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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundessozialgericht
Urteil verkündet am 31.01.2001
Aktenzeichen: B 6 KA 33/00 R
Rechtsgebiete: SGB V, SGB X, BGB


Vorschriften:

SGB V § 85 Abs 4
SGB X § 61
BGB § 155
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESSOZIALGERICHT Im Namen des Volkes Urteil

Verkündet am 31. Januar 2001

in dem Rechtsstreit

Az: B 6 KA 33/00 R

Der 6. Senat des Bundessozialgerichts hat auf die mündliche Verhandlung vom 31. Januar 2001 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Engelmann, die Richter Dr. Wenner und Dr. Clemens sowie die ehrenamtliche Richterin Dr. Bert und den ehrenamtlichen Richter Dr. Korschanowski

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 23. Februar 2000 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten auch für das Revisionsverfahren zu erstatten.

Gründe:

I

Streitig ist die Höhe der Vergütung ambulanter Notfallbehandlungen im Krankenhaus.

Die Klägerin ist Trägerin des Maria Hilf Krankenhauses Bergheim, das im Quartal I/1997 ua ambulante Notfallbehandlungen für Versicherte der gesetzlichen Krankenkassen erbrachte.

Die Vergütung von Notfallbehandlungen im Krankenhaus war in einem Vertrag geregelt, den die Krankenhausgesellschaft (KHG) Nordrhein-Westfalen, die beklagte Kassenärztliche Vereinigung (KÄV) Nordrhein und die KÄV Westfalen-Lippe sowie die Krankenkassen(KKn)-Verbände am 10. Mai 1994 auf der Grundlage des § 115 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) geschlossen hatten (Krankenhausvertrag). Dieser enthielt in § 3 folgende Bestimmungen:

§ 3 Vergütung

(1) Ambulante Notfallbehandlungen im Krankenhaus sind Leistungen des Krankenhauses (Institutsleistungen). Sie werden aus der vertragsärztlichen Gesamtvergütung beglichen.

(2) Die zuständige Kassenärztliche Vereinigung rechnet die durch das Krankenhaus im Rahmen der ambulanten Notfallbehandlung erbrachten Leistungen nach den Bestimmungen des Bewertungsmaßstabes-Ärzte (BMÄ) bzw der Ersatzkassen-Gebührenordnung (E-GO) ab. Bei der Honorierung sind 90 vH der für niedergelassene Vertragsärzte geltenden Vergütungssätze zugrunde zu legen.

In dem Vertrag war weiterhin geregelt, daß sich die Rechnungslegung einschließlich der Zahlung der Vergütung nach den für Vertragsärzte geltenden Bestimmungen der KÄV richte (§ 4 - Rechnungslegung), sowie, daß er am 1. Januar 1994 in Kraft trete und mit einer Frist von sechs Monaten zum Ende eines Kalenderjahres, frühestens zum 31. Dezember 1995, gekündigt werden könne (§ 5 - Inkrafttreten, Kündigung).

Der von der Beklagten für das Quartal I/1997 beschlossene Honorarverteilungsmaßstab <HVM> (zuletzt geändert am 19. März 1997 - mit Wirkung ab 1. Januar 1997 -, Rheinisches Ärzteblatt 1997, Heft 5 vom 30. April 1997, S 60 ff) enthielt Bestimmungen über Vorabzahlungen für bestimmte Arten von Leistungen und zudem Regelungen über sog Honorartöpfe, ua einen für "Institute/Krankenhäuser" (§ 6 Abs 4a HVM). Für diesen Honorartopf ergaben sich für das Quartal I/1997 aus dem Verhältnis des insoweit zur Verfügung stehenden Anteils der Gesamtvergütung und der von Instituten und Krankenhäusern abgerechneten Gesamtpunktzahl Punktwerte von 4,12 Pf im Primär- und von 4,28 Pf im Ersatzkassenbereich.

Diese Punktwerte legte die Beklagte ihrer Berechnung der Vergütung für die von dem Maria Hilf Krankenhaus erbrachten ambulanten Notfallbehandlungen zugrunde und gewährte gemäß § 3 Abs 2 des Krankenhausvertrages davon 90 % (Bescheid vom 23. Juli 1997).

