Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundessozialgericht
Urteil verkündet am 12.09.2001
Aktenzeichen: B 6 KA 8/01 R
Rechtsgebiete: EBM-Ä, GG


Vorschriften:

EBM-Ä Abschnitt G IV
GG Art 12 Abs 1
GG Art 3 Abs 1 GG
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESSOZIALGERICHT Im Namen des Volkes Urteil

Verkündet am 12. September 2001

Az: B 6 KA 8/01 R

in dem Rechtsstreit

Der 6. Senat des Bundessozialgerichts hat auf die mündliche Verhandlung vom 12. September 2001 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Engelmann, die Richter Dr. Wenner und Dr. Clemens sowie die ehrenamtliche Richterin Dr. Deppisch-Roth und den ehrenamtlichen Richter Dr. Bluttner

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 16. Januar 2001 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat der Beklagten die außergerichtlichen Kosten auch für das Revisionsverfahren zu erstatten. Im übrigen sind Kosten nicht zu erstatten.

Gründe:

I

Die Beteiligten streiten um die Vergütung psychotherapeutischer Leistungen.

Die Klägerin war zunächst seit 1984 zur Erbringung psychotherapeutischer Leistungen in der kassen- bzw vertragsärztlichen Versorgung ermächtigt und seit 1992 als praktische Ärztin mit der Zusatzbezeichnung "Psychotherapie" zugelassen. Seit dem 1. Januar 2000 nimmt sie als Ärztin für psychotherapeutische Medizin an der vertragsärztlichen Versorgung teil.

Sie wendet sich gegen die Honorarbescheide der beklagten Kassenärztlichen Vereinigung (KÄV) für die Quartale III und IV/1993 sowie II und III/1994 im Primärkassenbereich. Im Widerspruchsverfahren machte die Klägerin geltend, der Honorarverteilungsmaßstab (HVM) der Beklagten trage den Besonderheiten der psychotherapeutischen Tätigkeit, auf die sie sich spezialisiert habe, nicht hinreichend Rechnung. Psychotherapeuten erbrächten ganz überwiegend zuwendungsintensive, nicht vermehrbare Leistungen mit festen Zeitvorgaben; dies gelte vor allem für Leistungen nach den Nrn 865, 875 und 877 des Einheitlichen Bewertungsmaßstabs für vertragsärztliche Leistungen (EBM-Ä). Da die Beklagte diesen Besonderheiten in ihrem HVM nicht Rechnung getragen habe, stünden die psychotherapeutisch tätigen Ärzte und die Psychotherapeuten am unteren Ende der ärztlichen Einkommensskala. Das sei mit dem Gleichbehandlungsgebot aus Art 3 Abs 1 Grundgesetz (GG) nicht vereinbar. Die Beklagte wies die Widersprüche zurück.

Klage und Berufung der Klägerin sind erfolglos geblieben. Auf ihre Revision hat das Bundessozialgericht (BSG) mit Urteil vom 26. Januar 2000 (B 6 KA 4/99 R) das Berufungsurteil aufgehoben und den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht (LSG) zurückverwiesen. Ausschließlich psychotherapeutisch tätige Vertragsärzte und an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmende Psychotherapeuten hätten nach der neueren Rechtsprechung des BSG im streitbefangenen Zeitraum grundsätzlich einen Anspruch auf Honorierung ihrer zeitgebundenen und genehmigungsbedürftigen Leistungen nach Abschnitt G IV EBM-Ä mit einem Punktwert von 10 Pfennig. Die Verpflichtung der KÄV, die Punktwerte ggf auf dieses Niveau anzuheben bzw zu stützen, bestehe allerdings nur zugunsten solcher Leistungserbringer, die 90 % ihres Gesamtleistungsbedarfs aus Leistungen nach Abschnitt G IV EBM-Ä erzielten. Im Rahmen der Prüfung, ob diese Grenze überschritten sei, dürften Leistungen, die ärztliche Psychotherapeuten im organisierten Notdienst erbrächten, nicht einbezogen werden. Das Berufungsgericht müsse feststellen, ob die Klägerin danach eine Stützung des Punktwertes für ihre genehmigungsbedürftigen psychotherapeutischen Leistungen nach Abschnitt G IV EBM-Ä beanspruchen könne.

