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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundessozialgericht
Urteil verkündet am 29.08.2007
Aktenzeichen: B 6 KA 2/07 R
Rechtsgebiete: SGB V, GG


Vorschriften:

SGB V F: 22.12.1999 § 85 Abs 4 S 1 Halbs 2
SGB V F: 22.12.1999 § 85 Abs 4 S 2
SGB V F: 22.12.1999 § 85 Abs 4 S 3
GG Art 3 Abs 1
GG Art 12 Abs 1

Entscheidung wurde am 03.09.2008 korrigiert: die Rechtsgebiete, die Vorschriften und der Verfahrensgang wurden geändert, Stichworte und ein amtlicher Leitsatz wurden hinzugefügt
Eine vertragsärztliche Honorarverteilungsregelung, die zur Bemessung der Honoraranteile einzelner Facharztgruppen unmittelbar an die Ergebnisse einer materiell rechtswidrigen Honoraraufteilung in einem vorangegangenen Zeitraum anknüpft, ist mit dem bundesrechtlichen Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit nicht vereinbar.
BUNDESSOZIALGERICHT Im Namen des Volkes Urteil

in dem Rechtsstreit

Verkündet am 29. August 2007

Az: B 6 KA 2/07 R

Der 6. Senat des Bundessozialgerichts hat auf die mündliche Verhandlung vom 29. August 2007 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Engelmann, die Richter Dr. Clemens und Gasser sowie die ehrenamtlichen Richter Dr. Oelze und Dr. Huemer

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Revision der Klägerin werden die Urteile des Sächsischen Landessozialgerichts vom 18. Oktober 2006 und des Sozialgerichts Dresden vom 17. Dezember 2003 - insoweit beschränkt auf die Quartale IV/2000 bis II/2001 - abgeändert. Die Beklagte wird unter teilweiser Aufhebung der Honorarbescheide vom 26. April 2001, 26. Juli 2001 und 25. Oktober 2001 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 11. September 2001, 5. Oktober 2001 und 16. Januar 2002 verpflichtet, über die Honoraransprüche der Klägerin für die Quartale IV/2000 bis II/2001 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats erneut zu entscheiden.

Die Beklagte hat der Klägerin deren außergerichtliche Kosten hinsichtlich der Verfahren für die Quartale III/2000 bis I/2001 zu erstatten. Hinsichtlich des Verfahrens für das Quartal II/2001 trägt die Beklagte die Kosten des Rechtsstreits.

Gründe:

I

Streitig ist ein Anspruch auf höhere vertragsärztliche Vergütung.

Die Klägerin, eine im Bezirk der beklagten Kassenärztlichen Vereinigung (KÄV) zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassene Ärztin für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde (HNO-Ärztin), war mit einem Begehren auf Neubescheidung ihrer Honoraransprüche für die Quartale I/2000 und II/2000 erfolgreich. Sozialgericht (SG) und Landessozialgericht (LSG) erachteten die im Honorarverteilungsmaßstab (HVM) der Beklagten für diese Quartale vorgesehene automatische Anpassung der in den fachgruppenspezifischen Honorartöpfen zur Verteilung gelangenden Honorarvolumina nach Maßgabe der Veränderungen der Arztzahlen in den einzelnen Fachgruppen gegenüber dem Basisjahr 1999 als rechtswidrig. Die hiergegen gerichtete Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten wurde zurückgewiesen (Senatsbeschluss vom 22.6.2005 - Parallelentscheidung unter Az B 6 KA 68/04 B in juris dokumentiert). Die beanstandete Arztzahlveränderungsregelung führte nach den Feststellungen des SG zu einer Reduzierung des Anteils der 216 sächsischen HNO-Ärzte am fachärztlichen Vergütungstopf (Primär-/Ersatzkassen) von 7,0768 % / 7,6731 % im Jahr 1999 auf 6,8772 % / 7,4434 % im Quartal III/2000. Bei einem in diesem Quartal im fachärztlichen Bereich nach Durchführung von Vorwegabzügen zur Verteilung nach Punkten zur Verfügung stehenden Betrag von ca 189,6 Mio DM bewirkte diese Regelung eine Verminderung des den HNO-Ärzten im Vergleich zu 1999 zur Verfügung stehenden Honorarvolumens um insgesamt ca 403.000 DM (dh je HNO-Arzt durchschnittlich um 1.865 DM im Quartal).

Die genannte Arztzahlveränderungsregelung kam nach einer am 30.3.2001 beschlossenen Modifizierung des HVM ab dem Quartal IV/2000 nicht mehr zur Anwendung. Nunmehr erfolgte die Aufteilung der auf den fachärztlichen Versorgungsbereich entfallenden Gesamtvergütungen auf die einzelnen Honorartöpfe nach Maßgabe des Anteils der jeweiligen Facharztgruppe im Quartal III/2000, also gemäß den Verhältnissen des letzten Quartals, in dem die Arztzahlveränderungsregelung umgesetzt wurde. Diese Verhältnisse waren bis zum Quartal II/2003 für die Honorarverteilung maßgeblich; anschließend erfolgte die Aufteilung des fachärztlichen Gesamtvergütungsanteils auf die einzelnen Facharzttöpfe auf der Grundlage der durchschnittlichen Anteile der einzelnen Arztgruppen in den Quartalen III/2001 bis II/2002 (§ 5 Abs 4 des HVM idF vom 11.6.2003).

Die Klägerin erhob jeweils auch Widerspruch und Klage gegen ihr erteilte Honorarbescheide für die Quartale III/2000 bis II/2001, die - teils nach Korrektur - Honorare in Höhe von 71.368,39 DM (III/2000), 75.432,87 DM (IV/2000), 77.108,58 DM (I/2001) bzw 81.460,83 DM/41.650,26 Euro (II/2001) auswiesen.

