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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundessozialgericht
Urteil verkündet am 06.11.2002
Aktenzeichen: B 6 KA 9/02 R
Rechtsgebiete: GG, SGB X


Vorschriften:

GG Art 12
GG Art 2 Abs 1
SGB X § 52
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESSOZIALGERICHT Im Namen des Volkes Urteil

Az: B 6 KA 9/02 R

Verkündet am 6. November 2002

in dem Rechtsstreit

Der 6. Senat des Bundessozialgerichts hat auf die mündliche Verhandlung vom 6. November 2002 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Engelmann, die Richter Dr. Wenner und Dr. Kretschmer sowie die ehrenamtlichen Richter Dr. Merz und Dr. Oelze

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 18. Oktober 2001 wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat der Beklagten deren außergerichtliche Kosten auch für das Revisionsverfahren zu erstatten.

Gründe:

I

Die Beteiligten streiten über eine Disziplinarmaßnahme.

Mit Schreiben vom 10. März 1993 beantragte der Vorstand der beklagten Kassenärztlichen Vereinigung (KÄV) bei ihrem Disziplinarausschuss, gegen den Kläger, einen seit 1991 als Praktischer Arzt und seit 1992 als Internist niedergelassenen Vertragsarzt, ein Disziplinarverfahren einzuleiten. Dieser habe es 1992 in zwei Fällen unterlassen, ihr, der Beklagten, die von ihr erbetenen Auskünfte zu erteilen. Dem sei vorangegangen, dass er Krankenunterlagen des Versicherten F. entgegen wiederholter Bitten und Aufforderungen nicht an dessen behandelnden Arzt gesandt habe; im Zuge des Verfahrens habe er, obwohl er drei Mal schriftlich um Auskunft gebeten und auf die Pflichtwidrigkeit seines Vorgehens hingewiesen worden sei, ihre - der Beklagten - Auskunftsersuchen nicht beantwortet, sondern eine Dienstaufsichtsbeschwerde gegen ihren Justiziar erhoben sowie wegen seiner Weigerung, die Krankenunterlagen herauszugeben, (erfolglos) um sozialgerichtlichen Rechtsschutz nachgesucht; in einem anderen Fall habe sich der Kläger 1992 nach Mitteilung einer Krankenkasse (KK) geweigert, Befundberichte über die stationäre Behandlung der Versicherten J. an den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) zu übersenden, weil er dafür keine Kosten erstattet bekomme; auf ihre - der Beklagten - zweimalige Bitte um Auskunft zu diesem Komplex habe er ebenfalls nicht reagiert.

Der Disziplinarausschuss der Beklagten erteilte dem Kläger mit Beschluss vom 17. Juni 1993 - ihm zugestellt am 10. Dezember 1993 - wegen Nichterfüllung seiner Auskunftspflicht einen Verweis. In dem dagegen anhängig gemachten Klageverfahren hob die Beklagte (nach Vorliegen des BSG-Urteils vom 18. Oktober 1995 - BSGE 76, 300 = SozR 3-1300 § 35 Nr 7) in der mündlichen Verhandlung vom 6. November 1996 auf Anregung des Sozialgerichts (SG) hin den Disziplinarbescheid wegen verspäteter Zustellung des Beschlusses vom 17. Juni 1993 auf. Der Kläger nahm das Anerkenntnis an, nachdem ihm die Kammervorsitzende erläutert hatte, dass damit keine endgültige Aufhebung der Disziplinarmaßnahme verbunden sei, sondern neu entschieden werden könne.

Mit Schreiben vom 19. Dezember 1996 bat die Beklagte den Vorstand des Disziplinarausschusses wegen der streitbefangen gewesenen Vorwürfe "um die erneute Durchführung des Disziplinarverfahrens". Der Disziplinarausschuss erteilte dem Kläger sodann nach schriftlicher und mündlicher Anhörung mit Beschluss vom 15. Juli 1998 erneut einen Verweis. Ein Fall der Verjährung liege nicht vor, da der Antrag auf Einleitung des Disziplinarverfahrens aus dem Jahr 1993 deren Unterbrechung bis zum Abschluss des SG-Verfahrens am 6. November 1996 bewirkt habe. Inhaltlich sei der Vorwurf hinsichtlich des Versicherten F. gerechtfertigt, da der Kläger auf die Aufforderungen der Beklagten nicht reagiert habe; eine kurze Mitteilung, dass er keine Unterlagen besitze, sei ihm zuzumuten. Auch hinsichtlich der Versicherten J. habe er sich pflichtwidrig verhalten, weil er zu Unrecht eine ihm zumutbare Stellungnahme gegenüber der Beklagten verweigert habe. Da sich der Kläger noch in der mündlichen Verhandlung uneinsichtig gezeigt und so in besonders hohem Maße schuldhaft gehandelt habe, sei als Disziplinarmaßnahme ein Verweis gerechtfertigt.