Im erneuten Berufungsverfahren ist zwischen den Beteiligten Übereinstimmung erzielt worden, daß der Anteil der genehmigungsbedürftigen Leistungen nach Abschnitt G IV EBM-Ä an der Gesamtzahl der von der Klägerin abgerechneten Punkte die Grenze von 90 % in keinem Quartal erreicht. Der höchste Wert ergibt sich im Quartal IV/1993 mit 89,99 %. Die Klägerin hat daraufhin geltend gemacht, das BSG habe unzutreffende Feststellungen hinsichtlich der Konzentration ihrer Praxis auf eine ausschließlich psychotherapeutische Tätigkeit und die dazu abgegebenen Erklärungen getroffen und fehlerhafterweise angenommen, sie habe Leistungen nach den Nrn 822/823 EBM-Ä erbracht. Im übrigen hat sie die Grenzziehung bei 90 % für unvereinbar mit Art 12 Abs 1 GG gehalten.

Das LSG hat die Berufung der Klägerin wiederum zurückgewiesen. Unter Hinweis auf seine Bindung an die Entscheidung des BSG vom 26. Januar 2000 (§ 170 Abs 5 Sozialgerichtsgesetz <SGG>) hat es lediglich ausgeführt, die Klägerin habe keine Erklärung iS der Nr 24e der Bedarfsplanungs-Richtlinien-Ärzte abgegeben, ausschließlich psychotherapeutisch tätig zu werden. Im übrigen habe sich der Anteil der auf Leistungen nach Abschnitt G IV EBM-Ä entfallenden Punkte bei ihr lediglich in den Quartalen III/1993 und IV/1993 der 90 %-Grenze stark angenähert. In den übrigen Quartalen habe er sich auf unter 80 %, teilweise unter 70 % und im Quartal I/1993 sogar nur auf 51 % der Gesamtpunktzahl ohne Berücksichtigung der im organisierten Notfalldienst erbrachten Leistungen belaufen. Deshalb bestehe keine Verpflichtung der Beklagten zur Korrektur der um 9 Pfennig schwankenden Punktwerte in den streitbefangenen Quartalen (Urteil vom 16. Januar 2001).

Mit ihrer Revision macht die Klägerin in erster Linie geltend, es sei mit Art 12 Abs 1 GG iVm Art 3 Abs 1 GG nicht vereinbar, eine Stützungsverpflichtung zugunsten solcher Psychotherapeuten auszuschließen, bei denen der Leistungsbedarf nach Abschnitt G IV EBM-Ä zwar unterhalb der Grenze von 90 % liege, die aber nicht nur gelegentlich oder zu einem geringen Teil, sondern überwiegend in ihrer gesamten vertragsärztlichen Tätigkeit zeitabhängige Leistungen erbrächten. Ärzte mit einer derart "streng psychotherapeutisch ausgerichteten Praxisstruktur" verfügten vergleichbar den unter die 90 %-Grenze fallenden Berufsangehörigen nicht über echte Kompensationsmöglichkeiten, die das Bedürfnis nach einer Stützung entfallen lassen könnten. Den Betroffenen stünden keine anderen Möglichkeiten zur Verfügung, auf Punktwertrückgänge zu reagieren als den Ärzten, die nahezu ausschließlich solche Leistungen erbrächten. Deshalb seien auch die zeitgebundenen Leistungen nach Abschnitt G II EBM-Ä (Nr 822/823 EBM-Ä) sowie aus Abschnitt G III die Leistungen nach Nr 851 EBM-Ä (Psychosomatische Behandlung) bei Ermittlung der 90 %-Grenze einzubeziehen. Diese Leistungen seien im Rahmen einer begrenzten Sprechstundentätigkeit insbesondere in Regionen mit geringer Psychotherapeutendichte gerade zur kurzfristigen psychiatrischen Intervention (Krisenintervention) unerläßlich. Zudem könnten zahlreiche schwerkranke Patienten mit dem Instrumentarium der G IV-Leistungen nicht angemessen behandelt werden, sondern seien auf kürzere und unregelmäßigere Behandlungen angewiesen. Eine Honorarverteilungsregelung, die sich starr an der Grenze von 90 % G IV-Leistungen orientiere, laufe Gefahr, das Versorgungssegment von Patienten mit sog Borderline-Störungen und anderen Störungen an der Grenze zwischen psychotherapeutischer und psychiatrischer Behandlungsbedürftigkeit indirekt abzuschaffen. Die Praxisinhaber seien gezwungen, die psychiatrisch/psychosomatisch-psychotherapeutische Tätigkeit zugunsten einer rein psychotherapeutischen Behandlungstätigkeit aufzugeben, um in den Genuß der Punktwertstützung für die Leistungen der "großen Psychotherapie" zu gelangen. Unter Berücksichtigung der gebotenen verfassungskonformen Auslegung bestehe eine Stützungsverpflichtung der Beklagten, weil sie - die Klägerin - die 90 %-Grenze einerseits wegen ihrer Teilnahme am ärztlichen Notdienst und andererseits wegen der Notwendigkeit verfehlt habe, relativ häufig Leistungen nach Nr 851 EBM-Ä erbringen zu müssen.

