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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundessozialgericht
Urteil verkündet am 19.05.2009
Aktenzeichen: B 5 R 96/07 R
Rechtsgebiete: SGB VI


Vorschriften:

SGB VI § 250 Abs 1 Nr 4 Buchst b
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESSOZIALGERICHT Im Namen des Volkes Urteil

Verkündet am 19. Mai 2009

in dem Rechtsstreit

Az: B 5 R 96/07 R

Der 5. Senat des Bundessozialgerichts hat auf die mündliche Verhandlung vom 19. Mai 2009 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Dreher, den Richter Dr. Neuhaus und die Richterin Dr. Günniker sowie die ehrenamtlichen Richterinnen Kandraschow und Sachse

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 15. Juni 2007 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat dem Kläger auch die Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.

Gründe:

I

Der Kläger begehrt höhere Regelaltersrente (RAR) unter Berücksichtigung einer Ersatzzeit wegen verfolgungsbedingten Auslandsaufenthalts vom 9.8.1945 bis 31.12.1949.

Der im Oktober 1928 in Lodz, Polen, geborene Kläger ist anerkannter Verfolgter iS des Bundesentschädigungsgesetzes (BEG). Von Mai 1940 bis August 1944 war der Kläger im Ghetto Lodz inhaftiert, anschließend wurde er in das Konzentrationslager Auschwitz und sodann in die Lager Kaltwasser, Tannhausen und zuletzt Schotterwerk in Schlesien verbracht, wo er am 8.5.1945 befreit wurde. Nach seiner Befreiung hielt sich der Kläger zunächst bis Januar 1946 in Tschenstochau und anschließend bis April 1947 in Lodz auf, um dort jeweils Familienangehörige zu suchen. Über die Tschechoslowakei, Österreich und Italien wanderte er sodann nach Israel aus. Dort lebt er seit September 1947.

Der Kläger erhält von der Beklagten RAR ab dem 1.7.1997 (Bescheid vom 11.6.2003). Dabei berücksichtigte die Beklagte eine Ghetto-Beitragszeit iS des Gesetzes zur Zahlbarmachung von Renten aus Beschäftigungen in einem Ghetto (ZRBG) vom 1.7.1942 bis zum 31.8.1944 und eine Ersatzzeit in der Form der Verfolgungszeit iS von § 15 des Gesetzes zur Regelung der Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts in der Sozialversicherung (WGSVG) vom 1.9.1944 bis zum 8.5.1945. Auf den Widerspruch des Klägers legte die Beklagte eine weitere Verfolgungszeit (wegen Arbeitsunfähigkeit) vom 9.5.1945 bis zum 8.8.1945 zugrunde und stellte die RAR des Klägers mit Bescheid vom 15.3.2004 neu fest. Eine Berücksichtigung der Zeit vom 9.8.1945 bis 31.12.1949 lehnte die Beklagte hingegen ab und wies insoweit den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 14.12.2004 zurück.

Das Sozialgericht (SG) Düsseldorf hat die Beklagte mit Urteil vom 14.7.2005 verurteilt, die abgelehnte Zeit als weitere Ersatzzeit anzuerkennen und die Rente neu zu berechnen. Mit Urteil vom 15.6.2007 hat das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen (LSG) die Berufung der Beklagten zurückgewiesen und ausgeführt, der Kläger habe Anspruch darauf, dass die Zeit vom 9.8.1945 bis zum 31.12.1949 als verfolgungsbedingte Ersatzzeit bei der Berechnung seiner RAR berücksichtigt werde. Insbesondere sei die Voraussetzung des § 250 Abs 1 Nr 4 Buchst b Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) erfüllt, dass der Kläger infolge Verfolgungsmaßnahmen bis zum 30.6.1945 seinen Aufenthalt in Gebieten außerhalb des jeweiligen Geltungsbereichs der Reichsversicherungsgesetze genommen und diesen bis zum 31.12.1949 beibehalten habe. Die dafür von der Beklagten zusätzlich aufgestellten Voraussetzungen seien mit der bisherigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) nicht in Einklang zu bringen. Der Kläger habe sich bei Kriegsende am 8.5.1945 infolge Verfolgung in Schotterwerk in Schlesien und damit im Geltungsbereich der Reichsversicherungsgesetze befunden, denn diese seien durch Eingliederung Schlesiens mit dem 1.1.1940 in Schlesien anwendbar geworden. Schlesien sei mit dem Kriegsende faktisch Ausland geworden, die Anwendbarkeit der Reichsversicherungsgesetze habe geendet. Auch danach habe sich der Kläger im Ausland (Tschenstochau bzw Lodz, sowie Tschechoslowakei, Österreich und Italien) aufgehalten, wo zum damaligen Zeitpunkt die Reichsversicherungsgesetze auch nicht (mehr) anwendbar gewesen seien. Schließlich sei er im September 1947 nach Israel ausgewandert. Der Auslandsaufenthalt sei durch Verfolgungsmaßnahmen hervorgerufen worden. Die Rückkehr in die frühere Heimatstadt Lodz stelle die Kausalität nicht in Frage; eine solche sei solange unschädlich, wie der Verfolgte nur vorübergehend - beispielsweise zur Suche nach Angehörigen - ins Vertreibungsgebiet (gemeint: Heimatgebiet) zurückkehre, da ein solches Verhalten naheliegend sei und es sich um eine Nachwirkung der Verfolgung handele; anderes könne nur gelten, wenn der Verfolgte längerfristig Aufenthalt in den Vertreibungsgebieten nehme, da er dann durch sein Verhalten deutlich mache, dass er die Verfolgung als abgeschlossen betrachte und sich (freiwillig) im ehemaligen Vertreibungsgebiet niederlasse. Der Kläger habe sich nur von Mai 1945 bis Januar 1946 in Tschenstochau und dann bis April 1947 in Lodz zwecks Suche nach Familienangehörigen aufgehalten, somit nicht längerfristig. Auch die nachfolgenden Zwischenstationen in der Tschechoslowakei, Österreich und Italien hätten nur der Ausreise nach Israel gedient, die dann im September 1947 vollzogen gewesen sei.

