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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundessozialgericht
Urteil verkündet am 11.03.2009
Aktenzeichen: B 6 KA 15/08 R
Rechtsgebiete: SGB V, SGG, VwGO, GG


Vorschriften:

SGB V § 96 Abs 4 S 2
SGB V § 311 Abs 2 S 1
SGG § 86a Abs 1
VwGO § 80 Abs 5 S 3
GG Art 19 Abs 4
Bei statusbegründenden Entscheidungen im Vertragsarztrecht tritt die aufschiebende Wirkung eines von einem Dritten gegen eine begünstigende Entscheidung erhobenen Rechtsbehelfs erst (ex nunc) mit dem Zeitpunkt ein, in dem der Begünstigte hiervon Kenntnis erlangt (teilweise Änderung der bisherigen Rechtsprechung, vgl BSG vom 28.1.1998 - B 6 KA 41/96 R = SozR 3-1500 § 97 Nr 3).
BUNDESSOZIALGERICHT Im Namen des Volkes Urteil

Verkündet am 11. März 2009

in dem Rechtsstreit

Az: B 6 KA 15/08 R

Der 6. Senat des Bundessozialgerichts hat auf die mündliche Verhandlung vom 11. März 2009 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Wenner, die Richter Gasser und Engelhard sowie die ehrenamtlichen Richter Dr. Oelze und Dr. Huemer

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 19. September 2007 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.

Gründe:

I

Im Streit steht, ob die Klägerin für die Zeit vom 1.1. bis 25.1.2002 vertragsärztliches Honorar für Leistungen eines bei ihr neu angestellten Arztes beanspruchen kann.

Die Klägerin nimmt als Einrichtung nach § 311 Abs 2 SGB V an der vertragsärztlichen Versorgung teil. Mit Beschluss vom 19.12.2001 genehmigte ihr der Zulassungsausschuss, Dr. H. mit Wirkung zum 1.1.2002 als Facharzt für Frauenheilkunde und Geburtshilfe anzustellen; dieser nahm nach den Feststellungen des Sozialgerichts (SG) am 1.1.2002 seine Tätigkeit auf. Am 20.1.2002 ging beim Berufungsausschuss ein gegen die Entscheidung des Zulassungsausschusses gerichteter Widerspruch der beklagten Kassenärztlichen Vereinigung ein; die Klägerin erhielt am 25.1.2002 Kenntnis von der Widerspruchseinlegung. Mit Beschluss vom 26.2.2002 1lehnte der Berufungsausschuss den am 5.2.2002 gestellten Antrag der Klägerin auf Anordnung der sofortigen Vollziehung des Beschlusses vom 19.12.2001 ab; das SG ordnete demgegenüber mit Beschluss vom 28.5.2002 die sofortige Vollziehung der Entscheidung des Zulassungsausschusses an. Ebenfalls mit Beschluss vom 26.2.2002 wies der Berufungsausschuss den Widerspruch der Beklagten zurück; die von der Beklagten hiergegen erhobene Klage erklärte diese mit Schriftsatz vom 21.4.2004 für erledigt.

Die Honorarbescheide vom 30.7.2002 (für das Quartal I/2002) sowie vom 21.10.2002 (Quartal II/2002), mit denen die Beklagte die Vergütung von Leistungen, die vor dem 28.5.2002 von Dr. H. erbracht worden waren, abgelehnt hatte, ließ die Klägerin bestandkräftig werden. Den im März 2005 gestellten Antrag der Klägerin, die noch ausstehende Vergütung für Behandlungsfälle zwischen dem 1.1. und dem 27.5.2002 zu zahlen, lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 28.7.2005 wiederum ab und wies auch den hiergegen gerichteten Widerspruch mit Bescheid vom 28.9.2005 zurück.

Die nachfolgende Klage der Klägerin ist teilweise - bezüglich der im Zeitraum vom 1.1. bis zum 25.1.2002 erbrachten Leistungen - erfolgreich gewesen. Im Urteil des SG ist hierzu ausgeführt, Leistungen, die in der Zeit vom Beginn der äußeren Wirksamkeit bis zur Widerspruchseinlegung erbracht worden seien, seien zu vergüten. Entgegen der vom Bundessozialgericht (BSG) vertretenen Auffassung trete die aufschiebende Wirkung bei dreipoligen Beziehungen nicht ex tunc ein. Die vom BSG für seine Auffassung angeführten Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) seien nicht vergleichbar, weil sie entweder die Konstellation eines belastenden Verwaltungsaktes beträfen, also einen Rechtsbehelf im zweipoligen Verhältnis, oder eine dreipolige Beziehung, in der vor Widerspruchseinlegung von der Begünstigung noch kein Gebrauch gemacht worden sei. Insbesondere für das Vertragsarztrecht sei es zur Sicherung der Effektivität des Rechtsschutzes der in § 96 Abs 4 SGB V genannten Körperschaften nicht erforderlich, nachträglich dem Gebrauchmachen von der Zulassung in der Zeit vor der Einlegung des Rechtsbehelfs die Grundlage zu entziehen und den Begünstigten hierdurch ex post ins Unrecht zu setzen. Zudem führe die vom BSG vertretene Rechtsauffassung zu teilweise unzumutbaren Ergebnissen. So könne in vielen Fällen lange Zeit nach Eintritt der inneren Wirksamkeit des statusbegründenden Verwaltungsakts noch fristgerecht Widerspruch eingelegt werden, z.B. wenn dieser dem Dritten nicht, erst sehr viel später als dem Adressaten oder mit unrichtiger Rechtsbehelfsbelehrung bekannt gegeben worden sei. Auch die Möglichkeit eines rechtsmissbräuchlich eingelegten Rechtsbehelfs dürfe nicht außer Betracht gelassen werden. Dem könne nicht entgegengehalten werden, dass der Adressat eines durch Dritte anfechtbaren begünstigenden Verwaltungsaktes bis zum Abschluss der Widerspruchsfrist mit einem Widerspruch rechnen müsse, denn damit würde die innere Wirksamkeit der zuerkannten Berechtigung außer Kraft gesetzt (Urteil vom 19.9.2007).

