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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundessozialgericht
Urteil verkündet am 13.03.2002
Aktenzeichen: B 6 KA 35/01 R
Rechtsgebiete: SGB V


Vorschriften:

SGB V § 85 Abs 4
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESSOZIALGERICHT Im Namen des Volkes Urteil

in dem Rechtsstreit

Verkündet am 13. März 2002

Az: B 6 KA 35/01 R

Der 6. Senat des Bundessozialgerichts hat auf die mündliche Verhandlung vom 13. März 2002 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Engelmann, die Richter Dr. Clemens und Dr. Kretschmer sowie die ehrenamtlichen Richterinnen Dr. Dawid und Dr. Deppisch-Roth

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 25. Januar 2001 wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat der Beklagten auch ihre außergerichtlichen Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.

Gründe:

I

Umstritten sind Honorarkürzungen wegen Überschreitung von Fallzahlzuwachsgrenzen.

Der Kläger ist seit dem Quartal IV/1997 nach Übernahme einer bereits zuvor bestehenden Praxis als Allgemeinarzt zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Die beklagte Kassenärztliche Vereinigung (KÄV) kürzte seine Honorarabrechnung für das Quartal I/1998 unter Anwendung des seit dem Quartal III/1997 geltenden § 10 ihres Honorarverteilungsmaßstabs (HVM) um 41 Fälle zum durchschnittlichen Praxisfallwert von 100,75 DM (= 4.130,75 DM). Diese - zum 1. Januar 1999 modifizierte - HVM-Regelung begrenzt die Fallzahl eines jeden Vertragsarztes auf die Zahl des entsprechenden Vergleichsquartals des Vorjahres zuzüglich einer 5%igen Steigerung; oberhalb der Grenze liegende Honorarteile werden einem Honorarausgleichskonto zugeführt. Praxisübernehmer erhalten die Vergleichsfallzahl ihres Praxisvorgängers zuerkannt. Den Widerspruch gegen den Honorarbescheid wies die Beklagte zurück.

Die dagegen erhobene Klage ist ohne Erfolg geblieben. Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. § 10 HVM sei durch § 85 Abs 4 Satz 5 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) und das Grundgesetz (GG) gedeckt. Wenn dem einzelnen Arzt unter der Geltung der Praxisbudgets die Abrechnung eines bestimmten Punktzahlvolumens zu festen Punktwerten ermöglicht werden solle, müssten notwendig die durch eine Erhöhung der Patientenzahl erzielten Umsatzsteigerungen begrenzt werden. Die damit verbundene Einschränkung der Chancen des einzelnen Arztes, neue Patienten zu gewinnen, sei zur Erreichung des Zieles hinzunehmen. Da sich bei langjährig betriebenen Praxen nach einer Aufbauphase in der Regel keine größeren Schwankungen im Leistungsverhalten mehr ergäben, dürfe der einzelne Arzt für eine gewisse Zeit an dem selbst gesetzten Umsatzvolumen festgehalten werden. § 10 HVM bewirke nicht, dass ein Teil der Behandlungsfälle überhaupt nicht mehr vergütet werde, sondern nur, dass die Vergütungshöhe für alle erbrachten Leistungen absinke. Wegen des Grundsatzes der Honorarverteilungsgerechtigkeit erforderliche Modifikationen habe die Beklagte bei der Begünstigung von Ärzten mit atypisch niedriger Fallzahl berücksichtigt. Die Fallzahl des Klägers liege dagegen deutlich über dem Fachgruppendurchschnitt, sodass er bereits durch die Übernahme des überdurchschnittlichen Wertes seines Praxisvorgängers begünstigt werde. Dass Praxen mit hoher Fallzahl durch die rein prozentuale Zuwachstoleranz besondere Vorteile hätten, sei nicht gravierend, weil einer Praxisausweitung natürliche Grenzen gesetzt seien. Im Übrigen müsse der Beklagten hinsichtlich des Verfahrens bei Überschreitung der Fallgrenze, das zum Quartal I/1999 durch eine Abstaffelungsregelung geändert worden sei, zunächst eine Erprobungsphase zugebilligt werden (Urteil vom 25. Januar 2001).

Mit seiner vom Senat zugelassenen Revision rügt der Kläger die Verletzung des § 85 Abs 4 SGB V sowie Verstöße gegen die Grundsätze der leistungsproportionalen Vergütung und der Honorarverteilungsgerechtigkeit. Bei einer reinen Fallzahlbegrenzung lasse sich nicht damit argumentieren, dass die über der Grenze liegenden Fälle letztendlich doch - nämlich nur niedriger - "vergütet" worden seien; vielmehr liege insoweit ein unzulässiger vollständiger Vergütungsausschluss vor. § 10 HVM lasse sich auch nicht als Anfangs- und Erprobungsregelung rechtfertigen, weil dessen Rechtswidrigkeit von Anfang an offenkundig gewesen sei und es sich um keine komplexe Regelungsmaterie gehandelt habe. Ein sachlicher Grund für die Abweichung vom Prinzip der gleichmäßigen Vergütung fehle in seinem (des Klägers) Fall, da er die Praxis von einem älteren erkrankten Kollegen entgeltlich erworben habe. Nach dem Praxisinhaberwechsel trete oft ein nicht steuerbarer Patientenzulauf ein; viele Patienten, die den bisherigen Praxisinhaber aus persönlichen Gründen nicht hätten konsultieren wollen, versprächen sich von einem "jüngeren" Arzt mit "besserer" Ausbildung größere Behandlungserfolge. Ein solcher Arzt stehe, selbst wenn seine Fallzahl geringfügig über dem Fachgruppendurchschnitt liege, in einer ähnlichen Situation wie ein reiner Praxisanfänger, dem ebenfalls die Kontinuität einer Praxisführung fehle. Die in der Zeit vor der Veräußerung aus Krankheits- und Altersgründen erfolgte Reduzierung der Fallzahl müsse er (der Kläger) sich nicht entgegenhalten lassen. Da sich die Qualität des Arztes maßgeblich in der Fallzahl niederschlage, müsse auch Praxisübernehmern ggf eine größere Toleranz zugestanden werden, wenn man deren Berufsausübung nicht unverhältnismäßig begrenzen wolle. Die Beklagte begünstige zudem durch die rein prozentmäßig festgelegte Toleranzgrenze in § 10 HVM unzulässig Großpraxen; zB seien 5 % Zuwachs bei 1.000 Fällen absolut weniger als bei 2.000 Fällen. Es gehe nicht an, Mengenausweitungen bei Großpraxen nur unzulänglich zu erfassen, bei der Diskontinuität des Praxisinhabers dagegen den Zuwachs strikt zu begrenzen.

