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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundessozialgericht
Urteil verkündet am 21.05.2003
Aktenzeichen: B 6 KA 35/02 R
Rechtsgebiete: SGB V


Vorschriften:

SGB V § 85 Abs 4b ff
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESSOZIALGERICHT Im Namen des Volkes Urteil

in dem Rechtsstreit

Verkündet am 21. Mai 2003

Az: B 6 KA 35/02 R

Der 6. Senat des Bundessozialgerichts hat auf die mündliche Verhandlung vom 21. Mai 2003 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Engelmann, die Richter Dr. Clemens und Dr. Kretschmer sowie die ehrenamtlichen Richter Dr. Liebaug und Dr. Schubert

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Revision des Klägers werden die Urteile des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 5. Juni 2002 und des Sozialgerichts Düsseldorf vom 7. November 2001 aufgehoben. Die Beklagte wird unter Änderung ihres Bescheides vom 14. April 2000 - in der Gestalt ihres Widerspruchsbescheides vom 18. April 2001 - verurteilt, über das Honorar des Klägers neu zu entscheiden.

Die Beklagte hat dem Kläger seine außergerichtlichen Kosten für alle Rechtszüge zu erstatten.

Gründe:

I

Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit von Honorarabzügen auf Grund von degressionsbedingten Punktwertabsenkungen und des Überschreitens von individuellen Bemessungsgrenzen.

Der Kläger ist als Oralchirurg niedergelassen und zur vertragszahnärztlichen Versorgung zugelassen. Er begehrt höheres Honorar für die von ihm im Jahr 1999 erbrachten Leistungen.

Im Hinblick auf die Budgetregelungen des Art 15 GKV-Solidaritätsstärkungsgesetz (GKV-SolG) vom 19. Dezember 1998 (BGBl I 3853) ergänzte die beklagte Kassenzahnärztliche Vereinigung (KZÄV) ihren Honorarverteilungsmaßstab mit Wirkung zum 1. Januar 1999 (HVM in der Fassung des Beschlusses der Vertreterversammlung vom 19. Dezember 1998) um Honorarbegrenzungsregelungen unter anderem für den Bereich konservierend-chirurgischer Leistungen (§ 4 Abs 1a Nr 2 HVM: "konservierend-chirurgische Abrechnung"). In diesem Bereich war für jeden Vertragszahnarzt eine fallzahlabhängige individuelle Kontingentgrenze festzulegen (fallzahlabhängiges Leistungskontingent <abgekürzt: FALK>). Für diese Leistungen war ein Punktedurchschnitt aus dem Verhältnis der Gesamtvergütung zu der Gesamtzahl konservierend-chirurgischer Behandlungsfälle der Vertragszahnärzte zu errechnen (Nr 2.4), dessen Multiplikation mit der individuellen Zahl konservierend-chirurgischer Behandlungsfälle des einzelnen Arztes die für ihn gültige Kontingentgrenze ergab (Nr 2.5 iVm 2.3 und 2.1). Die Punkte aus dem Leistungsbereich Individualprophylaxe wurden gesondert mit dem vollen Punktwert berücksichtigt (Nr 2.4 iVm 2.5 letzter Halbsatz). Diese Punktzahlermittlung erfolgte quartalsweise und wurde nach Jahresschluss für das Gesamtjahr zusammengefasst (Nr 2.4 iVm 2.1), wobei die in einem Quartal nicht verbrauchten Punkte dem individuellen Kontingent für das nächste Quartal zuzuschlagen waren (Nr 2.2 Satz 3). Erhöhte Kontingente konnte der Vorstand für besondere Fachgruppen wie die auf Überweisung tätigen Kieferchirurgen und Oralchirurgen sowie für solche Vertragszahnärzte festlegen, die erst weniger als acht Quartale vertragszahnärztlich tätig waren und weniger als 400 Behandlungsfälle hatten (Nr 2.7).

