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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundessozialgericht
Urteil verkündet am 22.10.1998
Aktenzeichen: B 7 AL 118/97 R
Rechtsgebiete: AlhiVO, AFG


Vorschriften:

AlhiVO § 6 Abs. 3
AFG § 137 Abs. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESSOZIALGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

in dem Rechtsstreit

Az: B 7 AL 118/97 R

Kläger und Revisionskläger,

Prozeßbevollmächtigte:

gegen

Bundesanstalt für Arbeit, Regensburger Straße 104, 90478 Nürnberg,

Beklagte und Revisionsbeklagte.

Der 7. Senat des Bundessozialgerichts hat ohne mündliche Verhandlung am 22. Oktober 1998 durch die Vizepräsidentin Dr. Wolff, die Richterin Tüttenberg und den Richter Dr. Spellbrink sowie die ehrenamtlichen Richter Dr. Stemmer und Hannig

für Recht erkannt:

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 17. Dezember 1996 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

Gründe:

I

Die Beteiligten streiten im Rahmen eines Zugunstenverfahrens um die Gewährung von Arbeitslosenhilfe (Alhi) für die Zeit ab Ende November 1993.

Der 1940 geborene Kläger war bis 20. Juni 1991 erwerbstätig. Anschließend bezog er vom 21. Juni 1991 bis 17. August 1993 Arbeitslosengeld (Alg) für 676 Tage (Bescheid vom 9. August 1991). Nach Erschöpfung des Anspruchs beantragte er Alhi. Zu seinen Vermögensverhältnissen gab er ua an: Zusammen mit seiner Ehefrau habe er seit 1985 eigengenutzten Haus- und Grundbesitz; ferner habe er zusammen mit seiner Ehefrau Wertpapiere im Wert von 150.000,00 DM, Anteile an einem Wertpapierfonds über etwa 25.787,00 DM und Lebensversicherungen mit Rückkaufswerten von 3.605,00 DM bzw von 3.633,00 DM. Den Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 7. September 1993 wegen des dem Kläger bewilligten Krankengeldes (laut Arbeitsbescheinigung: Bezug von Übergangsgeld bis 28. November 1993) ab. Den unter Bezugnahme auf die früheren Angaben zu seinen Vermögensverhältnissen gestellten Antrag vom November 1993, in dem er auch mitgeteilt hatte, daß sein Vermögen der Alterssicherung dienen solle, lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 22. Dezember 1993 ab, weil der Kläger nach Abzug eines Freibetrages von 8.000,00 DM über verwertbares Vermögen von 79.894,00 DM verfüge und daher während der Dauer von 66 Wochen nicht bedürftig sei. Der insoweit am 15. Februar 1995 eingelegte Widerspruch wurde als unzulässig verworfen (Wider-spruchsbescheid vom 7. März 1995).

Mit Bescheid vom 12. April 1995 lehnte die Beklagte den gleichzeitig gestellten Antrag auf Überprüfung des Bescheides vom 22. Dezember 1993 ab. Den Widerspruch wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 7. Juni 1995 zurück und führte aus: Der Kläger sei nicht bedürftig iS von § 134 Abs 1 Satz 1 Nr 3 Arbeitsförderungsgesetz (AFG). Er habe eine Altersrente von 1.800,00 DM monatlich zu erwarten. Demgemäß erscheine es nicht erforderlich, daß sowohl er als auch seine Ehefrau über Wertpapiere von jeweils 75.000,00 DM verfügten und jeweils 12.894,00 DM als sonstiges Kapitalvermögen für die Alterssicherung anlegten. Das Interesse des Klägers an dem Erhalt der Vermögensgegenstände habe gegenüber dem Interesse der Versichertengemeinschaft, Alhi nur solchen Arbeitslosen zu gewähren, die tatsächlich bedürftig seien, zurückzutreten.

