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Gericht: Bundessozialgericht
Urteil verkündet am 11.06.2003
Aktenzeichen: B 5 RJ 48/02 R
Rechtsgebiete: SSmk


Vorschriften:

SSmk § 11 Abs 2 Nr 2
SSmk § 13 Abs 1
SSmk § 13 Abs 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESSOZIALGERICHT Im Namen des Volkes Urteil

in dem Rechtsstreit

Verkündet am 11. Juni 2003

Az: B 5 RJ 48/02 R

Der 5. Senat des Bundessozialgerichts hat auf die mündliche Verhandlung vom 11. Juni 2003 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Wetzel-Steinwedel, die Richter Schenk und Dr. Terdenge sowie die ehrenamtlichen Richter Schmidt und Dr. Roth

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Revision der Beklagten werden das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 22. August 2002 aufgehoben und die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Oldenburg vom 6. September 1999 zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten.

Gründe:

I

Der am 16. Februar 1936 geborene Kläger begehrt ungeachtet des Bezugs von Arbeitslosengeld (Alg) für den Zeitraum vom 7. April 1997 bis 30. April 1998 Überbrückungsgeld (Übbg) und den Zuschuss zur Krankenversicherung.

Er war bis zum 31. Dezember 1986 zur See gefahren und hatte danach vom 1. Januar 1987 bis zum 23. Mai 1989 von der Bundesanstalt für Arbeit (BA) Alg und anschließend Arbeitslosenhilfe (Alhi) bezogen. Auf Grund eines Antrags vom 9. Oktober 1990 gewährte die Beklagte mit Bescheid vom 12. Februar 1991 nach Maßgabe der Satzung der Seemannskasse (SSmk) vom 21. August 1973 idF der jeweiligen Nachträge ab 1. März 1991 Übbg mit einem anfänglichen monatlichen Zahlbetrag von DM 2.490,50. Zu der ab 1. März 1991 als freiwilliges Mitglied fortgeführten Krankenversicherung bei der See-Krankenkasse erhielt der Kläger einen Zuschlag in Höhe von damals 9,9 % des Übbg, DM 246,60 monatlich.

Ab 16. August 1991 arbeitete der Kläger pflichtversichert bei der Firma "N ". Die Beklagte reduzierte deshalb nach Maßgabe der SSmk den Zuschlag für die nunmehrige Pflicht-Krankenversicherung bei der AOK, das Übbg zahlte sie indes in voller Höhe weiter und passte es laufend an, zuletzt mit Bescheid vom 6. Mai 1996 ab 1. Juli 1996 auf DM 2.936,58 monatlich und mit Bescheid vom 7. Mai 1997 ab 1. Juli 1997 auf DM 2.985,03 monatlich.

Nach Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses bewilligte die BA dem Kläger ab 7. April 1997 Alg. Dies zeigte der Kläger der Beklagten unverzüglich an.

Mit streitgegenständlichem Bescheid vom 21. Mai 1997 nahm die Beklagte den Bewilligungsbescheid des Übbg für die Zeit ab 7. April 1997 wegen des Bezugs von Alg nach § 48 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) iVm § 17 SSmk und § 11 Abs 2 Nr 2 SSmk zurück, bewilligte aber gleichzeitig Übbg in Höhe des Differenzbetrags zum Alg nach Maßgabe des § 15 Abs 1a SSmk (DM 1.620,98, ab 1. Juli 1997 DM 1.669,43 monatlich). Weiter stellte sie wegen der Pflichtversicherung des Klägers als Arbeitsloser die Zahlung des Zuschlags zur Krankenversicherung ein. Die Gesamtüberzahlung für die Zeit vom 7. April 1997 bis 30. Juni 1997 ermittelte sie mit DM 3.683,68. Davon verrechnete sie DM 2.297,28 mit einer fälligen Nachzahlung des Zuschusses zur Krankenversicherung für frühere Zeiträume. Den Rest in Höhe von DM 1.386,40 erstattete am 11. Juni 1997 die BA aus dem einbehaltenen Alg. Den Widerspruch des Klägers wies die Beklagte mit Bescheid vom 10. Dezember 1997 zurück. Schließlich hob die Beklagte mit Bescheid vom 16. Februar 1998 für die Zeit ab 1. Mai 1998 den Bescheid vom 21. Mai 1997 auch hinsichtlich der noch laufenden Zahlung von Übbg als Differenzbetrag zum Alg auf, weil der Kläger ab 1. Mai 1998 von der Seekasse eine Vollrente wegen Alters bezog.