Mit ihrer Revision rügt die Beklagte die Verletzung von Bundesrecht. Das SG verkenne schon im Ansatz den Regelungsgehalt des § 96 Abs 4 SGB V. Das Verfahren vor dem Berufungsausschuss sei ein umfassendes Verwaltungsverfahren in einer zweiten Verwaltungsinstanz. Die ausschließliche funktionelle Zuständigkeit des Berufungsausschusses ab seiner Anrufung in Kombination mit der für beide Ausschüsse identischen sachlichen Zuständigkeit habe zur Folge, dass der Bescheid des Berufungsausschusses keine bloße Überprüfungsentscheidung darstelle, sondern vielmehr als Regelung der Zulassungssache an die Stelle des vorangegangenen Bescheides des Zulassungsausschusses trete. Mithin sei der Rechtsstatus des Antragstellers allein durch die Entscheidung des Zulassungsausschusses noch nicht wirksam begründet, soweit die Entscheidung inhaltlich streitig sei. Gegen die Rechtsauffassung des SG sprächen auch die Folgen für das Arzt-Patienten-Verhältnis. Käme es auf den Zeitpunkt des Bekanntwerdens des Widerspruches an, müsste der Arzt nach Erlangen der Kenntnis hiervon die soeben begonnene Behandlung eines GKV-Versicherten sofort abbrechen. Zudem bestehe die Gefahr, dass Streit über den Zeitpunkt des Bekanntwerdens entstehe oder Ärzte in Versuchung gerieten, den Zeitpunkt des Bekanntwerdens so weit wie möglich hinauszuzögern. Auch den betroffenen Ärzten gebe die Auffassung des SG keine Rechtssicherheit, da sie erhebliche Investitionen tätigen müssten und aus mutmaßlich wenigen Tagen vertragsärztlicher Tätigkeit nur geringe finanzielle Vorteile entstünden.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 19.9.2007 zu ändern und die Klage in vollem Umfang abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Revision der Beklagten zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend. Die Ansicht der Beklagten lasse außer Betracht, dass die Frage, ob das Gebrauchmachen von einem begünstigenden Verwaltungsakt als rechtmäßig oder rechtswidrig zu qualifizieren sei, unter Berücksichtigung des Zwecks der aufschiebenden Wirkung - der Sicherung der Effektivität des Rechtsschutzes in der Hauptsache - zu entscheiden sei. Unter diesem Aspekt spreche nichts für die Annahme der Beklagten, dass der Widerspruch ex nunc Wirkung entfalte, denn die Beteiligten hätten sich im ursprünglichen Hauptsacheverfahren dahin gehend geeinigt, dass Dr. H. seine Tätigkeit aufgrund der Genehmigung fortsetze. Die Bedeutung der aufschiebenden Wirkung bestehe nach zutreffender Ansicht darin, dass die Wirksamkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes gehemmt werde. Durch die Erledigung des Rechtsstreits sei rückwirkend die Hemmung entfallen. Ein Leistungserbringer könne nicht "hellseherisch" erkennen, wann - unter Umständen noch nach Jahren - eine ihn begünstigende Entscheidung durch einen Dritten angefochten werde. Ginge man davon aus, dass Leistungserbringer nach Genehmigung ihrer Tätigkeit einen "Sicherheitszeitraum" verstreichen lassen müssten, bevor sie ihre Tätigkeit aufnähmen, führte dies im Zweifel zu einer Unterversorgung der Patienten.

II

Die zulässige Revision der Beklagten ist nicht begründet. Das SG hat sie zu Recht verpflichtet, die von der Klägerin durch Dr. H. in der Zeit vom 1.1. bis 25.1.2002 erbrachten Leistungen zu vergüten. Die Klägerin war während der Zeit zwischen dem Eintritt der äußeren Wirksamkeit des Bescheides über die Genehmigung der Anstellung und der Erlangung der Kenntnis von der Widerspruchseinlegung durch die Beklagte berechtigt, Leistungen durch Dr. H. zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung erbringen zu lassen. Für solche Leistungen steht ihr ein Vergütungsanspruch zu.

Dem Anspruch der Klägerin auf Honorierung ihrer durch Dr. H. im streitbefangenen Zeitraum erbrachten Leistungen steht nicht die Bestandskraft des ihr erteilten Honorarbescheides für das Quartal I/2002 entgegen. Die Beklagte hat nach Abschluss des gegen die Genehmigung der Anstellung von Dr. H. geführten Klageverfahrens den erneuten Antrag der Klägerin auf Vergütung der von diesem Arzt bis zum 28.5.2002 erbrachten Leistungen sachlich beschieden, ohne sich auf die Bestandskraft des ursprünglichen Honorarbescheides zu berufen. Der Erlass eines derartigen Zweitbescheides, der den Rechtsweg neu eröffnet, ist zulässig (vgl BSGE 84, 22, 23 = SozR 3-8100 Art 19 Nr 5 S 12 mwN), wie das SG zutreffend dargelegt hat. Die Beklagte wendet sich dagegen auch nicht.

