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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundessozialgericht
Urteil verkündet am 13.12.2000
Aktenzeichen: B 6 KA 2/00 R
Rechtsgebiete: SGG, SGB X


Vorschriften:

SGG § 78 Abs 1
SGG § 77
SGB X § 62
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESSOZIALGERICHT Im Namen des Volkes Urteil

Verkündet am 13. Dezember 2000

in dem Rechtsstreit

Az: B 6 KA 2/00 R

Der 6. Senat des Bundessozialgerichts hat auf die mündliche Verhandlung vom 13. Dezember 2000 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Engelmann, die Richter Dr. Wenner und Dr. Kretschmer sowie die ehrenamtlichen Richter Dr. SK Deisler und Dr. Kötz

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Revisionen des Beklagten und der Beigeladenen zu 2. wird das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 1. Dezember 1999 aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.

Gründe:

I

Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit eines Regresses wegen fehlerhafter Prothetik.

Der als Vertragszahnarzt niedergelassene Kläger gliederte im November 1991 einem bei der zu 1. beigeladenen AOK versicherten Patienten festsitzenden Zahnersatz im Ober- und Unterkiefer ein. Da der Patient bei der Beigeladenen zu 1. über Beschwerden klagte, ließ diese die Prothetik durch den Gutachter Zahnarzt Dr. L. untersuchen, der die prothetische Versorgung wegen Freiliegens der Kronenränder verschiedener Zähne als mangelhaft beurteilte. Nachdem der Versicherte eine Weiterbehandlung durch den Kläger abgelehnt hatte, beantragte die Beigeladene zu 1. die Feststellung eines Mängelanspruchs. Der beklagte Prothetik-Einigungsausschuß (PEA) holte daraufhin ein das Vorgutachten bestätigende Kontrollgutachten des Zahnarztes Dr. P. ein und entschied, daß dem Mängelanspruch stattgegeben werde und der Kläger die entstandenen Kosten zu erstatten habe (Beschluß vom 20. Januar 1993/Bescheid vom 28. Januar 1993).

Hiergegen erhob der Kläger Widerspruch, den die von der zu 2. beigeladenen Kassenzahnärztlichen Vereinigung (KZÄV) eingerichtete, mit drei Zahnärzten besetzte "Widerspruchsstelle für Prothetik-Einigungsfälle" zurückwies (Beschluß vom 23. Mai 1993). Das hiergegen angerufene Sozialgericht (SG) hob den Beschluß dieser Stelle mit Gerichtsbescheid vom 3. Dezember 1993 wegen deren sachlicher Unzuständigkeit und der sich daraus ergebenden Nichtigkeit ihres Verwaltungsaktes auf. Die Berufung der KZÄV hatte keinen Erfolg. Das Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen schloß sich der Auffassung des SG an und führte aus, der Kläger habe die Möglichkeit, unmittelbar gegen den Bescheid des PEA beim SG Klage zu erheben, verbunden mit einem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (Urteil vom 14. September 1994).

Der Kläger ist sodann im November 1994 entsprechend den Ausführungen des Berufungsurteils vorgegangen. Das SG hat seine erneute Klage gegen den Beschluß des beklagten PEA vom 20. Januar 1993 als unzulässig abgewiesen, da das zwingende Vorverfahren nicht durchgeführt worden sei (Urteil vom 30. April 1997).