Das Sozialgericht (SG) Oldenburg hat mit Gerichtsbescheid vom 6. September 1999 die auf Weiterzahlung des ungekürzten Übbg einschließlich des Zuschusses zur Krankenversicherung gerichtete Klage abgewiesen: Entgegen der Ansicht des Klägers komme § 13a Abs 3 SSmk (keine Anrechnung von Leistungen der BA, falls diese auf einer Beschäftigung an Land beruhen) keine Bedeutung zu, denn wegen des Bezugs von Alg sei nach § 11 Abs 2 Nr 2 SSmk der Anspruch auf Übbg erloschen. Auf die Berufung des Klägers hat das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen (LSG) mit Urteil vom 22. August 2002 den Gerichtsbescheid des SG sowie die Bescheide der Beklagten aufgehoben und die Beklagte verurteilt, dem Kläger "auch für die Zeit vom 7. April 1997 bis zum 30. April 1998 Übbg sowie den satzungsgemäßen Zuschlag zur Krankenversicherung insoweit zu zahlen, als aus dem Übbg nachträglich Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung zu leisten sind". Es hat die Rechtsansicht vertreten, § 11 Abs 2 Nr 2 SSmk stehe dem Anspruch auf Übbg nicht entgegen, denn diese Ausschlussregelung betreffe nur Fälle des Bezugs von Alg auf Grund einer in der Seefahrt ausgeübten Beschäftigung. Dies ergebe sich aus § 13 Abs 3 SSmk, der als Spezialvorschrift das Zusammentreffen von Alg auf Grund einer Beschäftigung an Land mit dem Übbg regle und das Alg ausdrücklich - ebenso wie den vorangegangenen Arbeitsverdienst aus einer Beschäftigung an Land - anrechnungsfrei stelle. Diese Auslegung entspreche dem Sinn und Zweck des Übbg, nach einer abgeschlossenen Beschäftigungsbiografie auf See eine dem Altersruhegeld entsprechende Leistung zu gewähren, zu der grundsätzlich und unbegrenzt an Land hinzuverdient werden könne. Entsprechendes gelte für Lohnersatzleistungen auf Grund einer Beschäftigung an Land. § 15 Abs 1a SSmk, der den Wegfall des Übbg und ggf die Zahlung des Differenzbetrags des Alg zum Übbg als sog Kann-Leistung vorsehe, stehe dem nicht entgegen, denn auch diese Vorschrift betreffe nur den Wegfall des Übbg wegen Bezugs von Alg auf Grund einer Beschäftigung auf See. Es könne dahingestellt bleiben, ob die BA wegen der Nachrangigkeit des Alg (Bezugnahme auf das Urteil des BSG vom 9. November 1983 - 7 RAr 58/82 - SozR 4100 § 118 Nr 12) einen Erstattungsanspruch gegenüber der Beklagten oder einen Rückforderungsanspruch gegenüber dem Kläger habe. Die Erfüllungsfiktion des § 107 SGB X sei nicht eingetreten, denn die BA habe bereits geleistet.