Die Klägerin indessen begehrte die Bemessung auf 90 % des - höheren - sog allgemeinen Punktwerts. Das von ihr nach erfolglosem Widerspruch angerufene Sozialgericht (SG) hat unter teilweiser Aufhebung des angefochtenen Bescheides die Beklagte verurteilt, über die Vergütung der ambulanten Notfallbehandlungen im Quartal I/1997 erneut zu entscheiden (Urteil vom 13. Mai 1998). Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung der Beklagten mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß die Beklagte zur Vergütung nach Punktwerten von 5,86 Pf im Primär- und 6,57 Pf im Ersatzkassenbereich verurteilt wird (Urteil vom 23. Februar 2000). Zur Begründung hat es ausgeführt, der Krankenhausvertrag sei für die Beklagte im Verhältnis zur Klägerin verbindlich, auch wenn die Klägerin nicht am Abschluß beteiligt gewesen sei, und unabhängig davon, ob dafür ihre Mitgliedschaft in der KHG erforderlich sei. Denn im Zeitpunkt des Vertragsschlusses sei zwar nicht sie selbst, aber - wie es nach der Satzung der KHG die einzige Möglichkeit gewesen sei - ihr Dachverband Mitglied gewesen. Die Regelung in § 3 Abs 2 Satz 2 des Krankenhausvertrages lasse es nicht zu, Punktwerte zugrunde zu legen, die infolge der Bildung von Honorartöpfen geringer seien. Der im Passus "90 % der für niedergelassene Vertragsärzte geltenden Vergütungssätze" enthaltene Begriff der "Vergütung" nehme auf die unkorrigierten, sog allgemeinen Punktwerte Bezug. Die Bildung von Honorartöpfen könne die im Vertrag eingegangenen Verpflichtungen nicht verändern. Er sei weder gekündigt worden noch greife der Gesichtspunkt des Fortfalls der Geschäftsgrundlage durch. Auf der Grundlage der von der Beklagten angegebenen Durchschnittspunktwerte im sog roten Bereich (7,30 Pf im Primär- und 6,51 Pf im Ersatzkassenbereich) ergäben sich bei Berücksichtigung des vertraglichen Abschlags von 10 % Punktwerte von 5,86 Pf im Primär- und von 6,57 Pf im Ersatzkassenbereich.

Mit ihrer Revision rügt die Beklagte, mit § 85 Abs 4 SGB V sei es unvereinbar, die HVM-Regelungen unberücksichtigt zu lassen und die ambulanten Notfallbehandlungen im Krankenhaus mit 90 % der allgemeinen Punktwerte zu vergüten. Der vom LSG vorgenommenen Auslegung des § 3 Abs 2 des Krankenhausvertrags und des dort verwendeten Begriffs der "Vergütungssätze" könne nicht gefolgt werden. Bei Vertragsschluß habe insoweit ein sog versteckter Dissens iS von § 61 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) iVm § 155 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) vorgelegen, was zu Lasten dessen gehe, der sich auf die Bestimmung berufe. Wäre das LSG dem nachgegangen, so wäre es aufgrund des Zusammenhanges von Satz 1 und Satz 2 des § 3 Abs 2 zu dem Ergebnis gekommen, daß Grundlage für die in Satz 2 geregelte Bemessung auf 90 % die in Satz 1 festgelegte Bewertung nach dem BMÄ und der E-GO sein solle. Daher seien die 90 % nach den in diesen Gebührenanordnungen genannten Punktbeträge zu bemessen. Die (Auszahlungs-)Punktwerte seien in dem Vertrag nicht festgelegt, sondern ergäben sich auf der Grundlage des HVM, so daß der Honorartopf "Institute/Krankenhäuser" zu berücksichtigen sei, der wegen der unerklärlichen überproportionalen Mengenentwicklung in diesem Bereich gebildet worden sei. Dies unberücksichtigt zu lassen, unterlaufe die Regelungshoheit, die § 85 Abs 4 HVM den KÄVen bzw deren Vertreterversammlungen einräume. Diese mißachtenden Vertragsregelungen seien wegen § 58 SGB X iVm § 134 BGB nichtig. Schließlich hätte das LSG auch der Frage des Fortfalls der Geschäftsgrundlage iS des § 59 SGB X - infolge der überproportionalen Mengenentwicklung - mit der Folge eines Anspruchs auf Vertragsanpassung nachgehen müssen.

