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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundessozialgericht
Urteil verkündet am 23.02.2005
Aktenzeichen: B 6 KA 69/03 R
Rechtsgebiete: Ärzte-ZV, SGB V, SGG


Vorschriften:

Ärzte-ZV § 44 Satz 1
SGB V § 97 Abs 3
SGG § 84 Abs 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESSOZIALGERICHT Im Namen des Volkes Urteil

in dem Rechtsstreit

Az: B 6 KA 69/03 R

Der 6. Senat des Bundessozialgerichts hat ohne mündliche Verhandlung am 23. Februar 2005 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Engelmann, die Richter Dr. Wenner und Dr. Clemens sowie die ehrenamtlichen Richter Dr. Gerdelmann und Dr. Walmuth

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 21. November 2002 aufgehoben. Der Rechtsstreit wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

Gründe:

I

Die Beteiligten streiten um die Zulässigkeit eines in Zulassungssachen eingelegten Widerspruchs, der nicht innerhalb der Rechtsbehelfsfrist begründet wurde.

Der Kläger betrieb - bis zu seinem Zulassungsverzicht im Jahr 2000 - zusammen mit anderen zur kassen- bzw vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Radiologen und Nuklearmedizinern eine Gemeinschaftspraxis in K. Mitglied der Gemeinschaftspraxis war Dr. H., dem mit Wirkung ab 14. Mai 1991 die Zulassung und die Genehmigung zur Teilnahme an der Gemeinschaftspraxis erteilt worden war. Im Jahr 1992 verzichtete Dr. H. auf seine Zulassung.

Die Rechtsvorgängerin der zu 1. beigeladenen Kassenärztlichen Vereinigung (KÄV) kam nach Überprüfung des Gemeinschaftspraxis-Vertrages zu dem Ergebnis, dass Dr. H. nicht die Stellung eines Partners, sondern nur die eines Angestellten gehabt habe. Sie beantragte im Oktober 1999 bei dem Zulassungsausschuss, Dr. H. die Zulassung (und die Genehmigung zur Teilnahme an der Gemeinschaftspraxis, - s dazu das heute entschiedene Verfahren B 6 KA 70/03 R) mit Rückwirkung zum 14. Mai 1991 zu entziehen. Dem folgte der Zulassungsausschuss (Beschluss vom 6. Dezember 1999). Dieser hatte die Praxispartner nicht zum Verfahren hinzugezogen, stellte ihnen aber den Entziehungsbescheid zu, dem Kläger am 15. Dezember 1999. Der Bescheid enthielt die Rechtsbehelfsbelehrung, dass der Berufungsausschuss angerufen werden könne, der Widerspruch aber binnen eines Monats nach Zustellung des Bescheides eingelegt und innerhalb dieser Frist begründet werden müsse.

Der Kläger erhob - am 17. Januar 2000 (Montag) - Widerspruch mit der Bitte, ihm auf seine Kosten einen Satz Kopien der Verwaltungsakten zuzusenden. Seine Ankündigung, eine Begründung nachzureichen, realisierte er nicht. Der Beklagte hatte seiner Bitte um Kopienzusendung nicht entsprochen. Er verwarf seinen Widerspruch mangels fristgerechter Begründung als unzulässig (Beschluss vom 26. Januar 2000).

Klage und Berufung des Klägers sind erfolglos geblieben (Gerichtsbescheid des Sozialgerichts vom 14. November 2001 und Urteil des Landessozialgerichts <LSG> vom 21. November 2002). Das LSG hat ausgeführt, die Einwände des Klägers gegen die Pflicht, einen Widerspruch gemäß § 44 Satz 1 Zulassungsverordnung für Vertragsärzte (Ärzte-ZV) binnen eines Monats zu begründen, griffen nicht durch. Die Begründungspflicht und -frist seien rechtmäßig, wie das Bundessozialgericht (BSG) in seinem Urteil vom 9. Juni 1999 (SozR 3-5520 § 44 Nr 1) überzeugend ausgeführt habe. Die Frist gelte unabhängig davon, ob der Kläger an dem Verwaltungsverfahren hätte beteiligt werden müssen. Selbst wenn er erstmals durch die Bescheidzustellung am 15. Dezember 1999 Kenntnis von der gegenüber Dr. H. erfolgten Zulassungsentziehung erlangt habe, so hätte er seine Widersprüche doch rechtzeitig einlegen und auch begründen können und müssen. Nötigenfalls hätte er Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragen und erhalten können.