Ein vertragsärztlicher Vergütungsanspruch setzt voraus, dass der Leistungserbringer berechtigt ist, an der vertragsärztlichen Versorgung teilzunehmen. Nach § 311 Abs 2 Satz 1 SGB V in der bis zum 31.12.2003 geltenden und hier noch anzuwendenden Fassung sind die dort aufgeführten, im Beitrittsgebiet bestehenden ärztlich geleiteten Einrichtungen kraft Gesetzes zur ambulanten Versorgung zugelassen, soweit sie am 1.10.1992 noch bestanden (siehe hierzu BSGE 78, 284, 286 ff = SozR 3-2500 § 311 Nr 4 S 25 ff). Dies gilt auch für die Klägerin. Allerdings bedarf gemäß § 311 Abs 2 Satz 6 SGB V aF die Anstellung eines Arztes in einer Einrichtung nach Satz 1 der - personengebundenen (BSG, aaO, S 289 bzw S 28) - Genehmigung des Zulassungsausschusses. Die Genehmigung ist zu erteilen, wenn die Voraussetzungen des § 95 Abs 2 Satz 3 SGB V erfüllt sind (§ 311 Abs 2 Satz 7 Halbsatz 1 SGB V aF). Das Vorliegen bzw die Wirksamkeit dieser Anstellungsgenehmigung ist damit Voraussetzung für die Abrechenbarkeit von Leistungen, die ein in der Einrichtung angestellter Arzt erbracht hat.

Die erforderliche Genehmigung wurde der Klägerin durch Beschluss des Zulassungsausschusses mit Wirkung zum 1.1.2002 erteilt. Grundsätzlich stand der Wirksamkeit dieser Genehmigung allerdings die aufschiebende Wirkung des von der Beklagten hiergegen erhobenen Widerspruchs bzw der nachfolgend erhobenen Klage entgegen. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob mit der herrschenden Meinung (vgl BVerwGE 13, 1, 5; BVerwGE 89, 357, 361; Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 9.12.1996, 11a B 1710/96.NE = NVwZ 1997, 1006 f; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl 2008, § 86a RdNr 5; Steinwedel in Kasseler Kommentar Sozialversicherungsrecht, Stand Januar 2009, § 39 SGB X RdNr 23; Adolf in Hennig, SGG, Stand Februar 2009, § 86a RdNr 8; Hommel in Peters/Sautter/Wolff, Kommentar zur Sozialgerichtsbarkeit, Stand Januar 2008, § 86a RdNr 8; Zeihe, SGG, Stand November 2008, § 86a RdNr 4a; Binder in Lüdtke [Hrsg], SGG, 3. Aufl 2009, § 86a RdNr 5; Schallen, Kommentar zur Zulassungsverordnung für Vertragsärzte, Vertragszahnärzte, Medizinische Versorgungszentren, Psychotherapeuten, 6. Aufl 2008, RdNr 1391; Sachs in Stelkens/Bonk/Sachs, Verwaltungsverfahrensgesetz, 7. Aufl 2008, § 43 RdNr 228) angenommen wird, dass durch die aufschiebende Wirkung lediglich die Vollziehung des Verwaltungsaktes gehemmt wird, oder ob dessen Wirksamkeit bis zum Wegfall der aufschiebenden Wirkung gehemmt ist (so etwa Jörg Schmidt in Eyermann, Verwaltungsgerichtsordnung <VwGO>, 12. Aufl 2006, § 80 RdNr 6; offen gelassen von BSG SozR 3-1300 § 50 Nr 20 S 62). Denn da die aufschiebende Wirkung auch für feststellende und gestaltende Verwaltungsakte gilt, wird der Begriff "Vollziehung" - auch von den Anhängern der Vollziehbarkeitstheorie - in einem weiteren Sinne verstanden. Er hat insoweit die Bedeutung, dass während des durch die aufschiebende Wirkung bedingten Schwebezustandes keine Folgerungen aus dem angefochtenen Verwaltungsakt gezogen werden dürfen (vgl BSG SozR 3-1300 § 50 Nr 20 S 62; BSGE 91, 253 = SozR 4-2500 § 103 Nr 1, jeweils RdNr 9; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, aaO; Kummer, Das sozialgerichtliche Verfahren, 2. Aufl 2004, Kapitel IX RdNr 4; Binder in Lüdtke [Hrsg], aaO, § 86a RdNr 6; Hommel in Peters/Sautter/Wolff, aaO, § 86a RdNr 17; Sachs in Stelkens/Bonk/Sachs, aaO, § 43 RdNr 230). Dies gilt bei Anfechtung eines Verwaltungsaktes mit Drittwirkung auch für den begünstigten Dritten (Hommel in Peters/Sautter/Wolff, aaO; Binder in Lüdtke [Hrsg], aaO).

Bezogen auf das Vertragsarztrecht folgt bereits aus der Eigenart statusbegründender Verwaltungsakte, dass ein Leistungserbringer bis zur rechtskräftigen Abweisung der Rechtsbehelfe Drittbetroffener von seiner Teilnahmeberechtigung keinen Gebrauch machen darf, soweit eine sofortige Vollziehung nicht angeordnet ist. Demgemäß darf er während des schwebenden Verfahrens keine Leistungen erbringen und kann für dennoch durchgeführte Behandlungen auch keine Vergütung beanspruchen (BSG, Urteil vom 28.1.1998, SozR 3-1500 § 97 Nr 3 S 5 ff - Ermächtigung; s auch BSGE 91, 253 = SozR 4-2500 § 103 Nr 1, jeweils RdNr 9 - Konkurrentenklage im Nachbesetzungsverfahren; BSGE 83, 128, 132 = SozR 3-2500 § 116 Nr 17 S 86).

Daran ändert sich auch nichts, wenn - wie hier - die Klage des Dritten später zurückgenommen oder abgewiesen wird oder sich auf sonstige Weise erledigt. Wie der Senat in seinem - die Anfechtung einer vertragsärztlichen Ermächtigung betreffenden - Urteil vom 28.1.1998 (aaO, S 5 f) bereits dargelegt hat, ist die Auffassung, durch die spätere Zurückweisung des Rechtsbehelfs gegen den angefochtenen Teil der Ermächtigung müsse ihr Gebrauch rückwirkend ab dem Zeitpunkt ihrer Erteilung als berechtigt gelten, mit dem Wesen statusbegründender Verwaltungsakte nicht vereinbar (s auch BSGE 83, 128, 132 = SozR 3-2500 § 116 Nr 17 S 86).

