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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundessozialgericht
Urteil verkündet am 08.06.2004
Aktenzeichen: B 4 RA 61/03
Rechtsgebiete: AAÜG


Vorschriften:

AAÜG § 1
AAÜG § 8
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESSOZIALGERICHT Im Namen des Volkes Urteil

in dem Rechtsstreit

Verkündet am 8. Juni 2004

Az: B 4 RA 61/03 R

Der 4. Senat des Bundessozialgerichts hat auf die mündliche Verhandlung vom 8. Juni 2004 durch die Richterin Tüttenberg als Vorsitzende, die Richter Husmann und Dr. Knörr sowie die ehrenamtlichen Richter Teske und Dr. Wirsam

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 3. September 2003 aufgehoben. Der Rechtsstreit wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.

Gründe:

I

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Beklagte als Versorgungsträger für das Zusatzversorgungssystem nach Nr 1 der Anlage 1 zum Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz (AAÜG) verpflichtet ist, für den Kläger Tatbestände von Zeiten der Zugehörigkeit zur Altersversorgung der technischen Intelligenz (AVItech) und die in diesem Zeitraum erzielten Arbeitsverdienste festzustellen.

Dem 1939 geborenen Kläger verlieh die Technische Universität Dresden am 30. November 1962 den akademischen Grad eines Diplom-Physikers. Im Anschluss daran war er nach den Feststellungen des LSG wie folgt beschäftigt:

- vom 1. Januar 1963 bis 6. März 1965 als Diplom-Physiker beim VEB Filmfabrik A. -

- vom 8. März 1965 bis 30. Juni 1970 als Entwicklungsingenieur bzw Themenverantwortlicher beim VEB Elektronische Rechenmaschinen K.

- von Juli 1970 bis Dezember 1975 als Themenleiter beim VEB Kombinat R. ZFZ FG Geräte;

- von Januar 1970 bis Juni 1979 als Entwickler elektronischer Baugruppen der EDV im selben Betrieb;

- von Juli 1979 bis Ende 1980 als Gruppenleiter/Themenleiter im Bereich der Entwicklung von Drucktechnik im VEB Elektronik D.

- von Januar 1981 bis Juni 1989 als Gruppenleiter Drucktechnik und stellvertretender Abteilungsleiter im selben Betrieb;

- von Juli 1988 bis März 1991 als Gruppenleiter "Bautechnik" bzw stellvertretender Abteilungsleiter im VEB R. Buchungsmaschinenwerk WTZ K.

Der Kläger war in der Sozialpflichtversicherung der DDR versichert; zum 1. Juni 1973 trat er der freiwilligen Zusatzrentenversicherung (FZR) bei.

Im Juni 1999 beantragte er bei der Beklagten, seine Beschäftigungszeiten als Zugehörigkeitszeiten zur AVItech sowie die dabei erzielten Arbeitsverdienste festzustellen. Die Beklagte lehnte den Antrag mit der Begründung ab, der Kläger habe eine Versorgungszusage in der DDR nicht erhalten; auch auf Grund seiner Qualifikation als Diplom-Physiker unterfalle er nicht dem Anwendungsbereich der AVItech (Bescheid vom 12. Juli 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. November 2001).