Der Kläger beantragt,

die Urteile des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 25. Januar 2001 und des Sozialgerichts Mainz vom 16. Februar 2000 aufzuheben sowie die Beklagte unter Aufhebung ihres Honorarbescheides für das Quartal I/1998 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 9. Dezember 1998 zu verurteilen, ihn hinsichtlich seiner Honoraransprüche für das Quartal I/1998 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats neu zu bescheiden.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie hält es für zulässig, die im Einheitlichen Bewertungsmaßstab für vertragsärztliche Leistungen (EBM-Ä) zum 1. Juli 1997 neu vereinbarten Vergütungsstrukturen im Hinblick auf die nur in beschränktem Umfang zur Verfügung stehende Gesamtvergütung im HVM abzusichern. Auch der Sicherstellungsauftrag der KÄVen sowie ihre Mitverantwortung für die Gewährleistung einer angemessenen vertragsärztlichen Vergütung berechtigten dazu, auf den mit einem Leistungsmengenanstieg verbundenen Punktwertverfall Einfluss zu nehmen. Da das Honorargefüge durch eine unterschiedliche Mengendynamik bei den Ärzten ungerechtfertigt zu Gunsten einzelner und zum Nachteil anderer Vertragsärzte verändert werde, sei es sachgerecht, im HVM nach der Zahl der abgerechneten Behandlungsfälle, die der einzelne Vertragsarzt teilweise selbst steuern könne, zu differenzieren; damit verbundene Beschränkungen müssten hingenommen werden. Da der Praxisumsatz relativ zuverlässig den Umfang widerspiegele, in dem der Vertragsarzt die vertragsärztliche Versorgung mit sichergestellt habe, dürften auch Praxisübernehmer für eine gewisse Zeit am vorgefundenen Umsatzvolumen festgehalten werden. § 10 HVM begünstige nicht nur Großpraxen, sondern auch Kleinpraxen, da diese ihre Fallzahl bis zum Fachgruppendurchschnitt steigern könnten. Alle im Einzelfall wichtigen Unterscheidungsmerkmale ließen sich durch die zulässige Typisierung nicht erfassen und problematische Abgrenzungen nicht gänzlich vermeiden; es gebe aber natürliche Grenzen für die Fallzahlsteigerung. Auch träten mit zunehmender Fallzahlgröße mehr praxistypische Schwankungen auf.

II

Die Revision des Klägers ist unbegründet. Zu Recht hat das LSG seine Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts (SG) zurückgewiesen.

Die angefochtenen Bescheide verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten. Sie beruhen auf der ab 1. Juli 1997 geltenden Vorschrift des § 10 HVM der Beklagten (idF vom 21. Mai 1997). Danach unterliegen die von den an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden niedergelassenen Ärzten zur Abrechnung eingereichten Fälle einer Fallzahlzuwachsbegrenzung. Die Fallzahlgrenze ergibt sich grundsätzlich aus der Fallzahl der Vertragarztpraxis aus dem jeweiligen Vorjahresquartal (§ 10 Abs 2.1 HVM). Zusätzlich zur Fallzahlgrenze wird jedem Vertragsarzt eine Fallzahlzuwachstoleranz von 5 % zugestanden; die über die Fallzahlgrenze einschließlich der Fallzahlzuwachstoleranz hinaus gehenden Fälle werden mit dem durchschnittlichen Fallwert der Praxis multipliziert; der so ermittelte Betrag wird dem jeweiligen Abrechnungsquartal vom Gesamthonorar der Praxis in Abzug gebracht und dem Honorarausgleichskonto zugeführt (Abs 2.2 aaO). Bei der Neuaufnahme der vertragsärztlichen Tätigkeit wird für die Vertragsarztpraxis für 12 Quartale nach Tätigkeitsaufnahme der Mittelwert aus der Summe der Fallzahlen der Vertragsärzte der jeweiligen Arztgruppe aus den entsprechenden Vorjahresquartalen zu Grunde gelegt (Abs 2.1.1.1. aaO). Bei der Übernahme einer Praxis übernimmt der Erwerber die Fallzahlgrenze des Praxisübergebers; ist diese niedriger als der Fallzahldurchschnitt, so wird die Praxisübernahme als Neuaufnahme der vertragsärztlichen Tätigkeit behandelt (Abs 2.1.1.2. aaO). Diese Regelung hat die Beklagte in den streitbefangenen Quartalen korrekt angewandt. Entgegen der Auffassung des Klägers steht § 10 HVM auch mit höherrangigem Recht in Einklang.