Auf dieser Grundlage legte die Beklagte den abrechenbaren Punktedurchschnitt für das Jahr 1999 für Oralchirurgen auf 167 Punkte je konservierend-chirurgischem Fall fest. Dementsprechend setzte sie die individuelle Kontingentgrenze für den Kläger durch Multiplikation mit der Zahl der in diesem Jahr in seiner Praxis behandelten konservierend-chirurgischen Fälle (3.007) auf 502.169 Punkte fest. Dadurch blieben 63.490 der von ihm geltend gemachten 565.659 Punkte für konservierend-chirurgische Leistungen unberücksichtigt, d.h. der Punktwert reduzierte sich um 11,22 % (jeweils ohne die gesondert zu vergütenden 158 Punkte für Individualprophylaxe). Dementsprechend behielt die Beklagte von dem anhand der gesamtvertraglich genannten Punktwerte errechneten Honorar von 882.836,38 DM (bei Punktwerten von ca 1,52 DM im Primärkassen-, ca 1,65 DM im Ersatzkassen- und ca 1,54 DM im Fremdkassenbereich) den Betrag von 11,22 % = 99.054,24 DM ein. Dieser ging als Rechnungsposten ("Honorareinbehalt FALK") in den an den Kläger gerichteten Honorarbescheid vom 14. April 2000 für das Quartal IV/1999 ein.

Der Honorarbescheid weist in einem weiteren Rechnungsposten ("Honorarrückforderung wg Punktmengenüberschreitung") einen Abzugsbetrag wegen des Überschreitens der Punktmengengrenzen gemäß § 85 Abs 4b ff Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) in Höhe von 82.314,55 DM aus. Diesem Betrag lagen die vom Kläger abgerechnete Gesamtpunktmenge von 610.510 Punkten sowie die Abstaffelungsgrenzen gemäß § 85 Abs 4b SGB V zu Grunde, die für 1999 durch einen für 20 Tage voll beschäftigten Assistenten erhöht worden waren und demgemäß zur Absenkung um 20 vH ab 354.861 Punkten, um 30 vH ab 456.250 Punkten und um 40 vH ab 557.639 Punkten führten. Deshalb wandte sie die Abstaffelung um 20 vH auf 101.389, diejenige um 30 vH auf 101.389 und die um 40 vH auf 52.871 Punkte an, woraus sie eine Gesamtabstaffelung um 111.790,52 DM errechnete.

Im Widerspruchsverfahren wandte sich der Kläger umfassend gegen den Honorarbescheid vom 14. April 2000, sowohl gegen den Honorareinbehalt wegen der individuellen Kontingentgrenze als auch gegen die Kumulation von Abzügen wegen der fallzahlabhängigen individuellen Kontingentgrenze und wegen der Degressionsregelungen des § 85 Abs 4b ff SGB V. Die Beklagte wies seinen Widerspruch mit Sachausführungen zu allen Punkten zurück. Auch beim Sozialgericht (SG) und Landessozialgericht (LSG) ist er erfolglos geblieben (Urteile des SG vom 7. November 2001 und des LSG vom 5. Juni 2002). In den Urteilen ist ausgeführt, die Regelungen des HVM über die individuelle Bemessungsgrenze und die Degressionsbestimmungen des § 85 Abs 4b ff SGB V seien jede für sich rechtens, sie könnten auch kumulativ zu Lasten des Vertragszahnarztes angewendet werden. Sie verfolgten unterschiedliche Zwecke. Während die Degressionsvorschriften Honorareinsparungen zu Gunsten der Krankenkassen (KKn) und zusätzlich die Förderung der Qualität der Versorgung bezweckten, habe der sich aus dem HVM ergebende Honorareinbehalt zum Ziel, die Begrenzungen der Erhöhung der von den KKn an die KZÄVen zu entrichtenden Gesamtvergütungen in geeigneter Form im Rahmen der Honorarverteilung an die einzelnen Vertragszahnärzte weiterzugeben. Weder müssten die KZÄVen bei der Anwendung von HVM-Honorarbegrenzungen, die trotz der Gesamtbudgetierung wenigstens für einen Teil des Leistungsvolumens feste Punktwerte ermöglichen sollten, die Punktwertdegression gegenrechnen, noch seien die Degressionsbestimmungen im Fall budgetierter Gesamtvergütungen unanwendbar. Die bei der Degression angewandte Berechnungsformel sei durch die mit den KKn abgeschlossene Degressionsvereinbarung gedeckt.