Hiergegen richtet sich die vom LSG zugelassene Revision der Beklagten. Sie rügt die Verletzung von § 250 Abs 1 Nr 4 Buchst b SGB VI. Das Gesetz knüpfe die Zuerkennung einer Ersatzzeit bei einem Aufenthalt in den eingegliederten Ostgebieten an ein Verlassen dieses Gebietes bis zum angegebenen Stichtag. Die Stichtagsregelung 30.6.1945 bedeute keinesfalls, dass sämtliche Gebiete, in denen die Reichsversicherungsgesetze gegolten hätten, bis zu diesem Zeitpunkt uneingeschränkt als Inland im Sinne des § 250 Abs 1 Nr 4 Buchst b SGB VI angesehen werden könnten. Die Stichtagsregelung beschreibe die räumliche Veränderung vom Deutschen Reich zur heutigen Bundesrepublik Deutschland, ohne hiermit eigenständige Ersatzzeittatbestände regeln zu wollen. Verlasse ein Verfolgter die eingegliederten Ostgebiete bis zum 8.5.1945, sei der Tatbestand des § 250 Abs 1 Nr 4 Buchst b SGB VI erfüllt, wenn dies infolge von Verfolgungsmaßnahmen geschehe. Bei einer Auswanderung nach dem 8.5.1945 komme dagegen eine Anerkennung einer verfolgungsbedingten Ersatzzeit nur noch in Betracht, wenn Deutschland in den Grenzen verlassen werde, für die nun noch die Reichsgesetze gegolten hätten. Auf diesen jeweiligen Geltungsbereich der Reichsgesetze hätte nicht abgestellt werden müssen, wenn auch nach dem 8.5.1945 ein Verlassen aus einem Gebiet ausreichen würde, in dem "nur" bis zum 8.5.1945 die Reichsgesetze gegolten hätten. Erst recht hätte es der Eingrenzung auf den jeweiligen Geltungsbereich der Reichsgesetze in Verbindung mit der Stichtagsregelung nicht bedurft, wenn allein das Ende der Erstreckung der Reichsgesetze auf die eingegliederten Gebiete mit Kriegsende für einen sich dort gerade aufhaltenden Verfolgten gleichstünde. Der Kläger sei vor Kriegsbeginn in Polen beheimatet gewesen. So wie er nicht vom "Inland" aus einen verfolgungsbedingten Aufenthalt im Ausland genommen habe, lasse sich auch der für die Anerkennung der Ersatzzeit erforderliche Schaden in der Rentenversicherung nicht feststellen.

Sinn und Zweck von § 250 Abs 1 Nr 4 Buchst b SGB VI sei es, Versicherten während eines verfolgungsbedingten Auslandsaufenthaltes längstens bis zum 31.12.1949 eine "Überlegungsfrist" einzuräumen, ob sie dem Land, von dem die Verfolgungsmaßnahmen ausgingen, dauerhaft den Rücken kehren wollen, ohne während dieser Frist Schaden in der Rentenversicherung zu nehmen, oder ob sie nach Deutschland zurückkehren. Rückkehr bedeute, dass der Betroffene in das Gebiet zurückkehrt, das er zu einem früheren Zeitpunkt verlassen hat. Ausgehend von den gebietlichen Voraussetzungen des § 250 Abs 1 Nr 4 Buchst b SGB VI könne das nur heißen, dass der Verfolgte Deutschland verfolgungsbedingt verlassen haben müsse und bis zum 31.12.1949 überlegen konnte, nach Deutschland zurückzukehren. Wer vor Beginn der nationalsozialistischen Verfolgung im Ausland gelebt habe, weder deutscher Staatsangehöriger oder deutscher Volkszugehöriger noch dem deutschen Sprach- und Kulturkreis zugehörig sei und nach Entfallen der besonderen kriegsbedingten Umstände wieder in seine Heimat zurückkehre, bedürfe keiner "Bedenkzeit". Dessen Auslandsaufenthalt sei in erster Linie das Ergebnis seines Lebenslaufs vor Einsetzen der Verfolgung. Er befände sich in seiner Heimat, auch wenn man die Verfolgung hinwegdenken würde. Insoweit könne sein "Auslands"aufenthalt, der wiederhergestellte Aufenthalt in seiner Heimat, nicht verfolgungsbedingt genannt werden. Ihm entstehe durch die mit der Befreiung beendete Verfolgung nach Rückkehr in seine Heimat kein weiterer auszugleichender Schaden in der deutschen Rentenversicherung. Die "Ersatzfunktion" von Beitragszeiten führe zwingend zu der Prüfung, ob der Betroffene in der fraglichen Zeit überhaupt rechtlich imstande gewesen sei, Beiträge zur Rentenversicherung zu leisten. Der Kläger habe in seinem Heimatgebiet wegen der Eingliederung Beitragszeiten in der deutschen Rentenversicherung ab dem 1.1.1942 erwerben können, bzw erwerben können müssen, da sein damaliger Ausschluss von der Anwendung der Reichsversicherungsordnung (RVO) als typisches nationalsozialistisches Unrecht unbeachtlich sei. Dies betreffe jedoch nur die Zeit bis Kriegsende; nachdem im Heimatgebiet des Klägers wieder polnisches Sozialversicherungsrecht gegolten habe, habe er dort keine weiteren deutschen Beitragszeiten erwerben können. Er habe daher keinen weiteren verfolgungsbedingten Schaden erlitten. Die vorausgehende Verfolgung sei keine wesentliche Ursache dafür gewesen, dass sich der Kläger ab Mai 1945 weiter in seiner Heimat Polen aufgehalten habe und nicht in Deutschland. Ein solcher ursächlicher Zusammenhang zwischen Verfolgungsmaßnahme und Auslandsaufenthalt sei aber Voraussetzung für den Ersatzzeittatbestand.