Mit der - vom LSG - zugelassenen Revision rügt die Beklagte die Verletzung des § 11 Abs 2 Nr 2 SSmk. § 13 Abs 1 und 3 SSmk komme nicht mehr zum Tragen, wenn der Anspruch auf Übbg nachträglich wegen des Bezugs von Alg - auch auf Grund einer Beschäftigung an Land - entfallen sei. Es verbleibe dann im Rahmen einer Härteregelung nur noch bei der Zahlung des Differenzbetrags des Alg zum Übbg nach § 15 Abs 1a Satz 2 SSmk. Die Auslegung des LSG missachte nicht nur den Wortlaut des § 11 Abs 2 Nr 2 SSmk, sondern auch die an das Sozialgesetzbuch - Sechstes Buch - (SGB VI) angelehnte Systematik der SSmk. Denn eine Anrechnungsbestimmung, bzw hier die Ausnahme von der Anrechnung nach § 13 Abs 3 SSmk, sei dann nicht mehr relevant, wenn bereits die Anspruchsvoraussetzungen für das Übbg nicht (hier: nicht mehr) erfüllt seien. Vor- und Nachrangregelungen gebe es zudem in allen Bereichen des Sozialrechts. Der Wegfalltatbestand des § 11 Abs 2 SSmk betreffe nur den Bezug von Alg, nicht die sonstigen Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch - Drittes Buch - (SGB III), so dass § 13 Abs 3 SSmk durchaus noch einen Anwendungsbereich habe. § 15 Abs 1a Satz 1 SSmk regle schließlich den Zeitpunkt des Wegfalls eines laufenden Übbg, sobald Anspruch auf Alg vornehmlich auf Grund einer Beschäftigung an Land bestehe. Dieser Regelung hätte es bei der Auslegung der SSmk durch das LSG nicht bedurft.

Die Beklagte beantragt,

das Berufungsurteil aufzuheben und die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts vom 6. September 1999 zurückzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Er verweist auf die Gründe des Berufungsurteils und trägt ergänzend vor, dass es der Intention der SSmk entspreche, Verdienste aus Beschäftigungen an Land anrechnungsfrei zu stellen - Entsprechendes gelte auch für die Lohnersatzleistung Alg. Als Spezialvorschrift gehe § 13 Abs 3 SSmk in solchen Fällen § 11 Abs 2 SSmk vor.

II

Gegen die Zulässigkeit der Revision der Beklagten bestehen keine Bedenken. Ihr autonomes Satzungsrecht, speziell die SSmk auf der Ermächtigungsgrundlage des § 891a Reichsversicherungsordnung (RVO) bzw des § 143 Sozialgesetzbuch - Siebtes Buch - (SGB VII), ist nach § 162 Sozialgerichtsgesetz (SGG) revisibles Recht, da sich der Geltungsbereich der SSmk über den Bezirk des LSG hinaus erstreckt.

Die Revision der Beklagten ist begründet. Im Gegensatz zur Rechtsauffassung des LSG besteht seit der Änderung der SSmk vom 21. August 1973 durch den am 1. Januar 1989 in Kraft getretenen 19. Nachtrag neben dem Bezug von Alg jedenfalls in dessen Höhe kein Anspruch auf Übbg. Dies gilt auch dann, wenn das Alg allein auf Grund einer nach dem Ausscheiden aus der Seefahrt aufgenommenen Beschäftigung an Land gewährt wird. Das Übbg nach der SSmk ist deshalb im Verhältnis zum Alg stets die nachrangige Leistung. Zu dem vom Arbeitsförderungsgesetz (AFG) bzw dem SGB III angeordneten Ruhen des Alg beim Bezug von Übbg kommt es seit dem 1. Januar 1989 nicht mehr. Dies ergibt sich in erster Linie aus der Rechtsentwicklung.