Die Klägerin beantragt,

die Urteile des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 16. Januar 2001 sowie des Sozialgerichts Kiel vom 12. Juni 1996 und die Honorarbescheide der Beklagten für die Quartale III/1993, IV/1993, II/1994 und III/1994 (Primärkassen) in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 18. April 1995 abzuändern und die Beklagte zu verpflichten, über die Honoraransprüche der Klägerin für die Behandlung der Versicherten der Primärkassen unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats neu zu entscheiden.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie hält das Berufungsurteil für zutreffend und weist darauf hin, daß es bei jeder starren Grenze im Einzelfall zu Härten komme könne. Eine eindeutige Grenzziehung hinsichtlich ihrer Stützungsverpflichtung sei indessen nicht zuletzt aus Gründen der Rechtssicherheit und im Hinblick auf den Gleichbehandlungsgrundsatz erforderlich.

Die Beigeladenen äußern sich im Revisionsverfahren nicht.

II

Die Revision der Klägerin hat keinen Erfolg. Das Berufungsgericht hat zutreffend entschieden, daß die angefochtenen Honorarbescheide der Beklagten nicht zu beanstanden sind.

Der Senat hat in seinem in diesem Rechtsstreit ergangenen Urteil vom 26. Januar 2000 - B 6 KA 4/99 R - (BSG SozR 3-2500 § 85 Nr 35) entschieden, daß der Anspruch auf Honorierung der zeitabhängigen und genehmigungsbedürftigen Leistungen der großen Psychotherapie mit einem Punktwert von 10 Pfennig nur solchen ärztlichen Psychotherapeuten zusteht, die 90 % ihres Gesamtleistungsbedarfs aus Leistungen nach Kapitel G Abschnitt IV EBM-Ä erzielen. Die erstmals im Urteil vom 20. Januar 1999 (BSGE 83, 205 = SozR 3-2500 § 85 Nr 29) entwickelte Rechtsprechung zum Anspruch der ausschließlich psychotherapeutisch tätigen Vertragsärzte sowie der an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Psychotherapeuten auf Honorierung ihrer zeitgebundenen und genehmigungsbedürftigen Leistungen nach Abschnitt G IV EBM-Ä mit einem Punktwert von grundsätzlich 10 Pfennig hat der Senat in zweifacher Hinsicht eingeschränkt (vgl auch Urteil vom 25. August 1999 - BSGE 84, 235 = SozR 3-2500 § 85 Nr 33). Die Stützungsverpflichtung besteht danach nur für die zeitabhängigen und genehmigungsbedürftigen Leistungen der sog großen Psychotherapie nach Abschnitt G IV EBM-Ä. Weiterhin gilt die Stützungsnotwendigkeit nur gegenüber solchen Leistungserbringern, die ausschließlich psychotherapeutisch tätig sind. Dazu gehören Ärzte, die 90 % ihres Gesamtleistungsbedarfs in Punkten aus Leistungen nach Abschnitt G IV EBM-Ä erzielen, wozu auch die nicht genehmigungsbedürftige Exploration, probatorische Sitzungen und Berichte nach den Nrn 860 ff EBM-Ä zählen. Der Senat hat im Urteil vom 26. Januar 2000 ausdrücklich anerkannt, daß die Begrenzung der Stützungsverpflichtung auf solche Ärzte, die 90 % ihres Gesamtleistungsbedarfs aus Leistungen nach Abschnitt G IV EBM-Ä decken, möglicherweise im Einzelfall zu Härten führen könne (BSG SozR 3-2500 § 85 Nr 35 S 277). Er hat die Grenzziehung aber gleichwohl für gerechtfertigt gehalten, weil nur insoweit eine gleichheitswidrige Benachteiligung der ausschließlich psychotherapeutisch tätigen Ärzte im Verhältnis zu allen anderen Arztgruppen manifest sei.