Auf die dagegen eingelegte Berufung des Klägers hat das LSG das Urteil des SG sowie den Beschluß des Beklagten vom 20. Januar 1993 aufgehoben (Urteil vom 1. Dezember 1999). Zur Begründung hat es ausgeführt, die Klage gegen den PEA sei auch ohne Durchführung eines Vorverfahrens zulässig. Bestehe keine Widerspruchsstelle, so müsse trotz der Regelung des § 78 Abs 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) eine Klage im Hinblick auf die Rechtsschutzgarantie des Art 19 Abs 4 Satz 1 Grundgesetz (GG) statthaft sein. Die für die vertragszahnärztliche Versorgung im Primärkassenbereich maßgeblichen Vertragspartner, also die Primärkassen bzw ihre Verbände sowie die KZÄV, seien für die Konstituierung einer Widerspruchsstelle zuständig, die gegen Entscheidungen des PEA angerufen werden könne. Ihre Zuständigkeit ergebe sich zwar weder aus § 106 Abs 4 Satz 1 iVm Abs 2 Satz 3 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) noch aus § 4 Abs 2 Satz 1 der Anlage 12 zum Bundesmantelvertrag-Zahnärzte (BMV-Z). Sie folge jedoch aus einer ungeschriebenen Zuständigkeit kraft Sachzusammenhangs. Das Verfahren vor dem PEA sei erst dann vollständig geregelt, wenn der zwingenden Vorgabe des § 78 Abs 1 SGG durch Einrichtung einer Widerspruchsstelle genügt sei. Bis zu deren Errichtung bestehe auch keine Zuständigkeit des für Wirtschaftlichkeitsprüfungen zuständigen Beschwerdeausschusses. Die Klage sei auch begründet. Der Kläger habe ein Recht auf Überprüfung in einem Widerspruchsverfahren, das eine weitere Instanz darstelle und in dem die Überprüfung teilweise intensiver als im gerichtlichen Verfahren erfolgen könne, da sie in Bereichen mit Ermessens- und Beurteilungsspielräumen nicht beschränkt sei. Solange aber keine Widerspruchsstelle eingerichtet und ihr Verfahren nicht geregelt sei, fehle es an einer dem Gesetz entsprechenden Regelung insgesamt. Dies mache auch das Verfahren des PEA und dessen Entscheidung fehlerhaft, so daß diese aufzuheben gewesen sei.