Die Beklagte beantragt,

die Urteile des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 23. Februar 2000 und des Sozialgerichts Düsseldorf vom 13. Mai 1998 abzuändern sowie die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Revision der Beklagten zurückzuweisen.

Sie schließt sich dem Urteil des LSG an. Die Auslegung des Vertrages und die Beurteilung seines Verhältnisses zu dem HVM und zu der Bildung von Honorartöpfen träfen zu. Für einen Rückgriff auf § 155 BGB sei kein Raum, weil bei solchen Verträgen nicht der subjektive Wille der Beteiligten, sondern die objektive Erklärungsbedeutung maßgebend sei. Überdies habe kein Dissens vorgelegen, der Wortlaut sei vielmehr eindeutig. Der Gesichtspunkt des Fortfalls der Geschäftsgrundlage könne nicht durchgreifen.

II

Die Revision der Beklagten hat keinen Erfolg.

Zur Entscheidung über die Revision bedarf es nicht der Prozeßbeteiligung aller Partner des gemäß § 115 SGB V abgeschlossenen Vertrages vom 10. Mai 1994. Der Gesichtspunkt, daß auch die KÄV Westfalen-Lippe sowie die KHG und die KKn-Verbände an seinem Abschluß beteiligt waren und daß seine Auslegung in Rede steht, nötigt nicht zu ihrer Beiladung (vgl BSGE 78, 98, 99 f = SozR 3-2500 § 87 Nr 12 S 35 mit Hinweis auf BSGE 70, 240, 242 = SozR 3-5533 Allg Nr 1 S 2). Ihre Vertragsbeteiligung könnte lediglich, sofern sie beigeladen worden wären, ihre Rechtsmittelbefugnis begründen (vgl dazu BSG, Urteil vom 28. Juni 2000 - B 6 KA 27/99 R -), die vorliegend aber nicht in Frage steht.

Die Revision ist nicht begründet. Das Urteil des LSG, das der Klage auf höhere Vergütung der Notfallbehandlungen stattgegeben hat, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Bundesrecht ist nicht verletzt. Grundlage für den Anspruch der Klägerin auf höhere Vergütung ist § 3 des Vertrages, den die KHG, die KÄVen Nordrhein und Westfalen-Lippe sowie die KKn-Verbände am 10. Mai 1994 geschlossen haben.

Dieser Vertrag ist im Verhältnis zur Klägerin verbindlich, auch wenn sie nicht an seinem Abschluß beteiligt war. Verträge iS des § 115 SGB V werden gemäß Abs 1 dieser Vorschrift von den KKn-Verbänden und den KÄVen mit der KHG abgeschlossen. Nach Abs 2 aaO regeln sie ua die Zusammenarbeit bei der Gestaltung und Durchführung eines ständig einsatzbereiten Notdienstes (aaO Satz 1 Nr 3) und die allgemeinen Bedingungen der ambulanten Behandlung im Krankenhaus (aaO Nr 5). Nach § 115 Abs 2 Satz 2 SGB V sind sie auch für die - am Vertragsabschluß nicht beteiligten - zugelassenen Krankenhäuser unmittelbar verbindlich. Dies erfaßt das in der Trägerschaft der Klägerin stehende Krankenhaus, das nach den Feststellungen im Berufungsurteil den Status eines zugelassenen Krankenhauses iS des § 108 SGB V hat bzw diesen Status jedenfalls im Zeitpunkt des Vertragsschlusses und der hier streitigen Leistungshonorierung (betr Quartal I/1997) hatte. Die Bindung besteht unabhängig davon, ob sie an sich nur für solche Krankenhäuser gilt, die bzw deren Träger auch Mitglied der vertragsbeteiligten KHG sind (zum Problem der sog Außenseiter-Erstreckung vgl zB Hänlein in Kruse/Hänlein <Hrsg>, Gesetzliche Krankenversicherung, 1998, § 115 RdNr 2 aE iVm § 112 RdNr 3; Hess in Kasseler Komm, SGB V, § 115 RdNr 11 iVm § 112 RdNr 12; Clemens in Grawert/Schlink ua <Hrsg>, Offene Staatlichkeit, Festschrift für E.-W. Böckenförde, 1995, S 259, 272). Denn nach den Feststellungen des LSG war im Zeitpunkt des Abschlusses des Vertrages zwar nicht das Krankenhaus selbst Mitglied und auch nicht ihre Trägerin, aber - was, wie vom LSG festgestellt, nach der Satzung der KHG damals die einzige Möglichkeit war - der Dachverband der Klägerin. Das jedenfalls reicht aus.