Das SG hat nach Verbindung der Verfahren zur gemeinsamen Entscheidung die Beklagte hinsichtlich des Quartals III/2000 - insoweit zwischenzeitlich rechtskräftig - zu erneuter Bescheidung verurteilt, die hier streitbefangenen Klagen bezüglich der Quartale IV/2000 bis II/2001 jedoch abgewiesen (Urteil vom 17.12.2003). Die Berufung der Klägerin ist ohne Erfolg geblieben. Das LSG hat ausgeführt, der Zuschnitt der Fachgruppentöpfe ab dem Quartal IV/2000 gemäß den Anteilen der Facharztgruppen an den Gesamtvergütungen des Quartals III/2000 sei nicht zu beanstanden, auch wenn damit die in jenem Quartal noch angewandte rechtswidrige Arztzahlveränderungsregelung faktisch fortwirke. Ein allgemeiner Rechtsgrundsatz, dem zufolge jeder in einem Bezugszeitraum geschehene Rechtsfehler zu korrigieren sei, bevor diese Abrechnungsergebnisse für spätere Vergütungsregelungen herangezogen werden könnten, existiere nicht. Der Beklagten stehe vielmehr auch insoweit ein Gestaltungsspielraum zu. Der Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit gestatte im Interesse der Überschaubarkeit und Praktikabilität eine Pauschalierung, Typisierung und Generalisierung insbesondere dann, wenn dies bloß zu Ungerechtigkeiten in einzelnen besonders gelagerten Fällen führe und eine Gruppe von Leistungserbringern nicht systematisch benachteilige, sofern solches nicht als geringfügig vernachlässigt werden könne oder durch den Zweck der Verteilungsregelung geboten sei (Hinweis auf BSGE 73, 131, 140 = SozR 3-2500 § 85 Nr 4 S 28). Der Gestaltungsspielraum der KÄV sei jedenfalls dann nicht überschritten, wenn - wie hier - eine nachträgliche Korrektur mit erheblichem Verwaltungsaufwand verbunden wäre, sich die Einkommenseinbußen der betroffenen Arztgruppen in Grenzen hielten, eine rechtmäßige HVM-Regelung mit ähnlichen Auswirkungen wie die als rechtswidrig erkannte denkbar sei und es sich um ein Übergangsproblem handele (Urteil vom 18.10.2006 - juris).

Die Klägerin rügt mit ihrer Revision eine Verletzung von § 85 Abs 4 Satz 3 SGB V sowie des Grundsatzes der Honorarverteilungsgerechtigkeit. Sie macht erstmals im Verlauf des Rechtsstreits geltend, jedenfalls bei HNO-Ärzten sei eine Anknüpfung ausschließlich an die Honoraranteile im dritten Quartal eines Jahres unstatthaft. Vielmehr müsse wegen der erheblichen jahreszeitlichen Schwankungen von deren Leistungsbedarf (der im dritten Abrechnungsquartal <Hochsommer> lediglich 90,8 % des Jahresdurchschnitts ausmache, während dieser Wert im Gesamtdurchschnitt aller Leistungserbringer 95,1 % betrage) bei ihnen regelmäßig auf die Verhältnisse in vier aufeinanderfolgenden Abrechnungsquartalen abgestellt werden. Zudem vertieft sie ihr bisheriges Vorbringen, im Basisquartal III/2000 seien die Auszahlungspunktwerte für HNO-Ärzte infolge der rechtswidrig angewandten Arztzahlveränderungsregelung zu niedrig festgesetzt worden und eine Zugrundelegung der Anteile in diesem Quartal perpetuiere in unzulässiger Weise einen rechtswidrigen Zustand. Die Anknüpfung einer HVM-Regelung an gezahlte Vergütungen in einem Vorquartal beziehe sich auf normativ geprägte Verhältnisse, setze mithin die Rechtmäßigkeit dieser Verhältnisse voraus. Hiervon könne nur bei Vorliegen eines legitimen Grundes unter Wahrung der Verhältnismäßigkeit abgewichen werden; die vom Berufungsgericht hierfür vorgebrachten Argumente seien nicht tragfähig.

Als Verfahrensmangel werde insbesondere gerügt, dass das LSG für seine Annahme, eine Neuberechnung der den einzelnen Arztgruppen im Quartal III/2000 zustehenden Vergütungsanteile ohne Berücksichtigung der Arztzahlveränderungen sei mit einem unangemessen hohen Verwaltungsaufwand verbunden, keine Tatsachenfeststellungen getroffen habe. In Wirklichkeit könne die Neuberechnung in wenigen Stunden bzw Tagen erledigt werden, da die wesentlichen Daten feststünden. Doch selbst unter Zugrundelegung der Angaben der Beklagten, wonach eine Verwaltungsfachkraft hierfür mehrere Monate benötige, ergebe sich ein Kostenaufwand von ca 30.000 Euro, der in Relation sowohl zur verteilten Gesamtvergütung von jährlich ca 1 Mrd Euro als auch zur Verwaltungskostenumlage von ca 30 Mio Euro verschwindend gering sei. Bei der Bestimmung der Zumutbarkeitsgrenze dürfe nicht außer Acht gelassen werden, dass die Ursache für die erforderliche Neuberechnung in die Sphäre der Beklagten falle. Unbeachtlich sei die Erwägung des LSG, es sei der Beklagten im Rahmen der Neubescheidung unbenommen, eine neue Honorarverteilungsregelung zu wählen, die ohne die rechtswidrige Arztzahlveränderungsregelung aufgrund medizinischer Erwägungen zu ähnlichen Ergebnissen gelange. Denn tatsächlich habe die Beklagte für die Quartale I/2000 bis III/2000 an die HNO-Ärzte Nachzahlungen geleistet und für deren Berechnung den in diesen Quartalen geltenden HVM ohne die Arztzahlveränderung angewandt. Dass die Klägerin auch zu einer Alternativregelung mit ähnlichem Ergebnis befugt gewesen sein könnte, dürfe nicht einfach unterstellt, sondern müsse im Wege der Sachaufklärung oder durch Verpflichtung zur Neubescheidung verifiziert werden.