Die Beklagte beantragt,

die Urteile des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 15. Juni 2007 und des Sozialgerichts Düsseldorf vom 14. Juli 2005 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

II

Die zulässige Revision der Beklagten ist unbegründet. Das Berufungsgericht hat den Anspruch des Klägers auf Berücksichtigung einer verfolgungsbedingten Ersatzzeit vom 9.8.1945 bis 31.12.1949 bei der Berechnung seiner RAR zu Recht bestätigt.

Anspruchsgrundlage ist § 250 Abs 1 Nr 4 Buchst b SGB VI, wonach Ersatzzeiten Zeiten vor dem 1.1.1992 sind, in denen Versicherungspflicht nicht bestanden hat und Versicherte nach vollendetem 14. Lebensjahr infolge Verfolgungsmaßnahmen bis zum 30.6.1945 ihren Aufenthalt in Gebieten außerhalb des jeweiligen Geltungsbereichs der Reichsversicherungsgesetze oder danach in Gebieten außerhalb des Geltungsbereichs der Reichsversicherungsgesetze nach dem Stand vom 30.6.1945 genommen oder einen solchen beibehalten haben, längstens aber die Zeit bis zum 31.12.1949, wenn sie zum Personenkreis des § 1 BEG gehören (gleichzeitig Verfolgungszeit iS von § 15 WGSVG).

Der Kläger erfüllt zunächst die allgemeinen Voraussetzungen, die bei allen Ersatzzeittatbeständen des § 250 SGB VI gegeben sein müssen. Die von ihm geltend gemachte Ersatzzeit betrifft eine Zeit nach der Vollendung seines 14. Lebensjahres und liegt vor dem 1.1.1992. Während des streitigen Zeitraums hat keine Versicherungspflicht bestanden.

Der Kläger ist auch Versicherter iS des § 250 SGB VI. Auf seinem Rentenkonto sind Beitragszeiten für den Zeitraum vom 1.7.1942 bis zum 31.8.1944 zu berücksichtigen. Die Erfüllung der Voraussetzung "Versicherter" nach § 250 SGB VI erfordert zumindest einen wirksamen Beitrag (Pflichtbeitrag oder freiwilligen Beitrag) zur Rentenversicherung; versichert ist auch die Person, zu deren Gunsten Beiträge als gezahlt gelten (Fichte in Hauck/Noftz, SGB VI, K § 250 RdNr 1, Stand IV/2009; Krauß in Schulin, Handbuch des Sozialversicherungsrechts, Rentenversicherungsrecht, 1999, § 56 RdNr 23). Der Kläger hat zwar tatsächlich weder Pflichtbeiträge noch freiwillige Beiträge zur deutschen Rentenversicherung entrichtet; doch gilt die anerkannte Arbeitszeit im Ghetto kraft gesetzlicher Fiktion nach § 2 Abs 1 Nr 1 und 2 ZRBG für die Rentenberechnung als Beitragszeit nach den Reichsversicherungsgesetzen und für die Rentenzahlung als Beitragszeit im Bundesgebiet. Ebenso wie bei den im Rahmen der §§ 15 bzw 16 Fremdrentengesetz (FRG) gleichgestellten Beiträgen bzw Beitragszeiten ist die rechtliche Wirkung von fiktiven Beiträgen nach dem ZRBG dieselbe wie die der tatsächlich zur deutschen Rentenversicherung entrichteten. Hätte die Beitragsfiktion für die Berücksichtigung von Ersatzzeiten andere Folgen haben sollen als eine tatsächliche Beitragszahlung, hätte das ZRBG eine entsprechende Klarstellung enthalten müssen.

Der Kläger erfüllt auch die Voraussetzungen des Ersatzzeittatbestandes des § 250 Abs 1 Nr 4 Buchst b SGB VI. Er ist Verfolgter iS des § 1 BEG und er hat am 8.5.1945 infolge von Verfolgungsmaßnahmen seinen Aufenthalt außerhalb des Geltungsbereichs der Reichsversicherungsgesetze genommen.