Im anschließenden Rechtsstreit ist der Kläger in beiden Instanzen ohne Erfolg geblieben. Das SG hat eine Verletzung seiner Auskunftspflichten bejaht und die verhängte Maßnahme wegen seines hartnäckigen Fehlverhaltens für angemessen gehalten. Verjährung sei nicht eingetreten, weil das Verfahren rechtzeitig eingeleitet worden sei und die Satzung der Beklagten nicht auf Verjährung abstelle. Die Aufhebung des Disziplinarbeschlusses vom 17. Juni 1993 habe das Verfahren nicht beendet (Urteil vom 4. Oktober 2000). Die dagegen eingelegte Berufung des Klägers hat das Landessozialgericht (LSG) zurückgewiesen: Sein "Verjährungseinwand" greife nicht, da nach § 7 Abs 2 der Satzung der Beklagten der Antrag auf Einleitung von Disziplinarmaßnahmen nur dann nicht mehr gestellt werden könne, wenn seit Bekanntwerden der Verfehlung zwei Jahre oder seit der Verfehlung fünf Jahre vergangen seien. Der Antrag vom 10. März 1993, der allein für die rechtzeitige Verfolgung und Ahndung maßgeblich sei, habe seine fristwahrende Wirkung durch die Aufhebung des Disziplinarbescheides nicht verloren; auf den Erlass des Disziplinarbescheides komme es nicht an. Allein Letzter sei aber Gegenstand der Anfechtungsklage gewesen und von der Beklagten nur aus formellen Gründen aufgehoben worden. Auch das SG habe am 6. November 1996 eindeutig darauf hingewiesen, dass die Aufhebung des Bescheides die Möglichkeit einer Disziplinarmaßnahme nicht entfallen lasse. Die Beklagte habe daraufhin den Disziplinarausschuss zu Recht umgehend um erneute Durchführung des (ursprünglichen) Disziplinarverfahrens gebeten. Sinn und Zweck des § 7 Abs 2 der Satzung sei es, den betroffenen Arzt in seinem Vertrauen darauf zu schützen, wegen länger zurückliegender Sachverhalte nicht noch mit Disziplinarverfahren überzogen zu werden. Erforderlich sei ein zeitlicher Zusammenhang zur Verfehlung, um dem Betroffenen die Fehlerhaftigkeit seines Verhaltens vor Augen zu führen und zukünftige Verfehlungen zu vermeiden. Dem entspreche es, die vertrauenszerstörende Wirkung eines einmal fristgerecht gestellten Antrags fortbestehen zu lassen. Ob das Verwaltungsverfahren formal wieder auflebe, wenn der zunächst ergangene Disziplinarbescheid später aufgehoben werde, oder ob es dann neu aufgenommen werde, sei unerheblich. Es bestehe insoweit eine andere Rechtslage als bei den Fristregelungen in §§ 45 Abs 4, 48 Abs 4 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X), in deren Rahmen das Bundessozialgericht (BSG) zT annehme, dass für die Möglichkeit einer fristgerechten Wiederholung der Zeitablauf entscheidend sei. Bei § 7 Abs 2 der Satzung der Beklagten sei allein der wegen der Disziplinierung notwendige zeitliche Zusammenhang zwischen der Eröffnung des Disziplinarverfahrens und der zu Grunde liegenden Tat entscheidend. In der Sache rechtfertige das Verhalten des Klägers den ausgesprochenen Verweis. Er sei als ordentliches Mitglied der Beklagten nach § 5 Abs 4 der Satzung verpflichtet, dieser alle Auskünfte zu erteilen und ihr Unterlagen vorzulegen, die zur Nachprüfung der vertragsärztlichen oder sonstigen von ihr sicherzustellenden und zu gewährleistenden ärztlichen Tätigkeit erforderlich seien. Diese vertragsärztlichen Pflichten habe er zumindest fahrlässig nicht ordnungsgemäß erfüllt, weil er die Beklagte nicht sogleich darüber aufgeklärt habe, dass sich Behandlungsunterlagen des Patienten F. überhaupt nicht in seinem Besitz befunden hätten; stattdessen habe er sich mit ihr grundlos auf einen Streit über die Herausgabe von Patientenunterlagen eingelassen. Im Übrigen habe ein Patient gegen seinen Arzt unzweifelhaft Anspruch auf Herausgabe von Behandlungsunterlagen. Im zweiten Fall habe sich der Kläger entgegen § 36 Bundesmantelvertrag-Ärzte (BMV-Ä) geweigert, der betroffenen KK Unterlagen herauszugeben. Der Beklagten gegenüber habe er sich dazu nicht geäußert und ebenfalls seine Auskunfts- und Vorlagepflicht nach § 5 Abs 4 der Satzung vorsätzlich verletzt. Die Erteilung eines Verweises (und nicht nur einer Verwarnung) sei ermessensfehlerfrei, weil sich der Kläger noch in der mündlichen Verhandlung uneinsichtig gezeigt habe und seinen Pflichtverstoß nach wie vor nicht einsehe (Urteil vom 18. Oktober 2001).