1. Die Berechtigung zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung kann, auch soweit sie sich nur auf bestimmte Bereiche oder Leistungen der ambulanten Versorgung erstreckt, nicht rückwirkend zuerkannt bzw in Kraft gesetzt werden. Die Unzulässigkeit rückwirkender Statusbegründungen ergibt sich aus dem System des Vertragsarztrechts, das nach wie vor durch das Naturalleistungsprinzip in Verbindung mit der Beschränkung der Leistungserbringung auf einen umgrenzten Kreis dafür qualifizierter Leistungserbringer geprägt ist. Mit dieser Beschränkung ist verbunden, dass diesen die Berechtigung zur Erbringung von Leistungen - abgesehen von Notfällen - förmlich zuerkannt worden sein muss (BSG SozR 3-1500 § 97 Nr 3 S 5 f; so insbesondere schon BSG SozR 3-2500 § 116 Nr 5 S 34 f). Dies gilt für alle Arten der Statusbegründung im Vertragsarztrecht, also für Zulassungen von Vertragsärzten, für Ermächtigungen von Krankenhausärzten wie auch für Genehmigungen zur Anstellung von Ärzten (BSGE 20, 86, 90 = SozR Nr 25 zu § 368a RVO <Zulassung>; BSG SozR 3-2500 § 116 Nr 5 S 33 ff <Ermächtigung>; BSG SozR 3-5525 § 32b Nr 1 S 4 ff sowie BSG SozR 4-2500 § 98 Nr 4 RdNr 11 ff <Genehmigung zur Anstellung>); ebenso für weitere - nicht auf der Ebene des Status angesiedelte - Genehmigungen (BSG SozR 3-1500 § 97 Nr 3 S 5 f). Sie findet daher auch auf Anstellungsgenehmigungen nach § 311 Abs 2 Satz 6 SGB V aF Anwendung; auch diese Genehmigungen haben statusbegründenden Charakter (vgl BSG SozR 3-5525 § 32b Nr 1 S 4 f).

Denn zum Schutz aller zur Leistungserbringung Berechtigter und aus ihr Verpflichteter und insbesondere zum Schutz der Versicherten muss zu Beginn einer vertragsärztlichen Behandlung feststehen, ob die zu erbringenden Leistungen innerhalb des Systems der gesetzlichen Krankenversicherung durchgeführt werden oder als privatärztliche Leistungen anzusehen und zu vergüten sind (BSG SozR 3-1500 § 97 Nr 3 S 6; s auch BSGE 83, 128, 132 = SozR 3-2500 § 116 Nr 17 S 86; BSGE 99, 218 = SozR 4-2500 § 103 Nr 3 RdNr 25). Ebenfalls zu Beginn einer Behandlung muss auch Gewissheit über die Befugnis des Arztes gegeben sein, die Durchführung erforderlicher diagnostischer oder therapeutischer Leistungen durch andere Ärzte oder ärztlich geleitete Einrichtungen mittels Überweisung zu veranlassen. Dasselbe gilt für Verordnungen und Anordnungen des Arztes, soweit dadurch andere, nichtärztliche Leistungserbringer ihrerseits befugt werden, in Ausführung des gesetzlichen Auftrags der Krankenkassen gegenüber deren Versicherten spezifische Leistungen zu erbringen (vgl zum Ganzen bereits BSG SozR 3-2500 § 116 Nr 5 S 35). Hiermit unvereinbar wäre es, einem Arzt, dessen Berechtigung von dritter Seite mit aufschiebender Wirkung angefochten wurde, nach Zurückweisung der Anfechtung den Teilnahmestatus für die Erbringung vertragsärztlicher Leistungen rückwirkend zuzuerkennen.

Auch im Rahmen der §§ 80, 80a und 80b VwGO ist die Frage, ob im Falle der Zurückweisung der Drittanfechtung eines begünstigenden Verwaltungsaktes die aufschiebende Wirkung ex tunc oder ex nunc entfällt, mit Blick auf die konkrete Rechtsfolge und deren Ordnungsfunktion zu beantworten (BSG SozR 3-1500 § 97 Nr 3 S 8 unter Hinweis auf Redeker/von Oertzen, VwGO, 12. Aufl 1997, § 80 RdNr 5; ebenso M. Redeker, aaO, 14. Aufl 2004, § 80 RdNr 5 mwN). Nach diesen Maßstäben kann in einem Fall wie dem hier vorliegenden dem Wegfall der aufschiebenden Wirkung keine Rückwirkung beigemessen werden. Denn mit der Ordnungsfunktion, die sich aus der Eigenart statusbegründender Verwaltungsakte im Vertragsrecht ergibt, wäre es unvereinbar, wenn das Verbot, die Ermächtigung während des Schwebezustandes der Drittanfechtung zu nutzen, dadurch unterlaufen würde, dass trotzdem erbrachte Leistungen im Falle der späteren Zurückweisung der Drittanfechtung nachträglich vergütet würden.

An dieser Rechtsprechung, die in der Literatur überwiegend auf Zustimmung (Schallen, aaO, RdNr 1396; Pawlita in Schlegel/Voelzke/Engelmann [Hrsg], juris Praxiskommentar SGB V, 2008, § 97 RdNr 40; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, aaO, § 86a RdNr 23; Spellbrink, MedR 1999, 304, 306; Zeihe, aaO, § 86a RdNr 4l), teilweise aber auch auf Ablehnung gestoßen ist (Bracher, MedR 2001, 452 ff; soweit vorliegend relevant, auch Bäune in Bäune/Meschke/Rothfuß, Kommentar zur Zulassungsverordnung für Vertragsärzte und Vertragszahnärzte, 2008, § 44 Ärzte-ZV RdNr 15), ist grundsätzlich festzuhalten.