Mit seiner vom LSG zugelassenen Revision macht der Kläger die Verletzung von Bundesrecht geltend. Die Degressionsbestimmungen des § 85 Abs 4b ff SGB V beträfen alle Leistungsbereiche, nicht nur die prothetischen und kieferorthopädischen Behandlungen, die typischerweise zur Erreichung der Degressionsschwelle führten, sondern auch die - im HVM der Beklagten budgetierten - konservierend-chirurgischen Leistungen. Die Regelungen seien nicht erforderlich, wie schon in früheren wissenschaftlichen Gutachten ausgeführt sei. Zudem seien sie sogar schädlich, weil sie die Leistungsbereitschaft gerade der leistungsstarken Vertragszahnärzte schwächten. Ein Zusammenhang zwischen überdurchschnittlichen Umsätzen und Qualitätsdefiziten sei nicht belegt und auch nicht gegeben. Der Gesichtspunkt einer Kostenexplosion wie 1991/92, die für die Einführung zum 1. Januar 1993 maßgebend gewesen sei, könne für die Wiedereinführung der Regelungen zum 1. Januar 1999 mangels vergleichbarer Situation nicht herangezogen werden. Zudem berücksichtigten die Degressionsbestimmungen nicht die Unterschiede zwischen den Zahnarztgruppen. ZB könnten die Mund-Kiefer-Gesichts-Chirurgen, die im Wesentlichen nur auf Überweisung tätig würden, ihr Leistungsvolumen nicht so steuern wie andere Fachgruppen; zudem hätten sie Abrechnungsmöglichkeiten sowohl im vertragsärztlichen als auch im -zahnärztlichen Bereich und erbrächten lediglich ein kleines Spektrum an Leistungen, nämlich fast ausschließlich im chirurgischen und nur in geringem Umfang im prothetischen Bereich. Gerade in diesem Bereich hätten demgegenüber viele andere Zahnärzte ihren Schwerpunkt. Die Degressionsregelungen seien ferner deshalb unzureichend, weil vor der Bestimmung des Degressionsabzuges sachlich-rechnerische Richtigstellungen und Honorarkürzungen wegen Unwirtschaftlichkeit vorzunehmen seien; im Falle erst späterer Honorarreduzierungen müsse die Degressionsberechnung ggf erneut, nötigenfalls mehrfach, durchgeführt werden. Schließlich sei zu beanstanden, dass die Degression an der angeforderten Punktmenge ansetze, obgleich diese nur teilweise honoriert werde; nur das bezahlte Honorar dürfe bei der Degressionsberechnung zu Grunde gelegt werden. Das Absinken der realen Honorare habe der Degressionsregelung längst die Grundlage entzogen.

Der Kläger beantragt,

die Urteile des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 5. Juni 2002 und des Sozialgerichts Düsseldorf vom 7. November 2001 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, unter Änderung ihres Bescheides vom 14. April 2000 - in der Gestalt ihres Widerspruchsbescheides vom 18. April 2001 - über den Degressionsabzug und sein Honorar unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats neu zu entscheiden.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie hält das Berufungsurteil für zutreffend. Soweit der Kläger die zwischen der Beklagten und den KKn-Verbänden abgeschlossene Degressionsvereinbarung für nicht von § 85 Abs 4e Satz 5 SGB V gedeckt halte, sei irrevisibles Recht betroffen. In seinem Vorbringen, die Degressionsbestimmungen des § 85 Abs 4b ff SGB V seien nicht erforderlich und gleichheitswidrig, liege eine im Revisionsverfahren unzulässige Änderung des Klagegrundes. Die Beanstandungen des Klägers könnten aber auch inhaltlich nicht durchgreifen. Die HVM-Regelungen hätten ihren Grund in den Begrenzungen der Erhöhung der Gesamtvergütungen. Eine Verrechnung von Degressions- und HVM-Abzügen sei gesetzlich nicht vorgesehen. Die Meinung des Klägers, die Degression dürfe nur das Honorar treffen, das sich nach Anwendung der HVM-Begrenzungen ergebe, finde weder im Bundesrecht noch in den gesamtvertraglichen Regelungen eine Stütze. Nach der zwischen KZÄV und KKn abgeschlossenen Degressionsvereinbarung seien lediglich bestandskräftige Honorarkürzungen wegen Unwirtschaftlichkeit zu berücksichtigen, nicht aber sachlich-rechnerische Richtigstellungen, was schon wegen der tatsächlichen Abläufe nicht möglich wäre, weil die Berichtigungen uU noch erheblich später - bis vier Jahre nach dem Quartalsabrechnungsbescheid - erfolgen könnten.

