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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundessozialgericht
Beschluss verkündet am 01.02.2005
Aktenzeichen: B 6 KA 70/04 B
Rechtsgebiete: RVG, SGG, BRAGO, GKG


Vorschriften:

RVG § 33 Abs 1
RVG § 3 Abs 1 Satz 2
RVG § 23 Abs 3 Satz 2 Halbsatz 2
RVG § 23 Abs 3 Satz 2
RVG § 23 Abs 1
RVG § 23 Abs 3
SGG § 197 a
SGG § 183
SGG § 197a
BRAGO § 116 Abs 2
BRAGO § 8 Abs 2
BRAGO § 8 Abs 2 Satz 2 Halbsatz 1
GKG § 63
GKG § 52 Abs 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESSOZIALGERICHT Beschluss

in dem Rechtsstreit

Az: B 6 KA 70/04 B

Der 6. Senat des Bundessozialgerichts hat am 1. Februar 2005 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Engelmann sowie die Richter Dr. Wenner und Dr. Clemens beschlossen:

Tenor:

Der Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit im Beschwerdeverfahren wird auf

6.556,46 € (i.B.: sechstausendfünfhundertsechsundfünfzig Euro)

festgesetzt.

Gründe:

Rechtsgrundlage für die vom Bevollmächtigten des Beschwerdeführers beantragte Festsetzung des Gegenstandswertes der anwaltlichen Tätigkeit ist § 33 Abs 1 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG). Danach setzt das Gericht des Rechtszugs den Wert des Gegenstandes der anwaltlichen Tätigkeit auf Antrag durch Beschluss selbstständig fest, wenn es u.a. an einem für die Gerichtsgebühren maßgeblichen Wert fehlt. Diese zum 1. Juli 2004 in Kraft getretene Vorschrift ist hier anwendbar.

Der Bevollmächtigte des Beschwerdeführers war zwar in der den Streitgegenstand bildenden Disziplinarangelegenheit bereits vor diesem Zeitpunkt gerichtlich tätig. Das Rechtsmittel der Nichtzulassungsbeschwerde zum Bundessozialgericht (BSG) ist jedoch erst danach, nämlich am 21. September 2004, eingelegt worden. Dieser Zeitpunkt ist für die Anwendbarkeit des alten oder des neuen Vergütungsrechts der Rechtsanwälte im jeweiligen Rechtszug maßgeblich (§ 60 Abs 1 Satz 2 RVG).

Im Sinne des § 33 Abs 1 RVG fehlt es für das Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren an einem "für die Gerichtsgebühren maßgeblichen Wert". Die durch das 6. SGG-Änderungsgesetz vom 17. August 2001 (BGBl I S 2144) eingeführte Regelung des § 197 a Sozialgerichtsgesetz <SGG>, wonach in bestimmten sozialgerichtlichen Verfahren, zu denen auch das Vertragsarztrecht gehört, Gerichtsgebühren erhoben werden und eine gerichtliche Wertfestsetzung erfolgen muss (§ 63 Abs 1 und 2 Gerichtskostengesetz <GKG>), ist hier noch nicht anwendbar. In vertragsarztrechtlichen Streitverfahren, die - gleichgültig in welchem Rechtszug - vor Inkrafttreten des 6. SGG-Änderungsgesetzes am 2. Januar 2002 (Art 19 Satz 3 dieses Gesetzes) anhängig gewesen sind, gilt das bis dahin geltende Kostenrecht des sozialgerichtlichen Verfahrens weiter. Insbesondere bleibt es bei der Gerichtskostenfreiheit auch in vertragsarztrechtlichen Verfahren (BSG SozR 3-2500 § 116 Nr 24 S 115 ff). Deshalb kann in einem Verfahren, in dem das bis zum 1. Januar 2002 geltende Kostenrecht, aber das seit dem 1. Juli 2004 geltende Rechtsanwaltsvergütungsrecht anzuwenden ist, die Wertfestsetzung für die anwaltlichen Gebühren nur auf der Grundlage des § 33 Abs 1 RVG erfolgen.

Der Bevollmächtigte des Beschwerdeführers hat ein berechtigtes Interesse an der gerichtlichen Wertfestsetzung, weil seine Gebühren für die Vertretung des Beschwerdeführers nach dem Gegenstandswert zu berechnen sind. Das folgt aus § 3 Abs 1 Satz 2 RVG. Danach werden in sozialgerichtlichen Verfahren die Anwaltsgebühren nach dem Gegenstandswert berechnet, wenn der Auftraggeber nicht zu den in § 183 SGG genannten Personen gehört. Das ist bei dem Beschwerdeführer der Fall, weil dieser Vertragsarzt ist und das Verfahren eine vertragsarztrechtliche Angelegenheit (Disziplinarrecht) betraf. Der Anwendung des erst im Laufe des Rechtsstreits in Kraft getretenen § 3 Abs 1 Satz 2 RVG stehen hier - anders als hinsichtlich der ebenfalls während der Anhängigkeit des Verfahrens in Kraft getretenen Bestimmung des § 197a SGG über die Aufhebung der Gerichtskostenfreiheit (s BSG aaO) - Vertrauensschutzaspekte nicht entgegen. Die Gebühren eines Rechtsanwaltes in vertragsarztrechtlichen Streitigkeiten sind auch nach dem bis zum 30. Juni 2004 geltenden Vergütungsrecht auf der Grundlage des Gegenstandswertes berechnet worden (§ 116 Abs 2 Bundesrechtsanwaltsgebührenordnung <BRAGO>). Diese wertbezogene Berechnung erfolgt unabhängig davon, ob der klagende Vertragsarzt Gerichtskosten entrichten musste oder nicht. Deshalb sind in vertragsarztrechtlichen Streitverfahren auch bisher Gegenstandswerte zur Berechnung der anwaltlichen Gebühren auf der Grundlage des § 116 Abs 2 BRAGO iVm § 8 Abs 2 BRAGO festgesetzt worden.