2. Allerdings sind die im Urteil des Senats vom 28.1.1998 (SozR 3-1500 § 97 Nr 3 S 8) gemachten Aussagen dahin gehend einzuschränken, dass die Ordnungsfunktion statusbegründender Verwaltungsakte im Vertragsarztrecht nicht allein dem rückwirkenden Entfallen der aufschiebenden Wirkung entgegensteht, sondern auch dem Zurückwirken des Eintritts der aufschiebenden Wirkung auf den Zeitpunkt des Erlasses des Verwaltungsaktes (so zutreffend Bäune in Bäune/Meschke/Rothfuß, aaO; a.A. Clemens in Luxenburger/Beeretz ua [Hrsg], Medizinrecht heute: Erfahrungen, Analysen, Entwicklungen, Festschrift 10 Jahre Arbeitsgemeinschaft Medizinrecht im DAV, 2008, 323, 326).

Zwar tritt die aufschiebende Wirkung nach nahezu einhelliger Auffassung in Rechtsprechung und Literatur im Regelfall nach Einlegung des Widerspruchs bzw der Klage ex tunc ab dem Zeitpunkt des Erlasses des Verwaltungsaktes ein (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, aaO, § 86a RdNr 9; Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 5. Aufl 2008, Kapitel V RdNr 50; Hommel in Peters/Sautter/Wolff, aaO, § 86a RdNr 20 mwN; Binder in Lüdtke [Hrsg], aaO, § 86a RdNr 10; Zeihe, aaO, § 86a RdNr 4d; Schallen, aaO, RdNr 1395; zur VwGO: BVerwG, Urteil vom 6.7.1973, IV C 79.69, DÖV 1973, 785, 787 = Buchholz 310 § 80 VwGO Nr 23 S 24; BVerwG, Beschluss vom 21.8.1996, 1 B 159/96 mwN, Buchholz 402.240 § 12 AuslG 1990 Nr 10 S 45 f; Jörg Schmidt in Eyermann, aaO, § 80 RdNr 15; Schenke in Kopp/Schenke, VwGO, 15. Aufl 2007, § 80 RdNr 53 f). Die Annahme, Ausnahmen von diesem Grundsatz seien ausgeschlossen, die bislang auch der Senat geteilt hat, berücksichtigt nicht hinlänglich die Besonderheiten statusbegründender Verwaltungsakte im Vertragsarztrecht (einschränkend - insbesondere für Verwaltungsakte mit Drittwirkung - auch Schenke in Kopp/Schenke, aaO, § 80 RdNr 54; Schenke, DVBl 1986, 9, 10).

Die mit dem Urteil des Senats vom 28.1.1998 eingeleitete Differenzierung der Auswirkungen der aufschiebenden Wirkung bei Statusentscheidungen im Vertragsarztrecht mit Blick auf die konkrete Rechtsfolge und deren Ordnungsfunktion ist dahin gehend fortzuentwickeln, dass die aufschiebende Wirkung eines gegen eine statusbegründende Entscheidung von einem Dritten erhobenen Rechtsbehelfs nicht auf den Zeitpunkt des Erlasses des Verwaltungsaktes zurückwirkt, sondern erst ex nunc, dh ab dem Zeitpunkt eintritt, in dem der Begünstigte hiervon Kenntnis erlangt (s hierzu auch Bundesgerichtshof <BGH>, Urteil vom 24.4.2008, III ZR 252/06 = NJW 2008, 2502, 2503).

Nach der Ordnungsfunktion der vertragsärztlichen Statusentscheidung muss zum Schutz von Leistungserbringern und Versicherten zu Beginn einer ärztlichen Tätigkeit feststehen, ob diese innerhalb oder außerhalb des Systems der gesetzlichen Krankenversicherung erbracht wird. Denn nur dann hat insbesondere der einzelne Versicherte die Gewähr, dass er bei Inanspruchnahme eines bestimmten Leistungserbringers auch wirklich den Schutz der gesetzlichen Krankenversicherung erhält und nicht dessen individuellen Zahlungsansprüchen aus einem privatrechtlichen Schuldverhältnis ausgesetzt ist (s schon BSG SozR 3-2500 § 116 Nr 5 S 35). Dies wäre aber nicht gewährleistet, wenn die aufschiebende Wirkung eines gegen die Teilnahmeberechtigung erhobenen Widerspruchs dazu führen würde, rückwirkend die Rechtmäßigkeit der bisherigen Leistungserbringung in Frage zu stellen. Ein auf den Zeitpunkt des Erlasses des Zulassungs- oder Genehmigungsbescheides (ex tunc) zurückbezogener Eintritt der aufschiebenden Wirkung würde somit gerade zu der in der Senatsrechtsprechung hervorgehobenen Unsicherheit führen. Denn es stellte sich dann im Nachhinein heraus, dass der Leistungserbringer in der Zeit zwischen dem Wirksamwerden der Teilnahmeberechtigung und dem Widerspruch gar keine Leistungen innerhalb des Systems der gesetzlichen Krankenversicherung hätte erbringen und ebenso wenig hätte veranlassen dürfen. Zu Recht ist in der Literatur die Frage aufgeworfen worden, wie in derartigen Fällen etwa mit den vom Arzt getätigten Verordnungen zu verfahren ist (Bäune in Bäune/Meschke/Rothfuß, aaO, § 44 Ärzte-ZV RdNr 15). Die unerwünschten Folgen sind - auf den strittigen Zeitraum bezogen - exakt dieselben wie bei einer - vom Senat abgelehnten - Rückwirkung des Wegfalls der aufschiebenden Wirkung. Gerade die vom Senat hervorgehobene Ordnungsfunktion der Statusentscheidung macht es daher erforderlich, weder dem Eintritt noch dem Wegfall der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs Rückwirkung beizumessen; denn nur so kann sichergestellt werden, dass zu jedem Zeitpunkt objektiv feststellbar ist, ob ein Teilnahmestatus besteht (so zutreffend Bäune in Bäune/Meschke/Rothfuß, aaO). Ebenfalls kann nur so verhindert werden, dass es zu unerwünschten rechtswidrigen Leistungen und Verordnungen kommt.