Das SG hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 5. Februar 2003). Die Berufung des Klägers hat das LSG zurückgewiesen (Urteil vom 3. September 2003). Zur Begründung hat das LSG ausgeführt, der Kläger werde nicht vom Anwendungsbereich des § 1 Abs 1 Satz 1 AAÜG erfasst. Eine Versorgungszusage habe er nicht erhalten. Er habe, bezogen auf den 30. Juni 1990, auch aus bundesrechtlicher Sicht keinen "fiktiven" Anspruch auf Erteilung einer derartigen Zusage gehabt; als Diplom-Physiker gehöre er nicht zur begünstigten Berufsgruppe. Auch weiteren begünstigten Gruppen könne er nicht zugeordnet werden. Selbst wenn er in der Berufspraxis Tätigkeiten wie ein Ingenieur ausgeübt haben sollte, werde er nicht erfasst, weil er nicht die Berechtigung gehabt habe, den Titel eines Ingenieurs zu führen. Soweit er geltend mache, die Tätigkeiten eines Konstrukteurs ausgeübt zu haben, fehle es an einem entsprechenden Berufsabschluss. Konstrukteure seien im Bereich Maschinenbau in der DDR im Rahmen der Aus- und Weiterbildung der Werktätigen in Betriebsschulen aus Facharbeiterkadern fortgebildet worden, wie das LSG in einem Urteil vom 11. September 2002 (L 4 RA 165/02) festgestellt habe. Eine solche Ausbildung habe der Kläger weder dargelegt noch durch Vorlage entsprechender Zeugnisse nachgewiesen. Auch sei er im Zeitpunkt der Schließung der Versorgungssysteme am 30. Juni 1990 nach den von ihm vorgelegten Unterlagen nicht als Konstrukteur beschäftigt gewesen. Nach dem Änderungsvertrag vom 26. Juni 1979 sei er ab 1. Juli 1979 als Gruppenleiter tätig gewesen. Nach seinen Angaben und den vorgelegten Zeugnissen habe er im Übrigen seit 1981 zudem als stellvertretender Abteilungsleiter gearbeitet, und damit nicht die Tätigkeit eines Konstrukteurs ausgeübt. Dem stünden die vom Kläger vorgelegten Zeugenerklärungen nicht entgegen.

Mit seiner Revision rügt der Kläger eine Verletzung der §§ 1, 8 AAÜG sowie seines Rechts auf rechtliches Gehör. Er trägt vor, entgegen der Auffassung des LSG habe er die persönlichen Voraussetzungen für eine Einbeziehung in die AVItech durch seine Beschäftigung als Konstrukteur erfüllt. Im einschlägigen Versorgungsrecht würden Konstrukteure ausdrücklich als versorgungsberechtigt aufgeführt. Für deren Zusatzversorgungsberechtigung sei nicht die Berufsbezeichnung oder ein Berufsabschluss entscheidend, sondern die Ausübung des Berufs. Hierbei komme den vorgelegten Arbeitsverträgen und Zeugnissen eine besondere Bedeutung zu, in denen seine Tätigkeiten als Entwickler, Entwicklungsingenieur, Themenleiter einer Entwicklung, Gruppenleiter Forschung und Entwicklung und die eines stellvertretenden Abteilungsleiters genannt worden seien. Das Wort "entwickeln" sei ein Synonym für das Wort "konstruieren". Die Feststellung des LSG, in der DDR habe es für Konstrukteure eine Berufsausbildung und einen Berufsabschluss gegeben, sei verfahrensfehlerhaft zu Stande gekommen. Er habe im Berufungsverfahren unwidersprochen vorgetragen, in der DDR habe es keinen Berufsabschluss oder Titel "Konstrukteur" gegeben. Erstmals im angefochtenen Urteil habe das LSG abweichend festgestellt, dass Konstrukteure im Bereich Maschinenbau in der DDR im Rahmen der Aus- und Weiterbildung der Werktätigen in Betriebsschulen aus Facharbeiterkadern fortgebildet worden seien. Dabei habe das LSG auf seine Entscheidung vom 11. September 2002 (L 4 RA 165/02) Bezug genommen. Mit dieser ihn überraschenden Feststellung habe das Berufungsgericht sein Recht auf rechtliches Gehör verletzt. Im Übrigen habe die im zitierten Urteil angegebene Fundstelle Techniker betroffen und an anderer (im Urteil nicht genannter) Stelle seien Ausführungen zum technischen Zeichner gemacht worden. Auch die Feststellung, er sei am 30. Juni 1990 nicht als Konstrukteur beschäftigt gewesen, habe das LSG verfahrensfehlerhaft getroffen. Es habe unter einem gedanklichen Fehlschluss aus der Tatsache, dass er seit 1981 zusätzlich als stellvertretender Abteilungsleiter eingesetzt gewesen sei, angenommen, er habe keine Tätigkeit als Konstrukteur ausgeübt. Da das LSG keine verwertbaren tatsächlichen Feststellungen zu seinen Tätigkeiten getroffen habe, sei die Revision zumindest im Sinne der Zurückverweisung begründet.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 3. September 2003 und das Urteil des Sozialgerichts Chemnitz vom 5. Februar 2003 sowie den Bescheid der Beklagten vom 12. Juli 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. November 2001 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, den Zeitraum vom 1. Januar 1963 bis 30. Juni 1990 als Zeit der Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz sowie die in diesem Zeitraum tatsächlich erzielten Arbeitsentgelte festzustellen.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie macht geltend, Voraussetzung für die Beurteilung, ob ein Beschäftigter als Konstrukteur im Sinne der AVItech in volkseigenen oder ihnen gleichgestellten Betrieben gearbeitet habe, sei zunächst eine Beschäftigung als Konstrukteur. Beschäftigung in diesem Sinne sei die im Arbeitsvertrag angegebene Tätigkeit. Eine Auslegung, dass eine bestimmte Beschäftigung möglicherweise Elemente einer Konstruktionstätigkeit enthalte, widerspreche der abstrakt-generellen Betrachtungsweise der Texte der Versorgungsordnungen aus bundesrechtlicher Sicht. Nach seinen Angaben sei der Kläger im Juni 1990 nicht als Konstrukteur, sondern als Gruppenleiter und Abteilungsleiter beschäftigt gewesen. Diese Berufe seien nicht in der maßgeblichen 2. Durchführungsbestimmung (2. DB) zur AVItech aufgelistet. Ob eine frühere Beschäftigung ggf von der AVItech erfasst worden sei, sei unerheblich.