Hiergegen richtet sich die vom LSG zugelassene Revision des Klägers. Er rügt, das Berufungsgericht habe durch Zurückweisung seines "Verjährungseinwandes" gegen § 7 Abs 2 der Satzung der Beklagten verstoßen. Diese Bestimmung gelte unmittelbar zwar nur im Bereich der KÄV Schleswig-Holstein; die Satzungen anderer KÄVen im Bundesgebiet lauteten jedoch gleich und ähnlich. Das LSG habe die Vorschrift weder im Lichte der Art 12 und Art 2 Abs 1 Grundgesetz (GG) ausgelegt noch dabei § 52 SGB X beachtet. Da zwischen dem angeblichen Verstoß und der Ahndung mehr als sechs Jahren lägen, stelle es einen unverhältnismäßigen Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit dar, wenn sich ein Vertragsarzt wegen eines ihm vorgeworfenen Fehlverhaltens von mäßigem Gewicht noch über viele Jahre hinweg auf eine Verfolgung einstellen müsse. Wegen der Ähnlichkeit des Disziplinarverfahrens mit einem Strafverfahren müsse § 7 Abs 2 der Satzung als Regelung über die Verfolgungsverjährung verstanden werden. Die Verjährung sei durch den Antrag der Beklagten vom 10. März 1993 zwar unterbrochen worden, jedoch nicht über den Zeitpunkt der Aufhebung des Disziplinarbeschlusses vom 17. Juni 1993 am 6. November 1996 hinaus. Da nach § 52 Abs 1 Satz 3 SGB X auch § 212 Abs 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) Anwendung finde, gelte die Unterbrechung der Verjährung nach Aufhebung des Verwaltungsaktes - wie hier - als nicht eingetreten. Unbeschadet dessen sei die Annahme des LSG, es sei lediglich das ursprüngliche Disziplinarverfahren fortgeführt worden, unzutreffend; das Verwaltungsverfahren sei bereits mit Erlass des Beschlusses vom 17. Juni 1993 beendet worden. Der Fehler, dass dieser nicht innerhalb von fünf Monaten nach Erlass habe zugestellt werden können, sei nicht mehr heilbar gewesen. Auch die Voraussetzungen für den Erlass eines Verweises lägen - zumal nach so langer Zeit - nicht vor; die gegenteilige Ansicht bedeute einen Verstoß gegen Art 12 und Art 2 Abs 1 GG. Spätestens im Berufungsverfahren habe sich herausgestellt, dass die Beschwerden materiell nicht begründet gewesen seien; allein der Vorwurf, nicht den Wünschen der Beklagten entsprechend schriftlich Stellung genommen zu haben, sei geblieben. Er (der Kläger) habe die Beklagte aber stets seine Ansicht wissen lassen, zur Herausgabe von Unterlagen nicht verpflichtet zu sein. Selbst wenn er sich insoweit im Rechtsirrtum befunden haben sollte, liege darin kein rechtlich relevanter Pflichtverstoß. Die Ermessensausübung der Beklagten, nach dem Abschluss des ersten Rechtsstreits im November 1996 erneut disziplinarrechtlich vorzugehen, sei unverhältnismäßig und rechtswidrig.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