Sieht man zunächst von Kausalitätsüberlegungen ab, erfasst der "äußere" Tatbestand des § 250 Abs 1 Nr 4 Buchst b SGB VI alle Verfolgten, die den Geltungsbereich der Reichsversicherungsgesetze verlassen haben oder ihm ferngeblieben sind. Eine bestimmte rechtliche Qualität des "Aufenthalts" im Ausland setzt die Vorschrift nicht voraus, ohne dass es der Klärung bedarf, ob schon der Wortlaut des § 250 Abs 1 Nr 4 Buchst b SGB VI wegen Fehlens des in § 30 Abs 3 Satz 2 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) verwendeten Adjektivs "gewöhnlich" als Andeutung in dieser Richtung zu verstehen ist. Der Betroffene darf sich während der geltend gemachten Ersatzzeit nur nicht in den Geltungsbereich der Reichsversicherungsgesetze begeben haben, denn es geht um die Erfassung derjenigen Personen, die aus territorialen Gründen aus der deutschen Rentenversicherung ausgeschlossen waren (heutige Parallele: § 3 Viertes Buch Sozialgesetzbuch - SGB IV) und infolgedessen keine Beitragszeiten zurücklegen konnten. Hierfür sind Qualität und nähere Umstände des Auslandsaufenthalts irrelevant. Lediglich wenn der Verfolgte sich während der geltend gemachten Ersatzzeit in den Geltungsbereich der Reichsversicherungsgesetze begeben haben sollte, könnte es darauf ankommen, ob es sich um einen "Aufenthalt" iS von § 30 Abs 3 Satz 2 SGB I handelt, der die Ersatzzeit ausschließt oder unterbricht, oder etwa um eine Besuchsreise, die am rentenversicherungsrechtlichen Status nichts ändert. Da sich der Kläger während der geltend gemachten Zeit dem Territorium ferngehalten hat, in dem die Reichsversicherungsgesetze galten, braucht über die damit zusammenhängenden Fragen im vorliegenden Fall nicht entschieden zu werden.

Der Beklagten ist einzuräumen, dass der im aufgezeigten Sinne "äußere" Tatbestand des § 250 Abs 1 Nr 4 Buchst b SGB VI nicht nur das Verlassen des Geltungsbereichs der Reichsversicherungsgesetze bzw das Fernbleiben von diesem voraussetzt. Als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal enthält die genannte Vorschrift die Voraussetzung, dass sich der Verfolgte vor der geltend gemachten Ersatzzeit in einem Territorium aufgehalten haben muss, in dem zum fraglichen Zeitpunkt die Reichsversicherungsgesetze gegolten haben. Dieses ungeschriebene Tatbestandsmerkmal entnimmt der Senat bei der Alternative der "Aufenthaltnahme" dem Wortsinn des § 250 Abs 1 Nr 4 Buchst b SGB VI; denn einen Aufenthalt in Gebieten "außerhalb ... genommen ... haben" kann nur jemand, der sich bis dahin innerhalb der fraglichen Gebiete befand, sodass es sich um Personen handeln muss, die sich vor der geltend gemachten Ersatzzeit im Geltungsbereich der Reichsversicherungsgesetze aufgehalten haben. Dabei ist vor allem an Verfolgte zu denken, die beispielsweise vor der Verfolgung Versicherungszeiten in der deutschen Rentenversicherung erworben haben und durch die Verfolgung veranlasst wurden, sich ins Ausland zu begeben und dadurch am Erwerb weiterer Versicherungszeiten gehindert waren. Solche "tatsächlich" Versicherten haben ein vom Gesetz unterstelltes rentenversicherungsrechtlich begründetes Interesse daran, in den Geltungsbereich der deutschen Rentenversicherung zurückzukehren, um durch den Erwerb weiterer deutscher Versicherungszeiten die bereits erworbene Anwartschaft nicht zu verlieren bzw die einmal erworbene Anwartschaft auszubauen.

Indem die Vorschrift eine vorherige Versicherung weder sinngemäß noch ausdrücklich voraussetzt, schließt der Wortlaut auch solche Verfolgten nicht aus, die zunächst durch die Verfolgung daran gehindert wurden, deutsche Versicherungszeiten zu erwerben (was regelmäßig nur innerhalb des Geltungsbereichs der Reichsversicherungsgesetze möglich gewesen wäre) und die ihren Aufenthalt schließlich außerhalb des Geltungsbereichs verlegt haben. Mit Rücksicht auf den Entschädigungsgedanken werden diese "verhinderten" Versicherten den tatsächlich Versicherten gleichgestellt. Bei diesen Personen unterstellt das Gesetz, sie hätten ohne die Verfolgung deutsche Versicherungszeiten zurückgelegt und seien deshalb ähnlich wie die tatsächlich Versicherten entgegen ihrem unterstellten "Rückkehrinteresse" am Aufbau einer Altersversorgung in der deutschen Rentenversicherung gehindert worden. Dass die rentenversicherungsrechtlichen Regelungen über die Ersatzzeit von Verfolgten durch den Entschädigungsgedanken geprägt sind, ergibt sich aus der Entstehungsgeschichte: § 250 Abs 1 Nr 4 Buchst b SGB VI und sein Vorläufer, § 1251 Abs 1 Nr 4 RVO, gehen auf § 3 Abs 1 Verfolgtengesetz vom 22.8.1949 (WiGBl 1949, 263) zurück, was sie als Teil des Entschädigungsrechts qualifiziert (vgl BT-Drucks II/2437 S 71 zu § 1256; BT-Drucks VI/715 S 8 unter Nr 1, S 12 unter Buchst b Nr 2; BT-Drucks 11/4124 S 200 zu § 245).