II

Die Revision des Klägers hat Erfolg. Die vorinstanzlichen Urteile und die angefochtenen Bescheide sind aufzuheben, und die Beklagte hat über das Honorar des Klägers neu zu entscheiden. Der Bescheid der Beklagten vom 14. April 2000 - in der Gestalt ihres Widerspruchsbescheides vom 18. April 2001 - ist rechtswidrig, soweit Abzüge undifferenziert kumulativ sowohl wegen Überschreitens der für den Kläger auf der Grundlage des HVM der Beklagten festgelegten individuellen Bemessungsgrenze als auch wegen Überschreitens der Degressionsschwellen gemäß § 85 Abs 4b SGB V vorgenommen worden sind.

Die gemäß § 85 Abs 4b ff SGB V vorgegebenen Kürzungen des Honoraranspruchs des Vertragszahnarztes bei Überschreiten bestimmter Punktmengen im Wege von Punktwertminderungen (sog Punktwertdegression) sind von der KZÄV vor der Durchführung der Honorarverteilung vorzunehmen. Die Abschöpfung der Degressionsbeträge und ihre Weitergabe an die KKn ist vorrangig vor der Verteilung der Gesamtvergütungen an die Vertragszahnärzte. Aus Inhalt, Systematik, Sinn und Zweck sowie Entstehungsgeschichte der Degressionsbestimmungen folgt, dass die mit der Punktwertdegression vorgesehene Begünstigung der KKn nicht durch Regelungen auf der HVM-Ebene vermindert werden darf.

Mit dem Gesundheitsstrukturgesetz (GSG) vom 21. Dezember 1992 (BGBl I 2266) sind die die Punktwertdegression regelnden Bestimmungen des § 85 Abs 4b ff SGB V eingeführt worden. Durch das 2. GKV-Neuordnungsgesetz vom 23. Juni 1997 (BGBl I 1520) sind sie zum 1. Juli 1997 aufgehoben und durch das GKV-SolG mit Wirkung zum 1. Januar 1999 im Wesentlichen unverändert wieder eingeführt worden.

Nach § 85 Abs 4b Satz 1 SGB V verringert sich ab einer Gesamtpunktmenge je Vertragszahnarzt aus vertragszahnärztlicher Behandlung einschließlich der Versorgung mit Zahnersatz und Zahnkronen sowie kieferorthopädischer Behandlung von 350.000 Punkten je Kalenderjahr der Vergütungsanspruch für die weiteren vertragszahnärztlichen Behandlungen im Sinne des § 73 Abs 2 Nr 2 SGB V um 20 vH, ab einer Punktmenge von 450.000 je Kalenderjahr um 30 vH und ab einer Punktmenge von 550.000 je Kalenderjahr um 40 vH, indem die vertraglich vereinbarten Punktwerte abgesenkt werden. Die Degressionsschwellen liegen bei Gemeinschaftspraxen und bei Beschäftigung von angestellten Zahnärzten und/oder Assistenten höher (§ 85 Abs 4b Satz 6 ff aF bzw Satz 3 ff nF iVm Abs 4e SGB V). Der Abzugsbetrag ist an die KKn weiterzugeben (§ 85 Abs 4e Satz 1 nF SGB V; sinngemäß ebenso schon die bis zum 30. Juni 1997 geltende Fassung, s § 85 Abs 4e Satz 3 SGB V und dazu BSG USK 96 150 S 901 f und BSGE 80, 223, 227 f = SozR 3-2500 § 85 Nr 22 S 138; - zur bloßen Klarstellungsfunktion des neuen Satz 1 s auch BT-Drucks 14/157 S 34 f). Das Bundessozialgericht (BSG) und das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) haben diese Regelungen als verfassungsgemäß beurteilt (grundlegend BSGE 80, 223, 229 ff = SozR 3-2500 § 85 Nr 22 S 140 ff; zuletzt Urteile vom 28. April 1999, MedR 2000, 49, 50, und vom 15. Mai 2002, SozR 3-2500 § 85 Nr 46 S 383; vgl auch die Nichtannahme einer Verfassungsbeschwerde durch BVerfG <Kammer>, Beschluss vom 12. Juli 2000, NJW 2000, 3413). Auch ihre Wiedereinführung zum 1. Januar 1999 hielt sich im Rahmen der Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers und der verfassungsrechtlichen Grenzen, selbst wenn die Finanzsituation nicht mehr so prekär gewesen sein mag wie bei der erstmaligen Schaffung der Regelungen zum 1. Januar 1993 (so sinngemäß auch schon BSG, Urteil vom 15. Mai 2002, SozR aaO S 382 iVm 383).