Mit den vom LSG zugelassenen Revisionen wenden sich der beklagte PEA und die zu 2. beigeladene KZÄV gegen das Urteil des LSG. Sie machen geltend, auch die von der Beigeladenen zu 2. eingelegte Revision sei zulässig, da sie materiell beschwert sei, denn sie trage hinsichtlich der Tätigkeit des PEA eine Aufgabenmitverantwortung. In der Sache sei das Berufungsurteil unzutreffend. Ihm liege eine falsche Anwendung der §§ 77 ff SGG und des § 62 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) zugrunde. Für verwaltungsverfahrensrechtliche Regelungen könne sich eine Grundlage nur aus Art 84 Abs 1 GG und nicht aus Art 74 Abs 1 Nr 1 GG ergeben. Dementsprechend lasse sich die Forderung nach Schaffung eines Widerspruchsverfahrens nur auf § 62 SGB X bzw § 79 Verwaltungsverfahrensgesetz und nicht auf die direkte Anwendung des SGG bzw der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) stützen. § 62 SGB X schreibe aber keinen bestimmten Behördenaufbau vor, setze vielmehr dessen Bestehen voraus. Als Widerspruchsstelle komme - entgegen der Auffassung des LSG - auch der PEA selbst in Betracht, wie dieser es seit mehreren erstinstanzlichen Urteilen vom 17. Februar 1999 in seinen Rechtsbehelfsbelehrungen zugrunde lege. Die früheren Hinweise auf die Möglichkeit direkter Klagen zum SG seien nur Folge des 1994 ergangenen anderslautenden LSG-Urteils gewesen. Im übrigen könne auch gänzlich auf ein Widerspruchsverfahren verzichtet werden. Eine Pflicht zu seiner Einführung lasse sich Art 19 Abs 4 Satz 1 GG nicht entnehmen. Solle dennoch eine Widerspruchsstelle eingerichtet werden, so liege die Zuständigkeit dafür entgegen der Auffassung des LSG nicht bei den niedersächsischen Vertragsparteien. Ein Sachzusammenhang mit der durch § 4 Abs 2 Satz 1 der Anlage 12 zum BMV-Z eingeräumten Zuständigkeit bestehe nicht. Diese Vorschrift ermächtige nur zu Verfahrensregelungen, nicht aber auch zur - davon zu trennenden - Schaffung weiterer Gremien mit Behördenqualität. Eine Kompetenz hierzu ergebe sich weder aus dem SGB V noch aus §§ 77 ff SGG. Vielmehr obliege es den Bundes-Vertragsparteien - dh der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung (KZÄBV) und den Spitzenverbänden der Krankenkassen (KKn), die durch § 4 Abs 2 Satz 1 der Anlage 12 zum BMV-Z den PEA konstituiert hätten -, auch eine Widerspruchsstelle zu schaffen. Solange diese fehle, sei entgegen der Auffassung des LSG nicht etwa die Tätigkeit des PEA rechtswidrig, denn die Kompetenz zu deren Schaffung bedeute nicht auch eine entsprechende Pflicht. Auch der Bürger habe kein Recht auf einen bestimmten Behördenaufbau. Zudem sei die hier zu 1. beigeladene AOK Bremen/Bremerhaven keine niedersächsische KK, die durch eine Vereinbarung auf Landesebene gebunden wäre. Im Ergebnis jedenfalls sei die Klage auch ohne vorheriges Widerspruchsverfahren zulässig. Selbst wenn dieser Auffassung nicht gefolgt würde, sei das angefochtene Urteil aber aufzuheben. Für eine klageabweisende Sachentscheidung iS des Hilfsantrages - weil der Regreßbescheid inhaltlich rechtmäßig sei - spreche, daß ein überhaupt als Vorverfahren einzustufendes Widerspruchsverfahren bei der Beigeladenen zu 2. stattgefunden habe. Das SG habe die Nichtigkeit des von dieser Stelle erlassenen Widerspruchsbescheides vom 23. Mai 1993 seinerzeit in einem allein gegen die Beigeladene zu 2., nicht aber auch gegen den PEA gerichteten Rechtsstreit festgestellt. Das LSG habe in seinem Urteil vom 14. September 1994 (L 5 KA 65/93) diesen Bescheid zu Recht als Sachurteilsvoraussetzung ausreichen lassen. Der Widerspruchsbescheid sei dort isoliert kassiert und der den Gegenstand des hiesigen Rechtsstreits bildende Beschluß des Beklagten vom 20. Januar 1993 in der Welt belassen worden. Da mithin bereits ein äußerlich sich als Widerspruchsbescheid darstellender Bescheid ergangen sei, stelle sich das Problem eines fehlenden Vorverfahrens im hiesigen Rechtsstreit nicht. Auch wenn fraglich sei, ob ein nichtiger Widerspruchsbescheid ein Widerspruchsverfahren beenden könne, stehe die Nichtigkeit des Widerspruchsbescheides vom 23. Mai 1993 bislang im Verhältnis zum hiesigen Beklagten nicht fest; im Revisionsverfahren könne daher zumindest in diesem Verhältnis die Nichtigkeit dieses Bescheides erneut inzident geprüft werden. Das LSG sei jedenfalls inkonsequent, wenn es zunächst den Widerspruchsbescheid beseitige und den Ausgangsbescheid bestehen lasse, jetzt aber fünf Jahre später das selbst verursachte Fehlen des Widerspruchsbescheides zum Anlaß nehme, den Ausgangsbescheid gänzlich aufzuheben. Dem LSG seien zudem Verfahrensfehler anzulasten. Es hätte den Beteiligten Gelegenheit geben müssen, noch während des Gerichtsverfahrens ein eventuell fehlendes Widerspruchsverfahren nachzuholen. Jedenfalls hätte es den angefochtenen Bescheid nicht ohne Sachprüfung aufheben dürfen, zumal es früher bei ohne Vorverfahren erhobenen Klagen in die Sachprüfung eingetreten sei. Das LSG habe auch keine Rücksicht darauf genommen, daß seit dem Jahr 2000 ein Vertragsentwurf der niedersächsischen Vertragsparteien vorliege, der die Schaffung eines zweiten PEA mit der Funktion einer Widerspruchsstelle vorsehe.

Der Beklagte und die Beigeladene zu 2. beantragen,

das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 1. Dezember 1999 aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückzuverweisen,

hilfsweise,

das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 1. Dezember 1999 aufzuheben und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 17. Februar 1999 zurückzuweisen.