Für diese Betrachtungsweise spricht auch der Zweck der Vorschrift. Ersatzzeiten gemäß § 250 SGB VI sollen einen Ausgleich dafür schaffen, dass auf Grund des jeweiligen Ersatzzeitgeschehens (weitere) rentenrechtliche Beitragszeiten nicht zurückgelegt werden konnten. Die Anerkennung einer Ersatzzeit nach der hier erörterten Regelung setzt deshalb voraus, dass eine Beitragszahlung zur deutschen Rentenversicherung wegen des verfolgungsbedingten Auslandsaufenthalts unterblieben und durch eine Ersatzzeit zu kompensieren ist. Diese Kompensation kann sich mithin grundsätzlich nur auf solche Zeiten beziehen, in denen ohne das Ersatzzeitgeschehen die (generelle) Annahme gerechtfertigt erscheint, es wären auf Grund einer versicherungspflichtigen Beschäftigung Beiträge zur deutschen Rentenversicherung gezahlt worden (Fichte in Hauck/Noftz, SGB VI, K § 250 RdNr 2, Stand IV/2009; vgl auch BSGE 91, 198 = SozR 4-2200 § 1251 Nr 1, RdNr 14 f - noch zur bis zum 31.12.1991 geltenden Vorschrift des § 1251 RVO). Für eine derartige Annahme besteht im vorliegenden Zusammenhang zwar eigentlich nur dann eine ausreichende Grundlage, wenn der Verfolgte vor der geltend gemachten Zeit als "tatsächlich Versicherter" einen Bezug zur deutschen Rentenversicherung geschaffen hatte. Beruht dessen Fehlen jedoch seinerseits auf demselben Grund wie der Ersatzzeittatbestand - hier: die Verfolgung - beispielsweise, weil der Verfolgte innerhalb des Geltungsbereichs der Reichsversicherungsgesetze keine Arbeit aufnehmen durfte, kann ausgerechnet daran die Anerkennung der Ersatzzeit nicht scheitern. Ein vergleichbarer Rechtsgedanke hat die Rechtsprechung dazu bewogen, Ersatzzeiten auch dann zu berücksichtigen, wenn eine Beitragszahlung unter keinen Umständen in Betracht kam, wenn jedoch deren Unmöglichkeit gerade durch den Ersatzzeittatbestand - dort: Kriegsdienst - hervorgerufen worden war (BSGE 49, 236, 239 = SozR 2200 § 1251 Nr 74 S 190; Fichte, aaO, K § 250 RdNr 15 mwN, Stand IV/2009).

Das Erfordernis des vorherigen Aufenthalts innerhalb des Geltungsbereichs der Reichsversicherungsgesetze gilt auch für die Alternative des "Beibehaltens", die hier allerdings nicht einschlägig ist; diesbezüglich verweist der Senat auf sein Urteil vom 19.5.2009 (B 5 R 14/08 R, RdNr 22, zur Veröffentlichung vorgesehen).

Allerdings setzt das bezeichnete ungeschriebene Tatbestandsmerkmal nicht in allen Fällen einen Aufenthalt im territorialen Geltungsbereich der Reichsversicherungsgesetze voraus. Vielmehr kommt es darauf für diejenigen Personen nicht an, die wie der Kläger auf Grund gesetzlicher Fiktion in die Geltung der Reichsversicherungsgesetze einbezogen worden sind, denn dabei handelt es sich um "tatsächlich" (wenn auch nachträglich) Versicherte im Sinne der oben angestellten Überlegungen. Wie bereits ausgeführt, ist der Kläger in Bezug auf die nach dem ZRBG anerkannten Beitragszeiten nicht anders als diejenigen zu behandeln, für deren Beschäftigung die Reichsversicherungsgesetze galten, während sie sich innerhalb von deren territorialem Geltungsbereich aufgehalten haben (vgl auch BSG SozR 4-2200 § 1251 Nr 1 RdNr 9, 18).

Der Einbeziehung aller tatsächlich - also auch der fiktiv - Versicherten steht nicht entgegen, dass der vor allem für die Dauer der nach § 250 Abs 1 Nr 4 Buchst b SGB VI anzuerkennenden Ersatzzeit maßgebliche Gedanke der Überlegungsfrist in diesen Fällen nicht greifen kann, da die Möglichkeit einer Beitragsfiktion erst nachträglich, weit nach Ende der längstens bis zum 31.12.1949 zulässigen Ersatzzeit eröffnet worden ist. Der Verfolgte konnte seinerzeit tatsächlich nicht "überlegen", ob er mit Rücksicht auf die Verfolgung den Geltungsbereich der Reichsversicherungsgesetze meiden oder dorthin "zurückkehren" sollte, um eine erworbene Rentenanwartschaft nicht zu verlieren bzw weiter auszubauen. Nachdem § 250 Abs 1 Nr 4 Buchst b SGB VI in keinem Fall den Nachweis einer konkret angestellten gedanklichen Abwägung zwischen Bleiben im Ausland und Rückkehr ins Inland verlangt, gibt es aber keine Rechtfertigung dafür, den vom ZRBG gerade aus Gleichstellungsgründen begünstigten und deshalb fiktiv in die Rentenversicherung einbezogenen Personenkreis anders zu behandeln als diejenigen Verfolgten, die tatsächlich Beiträge nach den Reichsversicherungsgesetzen entrichtet haben.