Weiterhin sei es nicht statthaft, die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zur Reaktionspflicht des HVM-Normgebers bei einem Punktwertabfall von wenigstens 15 % auf die vorliegende Konstellation zu übertragen und darauf zu verweisen, dass sich die Honorareinbußen der HNO-Ärzte infolge der angewandten Arztzahlveränderungsregelung im Quartal III/2000 lediglich auf ca 150.000 Euro oder 2,2 % ihres Honorarvolumens beliefen. Dies lasse unberücksichtigt, dass nur ein Teil der HNO-Ärzte ihre Honorarbescheide für das Quartal III/2000 angefochten hätten und dass auch die Nachvergütungsbescheide großteils noch nicht bestandskräftig seien. Zudem könne die Rechtsprechung zur Reaktionspflicht nicht herangezogen werden, weil vorliegend keine Zukunftsprognose habe getroffen werden müssen, vielmehr sämtliche entscheidungserheblichen Tatsachen bekannt gewesen seien, sodass eine Einschätzungsprärogative der KÄV nicht angenommen werden könne. Es sei auch widersprüchlich, wenn das LSG einerseits Honorarverluste der HNO-Ärzte von bis zu 10 % für hinnehmbar halte, andererseits aber einen Verwaltungsaufwand im Promillebereich als für die KÄV unzumutbar deklariere. Insgesamt liege eine systematische Benachteiligung der HNO-Ärzte vor, die bis heute fortwirke. Denn auch derzeit beruhten die Anteile der einzelnen Arztgruppen an dem fachärztlichen Vergütungstopf mittelbar auf der Vergütung des Quartals III/2000; eine Anpassung durch die Beklagte sei auch nicht erfolgt, nachdem deren Rechtswidrigkeit aufgrund des BSG-Beschlusses vom 22.6.2005 festgestanden habe.

Ergänzend macht die Klägerin geltend, es werde einer Manipulation der Honorarverteilung durch die KÄV Tür und Tor geöffnet, wenn man eine Anknüpfung an Bemessungszeiträume mit rechtswidriger Honorarverteilung zulasse. Jede KÄV könne dann ohne Risiko für die Dauer eines Quartals einen rechtswidrigen HVM mit massiven Umverteilungen beschließen und ab dem Folgequartal hierauf Bezug nehmen. Wenn der einzelne Vertragsarzt dagegen nicht mehr vorgehen könne, sei der Rechtsschutz gegen willkürliche Honorarverteilungsmaßnahmen unter Verstoß gegen Art 19 Abs 4 GG ausgehebelt. Allerdings müsse nicht jeder im Bemessungszeitraum geschehene Fehler in der Honorarverteilung zu einer rückwirkenden Anpassung der Bemessungsgrundlage führen. Zunächst nicht erkennbare Fehler in der Sachverhaltsermittlung - beispielsweise Kürzungen infolge sachlich-rechnerischer Richtigstellungen oder Wirtschaftlichkeitsprüfungen - verpflichteten lediglich zu Korrekturen für die Zukunft, sofern sich diese auf die Auszahlungspunktwerte auswirkten. Eine fehlerhafte Rechtsanwendung, etwa bloße Rechenfehler oder die Anwendung mit höherrangigem Recht unvereinbarer Rechtsnormen, falle hingegen in den Verantwortungsbereich der KÄV und müsse auch bei deren subjektiver Unkenntnis zu einer rückwirkenden Anpassung führen.

Die Klägerin beantragt,

die Urteile des Sächsischen Landessozialgerichts vom 18.10.2006 und des Sozialgerichts Dresden vom 17.12.2003 abzuändern und die Beklagte unter teilweiser Aufhebung der Honorarbescheide vom 26.4.2001, 26.7.2001 und 25.10.2001 in Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 11.9.2001, 5.10.2001 und 16.1.2002 zu verpflichten, ihre Honoraransprüche für die Quartale IV/2000, I/2001 und II/2001 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats neu festzusetzen,

hilfsweise, das Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 18.10.2006 aufzuheben und den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Die Anknüpfung an nur ein Quartal sei zulässig, zumal die Punktwertstützungsregelung in § 5 Abs 7 HVM sicherstelle, dass keine zu großen Abweichungen entstünden. Bei Verabschiedung des HVM hätten zudem keine Abrechnungsergebnisse für vier auf das Quartal III/2000 folgende Quartale vorgelegen. Dessen Heranziehung als Bezugszeitraum sei aus den vom LSG aufgezeigten Gründen nicht zu beanstanden. Hierfür spreche vor allem der mit einer Ersetzung dieser Abrechnungsergebnisse verbundene hohe Verwaltungsaufwand, zumal die Neuberechnung der Honorare jedes einzelnen Arztes im Jahr 1999 erforderlich wäre. Dass das LSG den notwendigen Verwaltungsaufwand nicht konkret bestimmt habe, sei unschädlich, denn seiner Abwägung zwischen dem hohen Aufwand einer Neuberechnung und den begrenzten Folgen einer weiteren Heranziehung des Quartals III/2000 als Basis sei auch ohne konkrete Zahlen zu folgen. Außerdem müsse berücksichtigt werden, dass bei Verabschiedung des HVM am 30.3.2001 die Rechtswidrigkeit der Arztzahlveränderungsregelung noch nicht festgestanden habe. Im Hinblick auf die damals zu treffende Prognose sei es sachgerecht, die Regeln der Beobachtungs- und Reaktionspflicht auch auf diese Situation anzuwenden. Von einer systematischen Benachteiligung der HNO-Ärzte könne keine Rede sein, da die Arztzahlveränderungsregelung für alle Gruppen gegolten habe. Insgesamt habe sie - die Beklagte - das ihr Zumutbare getan und die streitige Regelung ab dem Quartal IV/2000 nicht mehr angewandt. Dieses Vorgehen sei pragmatisch und nicht rechtswidrig.

II

Die Revision der Klägerin ist begründet. Die angefochtenen Bescheide sind rechtswidrig, soweit in ihnen die Honoraransprüche der Klägerin unter Anwendung von Punktwerten festgesetzt wurden, die gemäß § 5 Abs 4 HVM auf der Basis des Honoraranteils der HNO-Ärzte im Quartal III/2000 berechnet sind. Diese unmittelbare Anknüpfung an die Ergebnisse einer im Bezugszeitraum rechtswidrigen Honorarverteilung beschwert die Klägerin in rechtswidriger Weise (§ 54 Abs 2 Satz 1 SGG).