Gesetzliche Grundlage der Fallzahlzuwachsbegrenzung ist indessen nicht schon die in § 85 Abs 4 SGB V normierte Verpflichtung der KÄV, durch Regelungen der Honorarverteilung eine übermäßige Ausdehnung der Tätigkeit des Vertragsarztes zu verhindern (§ 85 Abs 4 Satz 4 SGB V in der Zeit vom 1. Januar 1993 bis 31. Dezember 1998; Satz 5 aaO vom 1. Januar bis 31. Dezember 1999; seit 1. Januar 2000 Satz 6 aaO; bis Ende 1988 § 368f Abs 1 Satz 5 Reichsversicherungsordnung <RVO>). Der Tatbestand der übermäßigen Ausdehnung der vertragsärztlichen Tätigkeit ist erfüllt, wenn angesichts des Umfangs der von einem Vertragsarzt abgerechneten Leistungen davon auszugehen ist, dass die einzelnen Leistungen nicht mehr in einer der Leistungsbeschreibung entsprechenden Art und Weise erbracht worden sein können, mithin Qualitätsmängel zu befürchten sind (vgl BVerfGE 33, 171, 186 = SozR Nr 12 zu Art 12 GG S Ab 16 R f; BSGE 22, 218, 221 = SozR Nr 4 zu § 368f RVO S Aa 4; BSG SozR 3-2200 § 368f Nr 3 S 5; SozR 3-2500 § 85 Nr 8 S 47; vgl auch BSGE 81, 213, 224 = SozR 3-2500 § 85 Nr 23 S 159 f). HVM-Bestimmungen zur Umsetzung dieser gesetzlichen Vorgabe hat der Senat regelmäßig gebilligt, wenn die Feststellung der übermäßigen Ausdehnung der Praxis anhand der Gesamtzahl der abgerechneten Punkte oder anhand der Kombination von Gesamtpunkt- und Gesamtfallzahl getroffen wurde (vgl Urteil vom 12. Oktober 1994, - BSG SozR 3-2500 § 85 Nr 8 - sowie Urteil vom 3. Juni 1987 = SozR 2200 § 368f Nr 15 und SozR 3-2200 § 368f Nr 3 S 5). Die hier vorliegende Regelung über die Begrenzung des Fallzahlzuwachses in § 10 des HVM der Beklagten ist jedoch weder dazu bestimmt noch geeignet, eine übermäßige Ausdehnung der vertragsärztlichen Tätigkeit in dem Sinne, wie die Vorschrift des § 85 Abs 4 Satz 4 SGB V (bzw ihre Vorgängerregelung in § 368f Abs 1 Satz 5 RVO) seit Jahrzehnten verstanden wird, zu verhüten; deshalb geht der Hinweis des Klägers auf die vermeintlich vorrangige Pflicht zur Erfassung der Mengenausweitung von Großpraxen fehl. § 10 HVM knüpft allein an das Wachstum der Fallzahl einer Praxis an, das für sich genommen kein zuverlässiges Indiz für eine zu umfangreiche und deshalb qualitativ mutmaßlich unzulängliche Tätigkeit des Arztes darstellt. Er reagiert damit nicht auf die Überschreitung einer bestimmten absoluten Fallzahlgrenze, sondern sanktioniert durch Honorarkürzungen allein einen (übermäßigen) Zuwachs bei der Fallzahl, ohne den Gesamtumfang der ärztlichen Tätigkeit mit zu berücksichtigen. Eine solche Regelung lässt sich auf die Befugnis zur Verhütung einer übermäßigen Ausdehnung der vertragsärztlichen Tätigkeit nicht stützen; denn es liegen keine Anhaltspunkte vor, dass ein Arzt allein wegen des Zuwachses an Behandlungsfällen innerhalb einer bestimmten Zeitspanne qualitativ schlechter behandelt als ein Arzt, dessen Praxis schon immer von überdurchschnittlich vielen Patienten aufgesucht worden ist. § 10 des HVM der Beklagten findet seine Rechtsgrundlage dagegen in § 85 Abs 4 Satz 1 bis 3 SGB V in der bis zum 31. Dezember 1999 geltenden Fassung des Gesundheits-Reformgesetzes (GRG) vom 20. Dezember 1988 (BGBl I S 2477, geändert durch Gesetz vom 22. Dezember 1999, BGBl I S 2626) iVm Ziff 5 der Vereinbarung der Spitzenverbände der Krankenkassen und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KÄBV) zur Einführung von Praxisbudgets zum 1. Juli 1997 (DÄ 1997, A-403; iF: Praxisbudgetvereinbarung). Nach § 85 Abs 4 Satz 1 bis 3 SGB V haben die KÄVen die Gesamtvergütung nach Maßgabe des im Benehmen mit den Krankenkassen festgesetzten Verteilungsmaßstabes an die Vertragsärzte zu verteilen; bei der Verteilung sind Art und Umfang der Leistungen der Vertragsärzte zu Grunde zu legen. Bei der Ausgestaltung des HVM hat eine KÄV einen Gestaltungsspielraum, weil die Honorarverteilung eine in der Rechtsform einer Satzung ergehende Maßnahme der Selbstverwaltung ist (BSG SozR 3-2500 § 85 Nr 34 S 269; aaO Nr 16 S 105). Die von der KÄV beschlossene Satzung muss mit der Ermächtigungsgrundlage im Einklang stehen und insbesondere das in § 85 Abs 4 Satz 3 SGB V angesprochene Gebot der leistungsproportionalen Verteilung des Honorars beachten (vgl BVerfGE 33, 171, 184 = SozR Nr 12 zu Art 12 GG S Ab 15 R; BSGE 81, 213, 217 = SozR 3-2500 § 85 Nr 23 S 152). § 10 HVM kann mit diesem Gebot in Konflikt geraten, weil die Honorarkürzung bei Überschreitung der praxisindividuellen Fallzahlgrenze zur Folge hat, dass sich das Honorar vermindert, obwohl auch die Leistungen in den Behandlungsfällen, die über die zugelassene Fallzahlsteigerung hinaus gehen, der Leistungsbeschreibung im EBM-Ä entsprechend erbracht worden sind. Das Gebot der leistungsproportionalen Verteilung des Honorars ist jedoch nicht mehr als ein Grundsatz, der eingeschränkt werden darf, wenn die KÄV damit andere billigenswerte Zwecke verfolgt (BSGE 83, 1, 2 = SozR 3-2500 § 85 Nr 26 S 183; BSGE 81, 213, 218 = SozR 3-2500 § 85 Nr 23 S 153; Nr 31 S 236 f). Solche anerkennenswerten Zielsetzungen können sich aus der Verpflichtung der KÄV zur Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung in ihrem Bereich, aus Regelungen des EBM-Ä zur Honorarverteilung oder aus den zur Umsetzung des EBM-Ä getroffenen Vereinbarungen der Partner der Bundesmantelverträge (BMVe), hier der Praxisbudgetvereinbarung, ergeben.