Andernfalls müsste von einem Begünstigten verlangt werden, dass er von einer ihm durch den Zulassungsausschuss zuerkannten Teilnahmeberechtigung so lange keinen Gebrauch macht, wie diese nicht unanfechtbar geworden ist. Weder dem Vertragsarztrecht noch dem sonstigen Recht lässt sich jedoch ein allgemeiner Grundsatz der Art entnehmen, dass ein Begünstigter von einer durch Verwaltungsakt gewährten Berechtigung erst dann Gebrauch machen darf, wenn diese unanfechtbar geworden ist. Durch die Statusentscheidung des Zulassungsausschusses wird ein Leistungserbringer - ab dem im Beschluss genannten Zeitpunkt - dazu berechtigt, Leistungen innerhalb des Systems der gesetzlichen Krankenversicherung zu erbringen sowie - durch Überweisungen, Verordnungen und ärztliche Anordnungen - die Leistungserbringung durch andere zu veranlassen. Diese Entscheidung ist zwar anfechtbar, aber zunächst voll wirksam (vgl BVerwG, Urteil vom 25.2.1992, 1 C 56/88 = Buchholz 451.45 § 8 HwO Nr 13 = NVwZ 1992, 791 ff; BVerwG Buchholz 310 § 80 VwGO Nr 23 S 24; Bäune in Bäune/Meschke/Rothfuß, aaO RdNr 14). Ein Verwaltungsakt wird grundsätzlich mit seiner Bekanntgabe gegenüber dem Betroffenen (bzw, wie vorliegend, zu einem im Bescheid verfügten Zeitpunkt) und nicht erst mit seiner Bestandskraft wirksam und vollziehbar (§ 39 Abs 1 Satz 1 SGB X); die aufschiebende Wirkung eines Widerspruchs wird hingegen erst durch diesen ausgelöst, nicht schon durch die Möglichkeit der Einlegung eines Rechtsbehelfs (BVerwG, Urteil vom 25.2.1992, aaO).

Etwas anderes - eine auf den Zeitpunkt ihrer Unanfechtbarkeit hinausgeschobene Wirksamkeit der Entscheidung - gilt allein dann, wenn dies ausdrücklich durch Gesetz bestimmt ist. Derartige Regelungen finden sich jedoch, soweit erkennbar, allein bei belastenden Verwaltungsakten, wie etwa hinsichtlich der Beschlüsse über die Amtsenthebung oder Amtsentbindung von Mitgliedern der Selbstverwaltungsorgane (§ 59 Abs 1 Nr 3 SGB IV). Der - zunächst bestehenden - Wirksamkeit der Anstellungsgenehmigung steht auch nicht die von der Beklagten hervorgehobene ausschließliche funktionelle Zuständigkeit des Berufungsausschusses entgegen, da diese erst und nur dann gegeben ist, wenn dieser "angerufen", die Entscheidung des Zulassungsausschusses also angefochten wird (§ 96 Abs 4 SGB V). Es kann daher vor Erlangung der Kenntnis von der Anfechtung der Teilnahmeberechtigung nicht davon gesprochen werden, dass ein Verbot, hiervon Gebrauch zu machen, unterlaufen würde.

Dem Verlangen, mit der Aufnahme der Leistungserbringung im vertragsärztlichen System bis zur Bestandskraft zuzuwarten, stünden zudem sowohl praktische als auch rechtliche Gesichtspunkte entgegen. Zum einen erfordert die Aufnahme einer vertragsärztlichen Tätigkeit eine gewisse Vorlaufzeit für das Anmieten geeigneter Praxisräume, die Einstellung von nichtärztlichem Personal sowie für die Aufnahme von Krediten zur Finanzierung der Anlaufkosten. Zum anderen enthalten die Bescheide der Zulassungsausschüsse die Auflage, dass die vertragsärztliche Tätigkeit innerhalb eines bestimmten Zeitraums - vorliegend innerhalb von drei Monaten nach Zustellung des Bescheides - aufgenommen werden muss (vgl § 19 Abs 3 Ärzte-ZV für die Aufnahme in Planungsbereichen mit Zulassungsbeschränkungen).

Das Verlangen, die Bestandskraft des Verwaltungsaktes abzuwarten, wäre ferner schwerlich zumutbar. Bei mehrpoligen Rechtsbeziehungen, wie sie gerade im Vertragsarztrecht anzutreffen sind, kann aufgrund der unbestimmten Anzahl von Konkurrenten die Möglichkeit einer Drittanfechtung kaum je sicher ausgeschlossen werden. In einer solchen Konstellation muss sich der durch eine Statusentscheidung Begünstigte nicht darauf verweisen lassen, dass mit der Einlegung von Rechtsbehelfen durch andere Personen stets gerechnet werden muss (vgl BSGE 84, 136, 145 f = SozR 3-2400 § 28h Nr 9 S 38 mwN; Steinwedel in Kasseler Kommentar Sozialversicherungsrecht, aaO, § 49 SGB X RdNr 4) und deshalb ein vorsichtiger Begünstigter die Bestandskraft des Verwaltungsaktes abwarten würde, bevor er von diesem Gebrauch macht. Denn gerade in mehrpoligen Konstellationen könnte sich dadurch der benötigte "Sicherheitszeitraum" unzumutbar ausdehnen. Diese Problematik hat besonderes Gewicht, weil anfechtungsberechtigte Dritte ggf erst lange nach Wirksamwerden der Teilnahmeberechtigung Kenntnis vom drittbegünstigenden Verwaltungsakt erhalten. Nicht zuletzt die durch die jüngere Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts <BVerfG> (<Kammer>, Beschluss vom 17.8.2004, 1 BvR 378/00 = SozR 4-1500 § 54 Nr 4) ausgeweitete Möglichkeit einer Drittanfechtung in Form defensiver Konkurrentenklagen veranlasst den Senat, seine Rechtsprechung entsprechend anzupassen.