II

Die Revision ist in dem Sinn begründet, dass das angefochtene Urteil des LSG mit den ihm zu Grunde liegenden Feststellungen aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen wird (§ 170 Abs 2 Satz 2 SGG).

Gegenstand des Revisionsverfahrens ist das Begehren des Klägers, die Urteile des LSG vom 3. September 2003 und des SG vom 5. Februar 2003 aufzuheben sowie die Entscheidungen der Beklagten im Bescheid vom 12. Juli 2001 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. November 2001 aufzuheben und diese zu verpflichten, die Beschäftigungszeiten vom 1. Januar 1963 bis 30. Juni 1990 als Zeiten der Zugehörigkeit zur AVItech sowie die dabei erzielten tatsächlichen Verdienste festzustellen. Der Kläger hat sein Begehren zulässig in Kombination von Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen (§ 54 Abs 1 SGG) verfolgt. Ob die Klagen begründet sind, kann der Senat wegen fehlender Feststellungen des LSG nicht abschließend entscheiden.

In dem Verfahren nach § 8 AAÜG, das einem Vormerkungsverfahren nach § 149 Abs 5 SGB VI ähnlich und außerhalb des Rentenverfahrens durchzuführen ist (dazu stellv: Urteil des Senats vom 18. Juli 1996, SozR 3-8570 § 8 Nr 2), ist die Beklagte nur dann zu den vom Kläger begehrten Feststellungen verpflichtet, wenn dieser dem persönlichen Anwendungsbereich des AAÜG unterfällt (§ 1 Abs 1 AAÜG). Erst wenn dies zu bejahen ist, ist in einem weiteren Schritt festzustellen, ob er Beschäftigungszeiten zurückgelegt hat, die einem Zusatzversorgungssystem, hier der AVItech, zuzuordnen sind (§ 5 AAÜG).

Gemäß § 1 Abs 1 AAÜG gilt das Gesetz für Ansprüche und Anwartschaften (= Versorgungsberechtigungen), die auf Grund der Zugehörigkeit zu Versorgungssystemen im Beitrittsgebiet erworben worden sind (Satz 1). Soweit die Regelungen der Versorgungssysteme einen Verlust der Anwartschaft bei Ausscheiden aus dem Versorgungssystem vor dem Leistungsfall vorsahen, gilt dieser Verlust als nicht eingetreten (Satz 2).