Der Kläger stellt keinen Antrag. Er hält das Urteil des LSG für zutreffend und macht sich dessen Begründung zu eigen. Die von den Revisionsführern vorgebrachten Gesichtspunkte könnten nicht überzeugen; deren Behauptung, daß Widerspruchsverfahren gegen Bescheide des PEA regelmäßig vor diesem selbst stattfänden und Ausgangsbescheide seit 1999 eine entsprechende Rechtsbehelfsbelehrung enthielten, werde bestritten. Ein solches Widerspruchsverfahren wäre aber auch unzulässig. Die Ausführungen der Revisionskläger zu Bestrebungen hinsichtlich der Einrichtung einer Prothetik-Widerspruchsstelle seien unerheblich. Der gegen ihn (den Kläger) erhobene Vorwurf eines Planungsfehlers sei unberechtigt, wie er im einzelnen dargelegt habe.

Die zu 1. beigeladene AOK hat sich nicht geäußert.

II

Die Revisionen des Beklagten und der Beigeladenen zu 2. haben iS der Zurückverweisung der Sache an das LSG Erfolg.

Auch die von der zu 2. beigeladenen KZÄV eingelegte Revision ist zulässig. Sie ist durch das Berufungsurteil materiell beschwert. Denn der vom LSG aufgehobene Bescheid des beklagten PEA betrifft die KZÄV in ihrer Mitverantwortung, die sie für eine den gesetzlichen und vertraglichen Erfordernissen entsprechende Durchführung der vertragsärztlichen Versorgung trägt, und wirkt gestaltend auf die Rechtsbeziehungen zwischen ihr, den KKn(-Verbänden) und dem Vertragszahnarzt ein (so schon Urteil des Senats vom 18. Februar 1986, BSG SozR 1500 § 70 Nr 3 S 4).

Auf die Revisionen war das vorinstanzliche Urteil aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen. Dieses hat den Beteiligten Gelegenheit zu geben, ein Widerspruchsverfahren nachzuholen.

Nach § 78 Abs 1 SGG sind vor Erhebung der Anfechtungsklage Rechtmäßigkeit und Zweckmäßigkeit des Verwaltungsaktes in einem Vorverfahren nachzuprüfen (Satz 1 aaO), sofern hiervon nicht nach Abs 1 Satz 2 aaO ausnahmsweise abgesehen werden kann. Ein solcher Ausnahmefall liegt nicht vor.

§ 78 Abs 1 Satz 1 SGG gilt auch für das auf bundesrechtlicher Ermächtigungsgrundlage eingeführte Verfahren über Regreßansprüche der KKn bei Mängeln der prothetischen Versorgung durch einen Vertragszahnarzt. Wie der Senat bereits zum früheren Rechtszustand entschieden hat, ist die Institution des PEA auf gesetzlicher Grundlage (§ 368g Abs 2 und 3 Reichsversicherungsordnung <RVO>; nunmehr § 82 Abs 1, § 83 Abs 1 SGB V) durch normative Regelungen des BMV-Z (§ 2 Abs 3 BMV-Z iVm der Anlage 12 zum BMV-Z) und gesamtvertragliche Vereinbarungen - entsprechend der gesetzlichen Konzeption - als ein selbständiger Ausschuß der gemeinsamen Selbstverwaltung der KZÄV und der Primärkassen geschaffen worden (vgl BSG SozR 1500 § 70 Nr 3 S 4 und S 5 f; BSG USK 86217). Basierend auf diesen Vorschriften ist der beklagte PEA im Bereich der Beigeladenen zu 2. aufgrund gesamtvertraglicher Regelung errichtet worden. Die maßgeblichen Rechtsvorschriften berechtigen und verpflichten den PEA, mit rechtsgestaltender Wirkung Entscheidungen zwischen den KKn, der KZÄV und dem Vertragszahnarzt zu treffen, insbesondere über Regreßansprüche von KKn gegen einen Zahnarzt wegen mangelhafter prothetischer Versorgung von Versicherten der KKn entscheiden. Da mit der Feststellung von Schadensersatzansprüchen zugleich Gesichtspunkte der Wirtschaftlichkeit der vertragszahnärztlichen Versorgung berührt sind (vgl BSG USK 92162 S 801), handelt es sich um besondere Prüfungseinrichtungen (BSG SozR 5545 § 24 Nr 2 S 3), deren Entscheidungen und Verfahrensweise auf der gegenüber § 23 Abs 1 Satz 2 BMV-Z speziellen Rechtsgrundlage des § 2 Abs 3 BMV-Z iVm der Anlage 12 zum BMV-Z beruhen (so schon BSG SozR aaO). Daran hat sich durch die Neukodifikation des Rechts der gesetzlichen Krankenversicherung im SGB V durch das Gesundheits-Reformgesetz vom 20. Dezember 1988 (BGBl I 2477) nichts geändert.