die Urteile des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 18. Oktober 2001 und des Sozialgerichts Kiel vom 4. Oktober 2000 sowie den Beschluss der Beklagten vom 15. Juli 1998 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie führt aus, die Rüge der unrichtigen Anwendung des § 7 Abs 2 ihrer Satzung betreffe kein revisibles Recht. Dass gleich lautende Bestimmungen im Zuständigkeitsbereich anderer KÄVen als Folge einer bewussten und gewollten, nicht nur zufälligen Übereinstimmung Anwendung fänden, habe die Revision nicht dargelegt. Art 12 Abs 1 GG sei nicht verletzt, weil allgemein anerkannt sei, dass Disziplinarmaßnahmen nicht gegen die Ausübung eines freien Berufes verstießen; nichts anderes könne für die Auslegung der Satzungsbestimmung über Antragsfristen gelten. Die Rüge einer Verletzung des § 52 SGB X sei ohne Bezug zum Rechtsstreit, da es hier nicht um die Durchsetzung des Anspruchs eines öffentlich-rechtlichen Trägers durch einen Verwaltungsakt gehe. Das LSG habe § 7 Abs 2 der Satzung zutreffend ausgelegt. Während eines laufenden Verfahrens könne Verjährung nicht eintreten. Im Übrigen habe nicht das Disziplinarverfahren lange Zeit in Anspruch genommen, sondern die Ausschöpfung von Rechtsbehelfen. Ein Betroffener könne den Ausschluss der Ahndungsmöglichkeit wegen Zeitablaufs aber nicht durch eigenes Verhalten herbeiführen. Das LSG habe zu Recht einen Verstoß des Klägers gegen seine Auskunftserteilungspflichten angenommen und dessen ermessensfehlerfreie Ahndung bejaht.

II

Die zulässige Revision des Klägers ist unbegründet.

Die Urteile der Vorinstanzen, die den Bescheid des Disziplinarausschusses der Beklagten vom 15. Juli 1998 übereinstimmend als rechtmäßig angesehen haben, unterliegen keiner Beanstandung.

Soweit der Kläger geltend macht, das LSG habe verkannt, dass der Disziplinarbescheid gegen § 7 Abs 2 der Satzung der Beklagten verstoße, werden zulässige Revisionsgründe nicht geltend gemacht. Gemäß § 162 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann eine Revision nur darauf gestützt werden, dass das angefochtene Urteil auf der Verletzung einer Vorschrift des Bundesrechts oder einer sonstigen im Bezirk des Berufungsgerichts geltenden Vorschrift beruht, deren Geltungsbereich sich über den Bezirk des Berufungsgerichts hinaus erstreckt. Bei den Satzungen der KÄVen handelt es sich dagegen um nicht revisibles Recht (vgl bereits BSGE 21, 114, 116 = SozR Nr 46 zu § 77 SGG und BSGE 21, 235, 237 = SozR Nr 3 zu § 368f RVO). Da die Satzung der Beklagten, deren unrichtige Auslegung der Kläger hier rügt, ausschließlich für Vertragsärzte Wirkungen entfaltet, die sich im Gebiet des Landes Schleswig-Holstein niedergelassen haben, und für dieses Gebiet allein das hier tätig gewordene LSG örtlich zuständig ist, kann der Senat die streitigen Satzungsbestimmungen - wie sich aus § 162 SGG ergibt - grundsätzlich nicht selbst auslegen. Er hat sie seiner Entscheidung im Revisionsverfahren vielmehr gemäß § 560 Zivilprozessordnung (nF) iVm § 202 SGG mit dem vom Berufungsgericht festgestellten Inhalt zu Grunde zu legen.