Bereits aus dem Wortlaut der Degressionsbestimmungen folgt, dass die Degressionskürzung vor Durchführung der Honorarverteilung zu berechnen und ihre Weitergabe an die KKn vorrangig vor der Verteilung der Gesamtvergütungen an die Vertragszahnärzte einer KZÄV ist. Die Regelungen - insbesondere § 85 Abs 4b Satz 1 SGB V - stellen auf die - rechtmäßig - abgerechneten Punktmengen und nicht auf die zu vergütenden Punktzahlen ab, die durch Punktzahlobergrenzen im HVM begrenzt sein können (s hierzu BSG, Urteil vom 11. September 2002, SozR 3-2500 § 85 Nr 48 S 410 f mwN). Das ergibt sich zum einen aus der Vorschrift des § 85 Abs 4b Satz 12 aF bzw Satz 9 nF SGB V. Danach umfassen die Punktmengen alle vertragszahnärztlichen Leistungen im Sinne des § 73 Abs 2 Nr 2 (nunmehr: Abs 2 Satz 1 Nr 2) SGB V. Hierzu ergänzend regelt § 85 Abs 4b Satz 13 aF bzw Satz 10 nF SGB V, dass in die Ermittlung der Punktmengen die Kostenerstattungen nach § 13 Abs 2 SGB V einzubeziehen sind. Demgemäß sind nach § 85 Abs 4c SGB V die nach § 28 Abs 2 Satz 1, 3, 7 und 9 SGB V abgerechneten - und nicht die nach dem Eingreifen von HVM-Regelungen zu vergütenden - Leistungen mit den anderen Leistungen zusammenzuführen und bei der Ermittlung der Gesamtpunktmenge zu Grunde zu legen. Mit dieser Regelung wiederum korrespondiert die Vorschrift des § 85 Abs 4d Satz 1 SGB V, nach der die KZÄV den KKn bei jeder Rechnungslegung mitzuteilen hat, welche Vertragszahnärzte die Punktmengengrenzen des Abs 4b aaO überschritten haben.

Auch aus systematischen Gesichtspunkten ergibt sich, dass die Degressionskürzung vor der Verteilung der Gesamtvergütungen an die Vertragszahnärzte einer KZÄV zu berechnen ist. Die vom Gesetz in § 85 Abs 4b ff SGB V vorgesehene Umsetzung der Degressionsregelung bestätigt, dass ihr die vom Zahnarzt rechtmäßig abgerechneten Punktzahlanforderungen zu Grunde zu legen sind. Danach hat die KZÄV ua die genannten abgerechneten Leistungen zu erfassen (Abs 4c aaO) und den KKn bei jeder Rechnungslegung mitzuteilen, welche Vertragszahnärzte die Punktmengengrenzen nach Abs 4b aaO überschritten haben (Abs 4d Satz 1 aaO). Ausgehend hiervon ist ab dem Zeitpunkt der Grenzwertüberschreitung eine Vergütungsminderung nach den Regelungen des Abs 4e aaO bei der Abrechnung gegenüber den KKn zu berücksichtigen. Kommt die KZÄV dieser Pflicht bis zur letzten Quartalsabrechnung eines Jahres nicht oder nicht vollständig nach, hat die KK nach Abs 4f aaO ein Zurückbehaltungsrecht iH von 10 vH gegenüber jeder Forderung der KZÄV. Diese kurz bemessenen Fristen sowie der weitere Ablauf belegen gleichfalls, dass die Degression vor Eintritt in die Honorarverteilung abzuschließen ist.