Rechtsgrundlage für den Anspruch der Klägerin auf Zahlung höherer vertragsärztlicher Vergütung ist § 85 Abs 4 Satz 1 bis 3 SGB V (hier anzuwenden in der ab 1.1.2000 geltenden Fassung des GKV-Gesundheitsreformgesetzes 2000 vom 22.12.1999 - BGBl I 2626). Danach steht jedem Vertragsarzt ein Anspruch auf Teilhabe an den von den Krankenkassen an seine KÄV entrichteten Gesamtvergütungen entsprechend der Art und dem Umfang der von ihm erbrachten und abrechnungsfähigen Leistungen nach Maßgabe der Verteilungsregelungen im HVM zu. Die KÄV hat die Gesamtvergütungen gemäß § 85 Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 SGB V getrennt für die Bereiche der hausärztlichen und der fachärztlichen Versorgung zu verteilen. Vertragsärzte, die - wie die Klägerin - an der fachärztlichen Versorgung teilnehmen, können die leistungsproportionale Teilhabe am Honorarkontingent der Fachärzte beanspruchen (zum Vorstehenden s BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 26 RdNr 10, mwN).

Bei der Ausgestaltung der Honorarverteilungsregelungen ist der KÄV ein Gestaltungsspielraum eröffnet (BSGE 94, 50 = SozR 4-2500 § 72 Nr 2, jeweils RdNr 30, 50; BSGE 96, 53 = SozR 4-2500 § 85 Nr 23, jeweils RdNr 18; BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 32 RdNr 15). Die Gestaltungsfreiheit ist eine Ausprägung des mit Rechtsetzungsakten der Exekutive typischerweise verbundenen normativen Ermessens. Dieses wird erst dann rechtswidrig ausgeübt, wenn die getroffene Regelung in Anbetracht des Zwecks der Ermächtigung schlechterdings unvertretbar oder unverhältnismäßig ist. Allerdings hat die KÄV bei der Wahrnehmung des Gestaltungsspielraums die gesetzlichen Vorgaben - insbesondere in § 85 Abs 4 ff SGB V - sowie die Anforderungen des Verfassungsrechts zu beachten, die vor allem in dem aus Art 12 Abs 1 iVm Art 3 Abs 1 GG abzuleitenden Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit konkretisiert worden sind (vgl BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 17 RdNr 9 f).

Die revisionsgerichtliche Beurteilung von Regelungen eines HVM ist auf der Grundlage ihrer Auslegung durch das LSG vorzunehmen. Der HVM enthält satzungsrechtliche Bestimmungen des Landesrechts zur Umsetzung und Ergänzung der Vorschriften in § 85 Abs 4 SGB V, deren Geltungsbereich sich nicht über den Bezirk des Berufungsgerichts hinaus erstreckt. Für die Auslegung solchen Landesrechts ist das LSG zuständig, und dessen Ergebnis ist für das BSG grundsätzlich bindend (§§ 162, 202 SGG iVm § 560 ZPO, vgl BSG SozR 4-2500 § 75 Nr 4 RdNr 13 sowie § 85 Nr 28 RdNr 27). Die Bindungswirkung entfällt, wenn entweder die Art und Weise der Auslegung durch das Berufungsgericht mit allgemeinen Maßstäben zur Methodik der Auslegung nicht vereinbar und deshalb nicht mehr vertretbar (willkürlich) ist oder wenn das Auslegungsergebnis gegen bundesrechtliche Normen verstößt (BSG, aaO, mwN); das Revisionsgericht entscheidet dann an Stelle des LSG in der Sache. Ergibt die Überprüfung allerdings, dass auslegungsrelevante Sachverhaltsumstände vom Berufungsgericht nicht vollständig ermittelt wurden, so kann das Revisionsgericht entsprechende Tatsachen nicht selbst feststellen; der Rechtsstreit muss in einem solchen Falle zur Nachholung dieser Feststellungen an das LSG zurückverwiesen werden (§ 170 Abs 2 Satz 2 SGG).

Bei Anwendung dieser Maßstäbe erweist sich die Regelung in § 5 Abs 4 des hier maßgeblichen HVM der Beklagten vom 30.3.2001, der gemäß § 9 HVM rückwirkend zum 1.10.2000 in Kraft trat, als rechtswidrig.

Ob die Rechtswidrigkeit von § 5 Abs 4 HVM bereits daraus folgt, dass nach dieser Regelung das Volumen des Fachgruppentopfs der HNO-Ärzte gleichfalls auf der Grundlage von deren Honoraranteil im Quartal III/2000 und damit ohne Rücksicht auf angeblich besonders starke jahreszeitliche Schwankungen in dieser Arztgruppe ausschließlich nach Maßgabe der Verhältnisse in einem Sommerquartal zu bestimmen ist, kann der Senat nicht abschließend entscheiden. Die Klägerin hat diesen für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der HVM-Regelung im Hinblick auf Art 3 Abs 1 GG möglicherweise bedeutsamen Einwand erstmals im Revisionsverfahren vorgebracht. Das aus Art 3 Abs 1 GG folgende Gebot, wesentlich Ungleiches entsprechend unterschiedlich zu behandeln (vgl BVerfGE 112, 268, 279; BVerfG NJW 2007, 2098, 2102 - zur Veröffentlichung in BVerfGE 118, 1 vorgesehen), ist im Falle der Gleichbehandlung von Personengruppen verletzt, wenn zwischen diesen Gruppen wesentliche Unterschiede bestehen und keine Gründe solcher Art und solchen Gewichts ersichtlich sind, die eine dennoch erfolgende Gleichbehandlung rechtfertigen können. Die von der Klägerin angeführten Abrechnungsdaten können allerdings einen wesentlichen und ins Gewicht fallenden Unterschied im Ausmaß der jahreszeitlichen Schwankungen des Leistungsbedarfs bei HNO-Ärzten und anderen Facharztgruppen nicht belegen. Nach ihren Angaben rechneten die sächsischen HNO-Ärzte im Quartal III/2000 90,8 % der von ihnen im Durchschnitt des Jahres 2000 pro Quartal angesetzten Leistungen ab, während dieser Wert im Durchschnitt aller Leistungserbringer bei 95,1 % lag. Der Durchschnitt aller Leistungserbringer ist jedoch für einen Vergleich im Rahmen des Gleichbehandlungsgrundsatzes kein geeigneter Bezugspunkt; vielmehr wären die jahreszeitlichen Schwankungen des Leistungsbedarfs der HNO-Ärzte mit den Verhältnissen in denjenigen Arztgruppen zu vergleichen, die ebenfalls aus dem fachärztlichen Vergütungsanteil honoriert werden (vgl § 5 Abs 3 HVM). Auch das Urteil des LSG enthält - nachdem diese Frage in den Vorinstanzen noch nicht im Streit gewesen ist - keine Feststellungen zum Umfang der jahreszeitlich bedingten Schwankungen der Leistungsanforderungen der einzelnen Facharztgruppen im Bezirk der Beklagten, die der Senat einer rechtlichen Beurteilung zugrunde legen könnte. Gleichwohl ist eine Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht zur Ermittlung und Feststellung der maßgeblichen tatsächlichen Verhältnisse nicht erforderlich. Denn die Rechtswidrigkeit der Regelung in § 5 Abs 4 HVM und daraus folgend die vom Revisionsgericht auszusprechende Verpflichtung der Beklagten zu erneuter Bescheidung der Honoraransprüche der Klägerin (§ 170 Abs 2 Satz 1 SGG) ergibt sich - wie sogleich dargelegt wird - bereits aus einem anderen Grund.