Es ist nicht zu beanstanden, daß in dem Vertrag nach § 115 SGB V die Vergütung mitgeregelt worden ist. Zwar nennt zB Abs 2 Nr 3 als Vertragsgegenstand nur "die Zusammenarbeit bei der Gestaltung und Durchführung eines ständig einsatzbereiten Notdienstes". Darin liegt aber ebensowenig wie im Falle der anderen Tatbestände des § 115 Abs 2 SGB V eine abschließende Regelung. Wenn auch § 115 Abs 2 SGB V vor allem auf organisatorische Bestimmungen zielt, wie zB § 115 Abs 2 Nr 3 SGB V auf die Ausgestaltung des Notdienstes (so schon Senatsurteil vom 20. Dezember 1995, BSG SozR 3-2500 § 120 Nr 7 S 37), so können die inhaltlich-organisatorischen Bestimmungen aber durch ergänzende Vergütungsregelungen abgerundet werden, wie aus dem Wort "insbesondere" in der einleitenden Passage des Abs 2 folgt. Soweit dem Urteil vom 20. Dezember 1995 (aaO) Abweichendes zu entnehmen sein könnte, wird daran nicht festgehalten. Anderweitige Spezialbestimmungen für Vergütungsregelungen gibt es nicht; insbesondere kann nicht auf § 120 SGB V verwiesen werden. Dessen einleitende Worte knüpfen an §§ 116 ff SGB V, aber nicht auch an § 115 SGB V an. Zudem sind die in § 120 Abs 2 iVm Abs 3 SGB V genannten Vertragsparteien nicht auf dreiseitige Verträge nach § 115 SGB V zugeschnitten. Da die Vergütungsregelungen an der Verbindlichkeit iS des § 115 Abs 2 Satz 2 SGB V teilnehmen, räumen sie den von ihnen Begünstigten einklagbare Ansprüche ein (vgl sinngemäß BSG SozR 3-2500 § 120 Nr 9 S 48).

Soweit es für die in Verträgen nach § 115 SGB V mithin regelbaren Vergütungsfragen inhaltliche Vorgaben gibt, sind diese eingehalten. Wie der Senat wiederholt entschieden hat, ist es gerechtfertigt, bei zugelassenen Landeskrankenhäusern wegen der Mitfinanzierung der Investitionen durch die Bundesländer die Vergütung für ambulante Notfallbehandlungen in entsprechender Anwendung des § 120 Abs 3 Satz 2 SGB V um einen Investitionskostenabschlag von 10 % zu mindern (BSG SozR 3-2500 § 120 Nr 7 S 37, mit Bezugnahme auf BSGE 75, 184, 186 = SozR 3-2500 § 120 Nr 4 S 24; vgl auch BSG SozR 3-2500 § 120 Nr 8 S 42 mwN). Dies haben der Krankenhausvertrag mit seiner Regelung in § 3 Abs 2 und auch das LSG berücksichtigt, das die Verurteilung auf nur 90 % der durchschnittlichen Punktwerte im Primär- und Ersatzkassenbereich bemessen hat.

Das LSG hat ebenfalls zu Recht gebilligt, daß die Beklagte das Honorar durch Verwaltungsakt festgesetzt hat. Denn auch vertraglich geregelte Vergütungen sind durch Bescheid festzustellen (zur Kombination von Vertrag und Verwaltungsakt vgl zB BSG SozR 3-2500 § 120 Nr 9 S 48).