Das Sozialgericht Aurich (SG) hat mit Gerichtsbescheid vom 24. April 1996 die Klage mit folgender Begründung abgewiesen: Eine angemessene Altersversorgung des Klägers und seiner Ehefrau sei auch bei Verwertung des nicht unerheblichen Geldvermögens sichergestellt. Der aktuellen Rentenauskunft vom Dezember 1995 sei zu entnehmen, daß der Kläger über eine Rentenanwartschaft in Höhe von 2.335,22 DM und seine Ehefrau über eine solche in Höhe von 506,04 DM verfügten. Stelle man die guten bis überdurchschnittlichen Einkünfte des Klägers während seiner Erwerbstätigkeit den Rentenanwartschaften gegenüber und berücksichtige, daß er und seine Ehefrau eigenen Grundbesitz hätten und somit keine Miete zu entrichten brauchten, so könne er mit der überdurchschnittlich hohen Rente einen im Vergleich zum Berufsleben annähernd gleichen Lebensstandard im Alter aufrechterhalten, ohne daß zusätzliches Kapitalvermögen beansprucht werden müsse. Das Landessozialgericht Niedersachsen (LSG) hat die Berufung des Klägers mit Urteil vom 17. Dezember 1996 zurückgewiesen und ausgeführt: Die angefochtenen Entscheidungen seien nicht zu beanstanden. Die Verwertung des Vermögens sei zumutbar. Von einem Arbeitslosen werde verlangt, daß er verwertbares Vermögen bis auf bestimmte Freibeträge zur Behebung seiner Bedürftigkeit vor Inanspruchnahme der von der Allgemeinheit finanzierten Alhi verbrauche. Der Rechtsprechung lasse sich zwar generell eine Tendenz zum wirtschaftlichen Schutz des Antragstellers entnehmen. Wer im Lebensalter fortgeschritten und ferner dauerarbeitslos sei, gesundheitliche Risiken aufweise und keine realistischen Möglichkeiten zur Eingliederung in das Erwerbsleben habe, solle in der Regel von der Vermögensverwertung ausgenommen sein. Von solchen Lebensverhältnissen sei beim Kläger nicht auszugehen. Unabhängig davon verliere der Kläger durch die Verwertung des Vermögens im angesprochenen Umfang, wie das SG zutreffend festgestellt habe, auch nicht eine angemessene Altersversorgung.

Mit der vom Bundessozialgericht (BSG) zugelassenen Revision rügt der Kläger eine Verletzung von § 137 Abs 3 AFG iVm § 6 Abs 3 Arbeitslosenhilfeverordnung (AlhiVO) und trägt vor: Der Auffassung des LSG, daß immer dann, wenn bereits in der gesetzlichen Rentenversicherung ein Anspruch auf Altersrente in bestimmter Höhe prognostiziert werden könne, der Alhi-Empfänger keinen Anspruch auf Aufbau oder Aufrechterhaltung einer zusätzlichen Altersversorgung habe, könne nicht gefolgt werden. Sie widerspreche auch der Entscheidung des 11. Senats vom 29. Januar 1997 (SozR 3-4220 § 6 Nr 4). Die Ansicht des LSG stimme nicht mit dem Willen des Gesetzgebers überein. Aus § 6 AlhiVO ergebe sich, daß der Alhi-Empfänger neben dem Anspruch aus der gesetzlichen Rentenversicherung auch eine zusätzliche Altersversorgung solle aufbauen können. Wie das BSG bereits in der Entscheidung vom 17. Oktober 1996 (BSG SozR 3-4100 § 137 Nr 7) festgestellt habe, entspreche dies den politischen Rahmenbedingungen. Maßgebend sei insoweit allein die mit den objektiven Gegebenheiten übereinstimmende subjektive Zweckbestimmung des Arbeitslosen. Im übrigen seien die vom Träger der gesetzlichen Rentenversicherung eingeholten Auskünfte zu unverbindlich und garantierten nicht die endgültige Höhe der Rente.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 17. Dezember 1996, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Aurich vom 24. April 1996 sowie den Bescheid der Beklagten vom 12. April 1995 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. Juni 1995 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, unter Rücknahme des Bescheides vom 22. Dezember 1993 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. März 1995 ihm Arbeitslosenhilfe ab 25. November 1993 (wohl richtig: 29. November 1993) zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie trägt vor: Eine Ausnahme von der Zumutbarkeit der Vermögensverwertung nach § 6 Abs 3 Satz 2 Nr 3 AlhiVO liege nicht vor. Der Kläger habe zwar zum Ausdruck gebracht, daß er das Vermögen für seine Altersversorgung einsetzen wolle. Dafür spreche auch, daß er den Wiederanlagezeitraum nahe an den Eintritt in das Rentenalter gelegt habe. Nach zutreffender Ansicht von SG und LSG sei jedoch eine angemessene Alterssicherung durch die erworbenen Rentenanwartschaften und den Grundbesitz ausreichend sichergestellt. Die Entscheidung des BSG, die der Kläger angeführt habe, sei allein zur Verwertbarkeit einer Lebensversicherung ergangen. Dort sei von einer Überprüfung der zu erwartenden Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung durch die Verwaltung abgesehen worden. Dieser Grundsatz sei auf die Verwertbarkeit von Barvermögen im Sinne der AlhiVO nicht übertragbar. Die stärkere Verwertung von Barvermögen entspreche eindeutig dem Willen des Gesetzgebers, der eine unangemessene Inanspruchnahme der Versichertengemeinschaft verhindern wolle.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch Urteil einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetzes <SGG>).