Nach Ziff 5 der Praxisbudgetvereinbarung haben die KÄVen die Möglichkeiten der Vertragsärzte, ihre Fallzahlen zu steigern, durch Mittel der Honorarverteilung zu begrenzen. Die Vorschrift bindet die KÄVen. Nach der Rechtsprechung des Senats sind die Partner der BMVe auf der Grundlage der §§ 72 Abs 2, 82 Abs 1 Satz 1 SGB V berechtigt, die Voraussetzungen für die Erbringung bestimmter Leistungen in der vertragsärztlichen Versorgung festzulegen und damit die Regelungen des EBM-Ä hinsichtlich der Abrechenbarkeit zu ergänzen (zuletzt BSG SozR 3-2500 § 72 Nr 8 S 19; Senatsurteil vom 31. Januar 2001 - B 6 KA 11/99 R -). Die Kompetenz der Partner der BMVe erfasst auch die Vereinbarung von Vorschriften zur Umsetzung und Anwendung des EBM-Ä, durch die den KÄVen ein Instrument an die Hand gegeben wird, anhand dessen diese eigenverantwortlich Ausnahmen von bestimmten Regelungen im EBM-Ä zulassen können (BSGE 87, 112, 114 = SozR 3-2500 § 87 Nr 26 S 134 zur Befreiung von Teilbudgets). Zu den Regelungen zur Gewährleistung einer ausreichenden, zweckmäßigen und wirtschaftlichen Versorgung iS der §§ 72 Abs 2, 82 Abs 1 Satz 1 SGB V zählen auch Vorgaben an die KÄVen zur Umsetzung und Absicherung neu in den EBM-Ä aufgenommener Bewertungsformen wie der zum 1. Juli 1997 eingeführten Praxisbudgets. Bei den Vereinbarungen der Partner der BMVe zur Ergänzung und Umsetzung des EBM-Ä handelt es sich um Verträge mit normativer Wirkung, die auch am Vertragsschluss nicht beteiligte Dritte binden. Als unmittelbar geltendes untergesetzliches Recht bedürfen sie für ihre Rechtsverbindlichkeit keiner Umsetzung mehr im EBM-Ä. Die einzelne KÄV ist im Rahmen der Honorarverteilung an derartige bundesmantelvertragliche Vorgaben gebunden.

Die in Ziff 5 der Praxisbudgetvereinbarung geregelte Begrenzung des Fallzahlzuwachses ist rechtmäßig. Sie ist eine notwendige Funktionsbedingung für die durch den EBM-Ä zum 1. Juli 1997 für die meisten Arztgruppen, auch die der Ärzte für Allgemeinmedizin/praktische Ärzte, eingeführten Praxisbudgets. Die Vorschriften über die Praxisbudgets (A I. Allgemeine Bestimmungen Teil B EBM-Ä) haben die Struktur der vertragsärztlichen Vergütung geändert. Die zu erbringenden Leistungen sind bei der Mehrzahl der Arztgruppen drei verschiedenen Bereichen zugeordnet worden, bezeichnet als grüner, gelber und roter Bereich. Der grüne Bereich beschreibt das eigentliche Praxisbudget. Hier wird jedem im Quartal behandelten Patienten, abhängig von dessen Versichertenstatus (Mitglied, Familienangehöriger oder Rentner), eine anhand eines Leistungsbedarfs im Jahr 1994 ermittelte Punktzahl zugeordnet. Das Produkt dieser Punktzahl mit der Zahl der behandelten Patienten bildet das Praxisbudget, das für jeden Arzt je nach Zahl und Status der Versicherten und nach Arztgruppe variiert. Leistungen aus dem grünen Bereich kann der einzelne Vertragsarzt nur bis zur Höhe dieses Budgets abrechnen; darüber hinaus erbrachte Leistungen werden nicht honoriert. Der gelbe Bereich umfasst die Zusatzbudgets. Hier werden weitere Punktzahlen pro Behandlungsfall für Leistungen eingeräumt, die entweder eine besondere Qualifikation des behandelnden Arztes oder einen besonderen Versorgungsbedarf voraussetzen und nur von einigen Ärzten aus jeder Arztgruppe schwerpunktmäßig erbracht werden. Die weder im grünen noch im gelben Bereich erfassten Leistungen gehören dem roten Bereich an, der nicht durch Punktzahlvolumina budgetiert ist. Jeder Arztgruppe ist für die einzelnen Leistungsbereiche ein bestimmter Anteil an der Gesamtvergütung zugewiesen. Leistungsmengensteigerungen bei einer Praxis im grünen und gelben Bereich führen solange zu einem höheren Honorar, als das Punktzahlbudget der Praxis noch nicht erschöpft ist, sodass insoweit Leistungen auch bei Mengenausweitungen mit stabilen Punktwerten honoriert werden können. Im roten Bereich besteht zwar die Möglichkeit, unbegrenzt Punktzahlen abzurechnen. Dafür müssen aber angesichts des begrenzten Honorartopfs deutlich floatende Punktwerte in Kauf genommen werden (vgl "Die Einführung von Praxisbudgets zum 1. Juli 1997 - Gründe und Inhalte", DÄ 1997 C 647 ff; Ballast, ErsK 1996, 440 ff; Schauenburg, BKK 1997, 193 ff; Metzinger/Woggon, KrV 1997, 12 ff). Der Senat hat bereits entschieden, dass die durch den EBM-Ä zum 1. Juli 1997 eingeführten Praxisbudgets mit höherrangigem Recht in Einklang stehen (BSGE 86, 16, 21 = SozR 3-2500 § 87 Nr 23 S 120; BSG SozR 3-2500 § 87 Nr 30; aaO Nr 31). Sie sind geeignet, das Erreichen der vom EBM-Ä angestrebten Ziele der (relativen) Punktwertstabilität und mittelbar der Kalkulierbarkeit der Einnahmen aus vertragsärztlicher Tätigkeit (zu diesem Ziel s BSGE 81, 213, 220 = SozR 3-2500 § 85 Nr 23 S 155) zu sichern. Das bedarf hier keiner erneuten Begründung, zumal die Verfahrensbeteiligten die Rechtmäßigkeit der Praxisbudgets nicht in Frage stellen.

Zur Umsetzung der Neugestaltung des EBM-Ä haben die Partner der BMVe in Ziff 5 der Praxisbudgetvereinbarung bestimmt, dass die KÄVen verpflichtet sind, die Fallzahlentwicklung zu überprüfen und medizinisch nicht begründbaren Fallzahlsteigerungen entgegenzuwirken. Zu diesem Zweck ist auch ein Vergleich der Zahl der vom einzelnen Arzt abgerechneten Fälle vor und nach der Einführung der Budgets durchzuführen. Steigt im Bezirk einer KÄV die Fallzahl gegenüber dem Vergleichsquartal des Vorjahres um mehr als 5 %, hat die KÄV Maßnahmen zu ergreifen, die dazu dienen, eine Punktwertminderung, die von einer mehr als 5%igen Fallzahlsteigerung hervorgerufen wird, zu verhindern.