Etwas anderes würde nur gelten, wenn in den Bezirken anderer LSG Vorschriften geschaffen worden wären, die mit § 7 der Satzung der Beklagten inhaltlich übereinstimmen und wenn dies bewusst und gewollt um der Rechtseinheit willen geschehen wäre. Das hätte indessen in der Revisionsbegründung nicht nur in pauschaler Weise behauptet werden dürfen, sondern im Einzelnen dargelegt werden müssen. Die "verletzte Rechtsnorm" ist, wenn es sich um eine nur im Bezirk des LSG geltende Vorschrift handelt, nämlich nur dann iS des § 164 Abs 2 Satz 3 SGG "bezeichnet", wenn zumindest eine gleich lautende Norm aus dem Bezirk eines anderen LSG benannt und dargelegt wird, dass diese gerade zum Zweck der Rechtsvereinheitlichung erlassen worden ist (BSGE 56, 45, 51 = SozR 2100 § 70 Nr 1 S 7; BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 18 S 100 f; vgl Meyer-Ladewig, SGG, 7. Aufl 2002, § 162 RdNr 5a mwN). Darauf hat auch der Senat wiederholt hingewiesen (vgl BSGE 68, 93, 95 = SozR 3-2500 § 106 Nr 3 S 7; BSG SozR 3-2500 § 75 Nr 2 S 6; SozR aaO § 95 Nr 7 S 31 und Nr 9 S 36, jeweils mwN; SozR 3-2500 § 135 Nr 20 S 96 f). Der Kläger ist diesen Darlegungserfordernissen nicht nachgekommen. In seiner Revisionsbegründung fehlt es schon an der konkreten Bezeichnung gleich lautender Vorschriften in den Satzungen bzw Disziplinarordnungen anderer KÄVen.

Der Senat darf das angefochtene Urteil nach alledem nicht darauf überprüfen, ob das Berufungsgericht den von ihm festgestellten Sachverhalt (§ 163 SGG) in zutreffender Weise unter das Satzungsrecht der Beklagten subsumiert hat.

Soweit der Kläger geltend macht, darüber hinaus sei im konkreten Fall durch die vom LSG vorgenommene Anwendung des § 7 Abs 2 der Satzung der Beklagten Bundesrecht verletzt worden, ist die Revision unbegründet. Zunächst enthält die für die Satzungsbestimmung der Beklagten maßgebliche Ermächtigungsgrundlage des § 81 Abs 5 Satz 1 bis 4 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) keine Vorgabe zur Ausgestaltung des Disziplinarverfahrensrechts der KÄVen in der Weise, dass die Einführung von Regelungen über eine Verfolgungsverjährung vorgeschrieben wäre.

Aus der vom LSG angesprochenen Rechtsprechung des BSG zu den Fristenregelungen des § 45 Abs 4, § 48 Abs 4 SGB X kann zur Frage der Rechtmäßigkeit bzw Rechtswidrigkeit des angefochtenen Disziplinarbescheides ebenfalls nichts hergeleitet werden. Danach ist die fristhemmende bzw -unterbrechende Wirkung eines ersten Aufhebungsbescheides nach dessen (behördlicher oder gerichtlicher) Beseitigung zu verneinen, sodass es für die Rechtzeitigkeit eines daraufhin ergehenden weiteren Aufhebungsbescheides allein auf den Zeitablauf ankommt (vgl zB BSGE 80, 283, 287 f = SozR 3-1300 § 50 Nr 19 S 59 f; Steinwedel in: Kasseler Kommentar, § 45 SGB X RdNr 31 mwN; Wiesner in: von Wulffen, SGB X, 4. Aufl 2001, § 45 RdNr 32 S 335). Unbeschadet der ohnehin für das Vertragsarztrecht zu beachtenden Besonderheiten (s § 37 Erstes Buch Sozialgesetzbuch) beziehen sich die in den genannten Vorschriften enthaltenen zeitlichen Grenzen im Unterschied zum vorliegenden Fall auf die Zeit zwischen Kenntniserlangung der Behörde und der Vornahme des Aufhebungsaktes selbst. Dagegen kommt es nach § 7 Abs 2 der Satzung der Beklagten - wie das LSG festgestellt hat - entscheidend auf die Rechtzeitigkeit des "Antrags auf Einleitung von Maßnahmen" an. Es ist nichts dafür ersichtlich, dass mit der Aufhebung eines Disziplinarbescheides auch die (disziplinarrechtlich allein maßgebliche) verfahrenseinleitende Wirkung des auf ihn gerichteten Antrages verloren gehen sollte. Hinzu kommt im Übrigen, dass die Beklagte ihren ersten Disziplinarbescheid ohnehin nur mit der Maßgabe der Möglichkeit zu einer erneuten Sachentscheidung aufgehoben hat; hierüber ist der Kläger ausführlich informiert worden und hat im vorangegangenen Rechtsstreit bei dem SG darauf bezogen die Annahme des Anerkenntnisses erklärt (§ 101 Abs 2 SGG).