Die hier vertretene Auslegung ist auch unter Rechtsschutzgesichtspunkten (Art 19 Abs 4 GG) - auch unter dem Aspekt der "Waffengleichheit" - geboten. Zwar hat der Senat wiederholt darauf hingewiesen, dass der Begünstigte gegenüber Drittanfechtungen nicht schutzlos ist, sondern aufgrund der Regelungen der § 97 Abs 4 SGB V, § 86a Abs 2 Nr 5 SGG, § 86b Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGG die Möglichkeit hat, die Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit des Bescheides zu beantragen (BSG SozR 3-1500 § 97 Nr 3 S 8; ebenso BSGE 88, 6, 13 = SozR 3-2500 § 103 Nr 6 S 46; BSGE 91, 253 = SozR 4-2500 § 103 Nr 1, jeweils RdNr 29). Dies wird im Allgemeinen jedoch erst in Betracht kommen, wenn der Begünstigte zuvor Kenntnis von der Anfechtung erlangt hat.

Einer regelhaften Anordnung des Sofortvollzugs durch die Zulassungsgremien stünde jedoch entgegen, dass die aufschiebende Wirkung von Rechtsbehelfen die Regel ist (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, aaO, § 86a RdNr 20a; dies relativierend bei mehrpoligen Rechtsbeziehungen: BVerfG <Kammer>, Beschluss vom 1.10.2008, 1 BvR 2466/08, NVwZ 2009, 240, 242) und dieses Regel-Ausnahme-Verhältnis hierdurch auf den Kopf gestellt würde. Ebenfalls fraglich erscheint, ob die Anordnung der sofortigen Vollziehung mit Rückwirkung erfolgen könnte (bejahend Clemens, aaO, S 330; verneinend BGH, Urteil vom 14.3.1997, V ZR 129/95 = ZIP 1997, 809, 811 unter Hinweis auf Eyermann/Fröhler, VwGO, 9. Aufl 1988, § 80 RdNr 29 mwN, und Redeker/v Oertzen, VwGO, 11. Aufl 1994, § 80 RdNr 30). Gegenüber einem erst gegen Ende der Widerspruchsfrist eingelegten Widerspruch, erst recht aber gegenüber erst nach Kenntniserlangung durch Drittbetroffene eingelegte Widersprüche wäre der Begünstigte bei Annahme einer rückwirkenden aufschiebenden Wirkung somit möglicherweise rechtsschutzlos. Die aufschiebende Wirkung des Rechtsmittels würde rückwirkend zur Rechtswidrigkeit der zunächst zulässigerweise erbrachten Leistungen führen und damit vollendete Tatsachen schaffen, weil selbst im Falle nachträglichen Obsiegens keine rückwirkende Statusgewährung erfolgen kann.

Dem Ausschluss einer Rückwirkung der aufschiebenden Wirkung stehen auch nicht die (Rechtsschutz-)Interessen der Anfechtungsberechtigten entgegen. Zwar garantiert das Verfahrensgrundrecht des Art 19 Abs 4 GG nicht nur das formelle Recht und die theoretische Möglichkeit, die Gerichte anzurufen, sondern auch die Effektivität des Rechtsschutzes (vgl nur BVerfG, Beschluss vom 19.6.1973, 1 BvL 39/69 und 14/72 = BVerfGE 35, 263, 274; BVerfG, Beschluss vom 13.6.1979, 1 BvR 699/77 = BVerfGE 51, 268, 284; BVerfG <Kammer>, Beschluss vom 1.10.2008, aaO, NVwZ 2009, 240, 241); dies erfordert, dass irreparable Entscheidungen, wie sie durch die sofortige Vollziehung einer hoheitlichen Maßnahme eintreten können, so weit wie möglich ausgeschlossen werden müssen (BVerfGE 35, 263, 274; BVerfGE 51, 268, 284; BVerfG NVwZ 2009, aaO). Auch die aufschiebende Wirkung von Widerspruch und Klage ist ein fundamentaler Grundsatz des öffentlich-rechtlichen Prozesses (stRspr des BVerfG, vgl BVerfGE 35, 263, 272; BVerfG <Kammer>, Beschluss vom 13.6.2005, 2 BvR 485/05 = BVerfGK 5, 328 ff = NJW 2005, 3275; BVerfG <Kammer>, Beschluss vom 10.5.2007, 2 BvR 304/07 = NVwZ 2007, 946 ff; BVerfG NVwZ 2009, aaO) und eine adäquate Ausprägung der verfassungsrechtlichen Rechtsschutzgarantie (BVerfGK 5, aaO; BVerfG NVwZ 2007, aaO; BVerfG NVwZ 2009, aaO). Die Möglichkeit Drittbetroffener, effektiven Rechtsschutz zu erlangen, wird jedoch durch die hier vertretene Rechtsauffassung nicht wesentlich beeinträchtigt. Zum einen haben es zumindest die am Zulassungsverfahren beteiligten Anfechtungsberechtigten selbst in der Hand, durch zeitnahe Einlegung des Rechtsbehelfs eine Leistungserbringung durch den Begünstigten kurzfristig zu unterbinden. Zum anderen führt die hier vertretene Auffassung auch zu einer angemessenen Risikoverteilung.