1. Der Kläger war bei Inkrafttreten des AAÜG am 1. August 1991 nicht Inhaber einer bestehenden Versorgungsberechtigung im Sinne des § 1 Abs 1 Satz 1 AAÜG.

Einen "Anspruch" auf Versorgung (= Vollrecht) hat er bei Inkrafttreten des AAÜG am 1. August 1991 nicht gehabt. Denn schon ein "Versorgungsfall" (Alter, Invalidität) war bis zu diesem Zeitpunkt nicht eingetreten. Er war zu diesem Zeitpunkt auch nicht Inhaber einer bestehenden Versorgungsanwartschaft. Dies hätte vorausgesetzt, dass er in das System entweder durch staatlichen Akt oder auf Grund arbeitsvertraglicher Absprache einbezogen gewesen wäre. Diese Voraussetzungen lagen nach den für den Senat bindenden Feststellungen des LSG nicht vor.

2. Auch der Tatbestand des § 1 Abs 1 Satz 2 AAÜG ist nicht erfüllt. Der Kläger war nach den Feststellungen des LSG zu keinem Zeitpunkt vor dem 30. Juni 1990 in ein Versorgungssystem einbezogen und vor Eintritt des Leistungsfalls ausgeschieden (Fall einer gesetzlich fingierten Versorgungsanwartschaft).

3. Ob der Kläger am 1. August 1991 Inhaber einer fingierten Versorgungsanwartschaft war, die sich aus einer vom Senat vorgenommenen erweiternden verfassungskonformen Auslegung des § 1 Abs 1 AAÜG herleitet, kann der Senat wegen fehlender Feststellungen des LSG nicht abschließend beurteilen.

Bei Personen, die am 30. Juni 1990 in ein Versorgungssystem nicht einbezogen waren und die nachfolgend auch nicht auf Grund originären Bundesrechts (zB Art 17 EinigVtr) einbezogen wurden, ist zu prüfen, ob sie aus der Sicht des am 1. August 1991 gültigen Bundesrechts nach den am 30. Juni 1990 gegebenen Umständen einen Anspruch auf Erteilung einer Versorgungszusage gehabt hätten (hierzu: Urteile des Senats vom 9. April 2002, SozR 3-8570 § 1 Nr 2 und 7).

Ein solcher Anspruch hängt im Bereich der AVItech gemäß § 1 der Verordnung über die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben (nachfolgend: VO-AVItech) vom 17. August 1950 (GBl S 844) und der 2. DB zur VO-AVItech vom 24. Mai 1951 (GBl S 487) von drei Voraussetzungen ab (vgl hierzu ua: Urteile des Senats vom 9. April 2002, SozR 3-8570 § 1 Nr 6 und Nr 2). Generell war dieses System eingerichtet für

(1) Personen, die berechtigt waren, eine bestimmte Berufsbezeichnung zu führen, (persönliche Voraussetzung), und

(2) die entsprechende Tätigkeit tatsächlich ausgeübt haben (sachliche Voraussetzung), und zwar

(3) in einem volkseigenen Produktionsbetrieb im Bereich der Industrie oder des Bauwesens (betriebliche Voraussetzung).

a) Auf Grund fehlender bindender Feststellungen des LSG kann der Senat nicht beurteilen, ob der Kläger die persönliche Voraussetzung für eine Einbeziehung erfüllt.

Nach § 1 Abs 1 Satz 1 der 2. DB gelten als Angehörige der technischen Intelligenz ua Ingenieure, Konstrukteure, Architekten und Techniker aller Spezialgebiete. Zutreffend ist das LSG davon ausgegangen, dass der Kläger auf Grund seiner Qualifikation als Diplom-Physiker nicht von dieser Norm erfasst wird (vgl dazu auch: Urteil des Senats vom 31. Juli 2002, B 4 RA 62/01 R). Nicht entscheidend ist, ob er Ingenieurtätigkeiten verrichtet hat; denn bezüglich dieser Berufsgruppe erfüllte ein Beschäftigter in der DDR die persönliche Anwendungsvoraussetzung nur, wenn er formal berechtigt war, den Titel "Ingenieur" zu führen (Urteil des Senats vom 10. April 2002, SozR 3-8570 § 1 Nr 8). Eine solche Berechtigung war dem Kläger nicht verliehen worden.