Die vom Kläger gerügte Verletzung des § 52 SGB X liegt nicht vor. Diese Vorschrift des allgemeinen Verwaltungsverfahrensrechts betrifft nach ihrem Abs 1 Satz 1 nur die Wirkungen der "Unterbrechung der Verjährung". Da - wie dargestellt - § 7 Abs 2 der Satzung nicht die "Verfolgungsverjährung" regelt, sondern ein Einleitungshindernis für ein Disziplinarverfahren aufstellt, ist § 52 SGB X schon thematisch nicht einschlägig. Die Vorschrift bezieht sich ohnehin nur auf Verwaltungsakte, die "zur Durchsetzung des Anspruchs eines öffentlich-rechtlichen Rechtsträgers erlassen" worden sind. Da der Verjährung regelmäßig allein vermögensrechtliche Ansprüche unterliegen, findet diese Bestimmung auch nur auf vermögensrechtliche Ansprüche eines solchen Rechtsträgers Anwendung, die dem öffentlich-rechtlichen Recht zuzuordnen sind (Engelmann in: von Wulffen, aaO, § 52 RdNr 10 mwN). Um solche vermögensrechtlichen Ansprüche geht es bei einem Disziplinarverfahren erkennbar nicht. Wie der Senat bereits entschieden hat, sind nicht etwa sämtliche, sich in Ausfüllung der besonderen Rechtsbeziehungen des Vertragsarztrechts ergebenden Rechts- und Pflichtenstellungen den allgemein für die Verjährung geltenden Regelungen unterworfen (so bereits für den Bereich der Wirtschaftlichkeitsprüfung BSGE 72, 271 ff = SozR 3-2500 § 106 Nr 19 unter Aufgabe früherer Rechtsprechung; vgl auch zur sachlich-rechnerischen Richtigstellung BSGE 89, 90, 103 = SozR 3-2500 § 82 Nr 3 S 16 f). Gleiches gilt für die Durchführung von Disziplinarverfahren.

Wie das LSG zutreffend angenommen hat, liegt in dem Ausspruch eines Verweises gegen den Kläger kein Verstoß gegen sein Grundrecht der Berufsausübungsfreiheit aus Art 12 Abs 1 GG. Gegen die grundsätzliche Geltung des Disziplinarrechts im Bereich des Vertragsarztrechts sprechen keine Gesichtspunkte des Verfassungsrechts. Der Senat geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass die gesetzlichen Vorgaben für die Festsetzung von Disziplinarmaßnahmen hinreichend bestimmt sind (vgl BSG SozR 3-2500 § 81 Nr 6 S 22) und hat daran ungeachtet zwischenzeitlich teilweise geäußerter Bedenken festgehalten (so ausdrücklich BSG SozR 3-2500 § 81 Nr 7 S 29). Auch im Fall des Klägers ist bei dem ihm gegenüber ausgesprochenen Verweis ein Rechtsverstoß gegen Art 12 Abs 1 GG nicht erkennbar. Rechtsgrundlage für die Entscheidung des Disziplinarausschusses der Beklagten ist § 7 Abs 1 iVm § 3 Abs 8 ihrer Satzung, der auf der gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage des § 81 Abs 5 SGB V (hier anzuwenden idF des Gesundheitsstrukturgesetzes <GSG> vom 21. Dezember 1992 <BGBl I 2266>) beruht. Nach § 75 Abs 2 Satz 2 SGB V haben die KÄVen die Erfüllung der den Vertragsärzten obliegenden Pflichten zu überwachen und die Vertragsärzte, soweit notwendig, unter Anwendung der in § 81 Abs 5 SGB V vorgesehenen Maßnahmen zur Erfüllung dieser Pflichten anzuhalten. § 81 Abs 5 Satz 1 SGB V regelt dazu, dass die Satzungen der KÄVen die Voraussetzungen und das Verfahren zur Verhängung von Maßnahmen gegen Mitglieder bestimmen müssen, die ihre vertragsärztlichen Pflichten nicht oder nicht ordnungsgemäß erfüllen. Der Umfang dieser Befugnisse ist in § 81 Abs 5 Satz 2 SGB V festgelegt. Disziplinarmaßnahmen in diesem Sinne sind nach der Aufzählung des § 81 Abs 5 Satz 2 und 3 SGB V je nach der Schwere der Verfehlung Verwarnung, Verweis, Geldbuße bis 10.000 € oder die Anordnung des Ruhens der Zulassung oder der vertragsärztlichen Beteiligung bis zu zwei Jahren.