Von dieser Rechtsprechung kann der Senat nicht abweichen, nachdem der Streitgegenstand des Revisionsverfahrens B 6 KA 4/99 R, über den der Senat mit Urteil vom 26. Januar 2000 entschieden hat, nach dessen Zurückverweisung an das LSG erneut an das BSG gelangt ist. Nach § 170 Abs 5 SGG hat das Berufungsgericht, an das die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen ist, seiner Entscheidung die rechtliche Beurteilung des Revisionsgerichts zugrunde zu legen. Über den Wortlaut der Vorschrift hinausgehend besteht in der Rechtsprechung des BSG Einigkeit, daß grundsätzlich auch das BSG an die in dem zurückverweisenden Urteil dargelegte Rechtsauffassung gebunden ist, soweit es mit der von ihm zurückverwiesenen Sache infolge abermaliger Revision erneut befaßt wird (sog Selbstbindung des Revisionsgerichts). Der Gemeinsame Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes hat in seinem Beschluß vom 6. Februar 1973 entschieden, daß ein oberster Gerichtshof des Bundes an die zunächst vertretene Rechtsauffassung nicht gebunden ist, wenn er seine der Zurückverweisung zugrundeliegende Rechtsauffassung inzwischen geändert hat und erneut mit derselben Sache befaßt wird. Ob das Revisionsgericht seine Rechtsauffassung aus Anlaß der erneuten Befassung mit der bereits entschiedenen Sache ändern dürfe, hat der Gemeinsame Senat offen gelassen (BSGE 35, 293, 298 = SozR Nr 15 zu § 170 SGG). Über diese Rechtsauffassung hinausgehend haben zahlreiche Senate des BSG inzwischen entschieden, daß es dem Revisionsgericht verwehrt ist, im selben Rechtsstreit seine in der ersten aufhebenden Entscheidung vertretene Rechtsauffassung anläßlich der erneuten Befassung mit der Sache zu ändern (Urteil des 12. Senats des BSG vom 30. November 1978 - 12 RK 6/76 - <BSGE 47, 194, 195 = SozR 2200 § 1399 Nr 11 S 15, mwN>; Beschluß des 7. Senats vom 8. Dezember 1988 - 7 BAr 132/88 <nicht veröffentlicht>; Urteil des 13. Senats vom 1. Februar 1995 - 13 RJ 51/93 <DRV 1995, 525> unter Hinweis auf das Urteil des 12. Senats vom 25. Oktober 1990 - 12 RK 19/90 <SozR 3-1500 § 170 Nr 1> sowie Beschluß des 11. Senats vom 4. November 1999 - B 11 AL 207/99 B <nicht veröffentlicht>). Diese Rechtsauffassung wird vom Schrifttum geteilt (vgl zB Meyer-Ladewig, SGG, 6. Aufl 1998, § 170 RdNr 12, 12a; Zeihe, Das Sozialgerichtsgesetz, 7. Aufl 2000, § 170 RdNr 33a; May, Die Revision, 2. Auflage 1997, S 481; Kopp/Schenke, VwGO, 12. Aufl 2000, § 144 RdNr 15). Auch der Senat hält sie für zutreffend. Die Revision nimmt zum Umfang der Selbstbindung des Revisionsgerichts nicht Stellung, so daß eine nähere Begründung nicht veranlaßt ist.