Offenbar möchte die Beklagte das dargestellte ungeschriebene Tatbestandsmerkmal der Berührung mit den Reichsversicherungsgesetzen enger, nämlich im Sinne einer Beschränkung auf Verfolgte verstehen, die sich früher im Gebiet der (späteren) Bundesrepublik befunden oder nach dem Ende der Verfolgung dieses Gebiet berührt haben. Diese Beschränkung lässt sich mit dem Gesetzeswortlaut nicht vereinbaren, der nur auf das Verlassen bzw Fernbleiben von einem bestimmten Territorium abstellt; überdies wäre es schwer zu rechtfertigen, nur denjenigen Verfolgten eine Verfolgungsersatzzeit zugute kommen zu lassen, die das Kriegsende im "Kerngebiet" des Deutschen Reichs erlebt haben (vgl auch BSG SozR 4-2600 § 250 Nr 2 RdNr 19). Etwas anderes ist auch nicht aus dem in § 250 Abs 1 Nr 4 Buchst b SGB VI festgelegten Stichtag des 30.6.1945 abzuleiten. Dieser bezeichnet lediglich das Datum, bis zu dem die territorialen Veränderungen des Deutschen Reichs für die Beurteilung eine Rolle spielen, ob der Verfolgte seinen Aufenthalt außerhalb des Geltungsbereichs der Reichsversicherungsgesetze genommen bzw beibehalten hat; weitergehende Schlüsse sind daraus nicht zu ziehen. Das Ergebnis des erkennenden Senats wird durch die Überlegungen des 13. Senats des BSG im Urteil vom 29.3.2006 bestätigt. Danach wird die Berücksichtigung von Verfolgungsersatzzeiten durch den Umstand nicht ausgeschlossen, dass ein Verfolgter - außer während der Verfolgungszeit - zu keinem weiteren Zeitpunkt einen Bezug zur deutschen Rentenversicherung aufweist. Grundsätzlich seien auch diejenigen Versicherten vom Anwendungs- und Schutzbereich der genannten Norm erfasst, die erst durch Eingliederung ihrer Heimatgebiete ins Deutsche Reich in den Geltungsbereich der Reichsversicherungsgesetze gelangt und hieraus nach Rückgängigmachung der Eingliederung wieder ausgeschieden seien; einmal eingegliedert in den Bereich des deutschen Rentenversicherungsrechts könne ihnen ein Schaden in der deutschen Rentenversicherung entstanden sein (BSG SozR 4-2600 § 250 Nr 2 RdNr 16, 18). Zwar betrifft die Entscheidung des 13. Senats eine Verfolgte, die über die "Zwischenstation" des deutschen Staatsgebiets aus einem (ehemals) eingegliederten Gebiet (Lodz) nach Israel ausgewandert war; die Ausführungen zeigen aber jedenfalls durch die Bezugnahme auf eine weitere Entscheidung (BSG SozR 4-2200 § 1251 Nr 1), dass der 13. Senat die Zwischenstation in Deutschland nicht als wesentlich angesehen hat und ausschließlich diejenigen Verfolgten anders beurteilt, die "nur die reine 'Möglichkeit' einer Auswanderung nach Deutschland für sich in Anspruch nehmen" (BSG SozR 4-2600 § 250 Nr 2 RdNr 18). Das hierfür benannte Urteil hat die Ablehnung einer Ersatzzeit für eine Verfolgte bestätigt, die über keinerlei Bezug zur deutschen Rentenversicherung verfügte und an dessen Begründung auch nicht im obigen Sinne "verhindert" worden war. Denn sie war aus Angst vor der Verfolgung aus Polen in das Innere der damaligen Sowjetunion geflüchtet und 1948 nach Israel ausgewandert, nachdem sie ab 1946 in Deutschland Beitragszeiten zurückgelegt hatte (BSG vom 8.9.2005 - B 13 RJ 20/05 R).

Im Ergebnis muss es infolgedessen dabei bleiben, dass der Verfolgte den äußeren Tatbestand des § 250 Abs 1 Nr 4 Buchst b SGB VI ohne Veränderung des eigenen Aufenthaltsorts dadurch erfüllen kann, dass die Reichsversicherungsgesetze außer Kraft getreten sind, nachdem sich das Herrschaftsgebiet des Deutschen Reichs verkleinert hat (vgl bereits BSG SozR 2200 § 1251 Nr 51 S 128).