Die Regelung in § 5 Abs 4 HVM in der Auslegung, die das LSG vorgenommen hat, überschreitet den einer KÄV bei der Ausgestaltung ihrer Honorarverteilungsregelungen zur Verfügung stehenden Gestaltungsspielraum. Sie ist mithin rechtswidrig und führt auch zur Rechtswidrigkeit der darauf aufbauenden, an die Klägerin gerichteten Honorarbescheide für die hier streitbefangenen Quartale IV/2000 bis II/2001.

Das LSG hat die genannte Vorschrift in der Weise ausgelegt, dass für die Dotierung der einzelnen Fachgruppentöpfe im Zeitraum ab Quartal IV/2000 die Anteile der einzelnen Honorargruppen an der Gesamtvergütung im Quartal III/2000 maßgeblich seien, und zwar "ohne Rücksicht darauf, ob diese rechtmäßig oder rechtswidrig berechnet worden sind". Entscheidend seien allein die Summen der tatsächlich an die einzelnen Arztgruppen "im Rahmen der Honorarverteilung für das Quartal III/2000 ausbezahlten Vergütungen" (LSG-Urteil S 12 oben - juris RdNr 26). Die letztgenannte Aussage präzisiert das Berufungsgericht dahingehend, dass eine nachträgliche Korrektur der Gesamtvergütungsanteile des Quartals III/2000 um zunächst rechtsfehlerhaft versagte oder gewährte Honorare nicht erfolgen solle. Nach dieser Interpretation der Bestimmung richtet sich somit die Höhe des Anteils einer Facharztgruppe an den - nach Vorwegabzügen - zu verteilenden Gesamtvergütungen ab dem Quartal IV/2000 ausschließlich nach dem prozentualen Anteil, den die Mitglieder dieser Fachgruppe bei der ersten Verteilung und Bewilligung von Honoraren für das Quartal III/2000 zugewiesen erhielten - und zwar auch dann, wenn die Festlegung der Honoraranteile der einzelnen Fachgruppen in diesem Quartal in rechtswidriger Weise erfolgt war. Diese Auslegung nicht revisiblen Landesrechts (§ 162 SGG) hat der Senat seiner rechtlichen Beurteilung zugrunde zu legen; ob sie zwingend erscheint oder auch anders hätte vorgenommen werden können, ist unerheblich. Anhaltspunkte dafür, dass die Interpretation des LSG gegen allgemein anerkannte Grundsätze zur Methodik der Auslegung verstoßen könnte und deshalb unbeachtlich wäre, sind nicht ersichtlich. Auch die Klägerin macht dies nicht geltend; sie rügt vielmehr, dass dieses Auslegungsergebnis wegen des Rückgriffs auf rechtswidrige Honorarverteilungen gegen den Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit verstoße. Tatsächlich war die von der Beklagten im Basisquartal III/2000 ursprünglich vorgenommene Verteilung der für den fachärztlichen Versorgungsbereich zur Verfügung stehenden Gesamtvergütungen auf die einzelnen Facharzttöpfe rechtswidrig. Dies folgt daraus, dass in diesem Quartal gemäß § 5 Abs 5 HVM (idF vom 24.6.2000) die Anpassung der Honorarkontingente ausschließlich nach Maßgabe der Änderungen der Arztzahlen in den einzelnen Facharztgruppen seit dem Bezugsjahr 1999 vorgenommen wurde, ohne dass von der Beklagten geprüft worden wäre, ob damit entsprechende bedarfsbedingte Veränderungen im medizinischen Leistungsgeschehen einhergingen (vgl zu den Vorgängerquartalen III/1997 bis II/1998 das Urteil des Sächsischen LSG vom 31.3.2004 - L 1 KA 8/00 - und hierzu Senatsbeschluss vom 22.6.2005 - B 6 KA 68/04 B -, jeweils in juris dokumentiert; s auch Senatsbeschluss vom 23.5.2007 - B 6 KA 85/06 B - juris, sowie das Urteil B 6 KA 36/06 R vom heutigen Tage, zur Veröffentlichung in SozR 4 vorgesehen). Auch die Rechtswidrigkeit der im hier maßgeblichen Bezugsquartal III/2000 vorgenommenen Aufteilung der fachärztlichen Gesamtvergütungen auf die einzelnen Facharzttöpfe steht mittlerweile zwischen den Beteiligten verbindlich fest. Denn insoweit ist die der Klage stattgebende Entscheidung des SG nach Rücknahme der von der Beklagten eingelegten Berufung rechtskräftig geworden (§ 141 Abs 1 Nr 1 SGG).

Die Beklagte hat hierauf Nachzahlungen auch an alle HNO-Ärzte geleistet, die ihren Honorarbescheid für das Quartal III/2000 angefochten hatten. Dabei hat sie nicht den ihr im Rahmen der Neubescheidung eröffneten Weg gewählt, in ihrem HVM einen am medizinischen Behandlungsbedarf ausgerichteten neuen Zuschnitt der Fachgruppenanteile für das Quartal III/2000 festzulegen. Sie hat es vielmehr bei der Anknüpfung an die tatsächlichen Verhältnisse des Jahres 1999 belassen und lediglich die insoweit für HNO-Ärzte negativen Folgen der automatisierten Arztzahlveränderungsregelung herausgerechnet. Die Beklagte hat mit dieser Vorgehensweise dokumentiert, dass sie in Kenntnis der Rechtsprechung des Berufungsgerichts und des Senats davon ausgeht, dass jedenfalls auch noch für das Quartal III/2000 die Honoraranteile der einzelnen Facharztgruppen des Jahres 1999 den tatsächlichen medizinischen Versorgungsbedarf zutreffend abbilden. Nach den Feststellungen des LSG ergaben sich hierdurch bereits für diejenigen HNO-Ärzte, die ihren Honorarbescheid angefochten hatten, für das Quartal III/2000 Nachvergütungen in Höhe von zusammen 294.789,50 DM zusätzlich zu den ursprünglich in dieser Arztgruppe verteilten 13,5 Mio DM. Für die Honorarverteilung in den nachfolgenden - hier streitbefangenen - Quartalen blieb die nachträgliche Erhöhung des Honoraranteils der HNO-Ärzte in dem genannten Bezugsquartal jedoch unberücksichtigt.