Die Entscheidungen des PEA sind Regelungen iS des § 31 Satz 1 SGB X, also - ggf auch belastende - Verwaltungsakte (BSG SozR 1500 § 70 Nr 3 S 4; USK 86217 S 1020), die der gerichtlichen Überprüfung im Wege der Anfechtungsklage gemäß § 54 Abs 1 SGG unterliegen. Die Zulässigkeit einer solchen Klage setzt voraus, daß der angefochtene Verwaltungsakt zuvor in einem Widerspruchsverfahren überprüft worden ist. Die Durchführung des Vorverfahrens ist eine unverzichtbare Sachurteilsvoraussetzung für die Anfechtungsklage (vgl zB BSG 3-1500 § 78 Nr 3 S 5, mwN). Diese vorherige Überprüfung soll der Verwaltung die Gelegenheit bieten, Fehlentscheidungen selbst zu korrigieren, und damit zugleich iS einer Filterfunktion dem Interesse der Entlastung der Gerichte dienen (vgl zB BSG 3-5540 Anl 1 § 10 Nr 1 S 10 f). Sie soll weiterhin dem Bürger eine zusätzliche Kontrolle durch die Verwaltung bieten, in deren Rahmen außer der von den Gerichten überprüfbaren Rechtmäßigkeit auch die Zweckmäßigkeit der Entscheidung geprüft wird. Das gilt auch für Entscheidungen des PEA, für die demgemäß ein Widerspruchsverfahren stattzufinden hat.

Die Auffassung der Revisionsführer, es habe eines erneuten Widerspruchsverfahrens wegen der besonders gelagerten Vorgeschichte des hiesigen Rechtsstreits nicht bedurft, trifft nicht zu. Denn der Bescheid der fehlerhaft zusammengesetzten PEA-Widerspruchsstelle vom 23. Mai 1993 kann im Verhältnis zum nunmehr beklagten, seinerzeit aber nicht am Verfahren beteiligt gewesenen PEA ebenfalls keine Rechtswirkungen entfalten. Das LSG hat mit seinem Urteil vom 14. September 1994 über den Bestand dieses Widerspruchsbescheides rechtskräftig entschieden, indem es ihn als nichtig angesehen hat. Unbeschadet der Frage, ob es zutreffend war, den Bescheid nicht nur als rechtswidrig, sondern sogar als nichtig anzusehen (anders in einem ähnlichen Fall zB BSG vom 9. Juni 1999 - SozR 3-5520 § 44 Nr 1 S 6 f mwN), ist jedenfalls entscheidend, daß der Widerspruchsbescheid nach dem Tenor des LSG-Urteils "aufgehoben" wurde und zwar im Verhältnis zum Kläger, zu der zu 1. beigeladenen AOK und der zu 2. beigeladenen KZÄV (diese als dortige Beklagte). Wegen der Rechtskrafterstreckung des Urteils auf diese Beteiligten (§ 141 Abs 1 SGG), die wiederum auch Beteiligte des hiesigen Rechtsstreits sind, wäre eine gerichtliche Entscheidung, die zum selben Streitgegenstand nunmehr gleichwohl vom Fortbestand des Widerspruchsbescheides vom 23. Mai 1993 ausginge, mit der Rechtskraft der früheren Entscheidung des LSG unvereinbar. Da die Beteiligten im hiesigen, gegen den PEA gerichteten Rechtsstreit wieder die Klägerrolle bzw - wegen der Nähe des Streitgegenstandes zur Wirtschaftlichkeitsprüfung - diejenige von notwendig Beigeladenen einnehmen (§ 75 Abs 2 SGG, vgl BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 7 S 32 und Nr 12 S 67), scheidet eine vom rechtskräftigen Urteil des LSG vom 14. September 1994 abweichende, quasi "geteilte" rechtliche Sichtweise zum Bestand des Widerspruchsbescheides vom 23. Mai 1993 aus. Da nach wie vor ein das Verwaltungsverfahren über einen Regreß gegen den Kläger abschließender Widerspruchsbescheid fehlt, muß das Vorverfahren nachgeholt werden, bevor in der Sache entschieden werden kann.