Wegen der vom Senat zu beachtenden Selbstbindung an die Rechtsausführungen in seinem Urteil vom 26. Januar 2000 ist kein Raum für eine erneute Auseinandersetzung mit den von der Klägerin bereits im damaligen Revisionsverfahren vorgebrachten und nunmehr erneut bekräftigten Bedenken gegen die Begrenzung des Kreises der begünstigten Leistungserbringer auf die "ausschließlich psychotherapeutisch tätigen" Ärzte, die mindestens 90 % ihres Umsatzes in Punkten aus Leistungen des Abschnitts G IV EBM-Ä erzielen. Auch der Hinweis der Klägerin auf die seit dem 1. Januar 2000 geltende Abgrenzung der durch Stützungsmaßnahmen begünstigten Psychotherapeuten rechtfertigt keine andere Beurteilung für den Zeitraum bis Ende 1998.

Die "ausschließlich psychotherapeutische Tätigkeit" war in den Bedarfsplanungs-Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen idF vom 9. März 1993, die insoweit bis zum 31. Dezember 1998 gegolten haben, zwar als Grund für eine Zulassung auch in gesperrten Planungsbereichen normiert (Nr 24e aaO), aber nicht definiert. Der Senat hat die Definition deshalb den Vorschriften des Abschnitts A I Teil B Anl 3 EBM-Ä <Praxisbudget> entnommen (BSG SozR 3-2500 § 85 Nr 35 S 277, 280 unter Hinweis auf BSGE 83, 205, 215 = SozR 3-2500 § 85 Nr 29 S 222). Insoweit hat der Gesetzgeber des GKV-Gesundheitsreformgesetzes 2000 vom 22. Dezember 1999 (BGBl I 2626) in § 85 Abs 4 Satz 4 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) diese Grenzziehung aufgegriffen. In der Begründung des BT-Ausschusses für Gesundheit zur Änderung des Entwurfs zu § 87a SGB V, der im Gesetzgebungsverfahren später in § 85 SGB V integriert worden ist, wird ausgeführt, die Gruppe der ausschließlich psychotherapeutisch tätigen Ärzte umfasse solche Ärzte, "deren psychotherapeutische Leistungen an ihren Gesamtleistungen den Anteil von 90 % überschreiten" (BT-Drucks 14/1977 vom 3. November 1999, S 165, zu Art 1 Nr 45, zu Buchst a, zu Doppelbuchst bb).

Der Bundesausschuß der Ärzte und Krankenkassen hat durch Beschluß vom 21. September 1999 die Bedarfsplanungs-Richtlinien in der Weise geändert, daß in Nr 8 c 1 Satz 5 definiert worden ist, daß "als psychotherapeutische Leistungen die Leistungen des Kapitels G IV und G V des EBM-Ä sowie die Nrn 855 bis 858 in Kapitel G III gelten" (BAnz Nr 202 S 17999 vom 26. Oktober 1999). Darauf nimmt die Begründung des BT-Gesundheitsausschusses zur Änderung des § 87a SGB V idF des Entwurfs Bezug, wenn dort formuliert wird, die Abgrenzung der "ausschließlich" psychotherapeutisch tätigen Ärzte solle "entsprechend der in den Bedarfsplanungsrichtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen getroffenen Definition erfolgen" (BT-Drucks 14/1977 S 165). An die geänderten Bedarfsplanungsrichtlinien <heute Nr 8 d 1 Satz 5> knüpft die Änderung des EBM-Ä, Allg Bestimmungen A I, Teil B; 1.5 durch Beschluß des Bewertungsausschusses vom 16. Februar 2000 (DÄ 2000, C-453) an. Dort ist von ausschließlich psychotherapeutisch tätigen Vertragsärzten "mit mehr als 90 % ihres Gesamtleistungsbedarfs aus G IV, G V und den Leistungen Nrn 855 bis 858 des Abschnitts G III" die Rede.