Eine hierfür vorrangig in Betracht kommende Regelung ist die Begrenzung eines zulässigen Fallzahlzuwachses. Sie stellt sich als notwendige flankierende Maßnahme zur Absicherung der Wirkung der Praxisbudgets dar. Die Zahl der im Quartal abgerechneten Behandlungsfälle ist nämlich der variable Faktor bei der Bildung des Praxisbudgets. Könnte die Fallzahl beliebig gesteigert werden, bestünde trotz der Limitierung der pro Behandlungsfall rechnerisch abrechenbaren Punkte die Möglichkeit, deren Menge unbegrenzt zu vermehren. Angesichts der beschränkten Höhe der zur Verteilung anstehenden Gesamtvergütung könnte das einen Punktwertverfall bewirken, der durch die mit dem EBM-Ä 1997 eingeführten Praxisbudgets gerade verhindert werden sollte.

Die demgegenüber bisweilen vertretene Ansicht, Regelungen über Fallzahlzuwachsbegrenzungen im HVM seien generell verfehlt, weil der Arzt auf die Anzahl seiner Patienten keinen Einfluss habe, trifft nicht zu. Bereits der oben näher behandelten Verpflichtung der KÄV, im HVM Regelungen zur Verhütung einer übermäßigen Ausdehnung der vertragsärztlichen Tätigkeit vorzusehen (§ 85 Abs 4 Satz 6 SGB V), ist die Wertung des Gesetzgebers zu entnehmen, dass der Arzt den Umfang seiner Tätigkeit in gewissem Umfang steuern kann und dass lenkende bzw präventiv wirkende Vorschriften im HVM geeignet sind, nachhaltig Anreize für eine Begrenzung der Tätigkeit zu geben, die sich sowohl auf den Umfang der Leistungen (Fallwert) als auch auf die Zahl der Behandlungsfälle auswirken können (zur präventiven Zielsetzung der Limitierung der übermäßigen Ausdehnung vgl BSG SozR 3-2200 § 368f Nr 3 S 5).

Allerdings ist die Zahl der Behandlungsfälle einer Praxis nicht in gleicher Weise der Steuerung durch den Vertragsarzt zugänglich wie der Umfang der pro Fall erbrachten Leistungen, der sich im Fallwert niederschlägt. Bei idealtypischer Betrachtungsweise bestimmen allein die Patienten die Fallzahl einer Praxis, weil sie sich im Rahmen der ihnen zustehenden freien Arztwahl (§ 76 Abs 1 Satz 1 SGB V) für die Behandlung durch einen bestimmten Arzt entscheiden und die von ihnen gewählte Praxis so oft aufsuchen, wie sie es aus ihrer Sicht für notwendig halten. In diesem Sinne spiegelt die Fallzahl einer Praxis auch die Attraktivität der Behandlung eines Arztes aus der Perspektive der Patienten wider. Die Gewinnung neuer Patienten erweist sich damit als legitimes Mittel des Arztes, seine Position im Wettbewerb mit den Berufskollegen zu verbessern (vgl bereits BSGE 83, 52, 56 f = SozR 3-2500 § 85 Nr 28 S 205 zum zahnärztlichen Bereich). Auf der anderen Seite hat der einzelne Arzt zahlreiche Möglichkeiten, die Zahl der Behandlungsfälle in seiner Praxis weitgehend unabhängig von medizinischen Behandlungsnotwendigkeiten zu beeinflussen. Ein "Fall" im Sinne der Vorschriften über das Praxisbudget (A I. Allgemeine Bestimmungen Teil B, Nr 1.4 EBM-Ä) ist gemäß § 21 Abs 1 Satz 1 Bundesmantelvertrag-Ärzte (BMV-Ä) bzw § 25 Abs 1 Satz 1 Ersatzkassenvertrag-Ärzte (EKV-Ä) die von einem Arzt in einem Quartal gegenüber einem Versicherten vorgenommene ärztliche Behandlung. Ob ein Patient, der vier Mal im Jahr die Praxis eines Arztes zur Behandlung aufsucht, als ein "Fall" zählt oder ob seine Behandlung zu vier Behandlungsfällen führt, hängt allein davon ab, ob die vier Arzt-Patienten-Kontakte im selben Quartal oder in allen vier Quartalen eines Jahres stattfinden. Außerhalb von Akutbehandlungen kann der Arzt die Fallzahl seiner Praxis damit durch regelmäßige Wiedereinbestellungen von Patienten zu bestimmten Zeitpunkten deutlich beeinflussen (vgl bereits BSGE 83, 52, 56 = SozR 3-2500 § 85 Nr 28 S 205). Auch durch Absprachen zwischen Ärzten über die Überweisung von Patienten zur Mitbehandlung (§ 24 BMV-Ä) können gerade im fachärztlichen Bereich Fallzahlen vermehrt werden, ohne dass sich der Behandlungsaufwand gegenüber dem einzelnen Patienten ändert (vgl BSG SozR 3-2500 § 85 Nr 24 S 165).