Der Vorrang der Weitergabe der Degressionskürzungen an die KKn vor der Verteilung der Gesamtvergütungen an die Vertragszahnärzte einer KZÄV entspricht auch dem Ziel der gesetzlichen Regelungen. Nach den den Gesetzgeber leitenden Vorstellungen (zu den Motiven für die Regelungen und zur Entwicklung des Gesetzgebungsverfahrens s BSGE 80, 223, 226 f = SozR 3-2500 § 85 Nr 22 S 136 ff) sollten die KKn an Stelle der ursprünglich vorgesehenen globalen Absenkung der Punktwerte für die zahnärztlichen Leistungen bei Zahnersatz um 20 vH durch die Degressionsregelung - mit einem Volumen von rund 300 Millionen DM im Jahr 1993 - entlastet werden (vgl dazu BSGE 80, 223, 226 f = SozR 3-2500 § 85 Nr 22 S 137 f). Daraus folgt, dass es nicht zulässig ist, die durch die gesetzlichen Bestimmungen vorgesehene Begünstigung der KKn durch Regelungen des HVM zu verhindern oder zu vermindern. Die Beträge, die sich auf Grund der vorzunehmenden Punktwertabsenkungen ergeben, sind an die KKn weiterzugeben (§ 85 Abs 4e SGB V). Die an die KKn abzuführenden Beträge verringern die zur Verteilung an die Vertragszahnärzte zur Verfügung stehenden Gesamtvergütungen (s BSG, Urteil vom 15. Mai 2002, SozR 3-2500 § 85 Nr 46 S 383). Bei der auf Grund der Degressionsregelungen erfolgenden Berechnung der an die KKn abzuführenden Beträge ist daher von der Punktmenge auszugehen, die von dem Vertragszahnarzt vor dem Eingreifen von HVM-bedingten Punktzahlobergrenzen, die das zu vergütende Punktzahlvolumen reduzieren, rechtmäßig abgerechnet worden sind.

Der Anwendung der Degressionsregelung des § 85 Abs 4b SGB V mit Anknüpfung an das Überschreiten von Punktmengen steht nicht entgegen, dass nach § 85 Abs 4e SGB V die KZÄV die Degressionsberechnung ab den jeweiligen Punktmengenüberschreitungen nach Abs 4b Satz 1 aaO durch Absenkung der "vertraglich vereinbarten Punktwerte" vornimmt. Daraus wird die dem Gesetz zu Grunde liegende Vorstellung deutlich, dass die vertragszahnärztlichen Gesamtvergütungen (§ 85 Abs 1 SGB V) nach festen Punktwerten vereinbart würden. Diese Annahme ist allerdings in Frage gestellt, wenn das vertragszahnärztliche Honorar infolge gesetzlicher Begrenzung des Anstiegs der Gesamtvergütungen hinter den Leistungsanforderungen zurückbleibt und deshalb die Abrechnung bestimmter Punktmengen keine Gewähr für ein entsprechend höheres Honorar mehr bieten kann. Solche Begrenzungen des Gesamtvergütungsanstieges bestehen seit Einführung der Degressionsregelung auf unterschiedlichen rechtlichen Grundlagen. Zunächst wurde der Anstieg der Gesamtvergütungen zugleich mit der Einführung der Degressionsregelung durch das GSG durch § 85 Abs 3-3c SGB V begrenzt (vgl zu den Einzelheiten BSGE 81, 213, 218 = SozR 3-2500 § 85 Nr 23 S 153). Nach der Wiedereinführung der Regelung begründete Art 15 GKV-SolG eine ähnliche Begrenzung für das Jahr 1999. Seit dem 1. Januar 2000 werden die Erhöhungen der Gesamtvergütungen durch § 71 Abs 2 SGB V idF des Gesetzes zur Reform der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Gesundheitsreformgesetz 2000) vom 22. Dezember 1999 (BGBl I 2626) budgetiert. Im Ergebnis führt das dazu, dass unabhängig von der Menge der abgerechneten Punkte eine Gesamtvergütung in einer bestimmten Höhe vereinbart wird. Da die Zugrundelegung aller abgerechneten Punkte je KZÄV unter Anwendung eines festen Punktwertes aber regelmäßig das vereinbarte Gesamthonorarvolumen überschreitet, kann bei der Verteilung der Gesamtvergütung an die Zahnärzte nicht mehr ein gesamtvertraglich genannter Punktwert zur Anwendung kommen, sondern nur ein Auszahlungspunktwert, der geringer ist als der vereinbarte Punktwert.