Nach der SSmk vom 21. August 1973 in der bis zum 31. Dezember 1988 geltenden Fassung des 18. Nachtrags wurde das Übbg nach den § 8 Nr 2, § 9, § 11 SSmk ungeachtet einer Erwerbstätigkeit an Land gewährt (§ 15 Abs 4 SSmk aF). Zum Wegfall der Leistung kam es nach Maßgabe des § 15 Abs 1 Satz 1 und 2 SSmk aF nur nach Aufnahme einer Tätigkeit in der Seefahrt oder bei der Erfüllung der Voraussetzungen für eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit oder ein Altersruhegeld aus der gesetzlichen Rentenversicherung. Das Zusammentreffen des Übbg mit anderen Sozialleistungen war abschließend in § 13 SSmk aF geregelt. Angerechnet wurden nach § 13 Abs 1 Satz 1 SSmk aF grundsätzlich alle Leistungen - auch diejenigen nach dem AFG - die auf dieselben Zeiträume entfielen und zum Ausgleich des Verlustes oder einer Minderung des Arbeitseinkommens oder der Erwerbsfähigkeit bestimmt waren. Als Ausnahme davon bestimmte § 13 Abs 3 SSmk aF, dass die in Abs 1 genannten Leistungen der Krankenversicherung, Unfallversicherung und nach dem AFG sowie Übergangsgelder der gesetzlichen Rentenversicherung dann nicht angerechnet werden, wenn sie auf Grund einer nach dem Ausscheiden aus der Seefahrt aufgenommenen Beschäftigung an Land gewährt wurden. Damit wurde auch die Lohnersatzleistung Alg anrechnungsfrei gestellt, falls sie auf einer nach § 15 Abs 4 SSmk aF grundsätzlich unschädlichen Erwerbstätigkeit an Land beruhte. Das Alg im Anschluss an eine Tätigkeit auf See wurde dagegen seit jeher angerechnet und führte faktisch bis zur Höhe des Alg zum Ruhen des Übbg. Aus dem Zusammenspiel der genannten Regelungen der SSmk aF ist zu entnehmen, dass das Übbg prinzipiell ergänzend zu anderen Sozialleistungen gewährt werden sollte und nur in den Ausnahmefällen des § 13 Abs 3 SSmk zusätzlich zu Lohnersatzleistungen aus einer Beschäftigung an Land, zB dem Alg. Eine Entlastung anderer Träger der Sozialversicherung sollten dagegen die Leistungen nach der SSmk, die nach Maßgabe des § 18 SSmk aF zum Großteil von der Arbeitgeberseite finanziert wurden, nicht bewirken.

Mit dem Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 9. November 1983 - 7 RAr 58/82 - SozR 4100 § 11 Nr 12 wurde dieses Konzept hinsichtlich des Parallelbezugs von Alg gestört, weil das BSG die umstrittene Rechtsauffassung der BA bestätigte, dass das zeitlich unbeschränkte Übbg nach der SSmk aF zum Ruhen des Anspruchs auf Alg nach § 118 Abs 1 Nr 4 AFG (jetzt § 142 Abs 1 Nr 4 SGB III) führe, weil das Übbg nach der SSmk aF ein dem Knappschaftsruhegeld oder der Knappschaftsausgleichsleistung aus der knappschaftlichen Rentenversicherung ähnlicher Bezug öffentlich-rechtlicher Art für eine Zeit vor Vollendung des fünfundsechzigsten Lebensjahres des Arbeitslosen sei. Nach der SSmk aF sei das Übbg hinsichtlich der Voraussetzungen der Knappschaftsausgleichsleistung nachgebildet und hinsichtlich der Höhe dem Altersruhegeld angepasst. Es entspreche damit hinsichtlich des Versorgungsgrades dem Altersruhegeld, dessen Bezug zur Vermeidung einer Doppelversorgung zum Ruhen des Alg führe. Die Nichtanrechnungsregelung des § 13 Abs 3 SSmk aF und die grundsätzlich unbeschränkte Hinzuverdienstmöglichkeit nach § 15 Abs 4 SSmk aF stehe dieser Auslegung nicht entgegen. Es sei auch unbeachtlich, dass mit der Einführung der Leistungen der Seemannskasse nicht bezweckt gewesen sei, die Arbeitslosenversicherung oder andere Träger der Sozialversicherung zu entlasten. Die gesetzlichen Regelungen des AFG gingen dem Satzungsrecht vor und die Anwendung des § 118 Abs 1 Nr 4 AFG sei Folge der derzeitigen satzungsrechtlichen Ausgestaltung des Übbg durch die SSmk aF. Das Übbg hätte in der SSmk mit Rücksicht auf den geltenden § 118 Abs 1 Nr 4 Satz 2 AFG anders ausgestaltet werden müssen, wenn dem Empfänger ermöglicht werden sollte, neben dem nicht zeitlich beschränkten Übbg bei Arbeitslosigkeit auch Alg bzw Alhi zu beziehen.