Die Entwicklung der vergangenen Jahrzehnte hat gezeigt, dass die im Rahmen der kassen- bzw vertragsärztlichen Behandlung abgerechneten Fallzahlen keine vorgegebenen festen Größen sind, die aus der Natur der Sache unverändert bleiben, solange die Zahl der in der gesetzlichen Krankenversicherung versicherten Personen konstant bleibt, und bei denen Verschiebungen der Patientenströme nur zwischen den einzelnen Arztgruppen auftreten können. Vielmehr hat sich in den vergangenen Jahren ein kontinuierlicher Anstieg der Fallzahlen ergeben. In den alten Bundesländern (ab 1995 unter Einschluss von Berlin [Ost]) stieg die Fallzahl bei allen Kranken- und Ersatzkassen von 252 Millionen im Jahre 1980 auf knapp 438 Millionen im Jahre 1998, also um etwa 75 % (Grunddaten zur vertragsärztlichen Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland 2000, hrsg von der KÄBV, B 5). Diesem Anstieg entspricht eine Zunahme der Zahl der abrechnenden Ärzte von 55.127 Ende 1980 auf 92.816 Ende 1998 (Grunddaten, aaO, B 5), während die Zahl der Mitglieder der Krankenkassen im gleichen Zeitraum in den alten Bundesländern prozentual wesentlich geringer, nämlich von ca 35 Millionen auf etwas über 40 Millionen, wuchs (Grunddaten, aaO, G 13). Seit 1996 schließlich entwickelte sich die Fallzahl stärker als die Zahl der an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzte. So erhöhte sich 1996 in Relation zum Vorjahr die Anzahl der Ärzte um 1,8 %, die Zahl der Fälle aber um 4,4 %, sodass die Fallzahl je Arzt um 2,5 % anstieg. Auch 1997 und 1998 lag die Steigerungsrate bei den Behandlungsfällen höher als die prozentuale Zunahme der Zahl der Vertragsärzte, während sich im Mitgliederbestand der Kassen kaum Veränderungen ergaben. Im Jahre 1996 nahm die Zahl der Fälle in Relation zum Vorjahr mit 4,4 % fast zehn Mal so stark zu wie die Zahl der Mitglieder der Kranken- und Ersatzkassen mit 0,5 % (Grunddaten aaO, B 5, G 13). Der fast durchgängige Anstieg der Behandlungsfälle belegt einerseits die Notwendigkeit, in einem Honorarsystem, in dem der einzelne Behandlungsfall für das Gesamthonorar des Arztes einen hohen Stellenwert hat, die Anreize für eine Vermehrung der Behandlungsfälle möglichst zu verringern. Andererseits zeigt diese Entwicklung, dass die Zahl der Behandlungsfälle generell und bezogen auf den einzelnen Arzt keine vorgegebene Größe, sondern - im bestimmten Umfang - der Beeinflussung durch den einzelnen Arzt zugänglich ist. Insbesondere bei einem überproportionalen Anstieg der Behandlungsfallzahlen darf deshalb auf das Verhalten des einzelnen Arztes durch Maßnahmen der Honorarbegrenzung reagiert werden.

Die Partner der BMVe haben sich bei der Normierung der Verpflichtung der KÄVen, durch Maßnahmen der Honorarverteilung einem überproportionalen Zuwachs der Fallzahlen entgegen zu wirken (Ziff 5 der Praxisbudgetvereinbarung), auch auf die Erwägung stützen dürfen, dass sich größere Schwankungen im Leistungsverhalten bei langjährig betriebenen und etablierten Praxen in der Regel nur in begrenztem Umfang ergeben. Diesen Gesichtspunkt hat der Senat bereits in seinen Urteilen vom 21. Oktober 1998 im Rahmen der Prüfung von HVMen Kassenzahnärztlicher Vereinigungen (KZÄVen) angeführt, die den Umfang der vertragszahnärztlichen Tätigkeit der einzelnen Praxis durch die Einführung von Kontingentgrenzen im Wesentlichen auf das in einem bestimmten Zeitpunkt der Vergangenheit erreichte Maß beschränkt haben. Der Senat hat die Einschätzung der beklagten KZÄV für plausibel gehalten, dass Patientenzahl und Behandlungsumfang sowie Behandlungsweise des Praxisinhabers nach Abschluss der Aufbauphase einer Praxis offenbar über einen längeren Zeitraum relativ konstant bleiben und deutliche Verschiebungen bei der Zahl der behandelten Patienten eine eher seltene Ausnahme darstellen (vgl ua BSGE 83, 52, 57 = SozR 3-2500 § 85 Nr 28 S 206). Es spricht nichts dafür, dass im vertragsärztlichen Bereich grundlegend andere Verhältnisse als im vertragszahnärztlichen Bereich bestehen. Honorarverteilungsregelungen, die unter Beachtung von noch näher zu erörternden Toleranzgrenzen den wirtschaftlichen Anreiz für eine starke Ausweitung der Fallzahl mindern, treffen danach nur eine relativ geringe Zahl von vertragsärztlichen Praxen nachhaltig.

Im Übrigen haben die Partner der BMVe in der Praxisbudgetvereinbarung eine Verpflichtung der KÄV zur Begrenzung des Fallzahlanstiegs nur für den Fall normiert, dass die Fallzahl gegenüber dem Vergleichsquartal des Vorjahres um mehr als 5 % steigt. Die Entwicklung der letzten zehn Jahre lässt erkennen, dass bezogen auf alle Arztgruppen eine Fallzahlerhöhung innerhalb eines Jahres oberhalb von 5 % die Ausnahme darstellt. Im Bereich der Primär- und Ersatzkassen insgesamt ist es lediglich im Jahr 1990 in Relation zu 1989 zu einem Fallzahlanstieg von 5,1 % gekommen. Ansonsten bewegen sich die Zuwachsraten im Bereich von 1,9 bis 4,4 % (Grunddaten, aaO, B 5). Auch die detaillierte wissenschaftliche Analyse der Gesamtfallzahlentwicklung der Jahre 1988 bis 1993 in sechs ausgewählten KÄVen, die nach Arztgruppen differenziert, zeigt auf, dass eine Fallzahlerhöhung im Jahresrhythmus oberhalb von 5 % eine eher seltene Ausnahme darstellt (vgl dazu: Die Entwicklung der Fallzahlen bei niedergelassenen Ärzten 1980 bis 1993, hrsg vom Wissenschaftlichen Institut der AOK und dem Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland, Köln 1994, S 49). Die Regelung in Ziff 5 der Praxisbudgetvereinbarung zielt demnach nicht auf eine grundlegende Veränderung der Struktur des Behandlungsverhaltens der niedergelassenen Ärzte. Sie verpflichtet vielmehr die einzelne KÄV lediglich zu solchen Eingriffen, die eine außergewöhnlich schnelle, zudem hohe und darüber hinaus regelmäßig medizinisch nicht plausibel erklärbare Fallzahlsteigerung möglichst verhindern sollen. Auch unter diesem Gesichtspunkt bestehen gegen die Vorgabe in der Praxisbudgetvereinbarung keine durchgreifenden Bedenken.