Für die Übergangszeit, in der sich die Anwaltsvergütung in vertragsarztrechtlichen Verfahren nach dem RVG richtet, eine gerichtliche Wertfestsetzung nach § 63 GKG aber wegen der Fortdauer der Kostenfreiheit sozialgerichtlicher Verfahren aus Vertrauensschutzgründen nicht stattzufinden hat, erfolgt die Gegenstandswertfestsetzung auf der Grundlage des § 23 Abs 3 Satz 2 Halbsatz 2 RVG. Danach ist der Gegenstandswert nach billigem Ermessen zu bestimmen, soweit er sich aus bestimmten, hier nicht einschlägigen Vorschriften des RVG nicht ergibt und auch sonst nicht feststeht. Diese Vorschrift entspricht wörtlich § 8 Abs 2 Satz 2 Halbsatz 1 BRAGO in der bis zum 30. Juni 2004 geltenden Fassung. Deshalb können für die Auslegung des § 23 Abs 3 Satz 2 RVG die Grundsätze herangezogen werden, die die Rechtsprechung zu der früher geltenden Vorschrift entwickelt hat.

Danach ist in erster Linie die sich aus dem Antrag des Rechtsuchenden für ihn ergebende Bedeutung der Sache maßgebend, dh in der Regel sein wirtschaftliches Interesse an der erstrebten Entscheidung und ihren Auswirkungen (BSG SozR 3-1930 § 8 Nr 2 S 2 ff; SozR 3-1930 § 8 Nr 1 S 2 und Nr 2 S 8). Dabei ist auf den wirtschaftlichen Wert des im Streit befindlichen Anspruchs abzustellen. Bietet der bisherige Sach- und Streitstand hierzu keine genügenden Anhaltspunkte, auch nicht für eine Schätzung, ist der Gegenstandswert gemäß § 23 Abs 3 Satz 2 Halbsatz 2 RVG mit 4000,- € - je nach Lage des Falles niedriger oder höher - anzunehmen.

Seit dem 1. Juli 2004 beträgt der Regelwert für die Gerichtskosten allerdings gemäß § 52 Abs 2 GKG in allen Verfahren vor den Sozial-, Verwaltungs- und Finanzgerichten 5.000,-€. Dieser Betrag kann der Berechnung der Anwaltsgebühren indessen erst zu Grunde gelegt werden, wenn sich der Gegenstandswert für die Anwaltsgebühren gemäß § 23 Abs 1 RVG nach dem Wert für die Gerichtsgebühren richtet. Solange das nicht der Fall ist, weil Gerichtsgebühren nicht erhoben werden und folglich keine Wertfestsetzung nach den Vorschriften des GKG erfolgt, bleibt es hinsichtlich der Wertfestsetzung für die Berechnung der Anwaltsgebühren beim Regelwert von 4.000,- € gemäß § 23 Abs 3 RVG. Der Gesetzgeber hat den Regelwert ausdrücklich nur für die Gerichtsgebühren in den öffentlich-rechtlichen Gerichtsbarkeiten höher angesetzt als den Regelwert im anwaltlichen Gebührenrecht allgemein; diese Entscheidung darf nicht überspielt werden, soweit nicht kraft der speziellen Verweisung des § 23 Abs 1 RVG der Gegenstandswert für die Anwaltsgebühren demjenigen für die gerichtlichen Gebühren entspricht. In den Übergangsfällen, in denen (auch) in vertragsarztrechtlichen Streitigkeiten keine Gerichtskosten anfallen, sich die Anwaltsgebühren aber schon nach dem seit dem 1. Juli 2004 geltenden RVG berechnen, beträgt der Auffang- bzw Regelwert daher weiterhin 4.000,- €.

Der Senat greift für die Berechnung des Gegenstandswerts in disziplinarrechtlichen Streitverfahren regelmäßig auf den Regelwert zurück, weil hinsichtlich der disziplinarischen Sanktion als solcher hinreichende Anhaltspunkte auch nur für eine Schätzung des wirtschaftlichen Wertes fehlen. Der Regelwert ist allerdings um den Betrag einer ggf verhängten Geldbuße zu erhöhen (Senatsbeschluss vom 23. Juli 2003 - B 6 KA 9/02 R -, Meyer-Ladewig, SGG, 7. Auflage 2002, § 197 RdNr 7 h; Wenner/Bernhard, NZS, 2003, 573). Anders kann bei einem Rechtsstreit über eine Disziplinarmaßnahme aus der Perspektive des Klägers nicht zum Ausdruck gebracht werden, dass die Verhängung einer Geldbuße in Relation zu einer Verwarnung oder einem Verweis (vgl § 81 Abs 5 Satz 2 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch <SGB V>) die schärfere Sanktion darstellt. Es wäre nicht sachgerecht, den Gegenstandswert im Verfahren gegen eine Verwarnung mit dem Regelwert zu veranschlagen, bei Verhängung einer Geldbuße aber nur auf deren Betrag abzustellen; dieser ist in zahlreichen Verfahren deutlich niedriger als der Regelstreitwert.

Gegenstand des Verfahrens war hier die Verhängung einer Geldbuße von 5.000,00 DM. Das entspricht einem Euro-Betrag von 2.556,46 €. Zu diesem ist für die disziplinarische Sanktion als solche der Regelwert von 4.000,- € zu addieren, sodass sich ein Gegenstandswert von 6.556,46 € ergibt.



Ende der Entscheidung

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