Die vom LSG vorgenommene Auslegung und Anwendung des Krankenhausvertrages ist auch in sonstiger Hinsicht nicht zu beanstanden. Erfolglos ist vor allem die Rüge, das LSG habe nicht zu der Auslegung kommen dürfen, daß § 3 Abs 2 den auf 90 % bemessenen Vergütungsbetrag an den sog allgemeinen Punktwerten orientiere und für die Berücksichtigung von HVM-Regelungen, insbesondere solchen über Honorartöpfe mit möglichen abweichenden Punktwerten, keinen Raum lasse. Das Revisionsgericht kann die vom Berufungsgericht vorgenommene Auslegung des Vertrages jedenfalls in einem Fall der hier vorliegenden Art nur in beschränktem Maße überprüfen. Denn der Krankenhausvertrag gehört nicht zum revisiblen Recht gemäß § 162 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Er stellt weder Bundesrecht dar noch sonstiges Recht, dessen Geltungsbereich sich iS des § 162 SGG über den Bezirk des Berufungsgerichts hinaus erstreckt. Seine Wirkung beschränkt sich auf diesen Bezirk (Land Nordrhein-Westfalen). In einem solchen Fall kann das Revisionsgericht nur eingreifen, wenn die Art und Weise der Auslegung mit allgemeinen Maßstäben zur Methodik der Auslegung nicht vereinbar ist oder wenn das Auslegungsergebnis gegen bundesrechtliche Normen verstößt. Keiner dieser Fälle ist hier gegeben.

Die Überprüfung anhand der allgemeinen Maßstäbe beschränkt sich darauf, ob die Auslegung mit dem Wortlaut eindeutig unvereinbar ist, ob gegen allgemeine Erfahrungssätze oder Denkgesetze verstoßen und ob die auslegungsrelevanten Sachverhaltsumstände vollständig ausgewertet worden sind (vgl zuletzt BSG, Urteil vom 3. März 1999 - B 6 KA 18/98 R -, MedR 1999, 479, 480). Bei Verträgen mit normativer Wirkung gegenüber Dritten ist überdies zu beachten, daß die Auslegung nicht am subjektiven Willen der Vertragspartner, sondern an der objektiven Erklärungsbedeutung auszurichten ist (BSG aaO). Gegen diese Maßstäbe hat das LSG im vorliegenden Fall nicht verstoßen. Es hat die Vertragsbestimmungen so interpretiert, daß sich der Begriff "90 % der ... Vergütungssätze" auf die sog allgemeinen Punktwerte beziehe und als in sich geschlossene und vollständige Regelung keinen Raum für die Zugrundelegung abweichender Punktwerte durch die Berücksichtigung von Honorartöpfen belasse. Damit hat das LSG an den Wortlaut des § 3 Abs 2 angeknüpft; Anhaltspunkte dafür, daß die Auslegung mit diesem Wortlaut eindeutig unvereinbar sein könnte, bestehen nicht. Verstöße gegen allgemeine Erfahrungssätze oder Denkgesetze oder eine unvollständige Auswertung der auslegungsrelevanten Sachverhaltsumstände sind nicht gerügt; dafür ist auch nichts ersichtlich. Der weitergehenden Frage, ob die vom LSG vorgenommene Auslegung "richtig" ist, kann aufgrund der nur beschränkten revisionsrechtlichen Kontrolle nicht nachgegangen werden.

Das weitere Vorbringen der Beklagten, das LSG habe einen sog versteckten Dissens iS des § 61 Satz 2 SGB X iVm § 155 BGB annehmen müssen, ist ohne Erfolg. Denn dies würde einen objektiv mehrdeutigen Sinngehalt voraussetzen (vgl BGHZ 130, 150, 153 = NJW 1995, 2637, 2638; NJW 1961, 1668 f), der bei Begriffen der hier in Rede stehenden Art - jedenfalls im Rahmen normativ wirkender und daher allein nach ihrer objektiven Erklärungsbedeutung auszulegender Verträge - schwerlich denkbar ist. Jedenfalls hat das LSG eine objektive Mehrdeutigkeit nicht festgestellt, ist vielmehr von einem eindeutigen Sinngehalt ausgegangen, ohne daß ihm dabei - wie ausgeführt - eine Verkennung der allgemeinen Maßstäbe der Auslegungsmethodik angelastet werden könnte. Da mithin nach dem insoweit bindenden Berufungsurteil der Sinngehalt nicht mehrdeutig ist, kann kein sog versteckter Dissens angenommen werden (vgl BGH NJW 1961, 1668, 1669).