Im Verhältnis zum vereinbarten Punktwert niedrigere Auszahlungspunktwerte führen bei der Degressionsregelung des § 85 Abs 4b SGB V, bei der die Schwellenwerte von 350.000, 450.000 und 550.000 Punkten unverändert geblieben sind, dazu, dass die Degression - abhängig von der Höhe des Auszahlungspunktwertes - schon bei Umsätzen greift, die niedriger als bei Einführung der Regelung sein können. Dies steht einer Anwendung der Degressionsregelung mit den unveränderten Schwellenwerten aber nicht entgegen, sondern wird durch die mit ihr ebenfalls verbundene Zielvorstellung gedeckt, nach der durch die Punktwertdegression auch Fehlentwicklungen bei der Qualität der zahnärztlichen Versorgung entgegengesteuert werden sollte. Ein hohes Leistungsaufkommen einer Praxis spiegelt sich regelmäßig in der abgerechneten Punktmenge wider. Praxen mit einem Leistungsaufkommen oberhalb der Degressionsschwellenwerte sollte durch die Punktwertdegression der Anreiz vermittelt werden, Patienten an andere, die Punktmengengrenzen nicht erreichende Praxen abzugeben und so die mit übermäßiger Leistungserbringung uU verbundenen Qualitätsdefizite zu vermeiden (vgl zum Ganzen schon BSGE 80, 223, 229 = SozR 3-2500 § 85 Nr 22 S 139 f). Hinzu kommt, dass die angesprochenen Auswirkungen der unverändert gebliebenen Degressionsschwellenwerte begrenzt sind und im Ergebnis vernachlässigt werden können, weil der Degressionsberechnung durch die KZÄV auch nur der Auszahlungspunktwert zu Grunde gelegt wird. So verringert sich der Degressionsbetrag in entsprechendem Umfang, und zwar sowohl der Punktwert, nach dem der an die KKn abzuführende Betrag berechnet wird, als auch derjenige, der im Falle eines Degressionsabzuges gegenüber dem Vertragszahnarzt zur Anwendung kommt. Es hält sich im Rahmen zulässiger Regelungen weiterer Einzelheiten gemäß § 85 Abs 4e Satz 5 SGB V, der Degression den Punktwert zu Grunde zu legen, der sich als Mischpunktwert aus der Anwendung der HVM-Honorarbegrenzungen ergibt (zu § 85 Abs 4e Satz 5 SGB V s BSG, Urteil vom 15. Mai 2002, SozR 3-2500 § 85 Nr 46 S 386-388). Auf diese Art der Bemessung hat der Senat schon im Urteil vom 15. Mai 2002 Bezug genommen (s BSG SozR 3-2500 § 85 Nr 46 S 387-389; vgl auch BSG, Urteil vom 13. Mai 1998, USK 98 151 S 902, zur Zulässigkeit der Degressionsberechnung nach vereinheitlichten Punktwerten).

Zur Regelung weiterer Einzelheiten iS des § 85 Abs 4e Satz 5 SGB V können im Übrigen auch Bestimmungen darüber gehören, ob und ggf in welchem Umfang sich nachträglich ergebende Korrekturen der Berechnungsgrundlage - zB durch spätere Honorarkürzungen wegen unwirtschaftlicher Behandlungsweise und/oder durch sachlich-rechnerische Richtigstellungen - zu neuen Degressionsberechnungen im Verhältnis zu den KKn und/oder zu den Vertragszahnärzten führen sollen (zur Problematik Harneit, Gesundheitsrecht 2002, S 73 ff). Da mithin in dem Zeitpunkt, in dem die KZÄV den Degressionsbetrag zu berechnen und ggf gegenüber dem Vertragszahnarzt festzusetzen hat, noch nicht alle Berechnungselemente für die Höhe des endgültigen Honorarabzugs feststehen, führt dies verwaltungsverfahrensrechtlich dazu, dass die KZÄV entsprechende Bescheide nach den Grundsätzen der Entscheidungen des Senats vom 31. Oktober und 12. Dezember 2001 (BSGE 89, 62, 67 ff = SozR 3-2500 § 85 Nr 42 S 346 ff und BSGE 89, 90, 93 ff = SozR 3-2500 § 82 Nr 3 S 6 ff) als teilweise vorläufig erlassen kann. Soweit das Senatsurteil vom 15. Mai 2002 (BSG SozR 3-2500 § 85 Nr 46 S 385) dahin zu verstehen sein könnte, zum gesetzlich vorgesehenen Zeitpunkt der Degressionsberechnung stünden sämtliche dafür erforderlichen Berechnungselemente stets bereits abschließend fest, ist klarzustellen, dass das nicht zutreffen muss.

Die Punktwertdegression gemäß § 85 Abs 4b ff SGB V schließt eine weitere Beschränkung der Honoraransprüche der Vertragszahnärzte durch Regelungen in einem HVM, die die gesetzlich vorgegebenen Begrenzungen des Anstiegs der Gesamtvergütungen bei der Honorarverteilung umsetzen sollen, nicht generell aus.