Die Rechtsänderungen gelten ab dem 1. Januar 2000 bzw 1. April 2000 (EBM-Ä-Änderung) und finden auf die hier zu beurteilende Rechtslage bis zum 31. Dezember 1998 keine Anwendung. Die nunmehr zu den psychotherapeutischen Leistungen gezählten Testverfahren nach Abschnitt G V EBM-Ä sowie die "übenden Verfahren" (Nr 855-857 EBM-Ä) und die Hypnosebehandlung (Nr 858 EBM-Ä) aus Abschnitt G III EBM-Ä unterscheiden sich nach wie vor von den speziellen psychotherapeutischen Leistungen nach Abschnitt G IV EBM-Ä. Die Testverfahren unterliegen keiner Zeitbindung und können ohne Nachweis einer spezifischen Qualifikation erbracht werden. Das Angebot der "übenden Verfahren" erfordert nicht dieselbe nachgewiesene Qualifikation, wie sie für die Leistungen nach Abschnitt G IV EBM-Ä gefordert wird und bedarf keiner patientenbezogenen Bewilligung seitens der Krankenkasse. Bundesausschuß und Bewertungsausschuß haben im Rahmen der ihnen zukommenden Gestaltungsfreiheit unter dem Aspekt der Honorierung normativ eine Gleichstellung dieser Leistungen mit den spezifisch psychotherapeutischen Leistungen nach Abschnitt G IV EBM-Ä vornehmen dürfen. Daraus ist indessen nicht abzuleiten, daß die vom Senat für die Zeit bis zum 31. Dezember 1998 auf der Grundlage der damals geltenden Vorschriften des EBM-Ä vorgenommene Grenzziehung fehlerhaft gewesen wäre und rückwirkend korrigiert werden müßte.

Das LSG hat der ihm vom Senat im Urteil vom 26. Januar 2000 aufgegebenen Verpflichtung entsprochen, nämlich festzustellen, ob die Voraussetzungen einer Stützungsverpflichtung der Beklagten gegenüber der Klägerin in den streitbefangenen Quartalen erfüllt sind. Es hat dazu ermittelt, daß der Anteil der Leistungen nach Abschnitt G IV EBM-Ä am Gesamtleistungsvolumen der Klägerin in zwei Quartalen die Grenze von 90 % nur sehr knapp unterschreitet, in anderen Quartalen sich dagegen zwischen 50 % und 80 % des Gesamtleistungsvolumens bewegt. Zu Recht weist das LSG in diesem Zusammenhang darauf hin, daß nach der Rechtsprechung des Senats die Beobachtung lediglich eines einzigen Quartals für eine Stützungsnotwendigkeit unzureichend sein kann (BSGE 83, 205, 216 = SozR 3-2500 § 85 Nr 29 S 222 f). Dies bedarf hier keiner näheren Begründung, da sich die Klägerin gegen die vom Berufungsgericht getroffenen Tatsachenfeststellungen nicht wendet und auch den rechtlichen Ansatz der Notwendigkeit einer Beobachtung über einen längeren Zeitraum hinweg nicht in Frage stellt.

Zutreffend hat das Berufungsgericht weiterhin ermittelt, daß die Klägerin nicht die Erklärung iS der Nr 24e der Bedarfsplanungs-Richtlinien in der Fassung vom 9. März 1993 abgegeben hat, ausschließlich psychotherapeutisch tätig zu sein. Für die Abgabe einer solchen Erklärung bestand im Zeitpunkt der Zulassung der Klägerin keine Notwendigkeit, weil 1992 Zulassungsbeschränkungen für praktische Ärzte bzw Ärzte ohne Gebietsbezeichnung in der gegenwärtig praktizierten Form nicht bestanden haben. Die von der Revision angeführten Erklärungen der Klägerin zu ihrer Praxisausrichtung haben demzufolge keine rechtliche Relevanz in dem Sinne, daß die Klägerin sich verbindlich verpflichtet hätte, ausschließlich psychotherapeutische Leistungen zu erbringen. Soweit sie sich auch von ihrer Zulassung als Ärztin für psychotherapeutische Medizin zum 1. Januar 2000 lediglich faktisch auf diese Leistungen konzentriert hat, muß sie das Risiko der Rentabilität ihrer Praxis grundsätzlich selbst tragen, wie der Senat bereits im Urteil vom 26. Januar 2000 ausgeführt hat.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Absätze 1 und 4 SGG.

Ende der Entscheidung

Zurück