Der auf diese Regelungen gestützte Beschluss der Beklagten vom 15. Juli 1998 ist rechtmäßig. Zu Recht haben der Disziplinarausschuss und die Vorinstanzen in dem Verhalten des Klägers gegenüber der Beklagten einen Verstoß gegen seine vertragsärztlichen Pflichten gesehen und das Vorliegen disziplinarwürdigen Verhaltens bejaht. Der Kläger war nach dem vom LSG festgestellten Inhalt des § 5 Abs 4 der Satzung verpflichtet, der beklagten KÄV als deren ordentliches Mitglied (§ 77 Abs 3 Satz 1 SGB V) alle notwendigen Auskünfte zu erteilen und hatte ihr die erforderlichen Unterlagen vorzulegen, die zur Nachprüfung der vertragsärztlichen oder sonstigen von dieser sicherzustellenden und zu gewährleistenden ärztlichen Tätigkeit erforderlich sind. Diese in der Satzung niedergelegten - ersichtlich als Ausdruck der allgemeinen Pflicht zum engen Zusammenwirken bei der Umsetzung des Rechts der gesetzlichen Krankenversicherung (vgl § 4 Abs 3, § 70, § 72 Abs 1 und 2, § 81 Abs 3, § 95 Abs 3 SGB V) zu verstehenden - vertragsärztlichen Pflichten hat der Kläger vorwerfbar schuldhaft, nämlich zumindest fahrlässig, verletzt. Sein pflichtwidriges Verhalten zeigt sich darin, dass er die Beklagte - von dieser gezielt schriftlich auf den Fall des Versicherten F. angesprochen - nicht sogleich darüber informierte, dass sich Behandlungsunterlagen dieses Versicherten gar nicht in seinem Besitz befanden. Stattdessen verhielt er sich nach den mit der Revision nicht angegriffenen Feststellungen des LSG sowie nach dem Inhalt der Verwaltungsakten auf die konkreten Anfragen der Beklagten vom 13. April, 1. Juni, 4. August und 28. September 1992 hin zunächst passiv, sodann obstruktiv (Dienstaufsichtsbeschwerde gegen den Justiziar der Beklagten) und suchte darüber hinaus schließlich stattdessen im Oktober 1992 mit "Klage und Antrag auf einstweilige Anordnung" unter Einschaltung des SG mit ihr eine allgemeine juristische Auseinandersetzung über die vermeintlich nicht bestehende Pflicht zur Herausgabe von Befundunterlagen über Patienten. Durch diese Vorgehensweise und das beharrliche Vorenthalten fallbezogener Informationen (die erst mit Schreiben vom 10. Juli 1998 gegeben wurden) musste bei der Beklagten der Eindruck entstehen, dass der Kläger zwar zur Herausgabe von Unterlagen in der Lage, aber nicht willens war. Hätte er dieser sogleich mitgeteilt, dass er - wie er später vorgetragen hat - nicht über Unterlagen des Versicherten F. verfügte, hätte sie dem Versicherten wiederum entsprechend Auskunft erteilen können. Dass ein Versicherter der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) als Patient gegen einen ehemals behandelnden Vertragsarzt Anspruch auf Weiterleitung von Behandlungsunterlagen an den aktuell behandelnden Arzt hat, kann bei alledem auf der Grundlage der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl BGHZ 85, 327, 332; zum Ganzen zB Hüffer in Münchener Kommentar, 3. Aufl 1997, § 810 BGB, RdNr 14 ff), des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwGE 82, 45, 50 f) und des Bundesverfassungsgerichts (MedR 1999, 180) ohnehin nicht zweifelhaft sein. Auch im zweiten Fallkomplex hat der Kläger gegenüber der Beklagten auf deren Anfragen vom 7. Januar und 10. Februar 1993 hin geschwiegen und eine ihm zumutbare kurze Information bzw Rückfrage hinsichtlich der Versicherten J. unterlassen; hierdurch hat er seine Pflichten nach § 5 Abs 4 der Satzung in gleicher Weise schuldhaft verletzt.