Gegenüber der Folgerung, die Sache an das LSG zurückzuverweisen, damit dieses den Beteiligten Gelegenheit gibt, das gebotene Widerspruchsverfahren nachzuholen, greift nicht der Einwand durch, es fehle an der erforderlichen Widerspruchserhebung. In Fällen der vorliegenden Art ist in der Klageerhebung zugleich die Einlegung des Widerspruchs zu sehen (vgl zB BSGE 26, 174, 177 mwN, insoweit in SozR Nr 7 zu § 368f RVO nicht abgedruckt; BSGE 35, 267, 271 = SozR Nr 5 zu § 551 RVO mwN; BSG SozR 3-1500 § 78 Nr 3 S 8 mwN).

Zuständigkeit und Verfahren der Widerspruchsbehörde bei Widersprüchen gegen Entscheidungen des PEA ergeben sich aus den einschlägigen bundesmantelvertraglichen Regelungen.

In Ausfüllung der Ermächtigung des § 2 Abs 3 BMV-Z haben die Vertragspartner des Primärkassenbereichs auf Bundesebene das Gutachterverfahren der Versorgung mit Zahnersatz und Zahnkronen vereinbart (Anlage 12 zum BMV-Z). In § 4 der Anlage 12 zum BMV-Z ist bestimmt, daß Mängelansprüche bei prothetischen Leistungen innerhalb von 24 Monaten nach der Eingliederung bei dem PEA geltend gemacht werden können (§ 4 Abs 1 Satz 1), sowie, daß die KZÄVen, die Landesverbände der KKn und die Landwirtschaftliche KK das Nähere über den PEA regeln (§ 4 Abs 2 Satz 1 aaO). In der dazu von den Vertragspartnern im Primärkassenbereich vereinbarten Regelung ist das Verfahren zur Entscheidung über Mängelansprüche bei prothetischen Leistungen und zur Entscheidung über Einsprüche gegen Stellungnahmen der Gutachter als einstufiges Verwaltungsverfahren ausgebildet (vgl § 4 des zwischen der Beklagten zu 1. und den Primärkassen <-verbänden> geschlossenen Landesmantelvertrages). Die Entscheidung einer Widerspruchsstelle ist nicht vorgesehen. Die Vertragspartner haben sich auch bisher nicht über die Besetzung und das Verfahren einer solchen Widerspruchsstelle einigen können. Das steht indessen der Überprüfung der Entscheidung des PEA in einem Vorverfahren nicht entgegen. Nach § 4 Abs 2 Satz 2 der Anlage 12 zum BMV-Z richten sich bis zu einer Regelung des PEA und seines Verfahrens durch die Gesamtvertragspartner gemäß Satz 1 aaO die Bestellung, die Zusammensetzung, das Verfahren des PEA und die Durchsetzung seiner Entscheidungen nach den Vorschriften des BMV-Z und der Verfahrensordnung.