In der Konsequenz dieser von der BA auch in anderen Fällen umgesetzten Rechtsprechung war für die Leistungsberechtigten der Parallelbezug von Übbg und Alg auf Grund einer Beschäftigung an Land, wie durch § 13 Abs 3 SSmk aF an sich vorgesehen, nicht mehr möglich, denn das Alg ruhte nach dem AFG bzw SGB III. Bei Vorleistung hätte die BA als nunmehr nachrangiger Träger gegenüber der Beklagten als Leistungsträger des Übbg nach § 17 Abs 1 SSmk iVm § 104 SGB X einen Erstattungsanspruch und für die Betroffenen hätte die sog Erfüllungsfiktion des § 107 Abs 1 SGB X gegolten. Das LSG hat - fehlerhaft - diese alte Rechtslage seiner Entscheidung zugrunde gelegt. Es hätte dann nur zur Zahlung des Übbg unter Beachtung der Erfüllungsfiktion des § 107 Abs 1 SGB X (dh der streitige Anspruch auf Übbg gilt in Höhe des unstreitig geleisteten Alg als erfüllt) verurteilen dürfen. Im wirtschaftlichen Ergebnis wären damit die streitgegenständlichen Bescheide der Beklagten zu bestätigen gewesen. Ob die Rechtsauffassung des LSG einer Überprüfung standhält, § 107 Abs 1 SGB X komme im vorliegenden Falle wegen der sowohl von der Beklagten als auch der BA angeblich bereits vollzogenen Leistungen nicht zur Anwendung, kann dahingestellt bleiben.

Tatsächlich besteht seit der Neufassung des § 11 Abs 2 Nr 2 SSmk durch den am 1. Januar 1989 in Kraft getretenen 19. Nachtrag, beschlossen von der Vertreterversammlung der Beklagten am 30. November 1988 und genehmigt vom Bundesversicherungsamt nach § 34 Abs 1 Satz 2 Sozialgesetzbuch - Viertes Buch - iVm § 891a Abs 1 Satz 4 RVO am 30. Dezember 1988, kein Rechtsanspruch auf Übbg, sobald dem Versicherten ein Anspruch auf Alg nach dem AFG (bzw dem SGB III) zusteht. Dies gilt unabhängig davon, ob die Voraussetzungen für den Bezug des Alg durch eine beitragspflichtige Beschäftigung auf See oder an Land erworben worden sind. Eine Ausnahme besteht nach § 11 Abs 3 SSmk idF des 19. Nachtrags nur, so lange der Anspruch auf Alg für Zeiten unmittelbar nach dem Ausscheiden aus der Seeschifffahrt nach § 119 Abs 1 Satz 1 Nr 1 AFG (wegen einer Sperrfrist) ruht. Der unverändert gebliebene § 13 Abs 3 SSmk hat damit bei Bezug von Alg (wie faktisch unter Beachtung der angeführten Rechtsprechung des BSG bereits für die Zeit davor) keinen Anwendungsbereich und betrifft nur noch sonstige Leistungen nach dem AFG (bzw dem SGB III) auf Grund einer Beschäftigung an Land. Der Satzungsgeber kehrte damit, wie bereits im Urteil des BSG vom 9. November 1983 (aaO) anheim gestellt, in Reaktion auf die Rechtsprechung und die Verwaltungspraxis der BA das Vorrang-Nachrang-Verhältnis von Übbg und Alg um und erklärte das Übbg zur nachrangigen Leistung. Dies ergibt sich eindeutig aus der Beschlussvorlage an die Vertreterversammlung bzw der im Genehmigungsverfahren gegenüber dem Bundesversicherungsamt abgegebenen Begründung. Hier heißt es:

"Das Übbg nach Vollendung des 55. Lebensjahres wurde in den letzten Jahren in verstärktem Umfang Versicherten bewilligt, die nicht freiwillig aus der Seeschifffahrt ausgeschieden sind, sondern arbeitslos wurden. Die Seemannskasse übernimmt insoweit die Funktion der Bundesanstalt für Arbeit, wenn sie an Stelle des eigentlich zu gewährenden Alg das Übbg zahlt. Die vermehrte Inanspruchnahme hat bei der Seemannskasse zu großen finanziellen Engpässen geführt. Um zu gewährleisten, dass ein bestehender Anspruch auf Alg zunächst vom Versicherten ausgeschöpft und gegenüber der BA durchgesetzt wird, wurde § 11 entsprechend geändert."

Im Übrigen hat das Bundesversicherungsamt die Umkehr des Vorrang-Nachrang-Verhältnisses zwischen Übbg und Alg in Kenntnis aller Konsequenzen genehmigt und damit deren Rechtmäßigkeit bestätigt. Nach den von der Beklagten vorgelegten "Materialien" zum 19. Nachtrag (Aktenvermerk vom 16. September 1988) hatte aus Anlass der Vorprüfung des beabsichtigten 19. Nachtrags am 14. September 1988 eine Besprechung zwischen Vertretern des Bundesversicherungsamts und der Beklagten stattgefunden. Die Vertreter des Bundesversicherungsamts hatten darauf hingewiesen, dass uU Bedenken wegen einer Umgehung des § 118 AFG geltend gemacht werden könnten. Dem hatten die Vertreter der Beklagten widersprochen und argumentiert, dass weder der Gesetzgeber noch die Selbstverwaltungsorgane jemals davon ausgegangen seien, mit der Seemannskasse schon vorhandene Sozialversicherungseinrichtungen zu entlasten. Es sei immer nur um eine ergänzende soziale Sicherung der Seeleute gegangen. Auch wenn im Ergebnis der 19. Nachtrag die BA belaste, sei dies keine neue Belastung. Vielmehr würde eine völlig ungerechtfertigte, im zunehmenden Maße in Erscheinung tretende Entlastung der BA beseitigt.

Auch der erkennende Senat sieht in der Änderung der SSmk durch den 19. Nachtrag keine Umgehung der Nachrangregelungen des AFG bzw des SGB III. Zu deren Anwendung kommt es nur dann, wenn der Rechtsanspruch auf Übbg überhaupt entsteht, was aber nunmehr mit der Satzungsänderung ausgeschlossen ist. Da für die Ausgestaltung des Leistungsrechts durch die SSmk § 891a RVO (jetzt § 143 SGB VII) keine näheren Vorgaben macht, ist der Satzungsgeber, wie bereits im Urteil des BSG vom 9. November 1983 (aaO) angedeutet, frei, das Vorrang-Nachrang-Verhältnis zwischen Alg und Übbg neu zu bestimmen. Denn aus der Sicht der Umlagepflichtigen und der Beitragszahler nach § 18 SSmk (die Last tragen vorwiegend die Arbeitgeber) war zwar (bei Bezug von Alg auf Grund einer Beschäftigung an Land) die Finanzierung von Parallelleistungen noch vertretbar, nicht aber die faktische Entlastung der BA auf Grund der Nachrangregelungen des AFG in ihrer Interpretation durch das BSG.

Die weiteren Ergänzungen der SSmk durch den 19. Nachtrag betreffen vorwiegend die verfahrensrechtliche Ausgestaltung dieser grundsätzlichen Neuorientierung, zeigen aber auch auf, dass speziell der Wegfall des Übbg bei nachträglichem Bezug von Alg auf Grund einer Beschäftigung an Land von der Neufassung der SSmk durch den 19. Nachtrag erfasst ist.

