgericht kann auf der Grundlage dieses Beschlusses nicht einmal überprüfen, ob die vom LSG vorgenommenen Qualifizierungen des nicht näher benannten Parteivorbringens zutreffen, ob die Entscheidung in sich stimmig und ob sie auf Grund des in Wirklichkeit vorliegenden Sachverhaltes nach Bundesrecht zutreffend ist.

Da also der Beschluss des LSG keine ausreichende Beurteilungsgrundlage für die Frage ist, ob der Ausspruch des LSG im Ergebnis zutrifft, ist es nicht nur tunlich, sondern geboten, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 170 Abs 2 SGG).

Das Berufungsgericht wird auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.

Ende der Entscheidung

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