Mit der vom BSG zugelassenen Revision macht der Kläger geltend, das LSG hätte seinen Widerspruch nicht als unzulässig verwerfen dürfen. Die Forderung, den Widerspruch binnen eines Monats zu begründen, sei mit dem Gebot der Gewährung effektiven Rechtsschutzes nicht vereinbar. Auch das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) habe in seiner insoweit offen lassenden Entscheidung vom 25. Mai 2001 - 1 BvR 848/01 - bereits deutlich Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Vorschrift erkennen lassen. Eine Begründungspflicht sei jedenfalls in den Fällen unzumutbar, in denen der Widerspruchsführer nicht zum Verwaltungsverfahren hinzugezogen worden sei. Denn dann sei dieser nicht ausreichend über den Verfahrensstoff informiert, um seinen Widerspruch ohne weiteres binnen eines Monats begründen zu können. Zudem sei sein Anspruch auf rechtliches Gehör dadurch verletzt, dass die Zulassungsgremien ihm erst durch Zustellung des Rücknahmebescheides Kenntnis vom Verfahren auf Rücknahme der Zulassung seines Gemeinschaftspraxispartners gegeben hätten. Ferner hätten sie vor Verwerfung seines Widerspruchs ihm die beantragte Akteneinsicht bzw die Übersendung von Aktenauszügen gewähren müssen. Bei alledem sei erschwerend zu berücksichtigen, dass er sich seinerzeit - bei Zustellung des Bescheides - in Untersuchungshaft befunden habe, sodass er und sein Bevollmächtigter nur mit erheblicher Zeitverzögerung Unterlagen hätten austauschen können und ihm letztlich nicht einmal die als Minimum zu fordernde Zwei-Wochen-Frist zur Verfügung gestanden habe. Zur Kompensation aller dieser Probleme reiche die vom LSG angeführte Möglichkeit der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht aus. Der Verfassungswidrigkeit einer Frist könne nicht mit dem Hinweis auf die Möglichkeit einer Wiedereinsetzung begegnet werden. Regelhaft erforderliche Wiedereinsetzungen würden Fristenregelungen ad absurdum führen. Unabhängig von der Frage der formellen Rechtmäßigkeit sei auch in der Sache Bundesrecht verletzt. Die Zulassung hätte nicht mit Wirkung für die Vergangenheit entzogen werden dürfen. Dies folge aus dem Wesen der Zulassung als konstitutivem Statusakt. Auch eine etwaige Anwendung des § 45 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) könne das nicht rechtfertigen, denn Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit könne weder ihm noch Dr. H. angelastet werden, nachdem die Zulassungsgremien bei der früheren Erteilung der Zulassung erkennbar kein Interesse am Inhalt ihres Gemeinschaftspraxis-Vertrages gehabt - nämlich dessen Vorlage überhaupt nicht verlangt - hätten. Im Übrigen hätten die Zulassungsgremien den Partnerstatus des Dr. H. fälschlicherweise verneint. Eine bloße Anstellung mit der Folge einer Scheingesellschaft habe nicht vorgelegen. Für die Gemeinschaftspraxis könne eine angestelltenähnliche Ausgestaltung ausreichen, wie das LSG Niedersachsen-Bremen im Beschluss vom 13. August 2002 (MedR 2002, 540) überzeugend ausgeführt habe.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 21. November 2002 und den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mainz vom 14. November 2001 aufzuheben sowie den Beklagten unter Aufhebung seines Beschlusses vom 26. Januar 2000 zu verurteilen, ihn - den Kläger - unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats neu zu bescheiden,

hilfsweise,

das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 21. November 2002 aufzuheben und den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückzuverweisen.