§ 10 des HVM der Beklagten hält sich in dem durch Ziff 5 der Praxisbudgetvereinbarung gezogenen Rahmen. Er lehnt sich ersichtlich an diese Bestimmung an, weil Maßnahmen der Honorarbegrenzung bei Vertragsärzten erst eingreifen, wenn der einzelne Vertragsarzt die von ihm abgerechneten Fallzahlen in Relation zum Vorjahres-Vergleichsquartal um mehr als 5 % gesteigert hat. Ob eine KÄV auf der Grundlage von Ziff 5 der Praxisbudgetvereinbarung berechtigt wäre, den Zuwachs auf einen niedrigeren Wert als 5 % zu begrenzen, bedarf hier keiner Entscheidung (vgl insoweit das Urteil des Senats vom heutigen Tag im Verfahren B 6 KA 48/00 R); zum Streitgegenstand gehört auch nicht die rechtliche Beurteilung der von der Beklagten vom Quartal I/1999 an vorgenommenen Modifizierung des § 10 HVM, wonach zwar nur noch eine Fallzahltoleranz von 3 % anerkannt wird, das Honorar für die über Fallzahlgrenze und -toleranz hinaus gehenden Fälle aber nicht mehr gänzlich dem Honorarausgleichskonto zugeführt, sondern abgestaffelt in Höhe von 50 % bis 10 % des Fallwertes gewährt wird. Im Übrigen berücksichtigt die Regelung in § 10 HVM die Maßgaben, die der Senat insbesondere in seinen Urteilen vom 21. Oktober 1998 zu Honorarbegrenzungsregelungen im zahnärztlichen Bereich entwickelt hat (vgl ua BSGE 83, 52 ff = SozR 3-2500 § 85 Nr 28). Danach gilt der Grundsatz, dass es unter den Bedingungen einer nur in engen Grenzen steigerungsfähigen Gesamtvergütung und im Hinblick auf die Gewährleistung eines hohen Maßes an Kalkulationssicherheit für alle Vertragszahnärzte zumutbar ist, die einzelne Praxis für eine bestimmte Zeit an dem in der Vergangenheit selbst geschaffenen Umsatzvolumen festzuhalten, nicht für solche Praxen, die im maßgeblichen Vergleichszeitraum lediglich eine unterdurchschnittliche Fallzahl zu verzeichnen haben. Es ist mit dem aus Art 12 Abs 1 iVm Art 3 Abs 1 GG abzuleitenden Gebot der Honorarverteilungsgerechtigkeit nicht vereinbar, wenn Vergütungsbegrenzungen solche Praxen mit unterdurchschnittlicher Fallzahl faktisch daran hindern, ihren Umsatz durch einen Zugewinn von Patienten zumindest bis zum durchschnittlichen Umsatz der Zahnarztgruppe zu steigern. Diese Erwägungen gelten für den vertragsärztlichen Bereich in gleicher Weise. Dem tragen § 10 Abs 2.1.1.1. und Abs 2.1.1.2. sowie Abs 2.2 HVM dadurch Rechnung, dass Praxisanfänger und Praxisübernehmer nur von Kürzungen betroffen sind, wenn sie eine Fallzahl von mehr als 105 % der durchschnittlichen Behandlungsfallzahl ihrer Fachgruppe aufweisen.

§ 10 HVM erweist sich auch ansonsten als eine verhältnismäßige Regelung der durch Art 12 Abs 1 GG geschützten Berufsausübungsfreiheit der betroffenen Ärzte. Selbst Praxen mit überdurchschnittlichen Behandlungsfallzahlen wird hinreichend Raum zu einer Weiterentwicklung gelassen. So greifen nach Abs 2.2 aaO Honorarkürzungen als Folge der Überschreitung der Grenze zulässigen Fallzahlwachstums erst ein, wenn die Zahl der Behandlungsfälle gegenüber dem Vergleichsquartal des Vorjahres um mehr als 5 % ansteigt. Die Bezugsgröße des uneingeschränkt zulässigen Fallzahlwachstums ist zudem nicht die durchschnittliche Fallzahl der Arztgruppe, sondern die - darüber liegende - Durchschnittsfallzahl der eigenen Praxis bzw derjenigen des Praxisvorgängers (Abs 2.1.1.2. aaO). Das bedeutet, dass bei dieser Regelung selbst die bei Einführung der Praxisbudgets am 1. Juli 1997 bereits überdurchschnittlich großen Praxen ihre Fallzahlen noch jeweils um 5 % im Vergleich zum Vorjahresquartal steigern können, ohne von Honorarkürzungen betroffen zu werden. Diesen Praxen wird damit ein nachhaltiges Wachstum innerhalb weniger Jahre ermöglicht. Verhindert wird lediglich ein sprunghafter Anstieg der Fallzahl in kurzen Zeiträumen. Darin liegt keine unverhältnismäßige Beschränkung der vertragsärztlichen Berufsausübung. Die Regelung ist vielmehr um einen vertretbaren Ausgleich zwischen den Interessen des einzelnen Arztes an einem möglichst ungehinderten Wachstum seiner Praxis und den Interessen aller Vertragsärzte an möglichst stabilen Punktwerten im Hinblick auf die Kalkulierbarkeit ihrer Einnahmen aus vertragsärztlicher Tätigkeit bemüht.

Schließlich belegt auch die sich im Falle des Klägers konkret ergebende Kürzung, dass kein unverhältnismäßiger Eingriff in seine vertragsärztliche Berufsausübung gegeben ist. In Anwendung des § 10 HVM ist seine Honorarabrechnung für das streitige Quartal I/1998 um insgesamt 41 Fälle zum durchschnittlichen Praxisfallwert von 100,75 DM gekürzt worden. Welche wirtschaftliche Einbuße damit für den Kläger verbunden ist, lässt sich nicht vordergründig mit der Höhe des sich daraus errechnenden Betrages von 4.130,75 DM beantworten. Der Punktwert der Arztgruppe, der der Kläger angehört, ist nämlich nicht unbeeinflusst von den Kürzungsregelungen auf der Grundlage des § 10 HVM, sondern kann die konkret von der Beklagten berechnete Höhe nur deshalb erreichen, weil nicht alle von den Vertragsärzten angeforderten Punkte tatsächlich zu honorieren sind. Wenn die vom Kläger beanstandete Regelung des § 10 HVM nicht bestünde, wären deutlich mehr Punkte aller Ärzte seiner Fachgruppe zu honorieren gewesen, sodass der allgemeine Punktwert dieser Arztgruppe erheblich niedriger gelegen hätte. Wie sich dies auf den Gesamthonoraranspruch des Klägers in den streitbefangenen Quartalen ausgewirkt hätte, entzieht sich einer exakten Berechnung, weil keine Ermittlungen darüber möglich sind, wie die Vertragsärzte im Bezirk der Beklagten abgerechnet hätten, wenn der HVM der Beklagten keine Regelung über den Fallzahlzuwachs enthalten hätte. Fest steht indessen, dass auch Ärzte, die vordergründig durch Regelungen über den Fallzahlzuwachs Honorareinbußen haben hinnehmen müssen, durch die Stabilisierung des Punktwertes in der Regel für die Mehrzahl ihrer vertragsärztlichen Leistungen von diesen Regelungen profitieren.