Ob das LSG zu Recht verneint hat, der Kläger sei auch nicht der in § 1 Abs 1 Satz 1 der 2. DB genannten Berufsgruppe der Konstrukteure zuzuordnen, kann der Senat nicht abschließend entscheiden.

Das LSG hat festgestellt, in der DDR seien Werktätige im Bereich Maschinenbau im Rahmen einer Aus- und Weiterbildung in Betriebsschulen zum Konstrukteur fortgebildet worden; eine solche Ausbildung habe der Kläger weder behauptet noch durch Vorlage entsprechender Unterlagen nachgewiesen; er habe daher keinen Berufsabschluss als Konstrukteur gehabt.

Diese Feststellungen hat der Kläger mit zulässigen und begründeten Verfahrensrügen angegriffen. Er hat geltend gemacht, er habe während des Verfahrens vor dem LSG unwidersprochen vorgetragen, es habe in der DDR einen Berufsabschluss als Konstrukteur oder den Titel eines Konstrukteurs nicht gegeben. Das LSG habe ohne vorherigen Hinweis im Verfahren, und zwar auch nicht in der mündlichen Verhandlung, erstmals im angefochtenen Urteil darauf hingewiesen, Konstrukteure seien in der DDR im Bereich Maschinenbau in Betriebsschulen aus Facharbeiterkadern fortgebildet worden; zum Beleg habe das LSG auf seine Entscheidung vom 11. September 2002 (L 4 RA 165/02) Bezug genommen. Insoweit habe das LSG zum einen sein Recht auf rechtliches Gehör verletzt, zum anderen sei die im zitierten Urteil genannte Quelle untauglich. Denn dort habe das LSG auf die Publikation der Bundesanstalt für Arbeit (BA) "Berufe in der ehemaligen DDR", Heft 9 S 270 Bezug genommen. Dieses Heft betreffe jedoch Techniker und führe an anderer Stelle, jedenfalls nicht auf S 270, aus, dass technische Zeichner sich durch einen Weiterbildungslehrgang zum Teilekonstrukteur, Entwicklungsassistenten oder Konstrukteursassistenten qualifizieren konnten.

Die Verfahrensrüge ist zulässig. Der Kläger hat zum einen schlüssig dargelegt, dass er auf Grund des Ablaufs des Berufungsverfahrens davon ausgehen konnte, auch das LSG werde zu Grunde legen, dass es in der DDR keine Berufsausbildung und keinen Berufsabschluss als Konstrukteur gegeben habe, sodass er durch die erstmalige abweichende Feststellung im Berufungsurteil überrascht worden sei. Zugleich hat er sinngemäß dargetan, er hätte vorgetragen, dass die vom LSG zitierte Publikation der BA ein untaugliches Beweismittel sei, sodass sich das LSG hierauf nicht habe stützen können und nicht hätte davon ausgehen dürfen, dass es in der DDR einen Berufsabschluss als Konstrukteur gegeben habe. Damit hat er zugleich dargelegt, dass das Urteil, in dem das LSG die persönliche Voraussetzung gerade wegen des fehlenden Berufsabschlusses verneint hat, auf dem gerügten Verfahrensmangel beruhen kann.

Die zulässige Rüge ist auch begründet. Ohne einen vorherigen Hinweis zu geben, hat das LSG erstmals im Berufungsurteil seine abweichende Auffassung unter Hinweis auf die im Urteil vom 11. September 2002 (L 4 RA 165/02) zitierte Quelle dargetan, sodass der Kläger von dieser Feststellung, die unter Zugrundelegung der Rechtsauffassung des LSG entscheidungserheblich war, überrascht worden war. Zutreffend hat der Kläger die vom LSG benannte Quelle als untauglich bezeichnet. Denn auf der zitierten "S 270" der Publikation der BA findet sich auch nicht ansatzweise ein Hinweis auf die Berufgruppe der Konstrukteure in der DDR. Vielmehr wird dort unter der Überschrift "Techniker(in) - Fachrichtung Maschinenkonstruktion (Berufe der ehemaligen DDR)" die Technikerausbildung an Fachschulen einschließlich der erforderlichen Vorbildung, Ausbildungsdauer, Bildungsgang und der Ausbildungsziele und -inhalte sowie der Aufgaben dargestellt. Rückschlüsse auf einen Ausbildungsgang und -abschluss als Konstrukteur lassen sich aus diesen Darstellungen nicht ziehen. Soweit an anderer Stelle (S 290) Konstrukteurberufe aufgelistet werden, werden diese in der Rubrik "Berufe in der Bundesrepublik Deutschland" aufgeführt, während in der vergleichenden Rubrik "Verwandte Berufe in der DDR" nur Technikertätigkeiten benannt werden.