Der Beklagte beantragt,

die Revision des Klägers zurückzuweisen.

Er hält die Ausführungen des Berufungsurteils für zutreffend.

Die übrigen Beteiligten haben sich zum Revisionsvorbringen nicht geäußert.

Alle Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz <SGG>).

II

Die Revision des Klägers ist zulässig und im Sinne der Zurückverweisung an das LSG begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 SGG). Das LSG hätte den Widerspruch des Klägers nicht als unzulässig mangels Einhaltung der einmonatigen Begründungsfrist ansehen dürfen.

Der Widerspruch des Klägers gegen die Entziehung der Zulassung seines früheren Praxispartners ist nicht bereits wegen fehlender Anfechtungsbefugnis im Sinne des § 54 Abs 1 Satz 2 SGG unzulässig. In der hier vorliegenden Konstellation der rückwirkenden Entziehung der einem Gemeinschaftspraxispartner erteilten Zulassung ist eine (Dritt-)Anfechtungsbefugnis des oder der weiteren Gemeinschaftspraxispartner(s) - ausnahmsweise - anzuerkennen.

Wie der Senat bereits entschieden hat, handelt es sich bei der Zulassung eines Arztes zur vertragsärztlichen Versorgung um die Zuerkennung einer öffentlich-rechtlichen Berechtigung, die - da sie eine Reihe von Qualifikationen in der Person des Arztes voraussetzt und mit einer Vielzahl von persönlich zu erfüllenden Pflichten einhergeht - untrennbar mit der Person des Berechtigten verbunden ist, also nur von ihm persönlich ausgeübt und wahrgenommen werden kann (vgl BSGE 86, 121, 123 ff = SozR 3-5520 § 24 Nr 4 S 16 ff). Daher kann die mit der Zulassung verbundene Rechtsstellung nicht auf einen Dritten übergehen. Der Zulassungsstatus kann auch weder übertragen noch gepfändet werden (BSG aaO S 123 bzw S 16). Zwar kann die Erteilung der Zulassung bzw ihr Bestand von den dazu befugten vertragsärztlichen Institutionen angefochten und die Zulassung kann nach Maßgabe der gesetzlich geregelten Entziehungstatbestände entzogen werden (zu deren abschließender Aufzählung s BSG aaO S 123 f bzw S 16 f). Hiervon abgesehen ist aber nur der Zulassungsinhaber berechtigt, über die Ausübung der sich aus der Zulassung ergebenden Rechtsstellung zu entscheiden, zB auf seine Zulassung zu verzichten oder eine Zulassungsentziehung hinzunehmen. Zwar kann die Entziehung, die gegenüber einem der Partner erfolgt und von diesem nicht angefochten wird, auch die anderen Partner faktisch beeinträchtigen. Solche möglichen faktischen Einwirkungen reichen im Normalfall - sie wirken nur in die Zukunft - aber nicht aus, um eine (Dritt-)Anfechtungsbefugnis der Partner gegen die Zulassungsentziehung, die der Zulassungsinhaber hinnehmen will, anzuerkennen. Dritte - auch die Partner der Gemeinschaftspraxis - sind also grundsätzlich nicht befugt, die Entziehung der einem Partner erteilten Zulassung anzufechten.