Das Ergebnis der Auslegung von § 5 Abs 4 HVM durch das LSG, wonach auch ein im Bezugsquartal zunächst rechtswidrig bestimmter Anteil der einzelnen Fachgruppentöpfe an den Gesamtvergütungen für Honorarverteilungen künftiger Quartale weiterhin maßgeblich sein soll, ist mit dem bundesrechtlichen Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit (Art 12 Abs 1 iVm Art 3 Abs 1 GG) nicht vereinbar. Es widerspricht den grundlegenden Prinzipien, die bei einer Honorarverteilung auf der Basis von Fachgruppentöpfen zu beachten sind.

Die Zulässigkeit einer Honorarverteilung unter Bildung von Honorartöpfen bzw Honorarkontingenten für einzelne Fachgruppen und/oder Leistungsbereiche, wie sie auch für die hier streitbefangenen Quartale in § 5 Abs 3 HVM vorgesehen war, ist in der Rechtsprechung des Senats seit langem anerkannt. Die darin liegende Abweichung vom Grundsatz leistungsproportionaler Verteilung (§ 85 Abs 4 Satz 3 SGB V) wird vor allem durch das Ziel sachlich gerechtfertigt, die Folgen der gesetzlichen Festlegung von Obergrenzen für die Erhöhung der Gesamtvergütungen in den unterschiedlichen Arztgruppen bzw Leistungsbereichen gleichmäßig umzusetzen. Es soll dadurch verhindert werden, dass sich der Anteil einer Arztgruppe an den Gesamtvergütungen trotz konstant bleibenden Behandlungsbedarfs ihrer Patienten nur deshalb verringert, weil andere Arztgruppen mit Hilfe medizinisch nicht gerechtfertigter Mengenausweitungen ihre Anteile am insgesamt abgerechneten Leistungsvolumen erhöhen (zusammenfassend BSG SozR 3-2500 § 85 Nr 48 S 408 f, mwN; BSGE 94, 50 = SozR 4-2500 § 72 Nr 2, jeweils RdNr 50; s auch Senatsurteil vom heutigen Tag im Verfahren B 6 KA 43/06 R, dort RdNr 18, zur Veröffentlichung in SozR 4 vorgesehen). Die Anteile der einzelnen Fachgruppentöpfe an den Gesamtvergütungen müssen deshalb auf der Grundlage des tatsächlichen medizinischen Versorgungsbedarfs der Patienten in den jeweiligen Fachgebieten bzw Leistungsbereichen bemessen werden (BSG SozR 3-2500 § 85 Nr 48, aaO; s auch Senatsbeschlüsse vom 22.6.2005 - B 6 KA 68/04 B - und vom 23.5.2007 - B 6 KA 85/06 B, jeweils in juris dokumentiert). Dabei kann auch an die in einem früheren Zeitraum ausbezahlten Abrechnungsvolumina und die sich daraus errechnenden Vergütungsanteile der einzelnen Fachgruppen angeknüpft werden (BSG SozR 3-2500 § 85 Nr 48 S 409; BSGE 90, 111, 117 f = SozR 3-2500 § 85 Nr 49 S 421). Ein Rückgriff auf länger zurückliegende Jahre ist jedoch nur zulässig, wenn es Gründe für die Annahme gibt, dass das Leistungs- und Abrechnungsverhalten der Vertragsärzte damals mehr als später den tatsächlichen medizinischen Bedarf widerspiegelt (BSG SozR 3-2500 § 85 Nr 48 S 409).

Besteht mithin die notwendige innere Rechtfertigung für die von einer rein leistungsproportionalen Verteilung abweichende Vergütung nach Fachgruppentöpfen darin, dass damit unabhängig von unterschiedlichen Mengenentwicklungen eine Gleichbehandlung der Arztgruppen nach Maßgabe des von ihnen sicherzustellenden realen medizinischen Versorgungsbedarfs gewährleistet wird, so folgt daraus zugleich, dass die Anknüpfung an Ergebnisse einer in einem früheren Zeitraum unter Außerachtlassung des medizinischen Versorgungsbedarfs materiell rechtswidrig vorgenommenen Honorarverteilung grundsätzlich ausgeschlossen ist. Mit der Zugrundelegung eines materiell rechtswidrigen - den Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit missachtenden - Verteilungsergebnisses würde im späteren Quartal die Topfbildung ihrer Funktion und Legitimation beraubt. Sie wäre nur noch eine Fortführung des status quo unter Besitzstandswahrung für die im Basisquartal rechtswidrig Begünstigten bei gleichzeitiger Fortschreibung der Belastungen für die benachteiligten Arztgruppen. Dies gilt entgegen der Ansicht des LSG auch für den Fall, dass die Honorarbescheide im Basiszeitraum sämtlich bestandskräftig geworden sind und damit die Honorarbeziehungen innerhalb einer KÄV für dieses Quartal verbindlich ausgestaltet haben. Denn allein das formale Kriterium der Bestandskraft einer Honorarverteilung für ein bestimmtes Quartal bietet bei feststehender materieller Rechtswidrigkeit der angewandten Verteilungsregelungen keine Gewähr dafür, dass die auf diese Weise erzielten Honoraranteile den für die Ausgestaltung von Honorartöpfen entscheidenden tatsächlichen medizinischen Leistungsbedarf in den einzelnen Facharztgruppen zuverlässig abbilden.