Hiermit wird, wie der Senat bereits früher ausgeführt hat, für die Übergangszeit bis zur Schaffung eigenständiger Regelungen im PEA-Bereich auf die Vorschriften verwiesen, die für Wirtschaftlichkeitsprüfungen maßgeblich sind (BSG SozR 1500 § 70 Nr 3 S 5; USK 86217 S 1020). Diese Verweisung ist dahin auszulegen, daß sie auch das Widerspruchsverfahren betrifft, dh daß die für Wirtschaftlichkeitsprüfungen zuständigen Beschwerdeausschüsse über Widersprüche entscheiden, soweit noch keine speziellen Regelungen für Widersprüche gegen Entscheidungen des PEA getroffen worden sind. Für die Geltung auch für Widerspruchsverfahren spricht vor allem die in § 4 Abs 2 Satz 2 der Anlage 12 zum BMV-Z ausdrücklich angesprochene "Durchsetzung seiner Entscheidungen". Dies zeigt, daß ein effektives Instrumentarium zur Verfügung stehen soll. Zur Effektivität von Verwaltungsverfahren gehört aber, daß die Entscheidungen Bestandskraft erlangen und vollzogen werden können. Dies impliziert die Schaffung eines Widerspruchsverfahrens, evtl mit einer speziellen Widerspruchsstelle, sowie die Auslegung, daß die Ermächtigung dazu in § 4 Abs 2 Satz 1 aaO enthalten ist und bis zu einer entsprechenden Regelung die Auffangzuständigkeit nach Satz 2 gilt. Vorschriften, die gegenüber § 4 Abs 2 der Anlage 12 zum BMV-Z eine neuere speziellere Bestimmung geschaffen haben könnten, sind nicht erlassen worden.

Allein diese Auslegung des § 4 Abs 2 Satz 2 der Anlage 12 zum BMV-Z iS einer Verweisung auf die Vorschriften über das Widerspruchsverfahren bei Wirtschaftlichkeitsprüfungen wird § 78 Abs 1 SGG und der - bereits dargelegten - Funktion des Widerspruchsverfahrens vor der Erhebung der Anfechtungsklage gerecht. Eine Ausnahme hiervon ergibt sich nicht daraus, daß die gesamtvertragliche Regelung im Bereich der Beklagten zu 1. ein Widerspruchsverfahren nicht vorsieht; denn dabei handelt es sich nicht um eine Regelung iS des § 78 Abs 1 Satz 2 Nr 1 SGG. Nach dieser Vorschrift bedarf es eines Vorverfahrens nicht, wenn ein Gesetz dies für besondere Fälle für entbehrlich erklärt hat. Unter Gesetz in diesem Sinne sind bundes- oder landesgesetzliche Bestimmungen zu verstehen (vgl BVerfGE 35, 65, 73 f; 84, 34, 47 f); es muß sich aber jeweils um Regelungen durch förmliche Gesetze oder Rechtsverordnungen handeln (s BVerfGE 84, 34, 48; BSG SozR 1500 § 78 Nr 26 S 37; Rennert in Eyermann, VwGO, 11. Aufl 2000, § 68 RdNr 24). Der Verzicht auf ein Vorverfahren kann jedenfalls nicht durch eine Vorschrift lediglich im Rang unterhalb einer Rechtsverordnung geregelt werden. Dementsprechend hat der Senat bereits früher in Disziplinarangelegenheiten eine Regelung nur im Ersatzkassenvertrag-Ärzte als unzureichend für die Entbehrlichkeit des Vorverfahrens angesehen (vgl BSG SozR 1500 § 78 Nr 26 S 36 f).

Mithin sind für Widerspruchsverfahren gegen Entscheidungen des PEA im Bereich der Beklagten zu 2. derzeit gemäß § 4 Abs 2 Satz 2 der Anlage 12 zum BMV-Z die für Wirtschaftlichkeitsprüfungen eingerichteten Beschwerdeausschüsse zuständig und die für deren Verfahren geltenden Vorschriften anzuwenden (s dazu § 106 Abs 4 und 5 SGB V iVm § 20 Abs 1 Satz 2, § 22 Abs 3 und Abs 6 BMV-Z iVm § 10 der Anlage 4 zum BMV-Z). Dem kann nicht entgegengehalten werden, daß nach der durch das Gesundheitsstrukturgesetz vom 21. Dezember 1992 (BGBl I 2266) geschaffenen Rechtslage auch Vertreter der Ersatzkassen in den Wirtschaftlichkeitsprüfungsgremien vertreten sind und somit über Mängelansprüche im Primärkassenbereich mitzuentscheiden haben. Das entspricht der Intention des Gesetzes, Primärkassen- und Ersatzkassenbereich zusammenzuführen.