Davon zu trennen ist allerdings die Frage, inwieweit der Inhaber einer Zulassung im Falle der Beteiligung an einer Gemeinschaftspraxis sich auf zivilrechtlicher Ebene durch den bürgerlichrechtlichen Vertrag gegenüber seinen Partnern verpflichten kann, unter bestimmten Voraussetzungen den Verzicht auf seine Zulassung zu erklären oder die Ausschreibung seines Vertragsarztsitzes zu beantragen - was dann im Weigerungsfall von den anderen gerichtlich durchgesetzt werden kann - (vgl dazu zB BGHZ 151, 389 = NJW 2002, 3536; BGH NJW 2002, 3538 = MedR 2002, 647; s hierzu auch BSGE 91, 253 = SozR 4-2500 § 103 Nr 1, jeweils RdNr 28).

Eine Ausnahme von der grundsätzlich fehlenden Befugnis, die Entziehung der einem anderen erteilten Zulassung anzufechten, gilt aber dann, wenn die Zulassung eines Mitglieds in einer Gemeinschaftspraxis betroffen ist und diesem die Zulassung mit Rückwirkung, dh für vergangene Zeiträume, entzogen wird. Dies kann die anderen damaligen Praxispartner möglicherweise in ihren eigenen Rechten berühren. Denn die Gemeinschaftspraxis (§ 33 Abs 2 Satz 1 Ärzte-ZV) ist ein besonderer kassen- bzw vertragsärztlicher Status (s BSG, Urteil vom heutigen Tag im Verfahren B 6 KA 70/03 R mwN, zur Veröffentlichung in SozR 4-5520 § 33 vorgesehen). Ein rückwirkender Eingriff durch nachträgliche Aberkennung des Zulassungsstatus eines der Partner kann, falls er Bestand haben sollte - was als Frage erst der Begründetheit hier nicht zu klären ist -, wegen der möglichen weiteren Folgen (vgl dazu BSG aaO) bereits verfestigte, uU dem Schutz des Art 14 Abs 1 Grundgesetz (GG) unterstehende, Rechtspositionen der anderen damaligen Partner beeinträchtigen. Hinzu kommt, dass der damalige Zulassungsinhaber oftmals kein Interesse daran haben wird, sich gegen die nur vergangene Zeiträume (hier: 1991/92) betreffende Entziehung zu wehren. Aus diesem Grund und zudem wegen der bei den Partnern uU bereits verfestigten Rechtspositionen sowie im Hinblick auf Art 19 Abs 4 Satz 1 GG ist es erforderlich, den damaligen Partnern eine eigene Rechtsschutzmöglichkeit anzuerkennen und sie im Sinne des § 54 Abs 1 Satz 2 SGG als befugt anzusehen, die rückwirkende Entziehung der Zulassung eines damaligen Partners anzufechten. Die Rechtseingriffe und Nachteile, die diese gewärtigen müssen, können verschiedener Art sein. Beispielsweise können die Gründe für die rückwirkende Entziehung Anlass für eine gesamtschuldnerische Inanspruchnahme bieten (zur Mithaftung für betrügerische Handlungen des Partners siehe jüngst BSG, Urteil vom 20. Oktober 2004 - B 6 KA 41/03 R -, zur Veröffentlichung in SozR 4 vorgesehen). Der Annahme einer möglichen Beeinträchtigung des oder der Praxispartner(s) kann nicht mit Erfolg entgegengehalten werden, dass Honorarrückforderungen gegen Vertragsärzte auch unabhängig vom Fortbestand des Zulassungsstatus realisiert werden können (s hierzu die Zusammenfassung der BSG-Rspr im Urteil vom 9. Dezember 2004 - B 6 KA 44/03 R - <unter 6b>, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen) bzw dass länger zurückliegende Honorarzahlungen (hier für 1991/92) ohnehin nicht mehr zurückgefordert werden könnten. Mit solchen Einwänden wird verkannt, dass sich die Bedeutung einer Gemeinschaftspraxis nicht auf Honorarfragen beschränkt und dass im Übrigen die Tatsache länger zurückliegender Zahlungen angesichts der Anknüpfung der Frist des § 50 Abs 4 SGB X an die Unanfechtbarkeit der Erstattungsfestsetzung nicht ohne weiteres sicheren Schutz gegen Rückforderung vor längerer Zeit gewährten Honorars bietet. Jedenfalls ist dann, wenn wie hier die Zulassungsgremien eine Zulassungsentziehung rückwirkend verfügt haben, kein Raum für die Annahme, die vom Kläger geltend gemachte Rechtsbeeinträchtigung könne "offensichtlich und eindeutig nach keiner Betrachtungsweise bestehen" (stRspr, s zB BSGE 86, 126, 130 = SozR 3-2500 § 85 Nr 37 S 260 f; BSGE 90, 127, 130 = SozR 3-5795 § 10d Nr 1 S 4; BVerwGE 102, 12, 15; 111, 276, 279 f; 119, 245, 249; BVerfGE 83, 182, 196). Die Zulässigkeitsvoraussetzung der (Dritt-)Anfechtungsbefugnis im Sinne des § 54 Abs 1 Satz 2 SGG ist mithin erfüllt.