Nach § 85 Abs 4 Satz 3 SGB V sind bei der Verteilung der Gesamtvergütungen Art und Umfang der Leistungen des Vertrags(zahn)arztes zu Grunde zu legen. Dies bedeutet zwar nicht, dass die Leistungen nach ihrer Art und ihrem Umfang stets gleichmäßig honoriert werden müssten (s zusammenfassend BSG, Urteil vom 11. September 2002, SozR 3-2500 § 85 Nr 48 S 410 f mwN). Nach ständiger Rechtsprechung des Senats lässt die Gesetzeslage die Einführung von Vergütungsbegrenzungen - sei es im Einheitlichen Bewertungsmaßstab für vertragsärztliche bzw vertragszahnärztliche Leistungen (EBM-Ä bzw BEMA-Z) oder im HVM - zu. Der Senat hat insbesondere entschieden, dass die Beschränkung von Honoraransprüchen auf HVM-Ebene im Wege individueller Bemessungsgrenzen grundsätzlich zulässig ist, weil die KZÄV mit diesen Maßnahmen einerseits den begrenzten Anstieg der Gesamtvergütungen umsetzt, andererseits den Vertragszahnärzten mit der Absicherung einer bestimmten Vergütungshöhe die Kalkulierbarkeit der Einnahmen aus vertragszahnärztlicher Tätigkeit verbessert (vgl BSG, Urteil vom 13. März 2002, BSGE 89, 173, 177 = SozR 3-2500 § 85 Nr 45 S 372 mwN).

Honorarbegrenzungen werden durch die Regelungen über die Punktwertdegression nicht ausgeschlossen. Allerdings erfordert die für die Honorarverteilung maßgebende Bestimmung des § 85 Abs 4 Satz 3 SGB V iVm dem aus Art 12 iVm Art 3 Abs 1 Grundgesetz abzuleitenden Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit, dass bei HVM-Begrenzungsmaßnahmen die Verringerung des Honoraranspruchs auf Grund der Punktwertdegression berücksichtigt wird. Es ist sachwidrig, von einem Honoraranspruch, der bereits durch die Degression vermindert ist, ohne Rücksicht hierauf zusätzlich einen Honorarabzug durch eine HVM-Begrenzung vorzunehmen. Die KZÄV muss bei der Anwendung von HVM-Honorarbegrenzungen beachten, ob bzw inwieweit sie hierdurch die honorarmäßige Grundlage für einen Degressionsabzug beseitigt, und ggf den Degressionsabzug mit dem HVM-Honorarabzug verrechnen, dh diesen vermindern.

Dies hat die Beklagte mit ihrer Vorgehensweise, den Honorarabzug wegen Überschreitens der Bemessungsgrenze unabhängig von den Honorarbegrenzungen auf Grund der Punktwertdegression durchzuführen, nicht beachtet. Sie hatte zum einen gegenüber dem Kläger einen Abzug von 111.790,52 DM wegen einer Gesamtpunktmenge von 610.510 und daraus resultierenden Überschreitens der Degressionsschwelle festgesetzt. Zum anderen hat sie in ihrem Honorarbescheid gegenüber dem Kläger die Regelungen über die Bemessungsgrenze angewendet, die sich auf den Leistungsbereich der konservierend-chirurgischen Behandlungen bezog (fallzahlabhängiges Leistungskontingent <abgekürzt: FALK>). Sie hat hierbei aber nicht berücksichtigt, ob bzw inwieweit sie hierdurch die honorarmäßige Grundlage für den Degressionsabzug beseitigt hat und deshalb einen Degressionsabzug - ganz oder teilweise - mit dem HVM-Honorarabzug verrechnen muss (zu Einzelfragen vgl das Urteil vom heutigen Tage - Az: B 6 KA 25/02 R). Hierfür sind ergänzende - über das Berufungsurteil hinausgehende - Feststellungen erforderlich. Diese sind von der Beklagten zu treffen, die die Neuberechnung vorzunehmen und einen neuen Honorarbescheid zu erlassen hat.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 SGG in der bis zum 1. Januar 2002 geltenden und hier noch anzuwendenden Fassung (vgl BSG SozR 3-2500 § 116 Nr 24 S 115 ff).

Ende der Entscheidung

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