Die im Revisionsverfahren vorgetragene Ansicht, für die Errichtung einer Widerspruchsstelle und die Regelung eines Widerspruchsverfahrens seien die Vertragsparteien auf Bundesebene ausschließlich zuständig, trifft nicht zu. Unabhängig davon, ob die Kompetenz an sich den Vertragsparteien auf Bundesebene zukäme, haben sie sie jedenfalls wirksam an die Vertragsparteien auf Landesebene delegiert, indem sie diese durch § 82 Abs 1, § 72 Abs 1 Satz 2 SGB V (bzw früher: § 368g Abs 3, § 368 Abs 1 Satz 3 RVO) iVm der Regelung des § 4 Abs 2 der Anlage 12 zum BMV-Z für zuständig erklärt haben. Schon früher hat der Senat in landesrechtlichen Verfahrensregelungen durch Vereinbarungen der KZÄV mit den Landesverbänden der KKn keinen Verstoß gegen Bundesrecht gesehen (BSGE 69, 166, 167 = SozR 3-2500 § 87 Nr 2 S 5; - s zu Landesregelungen auch BVerfGE 35, 65, 73 f; zur Delegation auf die Landesebene s ferner BSG SozR 1500 § 70 Nr 3 S 4 betr Errichtung des PEA). Die Zuständigkeit der Vertragsparteien auf Landesebene bedeutet zugleich, daß Widerspruchsentscheidungen des PEA selbst nur auf der Grundlage entsprechender normativer Regelungen möglich wären. Dabei kann - anders als die Revisionsführer meinen - die niedersächsische Widerspruchsstelle auch für Ansprüche der zu 1. beigeladenen AOK Bremen-Bremerhaven örtlich und sachlich zuständig sein. Sofern eine solche Verwaltungsaushilfe im Rahmen des Fremdkassenausgleichs nicht schon aus anderen Regelungen folgt (vgl § 75 Abs 7 Satz 2 SGB V iVm den dazu erlassenen Richtlinien der KZÄBV), wäre im Widerspruchsverfahren zu berücksichtigen, daß ein in Niedersachsen zugelassener Vertragszahnarzt nicht von der Einhaltung der ihm gesetzlich und vertraglich obliegenden Pflichten entbunden ist, nur weil (zufällig) nicht eine in diesem Bundesland ansässige Krankenkasse, sondern eine Fremdkasse Kostenträger der zahnprothetischen Behandlung ist.

Wurde vor Klageerhebung kein Widerspruchsverfahren durchgeführt, so führt das im Regelfall nicht zur Abweisung einer Klage als unzulässig. Bedurfte es eines Widerspruchsverfahrens, so geben die Gerichte den Beteiligten vielmehr Gelegenheit zur Nachholung (vgl dazu zum einen § 88 Abs 2 iVm Abs 1 Satz 2 SGG und zum anderen die Rechtsprechung zu Fällen, in denen die Erforderlichkeit oder Entbehrlichkeit eines Vorverfahrens unklar gewesen war: BSGE 25, 66, 68 = SozR Nr 4 zu § 1538 RVO; BSGE 26, 174, 176 f, insoweit in SozR Nr 17 zu § 368 f RVO nicht abgedruckt; s ferner zB BSG SozR 3-5540 Anl 1 § 10 Nr 1 S 9 ff; SozR 3-1500 § 78 Nr 3 S 5 ff).

Die Zurückverweisung an das LSG hat nach der dargestellten Rechtslage zur Folge, daß dem für Wirtschaftlichkeitsprüfungen eingerichteten Beschwerdeausschuß Gelegenheit zur Durchführung des Widerspruchsverfahrens gegen die Entscheidung des PEA zu geben ist, sofern nicht zwischenzeitlich spezielle Bestimmungen für Widerspruchsverfahren gegen PEA-Entscheidungen getroffen werden und so die übergangsweise Aufgabenwahrnehmung durch die Beschwerdeausschüsse beendet wird.

Das LSG wird, nachdem es den Beteiligten Gelegenheit gegeben hat, das Vorverfahren durchzuführen, im Zusammenhang mit der Entscheidung des Rechtsstreits über die Kosten des Verfahrens einschließlich derer des Revisionsverfahrens zu befinden haben.



Ende der Entscheidung

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