Als Ergebnis ist also festzuhalten: Wird einem Mitglied einer Gemeinschaftspraxis die Zulassung entzogen, so sind dessen Partner grundsätzlich nicht zur Anfechtung befugt. Eine Ausnahme gilt dann, wenn - wie hier - der Bescheid die Entziehung für einen zurückliegenden Zeitraum vorsieht (vgl abweichend die Abgrenzung bei der Drittanfechtung der Rücknahme einer Genehmigung zur Teilnahme an einer Gemeinschaftspraxis, s dazu BSG, Urteil vom heutigen Tag im Verfahren B 6 KA 70/03 R aaO).

Da vorliegend die Anfechtungsbefugnis des Klägers also gegeben ist, bedarf es der Entscheidung, ob sein Widerspruch auch sonst zulässig war, also ob ihm die Nichterfüllung der Begründungspflicht des § 44 Satz 1 Ärzte-ZV entgegengehalten werden konnte.

Der Widerspruch war - entgegen der Auffassung des LSG - nicht wegen Versäumung der einmonatigen Frist zur Angabe von Gründen unzulässig. Das Erfordernis, binnen eines Monats den Widerspruch nicht nur zu erheben, sondern auch Gründe anzugeben, folgt aus § 44 Satz 1 Ärzte-ZV iVm § 97 Abs 3 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) und § 84 Abs 1 SGG. Dies gilt aber nicht für solche Drittbetroffenen, die nicht zum Verwaltungsverfahren hinzugezogen wurden. Insoweit ist die Regelung - wegen des Gebots der Gewährung effektiven Rechtsschutzes (Art 19 Abs 4 Satz 1 GG) - verfassungskonform einschränkend auszulegen.