Entgegen der möglichen Annahme der Beklagten (ähnlich auch Joswig, AmtlMittLVA Rheinpr 2002, 32 f), endet der Aufenthalt außerhalb des Geltungsbereichs der Reichsversicherungsgesetze nicht ohne nähere Prüfung zwangsläufig dann, wenn der Verfolgte in sein Herkunftsgebiet im Ausland zurückkehrt. Ebenso ist es für den äußeren Tatbestand unschädlich, wenn der Verfolgte den Aufenthaltsort außerhalb des Geltungsbereichs wechselt. Beide Einschränkungen finden im Wortlaut der Vorschrift keine Stütze; danach ist allein entscheidend, dass sich der Verfolgte dem Inland fernhält. Auch setzt die Vorschrift nicht voraus, dass vor jedem Wechsel des Aufenthaltsorts wiederum ein Bezug zur deutschen Rentenversicherung hergestellt worden sein muss, um den vermuteten Rückkehrwillen zu "aktualisieren". Der Verfolgte, der aus Furcht vor Verfolgung an seinem Aufenthaltsort bleibt, kann nicht anders behandelt werden, als derjenige, der aus derselben Furcht einen anderen Aufenthalt außerhalb des Geltungsbereichs wählt. Dass die aufgezeigten Situationen - also vor allem jeder Wechsel des Aufenthaltsorts - Anlass zur Prüfung geben mögen, ob die Verfolgung weiterhin als Motiv für den Wahl des Aufenthaltsorts anzuerkennen ist, betrifft ausschließlich die Frage der Kausalität; eine rechtliche Bedeutung für das "äußere" Merkmal des Aufenthalts haben die genannten Sachverhalte jedoch nicht.

Der Kläger erfüllt die "äußeren" Voraussetzungen des § 250 Abs 1 Nr 4 Buchst b SGB VI. Ihm kommt als Bezug zur deutschen Rentenversicherung eine in Anwendung des ZRBG fingierte Beitragszeit bis zum 31.8.1944 zugute, und er hat im Anschluss an seine Befreiung aus dem Konzentrationslager in Schlesien am 8.5.1945 den Geltungsbereich der Reichsversicherungsgesetze verlassen. Diese waren in Schlesien durch Verordnungen (Schlesien-Verordnung vom 16.1.1940, RGBl I 196, § 1 bzw OstgebieteVO vom 22.12.1941, RGBl I 777, § 1 Abs 1 und 3) zum 1.1.1940 eingeführt worden; ihre Geltung endete mit dem Ende der Zugehörigkeit Schlesiens zum Deutschen Reich am 8.5.1945, sodass Schlesien zum Gebiet außerhalb des Geltungsbereichs der Reichsversicherungsgesetze wurde (vgl BSG SozR 2200 § 1251 Nr 51 S 128; BSGE 59, 23, 25 f = SozR 2200 § 1251 Nr 116 S 324). Da der Kläger sich bis dahin innerhalb dieses Geltungsbereichs befand, lässt sich der Vorgang nicht unter dem Begriff des "Beibehaltens" subsumieren; vielmehr ist trotz des Fehlens jeglichen willentlichen Elements davon auszugehen, dass der Kläger außerhalb des Geltungsbereichs der Reichsversicherungsgesetze "Aufenthalt genommen" hat iS der Alternative 1 des § 250 Abs 1 Nr 4 Buchst b SGB VI. Denn diese Alternative soll Personen erfassen, die zunächst die Voraussetzungen für den Zugang zur deutschen Rentenversicherung erfüllt haben und dann davon ausgeschlossen wurden. Das entspricht der rentenversicherungsrechtlichen Situation des Klägers am 8.5.1945. Er ist auch nicht in den Geltungsbereich der Reichsversicherungsgesetze zurückgekehrt, denn nach den Feststellungen des LSG war er danach in Tschenstochau bzw Lodz und ist schließlich über die Tschechoslowakei, Österreich und Italien nach Israel ausgewandert.

Der ununterbrochene Aufenthalt des Klägers außerhalb des Geltungsbereichs der Reichsversicherungsgesetze war jedenfalls mittelbar durch die Verfolgung verursacht. Die diesbezügliche Feststellung des LSG hält der revisionsrechtlichen Überprüfung stand.

Das LSG ist bei der Beurteilung des Kausalzusammenhangs zutreffend davon ausgegangen, dass über das Kriegsende hinaus fortdauernde oder später eingetretene Nachwirkungen nationalsozialistischer Verfolgungsmaßnahmen erst in der Nachkriegszeit Anlass gegeben haben können, den "Geltungsbereich" zu verlassen bzw ihm fernzubleiben. Nach der Rechtsprechung des BSG ist der Kausalzusammenhang zwischen Verfolgungsmaßnahmen und Auslandsaufenthalt für eine Zeit, in der in Deutschland keine nationalsozialistische Verfolgung mehr stattfinden konnte, jedoch nicht regelmäßig zu unterstellen (wie etwa bei einem Auslandsaufenthalt zwischen 1933 und Kriegsende), sondern bedarf einer Überprüfung im Einzelfall nach den Kriterien der Kausalitätstheorie der wesentlichen Bedingung. Für die Bejahung der Kausalität müssen objektive Umstände vorliegen, welche die Wahl des Aufenthaltsorts außerhalb Deutschlands aus Verfolgungsgründen maßgeblich bestimmen; dabei spielt der zeitliche Zusammenhang als Indiz für den ursächlichen Zusammenhang insofern eine Rolle, als um so deutlichere Anhaltspunkte zu fordern sind, je länger das Kriegsende zurückliegt (vgl BSG SozR 2200 § 1251 Nr 106 S 298 f; BSG vom 17.12.1986 - 11a RA 44/85 - Juris RdNr 11).