Die Beklagte dringt auch nicht mit ihrer Ansicht durch, der Vertrag sei nach § 58 Abs 1 SGB X iVm § 134 BGB nichtig, weil die nach § 85 Abs 4 SGB V der Vertreterversammlung der KÄV vorbehaltene Regelungshoheit mißachtet werde. § 85 Abs 4 SGB V ist kein Verbotsgesetz iS des § 134 BGB, denn Vergütungsregelungen, die keinen Raum für Modifizierungen durch HVM-Regelungen belassen, sind nicht schlechthin verboten (vgl zu diesem Erfordernis zB Engelmann in Schroeder-Printzen <Hrsg>, SGB X, 3. Aufl 1996, § 58 RdNr 6; Kopp/Ramsauer, VwVfG, 7. Aufl 2000, § 59 RdNr 11; jeweils mit Rspr-Angaben). Aus dem SGB V läßt sich nicht ableiten, daß Honorarverträge stets Rücksicht auf modifizierende Regelungen des HVM nehmen müßten. Ein Vorrang der Vorschriften über die Honorargestaltung durch den HVM (§ 85 Abs 4 SGB V) vor den Bestimmungen über Honorarregelungen durch Verträge (zB § 115a Abs 3, § 120 Abs 2 SGB V) ist dem SGB V nicht zu entnehmen. Unter diesen Umständen bedarf es keiner Erörterung, ob die Befugnisse der Vertreterversammlung nach § 85 Abs 4 SGB V den Vorstand der KÄV überhaupt im Außenverhältnis bei Vertragsabschlüssen beschränken.

Ohne Erfolg ist schließlich auch die Rüge der Beklagten, das LSG habe es unterlassen, einen Fortfall der Geschäftsgrundlage iS des § 59 SGB X mit der Folge der Vertragsanpassung zu prüfen und anzuerkennen. Zweifeln unterliegt schon, ob im Falle einer vertraglich vereinbarten jederzeitigen Kündigungsmöglichkeit (so § 5 Abs 1 Halbsatz 2 des Vertrages vom 10. Mai 1994) überhaupt Raum für die Anwendung des Rechtsinstituts des Fortfalls der Geschäftsgrundlage sein kann (tendenziell verneinend BVerwGE 97, 331, 343; eindeutig Bernsdorff in Obermayer, VwVfG, 3. Aufl 1999, § 60 RdNr 53 aE). Zudem fehlt es an greifbaren Anhaltspunkten dafür, daß das Festhalten an dem Vertrag für die Beklagte iS des § 59 Abs 1 Satz 1 SGB X unzumutbar geworden sein könnte. Das Verlangen nach einer Vertragsanpassung gemäß dieser Vorschrift scheitert revisionsrechtlich jedenfalls daran, daß die Beklagte dies schon früher hätte substantiiert geltend machen müssen. Ein erstmaliges Vorbringen im Revisionsverfahren kann keine Berücksichtigung finden (vgl zB BSGE 85, 36, 42 = SozR 3-2500 § 27 Nr 11 S 42; BSG, Urteil vom 21. Juni 1995 - 6 RKa 3/95 -, USK 95 89 S 489).

Nach alledem ist die Beklagte im Falle einer medizinisch nicht indizierten Mengenentwicklung bei den Leistungen der Notfallbehandlung, mit der Folge ungerechtfertigter Honorarminderungen in anderen Bereichen, aber nicht etwa "rechtlos gestellt". Bei Verträgen, die keinen Raum für HVM-Regelungen über sog Honorartöpfe lassen, aber die Möglichkeit der Kündigung vorsehen, ist es den Vertragsparteien unbenommen, hiervon Gebrauch zu machen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 SGG.



Ende der Entscheidung

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