Das Erfordernis des § 44 Satz 1 Ärzte-ZV, binnen eines Monats den Widerspruch nicht nur einzulegen, sondern auch Gründe anzugeben, ist allerdings im Grundsatz mit den Vorgaben des Art 19 Abs 4 Satz 1 GG vereinbar. Das BSG hat dies in seinem Urteil vom 9. Juni 1999 im Einzelnen ausgeführt (SozR 3-5520 § 44 Nr 1 S 4 f; darauf bezugnehmend Urteil vom 27. Juni 2001, SozR 3-2500 § 106 Nr 53 S 29; die Vereinbarkeit des § 44 Satz 1 Ärzte-ZV mit § 98 Abs 2 Nr 3 und § 97 Abs 3 Satz 1 SGB V offen lassend BVerfG <Kammer>, Beschluss vom 25. Mai 2001 - 1 BvR 848/01 - juris, Kurzbericht in DStR 2001, 1857). Nach erneuter Überprüfung hält der Senat daran fest, dass die Vorschrift grundsätzlich verfassungsgemäß ist. Ergänzend zu den Ausführungen in BSG SozR 3-5520 § 44 Nr 1 (S 4 f) ist darauf hinzuweisen, dass dem Gesichtspunkt der Sonderregelung gegenüber §§ 78, 83 ff SGG weniger Bedeutung zukommt, seitdem anerkannt ist, dass alle Bestimmungen der Ärzte-ZV den Rang von Bundesgesetzen haben (s hierzu BSGE 91, 164 RdNr 8 bis 10 = SozR 4-5520 § 33 Nr 1 RdNr 7 bis 9; BSG SozR aaO Nr 2 RdNr 6 bis 8; BSG SozR 4-5520 § 24 Nr 1 RdNr 10; BSG, Urteil vom 23. Februar 2005 - B 6 KA 81/03 R, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR 4 vorgesehen). Die durch die Regelung bewirkte Rechtsschutzerschwerung hat insofern kein großes Gewicht, als die Anforderungen an die "Angabe von Gründen" nicht streng sind. So muss die Begründung nicht notwendigerweise zusammen mit der Widerspruchseinlegung erfolgen. Es reicht vielmehr aus, wenn Einlegung und Begründung des Widerspruchs in getrennten Schriftsätzen, aber beide binnen der Rechtsbehelfsfrist erfolgen (in diesem Sinne schon BSG SozR 3-5520 § 44 Nr 1 S 5: "auch Gründe anzugeben"; ebenso BSG, Beschluss vom 21. Mai 2003 - B 6 KA 20/03 B - juris; und Beschluss vom 16. Juli 2003 - B 6 KA 77/02 B -, juris). Zur Begründung sind zudem keine ins Einzelne gehenden Ausführungen erforderlich. Vielmehr genügt ein schlagwortartiger Hinweis des Betroffenen auf die für ihn relevanten Gesichtspunkte, die er in späteren Schriftsätzen, auch noch außerhalb der Frist, näher erläutern sowie (falls er nicht schon eine abschließende Eingrenzung auf die bisher genannten Gesichtspunkte vorgenommen hat - s hierzu Urteil vom heutigen Tag im Verfahren B 6 KA 77/03 R) um weitere Gesichtspunkte ergänzen kann (in diesem Sinne LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 20. Juli 2001 - L 11 B 62/01 KA ER; Schleswig-Holsteinisches LSG, Urteil vom 18. Dezember 2002, NZS 2003, 556, 557 f = Breithaupt 2003, 529, 531). Die Möglichkeit getrennter Einlegung und Begründung kann der Zulassungsausschuss verdeutlichen, indem er in seiner Rechtsbehelfsbelehrung zB formuliert, dass der Widerspruch binnen eines Monats nach Zustellung des Bescheides einzulegen und ebenfalls binnen dieser Frist zu begründen ist.

Diese grundsätzliche Verfassungsmäßigkeit des Erfordernisses, binnen der Monatsfrist auch Anfechtungsgründe anzugeben, bedarf allerdings für bestimmte Falltypen verfassungskonform einschränkender Auslegung. Die Bewertung, dass der Personenkreis, der typischerweise von Entscheidungen in Zulassungsangelegenheiten gemäß §§ 95 ff SGB V iVm der Ärzte-ZV betroffen ist, sachkundig ist (vgl hierzu BSG SozR 3-5520 § 44 Nr 1 S 5; SozR 4-2500 § 106 Nr 1 RdNr 13; zuletzt BSG, Urteil vom 9. Dezember 2004 - B 6 KA 44/03 R - <unter 2b> mwN, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen) und ihm deshalb die Angabe von Gründen binnen der Monatsfrist zugemutet werden kann, gilt für den Regelfall, dass ein Rechtsschutzsuchender ein Antragsverfahren selbst betrieben hat oder - in Eingriffsfällen - vom Zulassungsausschuss zum Verfahren hinzugezogen worden ist (hierzu s § 12 Abs 2 SGB X mit den Möglichkeiten fakultativer und notwendiger Hinzuziehung), er also am Verfahren vor dem Zulassungsausschuss beteiligt war.