Bei alledem kann entgegen der Ansicht des Klägers auch bei einer Fallzahlbegrenzung nicht angenommen werden, dass die Behandlungen jenseits von Fallzahlgrenze und -toleranz von einer Honorierung ausgenommen seien. Zwar wird die Vergütung für diese Fälle berechnungstechnisch nicht nach den gleichen Grundsätzen ermittelt wie (zunächst) für die Fälle bis zum Erreichen des Grenzwerts. Der Sache nach nimmt bei Überschreitung der Grenzwerte gleichwohl die Gesamtheit der Leistungen des Vertragsarztes an der Verteilung der Gesamtvergütung teil, dieses nur in der Weise, dass nun die Höhe der Vergütung für jede einzelne der erbrachten Leistungen (dh sowohl derjenigen bis zur Fallzahlgrenze als auch der darüber hinaus gehenden) relativ absinkt (vgl BSGE 78, 98, 108 = SozR 3-2500 § 87 Nr 12 S 43 f; zuletzt BSGE 88, 126, 130 mwN = SozR 3-2500 § 87 Nr 29 S 148 f). Mit Blick auf das feststehende beschränkte Volumen der Gesamtvergütung einerseits und die beabsichtigte Punktwertstabilisierung andererseits blieb der Beklagten zur Verfolgung des ihr auch durch die Praxisbudgetvereinbarung aufgegebenen Zieles nur die Möglichkeit, durch geeignete Begrenzungsregelungen auf den Umfang der Fallzahlen Einfluss zu nehmen. Ob dies dann in der Weise geschieht, dass - wie im vorliegend streitigen Quartal - Fälle jenseits eines Grenzwertes mit einem Punktwert von "0 Pfennig" in die Quartals-Honorarabrechnung eingehen, oder ob die von den Kostenträgern zur Verfügung gestellten begrenzten Mittel dadurch an die Vertragsärzte weiter gegeben werden, dass - wie in § 10 HVM in der ab dem Quartal I/1999 geltenden Fassung geregelt - eine niedrigere Fallzahlzuwachsgrenze festgesetzt wird, und zwar jeder Überschreitungsfall in die Abrechnung honorarsteigernd Eingang findet, jedoch nur abgestaffelt mit einer bestimmten degressiven Quote, ist in erster Linie lediglich eine Frage der Berechnungstechnik. Auch wenn für die Vertragsärzte aus psychologischer Sicht vorteilhafter sein dürfte, für jeden Behandlungsfall ohne Weiteres erkennbar ein bestimmtes, ggf auch abgesenktes Honorar zu erhalten, ist die hier zu beurteilende, von der Vertreterversammlung der Beklagten zum 1. Juli 1997 gewählte ursprüngliche Fassung des § 10 HVM nicht etwa deswegen rechtswidrig, weil erst die Gesamtschau der Honorarabrechnung des Quartals I/1998 bei verständiger Würdigung ergibt, dass auch für die Behandlungsfälle des Vertragsarztes jenseits der Zuwachsgrenze eine Vergütung gewährt worden ist.

Die vom Kläger gegen § 10 des HVM der Beklagten weiter geltend gemachten rechtlichen Gesichtspunkte führen ebenfalls zu keinem ihm günstigen Ergebnis. Zu Recht weisen das LSG und die Beklagte darauf hin, dass die eine gewisse Begünstigung von Großpraxen bewirkende prozentuale Zuwachstoleranz nicht zur Rechtswidrigkeit dieser HVM-Regelung führen kann. Abgesehen davon, dass der Kläger gemessen an seiner Fallzahl selbst zu den Ärzten gehört, die eine überdurchschnittlich große Praxis betreiben und insoweit von der Regelung profitiert, darf insoweit nicht übersehen werden, dass einer Fallzahlausweitung natürliche Grenzen gesetzt sind und dass die Beklagte zum anderen jedenfalls - unter Orientierung an einem Mittelwert - die am anderen Ende der Skala liegende Gruppe der Anfangs-Praxen mit unterdurchschnittlichem Fallwert durch die Möglichkeit des einschränkungslosen Fallzahlanstiegs bis zum Fallgruppendurchschnitt gezielt vor unverhältnismäßigen Nachteilen geschützt hat.

Auch besonderen individuellen Umständen des Klägers musste die Beklagte nicht gesondert Rechnung tragen. Soweit er sich darauf beruft, sein Praxisvorgänger habe in den Quartalen vor der Veräußerung seiner Praxis aus Alters- und Krankheitsgründen seine Fallzahl reduziert, ist ihm entgegenzuhalten, dass dazu entsprechende tatsächliche Feststellungen des LSG fehlen und in Bezug hierauf keine zulässigen Revisionsgründe vorgebracht worden sind (vgl §§ 162, 163 Sozialgerichtsgesetz <SGG>). Unbeschadet dessen hat die Beklagte bereits in ihrem Widerspruchsbescheid ausgeführt, dass die Fallzahlen des Praxisvorgängers keine rückläufige Tendenz hätten erkennen lassen. Dass der Kläger als "neuer" Arzt in den streitigen Quartalen auf Grund einer dadurch anzuerkennenden Praxisdiskontinuität einem erhöhten, von ihm nicht steuerbaren Patientenzulauf ausgesetzt gewesen wäre, ergibt sich gleichermaßen nicht aus den Feststellungen des Berufungsgerichts und kann nicht als Erfahrungstatsache gelten; auch diesem Gesichtspunkt wäre indessen in seinem Fall angesichts der ihm von Praxisbeginn an erfolgten Zuerkennung der über dem Durchschnitt liegenden Fallzahlgrenze seines Praxisvorgängers sowie durch die bei typisierender Betrachtungsweise auch insoweit ausreichende 5%ige Fallzahlzuwachstoleranz des HVM Genüge getan.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 und 4 SGG in der bis zum 1. Januar 2002 geltenden und hier noch anzuwendenden Fassung (vgl Senatsurteile vom 30. Januar 2002 - B 6 KA 12/01 R und B 6 KA 73/00 R - zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen).

Ende der Entscheidung

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