Die Fortführung des Disziplinarverfahrens im Dezember 1996 verstößt auch nicht gegen das Verhältnismäßigkeitsprinzip. Zum einen unterliegt der Kläger einem Irrtum, wenn er in diesem Zusammenhang von einer "erneuten Einleitung" spricht; denn 1996 wurde - wie dargelegt - nicht ein neues Disziplinarverfahren eingeleitet, sondern lediglich das schon 1993 eingeleitete Verfahren fortgeführt und zum Abschluss gebracht. Zum anderen kann dann, wenn - wie hier - der Betroffene die ihm zur Last gelegte Bewertung seines Handelns als vertragsärztlicher Pflichtverstoß auch noch in der 1998 abgehaltenen mündlichen Verhandlung bei dem Disziplinarausschuss trotz ihm gegebener vielfältiger Hinweise und Belehrungen kritisiert und weiterhin nicht einzusehen vermag, nicht nur von vergangenem Unrecht mit geringem Gewicht gesprochen werden. Da es Sinn des Disziplinarverfahrens ist, den Betroffenen im Interesse der Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit des Systems der vertragsärztlichen Versorgung künftig zur Beachtung seiner vertragsärztlichen Pflichten anzuhalten (vgl BSG SozR 3-2500 § 81 Nr 6 S 20 mwN; Urteil des Senats vom 11. September 2002 - B 6 KA 36/01 R - zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen), ist nicht zu beanstanden, wenn der Disziplinarausschuss trotz des Zeitablaufs zwischen 1992 (als die Verstöße begangen wurden) und 1998 (als das Disziplinarverfahren beendet wurde) von auch noch aktuell disziplinarrechtlich zu sanktionierenden Handlungen ausgegangen ist.

Nicht durchdringen kann der Kläger aus diesen Gründen auch mit seinem Vortrag, die ausgewählte disziplinarische Sanktion sei unverhältnismäßig. Bei der Auswahl der Maßnahme ist der Disziplinarausschuss grundsätzlich berechtigt, nach seinem Ermessen zu handeln, sodass die Entscheidung insoweit nur einer eingeschränkten gerichtlichen Prüfung zugänglich ist (vgl BSG SozR 3-2500 § 81 Nr 6 S 26 mwN). Der Verwaltungsakt ist daher nach § 54 Abs 2 SGG nur bei Ermessensüberschreitung oder bei Ermessensfehlgebrauch rechtswidrig. Das Gericht hat dazu die Voraussetzungen des Ermessens festzustellen, dh insbesondere zu prüfen, ob die Behörde von einem vollständig ermittelten Sachverhalt ausgegangen ist und sich von sachgerechten Erwägungen hat leiten lassen; dabei ist es auf die im Verwaltungsakt mitgeteilten Ermessenserwägungen beschränkt (BSGE 62, 127, 129 = SozR 2200 § 368m Nr 3 S 3 f). Diesen Anforderungen wird der angefochtene Disziplinarbescheid gerecht. Wie schon die Vorinstanzen zutreffend ausgeführt haben, ist die Verhängung eines Verweises (und nicht nur einer Verwarnung als mögliches milderes Mittel) nicht zu beanstanden. Die Erwägung des Disziplinarausschusses, dass die Uneinsichtigkeit des Klägers ihren Niederschlag in der Auswahl der Maßnahme finden musste und nicht nur ein geringfügiger, sondern ein Pflichtverstoß von erheblichem Gewicht vorlag, ist bei alledem nicht ermessensfehlerhaft.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 und 4 SGG in der bis zum Inkrafttreten des 6. SGG-Änderungsgesetzes geltenden, hier noch anzuwendenden Fassung (vgl Urteil des Senats vom 30. Januar 2002, SozR 3-2500 § 116 Nr 24 S 115 ff).

Ende der Entscheidung

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