Der Beklagten ist zuzugestehen, dass ein Aufenthalt in Gebieten außerhalb des Geltungsbereichs der Reichsversicherungsgesetze nach den Grenzen vom 30.6.1945, der anfangs verfolgungsbedingt iS von § 250 Abs 1 Nr 4 Buchst b SGB VI war, nicht zwangsläufig verfolgungsbedingt bleiben muss. Seiner gegenteiligen Aussage zu diesem Punkt im Urteil vom 13.9.1978 (5 RJ 86/77 - SozR 2200 § 1251 Nr 51 S 128) misst der Senat für den inzwischen geänderten Gesetzeswortlaut keine rechtliche Bedeutung mehr bei, sodass der Frage ihrer damaligen Berechtigung nicht weiter nachgegangen zu werden braucht. Allein die Rückkehr des Verfolgten an seinen Wohnort vor dem Krieg genügt jedoch nicht für den Schluss, dass die Verfolgung für das weitere Verbleiben im Ausland unmaßgeblich geworden sei. Ebenso wenig wie ein vorübergehender Aufenthalt in Deutschland der Berücksichtigung einer weiteren Verfolgungsersatzzeit entgegensteht, wenn Deutschland nur "Zwischenstation" einer weiteren Auswanderung ist (BSG SozR 4-2600 § 250 Nr 2 RdNr 19), steht ihr der Aufenthalt am Herkunftsort entgegen, wenn er sich als eine solche "Zwischenstation" darstellt. Vielmehr kommt eine Unterbrechung des Verfolgungszusammenhangs nur in Betracht, wenn der Aufenthalt am Herkunftsort mit dem Ziel erfolgt, diesen (wieder) frei vom Druck der Verfolgung oder ihrer Nachwirkungen zum Mittelpunkt der zukünftigen Lebensverhältnisse zu machen (vgl BGH RzW 1962, 67, 68; RzW 1964, 226, 227 - jeweils zum Begriff der Auswanderung iS des BEG). Die damit aufgeworfene Frage hat ein zeitliches Moment und kann sich nicht nur bei einem Aufenthalt am Herkunftsort stellen: Je länger sich der versicherte Verfolgte nach dem Ende der Nazi-Herrschaft an einem (beliebigen) Ort im Ausland aufhält, desto eher kommt eine Unterbrechung des Verfolgungszusammenhangs in Betracht. Dazu müssen äußere Umstände treten wie die nicht nur vorübergehende Aufnahme einer Erwerbstätigkeit, die Gründung einer Familie oder der Grunderwerb, um dem Tatsachengericht unter Berücksichtigung aller im Einzelfall festzustellenden (Gesamt-)Umstände die Schlussfolgerung zu erlauben, dass mehr Gesichtspunkte für als gegen die Begründung eines Lebensmittelpunkts und eine dauerhafte Eingliederung in das gesellschaftliche und soziale Leben der früheren bzw einer neuen Heimat sprechen. Nur dann ist es gerechtfertigt, von der im Gesetz auf den 31.12.1949 festgelegten zeitlichen Obergrenze abzugehen und eine kürzere Ersatzzeit zugrunde zu legen.

Nach den Feststellungen des LSG war das vorübergehende Verbleiben des Klägers in seinem Herkunftsgebiet von den Nachwirkungen der nationalsozialistischen Verfolgung geprägt, denn der weitere Aufenthalt in Tschenstochau und Lodz diente der Klärung des Schicksals von Familienangehörigen. Erst im Anschluss an die erfolglose Suche nach seinen Angehörigen hat sich der Kläger zur Ausreise nach Israel entschlossen. Hierdurch wird der erforderliche Kausalzusammenhang - wie das LSG zu Recht annimmt - mit den Verfolgungsmaßnahmen nicht unterbrochen. Objektive Umstände, die für eine andere Motivation des Klägers sprechen könnten, sind vom LSG nicht festgestellt worden und auch nicht ersichtlich.

Schließlich braucht - entgegen der von der Revision geäußerten Auffassung - der Kausalzusammenhang nicht mithilfe eines konkreten Schadens in der Rentenversicherung belegt zu werden. Bereits in der älteren Rechtsprechung zu Zeiten der Freiheitsentziehung nach § 43 BEG hat das BSG darauf hingewiesen, in der Anknüpfung an die Tatsache der Freiheitsentziehung liege ein unwiderlegbares Indiz für denjenigen Sachverhalt, auf den es nach dem Gesetzeszweck ankomme - im Fall der Ersatzzeit: für entgangene Beitragszeiten. Dass im Einzelfall die Tatsachen nicht der vom Gesetzgeber angenommenen Situation entsprächen, sei dabei in Kauf genommen worden (BSGE 23, 89, 90 f = SozR Nr 12 zu § 1251 RVO S Aa 12). Deshalb ist auch ein Ursachenzusammenhang zwischen dem Ersatzzeitgeschehen und dem Fehlen von Beiträgen nicht zu prüfen (so auch Zink, MittLVA BE 1974, 155). Nach diesem Grundsatz reicht bei Vorliegen der Voraussetzungen im Übrigen der kausale Zusammenhang zwischen Verfolgungsmaßnahme und Auslandsaufenthalt aus, um einen Ersatzzeittatbestand auszulösen; eine weitergehende Kausalkette setzt das Gesetz schon nach seinem Wortlaut nicht voraus.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz.

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