Auf die zitierte Quelle konnte das LSG somit seine Feststellungen zum Konstrukteurberuf in der DDR nicht stützen. Es wird nunmehr zu ermitteln haben, ob es in der DDR abstrakt-generelle Regelungen zum "Beruf des Konstrukteurs" gab. Hierbei wird es seine Ermittlungen ggf in einer dreistufigen Abfolge vorzunehmen haben.

- Zunächst wird es zu ermitteln haben, ob es in der DDR von staatlicher Stelle erlassene Regelungen zum "Beruf des Konstrukteurs" gab, zB in Form von Gesetzen, Verordnungen, Erlassen, Richtlinien oder sonstigen staatlichen Bekundungen.

- Sollten sich derartige Regelungen nicht feststellen lassen, wird das LSG aufzuklären haben, ob abstrakt-generellen Vereinbarungen der beteiligten Berufskreise, und zwar insbesondere in sog Kollektivverträgen im Sinne des DDR-Arbeitsrechts, Aussagen zum "Beruf des Konstrukteurs" entnommen werden können.

- Lassen sich Regelungen der vorstehend genannten Art nicht ermitteln, wird das LSG festzustellen haben, ob sich auf Grund sonstiger tatsächlicher Gegebenheiten in der DDR eine Aussage dazu treffen lässt, welchem Anforderungsprofil ein Werktätiger genügen musste, um als Konstrukteur qualifiziert zu werden.

b) Der Senat kann ferner nicht abschließend beurteilen, ob der Kläger die sachlichen Voraussetzungen für eine Einbeziehung in die AVItech erfüllte; denn das LSG hat keine konkreten (individuellen) Feststellungen zur Art seiner Beschäftigung im hier maßgeblichen Zeitpunkt getroffen hat. Allein der Hinweis auf die Tätigkeit als Gruppenleiter lässt nicht erkennen, welche Tätigkeiten der Kläger tatsächlich ausgeübt hat; hierbei könnte seine "gruppenleitende" Tätigkeit durchaus auch durch die von der "Gruppe" zu erfüllenden Aufgaben geprägt worden sein.

c) Auch zur betrieblichen Voraussetzung hat das LSG keine ausreichenden Feststellungen getroffen.

Insoweit lässt sich den Feststellungen im Tatbestand des Berufungsurteils lediglich entnehmen, dass der Kläger am 30. Juni 1990 in einem volkseigenen Betrieb beschäftigt war, nämlich dem VEB R. Buchungsmaschinenwerk WTZ K. . Ob es sich hierbei um einen VEB der Industrie gehandelt hat, lässt das angefochtene Urteil nicht erkennen; denn das LSG hat nicht den Hauptzweck dieses Betriebes festgestellt (vgl hierzu Urteil des Senats vom 18. Dezember 2003, B 4 RA 18/03 R, zur Veröffentlichung vorgesehen; Urteil vom selben Tage, B 4 RA 14/03 R). Auch diese Feststellung wird das LSG ggf nachzuholen haben.

4. Wegen der fehlenden Feststellungen des LSG konnte der Senat nicht abschließend entscheiden. Der Rechtsstreit war daher zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen. Bei seiner abschließenden Entscheidung wird das LSG auch über die Kosten des Revisionsverfahrens mit zu befinden haben.

Ende der Entscheidung

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