Dieses Ergebnis steht im Einklang mit der bisherigen Rechtsprechung des Senats. Danach dürfen im Rahmen zukunftsbezogener Regelungen, die an tatsächlich erzielte Umsätze in der Vergangenheit anknüpfen, grundsätzlich nur solche Umsätze zugrunde gelegt werden, die das Resultat einer materiell rechtmäßigen Honorarverteilung sind, weil andernfalls rechtswidrige Verhältnisse perpetuiert würden (vgl BSGE 92, 87 = SozR 4-2500 § 85 Nr 8, jeweils RdNr 22, zu den ebenfalls verteilungswirksamen Regelungen des Bewertungsausschusses gemäß § 85 Abs 4 Satz 4 SGB V). Dem widerspricht nicht, dass im Urteil vom 22.6.2005 für die Berechnung regionalisierter Praxisbudgets eine Anknüpfung an die Abrechnungswerte des ersten Halbjahres 1996 gebilligt wurde, obgleich diese in Anwendung der später für rechtswidrig erachteten rückwirkenden Teilbudgetierung ermittelt worden waren (BSG SozR 4-2500 § 87 Nr 10 RdNr 15), und dass auch im Urteil vom 6.9.2006 die Zugrundelegung der Verhältnisse des Jahres 1996 für die Aufteilung der Gesamtvergütungen in einen hausärztlichen und einen fachärztlichen Vergütungsanteil nicht beanstandet wurde (BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 26 RdNr 23-25). In beiden Fällen war es durch billigenswerte Ziele der Honorarverteilung sachlich gerechtfertigt, die teilbudgetierten Abrechnungswerte des ersten Halbjahres 1996 im Interesse einer inhaltlich zutreffenden Erfassung des tatsächlichen medizinischen Leistungsbedarfs - dh bereinigt um die in diesem Zeitraum beobachteten, medizinisch nicht erklärbaren Leistungsausweitungen - zugrunde zu legen, auch wenn die rückwirkende Inkraftsetzung der Teilbudgetierung rechtswidrig war. Darin liegt der wesentliche Unterschied zu der hier zu beurteilenden Fallgestaltung, in der die Beklagte mittlerweile selbst von einer materiell rechtswidrigen Honoraraufteilung im Basisquartal III/2000 ausgeht, an die sie lediglich im Sinne einer "pragmatischen" Vorgehensweise auch für die folgenden Quartale weiterhin anknüpfen will. Der Senat hat entgegen der Annahme des LSG auch im Urteil vom 26.6.2002 (SozR 3-2500 § 85 Nr 47) die Zugrundelegung rechtswidriger Honorarverteilungsergebnisse für die Festlegung der künftigen Honoraranteile einzelner Facharztgruppen nicht gebilligt. Vielmehr geht die genannte Entscheidung gleichfalls von einer Verpflichtung der KÄV zur Korrektur im Falle eines erheblichen Anteils arztgruppenfremd honorierter Leistungen aus, weil andernfalls die Ziele einer Honorarverteilung nach festen arztgruppenbezogenen Kontingenten im Ansatz verfehlt würden (BSG, aaO, S 395). Es wurde allerdings als vom Gestaltungsspielraum der KÄV gedeckt angesehen, dass diese unter mehreren denkbaren Vorgehensweisen für eine im Zusammenhang mit der erstmaligen Festlegung der Honorartöpfe tatsächlich vorgenommene Korrektur der Honorarzuordnung bei fachübergreifenden Gemeinschaftspraxen, die sämtlich mit gewissen Vorteilen und Schwierigkeiten verbunden waren, eine bestimmte Lösung gewählt hatte (BSG, aaO, S 398 ff). Hieraus kann nicht hergeleitet werden, dass materiell als rechtswidrig erkannte Honorarverteilungen unverändert die Grundlage für künftige Verteilungsregelungen bilden dürfen.

Von der grundsätzlich bestehenden Verpflichtung der KÄV, im Falle einer Bestimmung der Honorarkontingente der einzelnen Arztgruppen nach Maßgabe ihrer Anteile in einem vorangegangenen Zeitraum möglicherweise später festgestellten materiellen Fehlern im Zuschnitt der Honoraranteile des Basisquartals durch entsprechende Korrekturen Rechnung zu tragen und nur die korrigierte Basis den weiteren Honorarverteilungen zugrunde zu legen, kann im vorliegenden Fall auch nicht unter dem Gesichtspunkt abgesehen werden, dass die Auswirkungen der tatsächlich unterlassenen Korrektur nur geringfügig und damit im Sinne einer Bagatelle zu vernachlässigen sind (vgl BSGE 73, 131, 140 = SozR 3-2500 § 85 Nr 4 S 28). Zwar wohnt Honorarverteilungsregelungen stets eine gewisse Pauschalierung und Schematisierung inne, die im Interesse einfacher Handhabung insbesondere auch die Rundung vorgefundener Bruchteilswerte gestattet. Hiervon hat die Beklagte aber nur in geringem Umfang Gebrauch gemacht, indem sie die Honoraranteile der einzelnen Arztgruppen nach den Feststellungen des SG mit Prozentwerten berechnete, die bis zur vierten Stelle hinter dem Komma definiert waren. Doch auch wenn die Anwendung der rechtswidrigen Arztzahlveränderungsregelung den Anteil der HNO-Ärzte an der Gesamtvergütung lediglich im Promille-Bereich - etwa bei den Primärkassen von 7,0768 % auf 6,8772 % - reduzierte, kann angesichts des Volumens der zu verteilenden Honorare von lediglich geringfügigen und insgesamt vernachlässigbaren Auswirkungen nicht die Rede sein. Immerhin bewirkte dies eine Reduzierung des HNO-Honorartopfes um ca 403.000 DM und damit für den einzelnen HNO-Arzt eine durchschnittliche Honorarminderung um ca 1.865 DM im Quartal. Das übersteigt die Größenordnung vernachlässigbarer Geringfügigkeiten bei Weitem.