Nach dem eingefügten § 15 Abs 1a Satz 1 SSmk fällt das Übbg nach § 11 mit dem Zeitpunkt weg, von dem an die Voraussetzungen des § 11 Abs 2 Nr 2 bis 5 erfüllt sind. Diese Regelung bedeutet die Abkehr von dem in der Rentenversicherung geltenden Monatsprinzip und betrifft den Wegfall von laufendem Übbg bei einem späteren Bezug von Alg, also idR nach einer Beschäftigung an Land, denn beim Bezug von Alg im unmittelbaren Anschluss an eine Tätigkeit in der Seefahrt wird Übbg von vornherein nicht gewährt. Auch dies kommt in der Begründung für die Änderung durch den 19. Nachtrag zur SSmk zum Ausdruck:

"Durch Abs 1a Satz 1 wird erreicht, dass die Leistungen der BA dem Übbg vorangehen. Dies kann jedoch zu unzumutbaren Härten führen, wenn der Übbg-Bezieher eine gering bezahlte Landbeschäftigung ausübt und arbeitslos wird."

Das laufende Übbg wird in diesen Fällen wegen Änderung der tatsächlichen Verhältnisse nach § 17 Abs 1 SSmk, § 48 Abs 1 Satz 1 iVm Satz 2 Nr 3 SGB X ggf rückwirkend und ohne Vertrauensschutz nach Entstehung des Anspruchs auf Alg eingestellt. Entsprechend handelte die Beklagte in den streitgegenständlichen Bescheiden.

Erst nach dem Entzug der laufenden Leistung des Übbg kommt die "Besitzschutzregelung" des § 15 Abs 1a Satz 2 SSmk idF des 19. Nachtrags zur Anwendung, wonach in Fällen besonderer Härte, soweit das Alg niedriger als das bisher festgestellte und ggf angepasste (§ 15 Abs 1a Satz 3 SSmk idF des 19. Nachtrags) Übbg ist, die Differenz als Übbg für die Dauer des Alg-Bezugs gezahlt werden kann. Im Falle des Klägers kommt es auf das Vorliegen einer besonderen Härte nicht mehr an, denn dieses Kriterium wurde mit Änderung des § 15 Abs 1a SSmk durch den 35. Nachtrag zur SSmk mit Wirkung ab 1. Januar 1997, also für den hier maßgeblichen Zeitraum, ersatzlos gestrichen. Die ggf vorliegende Differenz wird also ohne weitere Vorbedingungen als sog "Kannleistung" gewährt, dh sie ist idR zu gewähren, es sei denn besondere Umstände (zB Manipulation etc) sprechen gegen die Gewährung. Die streitgegenständlichen Bescheide der Beklagten enthalten eine solche Neufeststellung des Übbg in Höhe der Differenz zum Alg als Kannleistung und entsprechen somit den satzungsrechtlichen Vorgaben.

Es war auch korrekt, nach § 15 Abs 2 SSmk den Zuschlag für die Krankenversicherung einzustellen, denn der Kläger war als Arbeitsloser pflichtversichert, vgl § 12 Abs 2 Satz 1 SSmk. Ebenso wenig ist die Verrechnung eines Teils der ermittelten und nach § 50 Abs 1 SGB X geforderten Überzahlung mit einer fälligen Zuschlagszahlung für die Krankenversicherung aus früheren Zeiträumen zu beanstanden. Die "Anrechnung" der Erstattungsleistungen der BA auf den ermittelten restlichen Nachzahlungsbetrag war nach § 17 Abs 1 SSmk iVm den Regelungen des SGB X gerechtfertigt. Denn nunmehr war es die Beklagte, die als nachrangig verpflichteter Leistungsträger nach § 104 SGB X einen Erstattungsanspruch gegenüber der BA hatte. Mit dem von ihr vorgeleisteten Übbg galt über die Erfüllungsfiktion des § 107 SGB X der Anspruch des Klägers auf Alg gegenüber der BA als erfüllt.

Die erstinstanzliche Entscheidung war deshalb wiederherzustellen. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Ende der Entscheidung

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