Von der Pflicht zur Begründung des Rechtsbehelfs innerhalb der Monatsfrist gelten in besonders gelagerten Fällen aber Ausnahmen. Wenn sonst die Rechtsschutzmöglichkeit des Betroffenen unzumutbar beschränkt wäre, erfordert das Gebot der Gewährung effektiven Rechtsschutzes (Art 19 Abs 4 Satz 1 GG) eine einschränkende Auslegung der Pflicht, binnen eines Monats auch Gründe anzugeben. Die Fristversäumung führt dann nicht zur Unzulässigkeit des Widerspruchs. Vielmehr hat der Berufungsausschuss in solchen Fallgestaltungen dem (Dritt-)Betroffenen eine angemessene Nachfrist für die Angabe von Gründen zu setzen sowie ihm alle verfahrensmäßigen Rechte - wie zB hier auf Akteneinsicht (§ 25 SGB X) - zu gewähren und die dafür erforderliche Zusatzzeit bei der Bemessung der Frist für die Begründung zu berücksichtigen.

Ein solcher Fall liegt hier vor. Der Kläger war möglicherweise - wie oben ausgeführt - durch die Entscheidung des Zulassungsausschusses über die rückwirkende Entziehung der Zulassung seines früheren Gemeinschaftspraxispartners in eigenen Rechten betroffen. Der Zulassungsausschuss stellte ihm den Bescheid auch zu, hatte ihn aber nicht zum Verwaltungsverfahren hinzugezogen. Hierdurch hatte er keine oder jedenfalls keine ins Einzelne gehenden Kenntnisse von dem Verfahrensstoff. Bei einer solchen Sachlage war ihm die Angabe von Gründen binnen eines Monats nicht zuzumuten. Die Rechtswirkungen der Nichtangabe von Gründen binnen der Monatsfrist traten daher nicht ein.

Der Folgerung, dass das Erfordernis, den Widerspruch binnen der Anfechtungsfrist auch zu begründen, für nicht hinzugezogene Drittbetroffene eine mit Art 19 Abs 4 Satz 1 GG nicht zu vereinbarende Erschwerung des Rechtsschutzes darstellt, kann nicht mit Hinweis auf die Möglichkeit einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 67 SGG) begegnet werden. Denn dieses Rechtsinstitut ist darauf zugeschnitten, im Einzelfall bei Vorliegen von Hindernissen bei der Einhaltung von Fristen doch noch Rechtsschutz zu ermöglichen. Was die Regelung des § 44 Satz 1 Ärzte-ZV betrifft, liegt dagegen bei dem hier in Frage stehenden Falltypus des nicht hinzugezogenen Drittbetroffenen ein genereller Mangel vor. Demgemäß ist sie bezogen auf diese Fallgruppe verfassungskonform einschränkend auszulegen, und zwar - wie ausgeführt - in dem Sinne, dass das Erfordernis der Angabe von Anfechtungsgründen binnen der Monatsfrist nicht für Drittbetroffene gilt, die nicht zum Verwaltungsverfahren hinzugezogen worden waren.

Somit hätte das LSG den Widerspruch des Klägers nicht mangels Einhaltung der einmonatigen Begründungsfrist als unzulässig ansehen dürfen, sondern hätte auch die Begründetheitsfragen überprüfen müssen. Der Rechtsstreit ist daher zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen. Das LSG wird zu beurteilen haben, ob Dr. H. die Zulassung entzogen werden konnte, und vor allem, ob dies rückwirkend erfolgen durfte (vgl hierzu BSG, Beschluss vom 12. Dezember 2003 - B 6 KA 63/03 B -). Es wird ferner Dr. H. notwendig beiladen und die Frage uU einfacher Beiladung der übrigen damaligen Partner der Gemeinschaftspraxis prüfen sowie bei seiner neuen Entscheidung auch über die Kosten des Revisionsverfahrens befinden müssen.

Ende der Entscheidung

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