Auch der Gesichtspunkt des Verwaltungsaufwands vermag das Unterlassen einer prinzipiell aus Gründen der Honorarverteilungsgerechtigkeit erforderlichen Korrektur materiell rechtswidriger Honoraranteile für daran anknüpfende spätere Zeiträume nicht zu rechtfertigen. Das LSG hat die Dimension des wegen dieser Korrektur bei der Beklagten entstehenden Verwaltungsaufwands nicht konkret und unter Berücksichtigung der Möglichkeiten elektronischer Datenverarbeitung zur Unterstützung einer Vielzahl gleichförmiger Berechnungen abgeschätzt, sondern ihn lediglich auf der Grundlage allgemeiner Erwägungen als "immens" und "unangemessen" bewertet. Die Beklagte selbst hat den "Aufwand für das gesamte Prozedere mit einer kompletten Arbeitskraft über mehrere Monate veranschlagt" (Schriftsatz vom 7.8.2006). Unabhängig von der Frage, ob ein mit der Korrektur rechtswidrigen Verwaltungshandelns verbundener Arbeitsaufwand überhaupt das Absehen von einer rechtmäßigen Vorgehensweise rechtfertigen kann - dies dürfte allenfalls in extremen Konstellationen in Frage kommen, wenn Aufwand und Ertrag völlig außer Verhältnis stehen -, ist selbst bei Zugrundelegung der Angaben der Beklagten ein unverhältnismäßiger Verwaltungsaufwand nicht festzustellen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Klägerin von ihren Honoraren auch Verwaltungskostenbeiträge zu entrichten hat. Sie kann deshalb als Gegenleistung von ihrer Körperschaft erwarten, dass der Aufwand für Honorarneuberechnungen und Bescheidkorrekturen infolge nachträglicher Änderungen nicht nur zu ihren Lasten - wie etwa nach den Feststellungen des LSG zunächst hinsichtlich des Quartals III/2000 geschehen -, sondern gegebenenfalls auch zu ihren Gunsten betrieben wird.

Für die Erfassung des für eine Korrektur erforderlichen Aufwands ist zudem von Bedeutung, dass die Beklagte aufgrund der Unwirksamkeit ihrer auf die materiell rechtswidrigen Verteilungsergebnisse des Quartals III/2000 Bezug nehmenden Honoraraufteilungsregelung in § 5 Abs 4 HVM nicht nur die Möglichkeit hat, eine rechtmäßige Honoraraufteilung ab dem Quartal IV/2000 durch möglicherweise zeitaufwändiges Herausrechnen der Auswirkungen der in den Jahren 1999 und 2000 praktizierten automatischen Arztzahlveränderungsregelung unter Gegenrechnung erfolgter Punktwertstützungen - also erneut durch Anknüpfung an das Quartal III/2000, aber auf bereinigter Basis - zu gewährleisten. Sie kann vielmehr bei der Neufassung der Aufteilungsregelung in Wahrnehmung ihres Gestaltungsspielraums die Honoraranteile der einzelnen Facharztgruppen auch unabhängig von den Abrechnungsergebnissen jenes Quartals auf der Grundlage ihrer fachkundigen Bewertungen des medizinischen Versorgungsbedarfs in Gestalt einer sog zahlenförmigen Norm (vgl hierzu BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 26 RdNr 20, mwN) eigenständig festlegen. Hierdurch kann sich der Verwaltungsaufwand erheblich reduzieren.

Außerdem ist zu beachten, dass sich der Aufwand für den Erlass neuer Honorarbescheide auf der Grundlage einer nunmehr in rechtmäßiger Weise ausgestalteten Aufteilungsregelung auf diejenigen Quartale beschränkt, für welche die als rechtswidrig beanstandete Regelung anzuwenden war - hier also auf die Quartale IV/2000 bis II/2003. Der Umstand, dass gemäß § 5 Abs 4 des für die Honorarverteilung bei der Beklagten ab dem Quartal III/2003 anzuwendenden HVM (idF vom 11.6.2003) die Aufteilung der Gesamtvergütungen auf die einzelnen Facharzttöpfe nach Maßgabe von deren Durchschnittsanteilen in den Quartalen III/2001 bis II/2002 zu erfolgen hatte, erfordert es nicht, allein deshalb auch alle unter diesem Regelwerk bereits vollzogenen Honorarverteilungen zu korrigieren. Denn die Verteilungsergebnisse in diesen neuen Basisquartalen waren nicht mehr unmittelbar durch die rechtswidrige Verteilung auf der Grundlage einer automatisierten Arztzahlveränderungsregelung im vormaligen Bezugsquartal III/2000 beeinflusst. Weitere maßgebliche Faktoren wie etwa die Morbiditätsentwicklung, das Leistungs- und Abrechnungsverhalten der Vertragsärzte oder Punktwertstützungsmaßnahmen waren in den späteren Quartalen gleichfalls für das Verteilungsergebnis zwischen den einzelnen Arztgruppen von Bedeutung. Wenn die KÄV angesichts dessen auf die tatsächlichen Umstände in einem nicht mehr unmittelbar von vorausgegangenen rechtswidrigen Regelungen infizierten Zeitraum abstellt und diese einer neuen normativen Regelung für künftige Honorarverteilungen zugrunde legt, ist das unter Beachtung des ihr zur Verfügung stehenden Gestaltungsermessens nicht zu beanstanden. Mithin wirken einmal - aus welchen Gründen auch immer - geschehene Anknüpfungen an materiell rechtswidrige Verteilungslagen über den eigentlichen Regelungszeitraum hinaus nicht ad infinitum fort; dies ist auch im Interesse der Funktionsfähigkeit des vertragsärztlichen Honorarverteilungssystems geboten.

Infolge der Rechtswidrigkeit und somit Nichtigkeit der Verteilungsregelung in § 5 Abs 4 des HVM vom 30.3.2001 ist die Beklagte verpflichtet, eine neue - rechtmäßige - Aufteilungsvorschrift für die hiervon erfassten Quartale zu schaffen und auf dieser Grundlage die Honoraransprüche der Klägerin für die hier streitigen Quartale IV/2000 bis II/2001 neu zu berechnen.

Die Kostenentscheidung beruht hinsichtlich der Klagen bezüglich der Quartale IV/2000 bis I/2001, die noch im Jahr 2001 erhoben wurden, auf § 193 Abs 1 SGG in der bis zum 1.1.2002 geltenden und insoweit noch anzuwendenden Fassung (vgl BSG SozR 3-2500 § 116 Nr 24 S 115 ff). Für die Ende Januar 2002 erhobene Klage bezüglich des Quartals II/2001 ergibt sich die Kostenentscheidung aus § 197 Abs 1 Satz 1 Halbsatz 3 SGG iVm einer entsprechenden Anwendung von § 154 Abs 1 Verwaltungsgerichtsordnung.

Ende der Entscheidung

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