Den Begünstigten trifft bereits das Risiko, ab dem Zeitpunkt der Anfechtung (bzw der Erlangung der Kenntnis hiervon) bis zur - möglichen - Anordnung der sofortigen Vollziehung keine Leistungen erbringen zu dürfen, selbst wenn sich der Rechtsbehelf später als unbegründet erweist. Dies wiegt im Regelfall weitaus schwerer als die Hinnahme einer zeitweiligen Leistungserbringung durch den Begünstigten vor Einlegung des Widerspruches bzw vor dessen Kenntnis hiervon. Hinzu kommt, dass nicht einmal sicher ist, dass der Begünstigte zeitnah die Anordnung der sofortigen Vollziehung erwirken kann, da insoweit eine Reihe verfahrensrechtlicher Fragen bestehen, die noch nicht höchstrichterlich beantwortet sind und in der Praxis daher unterschiedlich beantwortet werden dürften. So ist umstritten, ob schon der Zulassungsausschuss zur Anordnung der sofortigen Vollziehung berechtigt ist (so SG Marburg, Beschluss vom 19.7.2007, S 12 KA 287/07 ER - juris; Pawlita in Schlegel/Voelzke/Engelmann [Hrsg], aaO, § 97 RdNr 41; Clemens, aaO, S 339 f) oder erst der Berufungsausschuss tätig werden kann (so Landessozialgericht <LSG> Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 7.9.2006, L 3 KA 117/06 ER, juris - dort RdNr 27; Frehse in Schnapp/Wigge, Handbuch des Vertragsarztrechts, 2. Aufl 2006, § 23 RdNr 110; Bäune in Bäune/Meschke/Rothfuß, aaO, § 44 Ärzte-ZV RdNr 17; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, aaO, § 86a RdNr 23). Ebenfalls strittig ist, ob die Anordnung der sofortigen Vollziehung durch den Berufungsausschuss gemäß § 97 Abs 4 SGB V nur bei Vorliegen eines öffentlichen Interesses (so Bäune in Bäune/Meschke/Rothfuß, aaO, § 44 Ärzte-ZV RdNr 18; vgl auch BSG SozR 4-1935 § 17 Nr 1 RdNr 18) oder auch im überwiegenden Interesse eines Beteiligten in Betracht kommt (so Schallen, aaO, RdNr 1406; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, aaO, § 86a RdNr 23 unter Hinweis auf BVerfG <Kammer>, Beschluss vom 12.12.2001, 1 BvR 1571/00, NZS 2002, 368 = SozR 3-1500 § 97 Nr 5 S 14; Clemens, aaO, S 336). Umstritten ist schließlich, ob die Sozialgerichte die sofortige Vollziehung auch im überwiegenden Interesse eines Beteiligten anordnen können (BSGE 91, 253 = SozR 4-2500 § 103 Nr 1, jeweils RdNr 29; Schallen, aaO, RdNr 1404; siehe allerdings LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 25.4.2006, L 5 KA 178/06 ER-B - juris), und ob sie diese Anordnung bereits vor einer Entscheidung des Berufungsausschusses treffen können (siehe hierzu die Nachweise bei Bäune in Bäune/Meschke/Rothfuß, aaO,§ 44 Ärzte-ZV RdNr 22).

Das Ergebnis, dass unter Umständen auch Leistungserbringer, deren Teilnahmeberechtigung sich im Nachhinein als zu Unrecht erlangt darstellt, für einen kurzen Zeitraum eine Tätigkeit im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung entfalten dürfen, ist hinzunehmen. Immerhin liegt dem eine Entscheidung des Zulassungsausschusses zugrunde (vgl BVerwG, Urteil vom 28.1.1992, 7 C 22/91 = Buchholz 406.25 § 20 BImSchG Nr 2 = NVwZ 1992, 570 f - zur fehlenden Vollziehbarkeit einer erteilten immissionsschutzrechtlichen Genehmigung). Dass Patienten gezwungen sind, nach einer Anfechtung der ihrem Arzt erteilten Teilnahmeberechtigung den Behandler zu wechseln, ist zwangsläufige Folge der aufschiebenden Wirkung; im Übrigen ergeben sich derartige Konsequenzen auch in anderen Fallkonstellationen, etwa bei einer altersbedingten Beendigung der vertragsärztlichen Tätigkeit oder im Falle einer Zulassungsentziehung.

3. Klarzustellen ist, dass die vorstehend dargestellten Grundsätze für mehrpolige Rechtsbeziehungen Geltung beanspruchen, in denen eine begünstigende Entscheidung - die Berechtigung zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung - angefochten wird, nicht aber für den (umgekehrten) Fall, dass ein Vertragsarzt gegen eine belastende Entscheidung - die Entziehung seines Status - Rechtsmittel einlegt. Im Falle einer Zulassungsentziehung oder einer vergleichbaren Aufhebung einer Teilnahmeberechtigung besteht eine andere Konstellation. In diesen Fällen ist es zur Gewährleistung der Effektivität des Rechtsschutzes (Art 19 Abs 4 GG) sowie mit Blick auf die grundgesetzlich geschützte Berufsfreiheit (Art 12 Abs 1 GG) erforderlich, etwaige Rechtsschutzlücken auszuschließen. Da eine Rechtsmittelfrist zugleich auch eine Überlegungsfrist gewährt (BSG, Beschluss vom 28.1.2004, B 6 KA 95/03 B = SozR 4-1500 § 151 Nr 1, unter Hinweis auf BVerwG, Beschluss vom 22.3.1991, 7 B 30.91 = DVBl 1992, 775, 776), muss ein Betroffener die Möglichkeit haben, sie ohne Erleiden irreparabler Nachteile auch auszuschöpfen (BVerfG <Kammer>, Beschluss vom 29.8.2005, 1 BvR 2138/03, NJW 2005, 3346 mwN). Bis zum Ablauf der Frist muss er mit der Einlegung des Rechtsmittels zuwarten können. Bei einer nur ex nunc eintretenden aufschiebenden Wirkung bestünde die Gefahr, dass die Entziehung der Zulassung bei Einlegung des Rechtsmittels bereits Wirksamkeit erlangt hat, das Rechtsmittel also ins Leere ginge.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Halbsatz 3 SGG iVm einer entsprechenden Anwendung von § 154 Abs 2 VwGO. Die Beklagte trägt die Kosten des Revisionsverfahrens, da sie mit ihrem Rechtsmittel erfolglos geblieben ist.

Ende der Entscheidung

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