II

Die Revision des Klägers ist im Sinne einer Aufhebung und Zurückverweisung begründet.

Grundlage der von dem Kläger angestrebten Zugunstenregelung ist § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X), wonach ein rechtswidriger nicht begünstigender Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, zurückzunehmen ist, wenn bei seinem Erlaß das Recht unrichtig angewandt und deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind. § 44 SGB X ist ohne die Modifizierung durch § 152 Abs 1 AFG (idF des 8. AFGÄndG vom 14. Dezember 1987, BGBl I S 2602), der eine Ermessensentscheidung vorsah, anzuwenden, weil diese Regelung in der hier anzuwendenden Fassung durch das Erste Gesetz zur Umsetzung des Spar-, Konsolidierungs- und Wachstumsprogramms (1. SKWPG vom 21. Dezember 1993, BGBl I S 2353) geändert worden und diese Modifizierung entfallen ist. Ob die Voraussetzungen des § 44 SGB X jedoch erfüllt und der die Alhi für die Zeit ab Ende November 1993 ablehnende Bescheid vom 22. Dezember 1993 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. März 1995 materiell rechtswidrig ist, kann aufgrund der bisher getroffenen tatsächlichen Feststellungen des LSG nicht beurteilt werden. Das LSG hat einen Anspruch auf Alhi verneint, weil der Kläger mit Rücksicht auf sein Vermögen und das Vermögen seiner Ehefrau nicht bedürftig sei; dieses Vermögen sei im Hinblick auf die voraussichtlichen Renteneinkünfte aus der gesetzlichen Rentenversicherung von insgesamt 2.800,00 DM monatlich und den Haus- und Grundbesitz zur Aufrechterhaltung einer angemessenen Alterssicherung nicht erforderlich und somit zu verwerten. Infolgedessen hat das LSG - von seiner Rechtsauffassung ausgehend - die weiteren Voraussetzungen für einen Anspruch des Klägers auf Alhi nach §§ 134 ff AFG nicht geprüft.

1) Nach § 134 Abs 1 Satz 1 AFG idF des 7. AFGÄndG vom 20. Dezember 1985 (BGBl I S 2484) hat Anspruch auf Alhi nur derjenige, der ua bedürftig ist.

Bedürftig iS von § 134 Abs 1 Satz 1 Nr 3 AFG ist nach § 137 Abs 1 AFG (idF des Gesetzes vom 21. Dezember 1974, BGBl I S 3656, bzw idF des 1. SKWPG) ein Arbeitsloser, soweit er seinen Unterhalt nicht auf andere Weise als durch Alhi bestreitet oder bestreiten kann und das Einkommen, das nach § 138 AFG zu berücksichtigen ist, die Alhi nach § 136 AFG nicht erreicht. Nicht bedürftig ist nach § 137 Abs 2 AFG (idF des 5. AFGÄndG vom 23. Juli 1979, BGBl I S 1189) ein Arbeitsloser, solange mit Rücksicht auf sein Vermögen oder das Vermögen seines nicht dauernd getrennt lebenden Ehegatten die Gewährung von Alhi offenbar nicht gerechtfertigt ist. Unter welchen Voraussetzungen dies der Fall ist, konkretisieren die auf der Ermächtigungsgrundlage des § 137 Abs 3 AFG beruhenden §§ 6 ff der AlhiVO (vom 7. August 1974, BGBl I S 1929 idF des Gesetzes vom 18. Dezember 1992, BGBl I S 2044). Nach § 6 Abs 1 AlhiVO ist ua das Vermögen des Arbeitslosen und seines nicht dauernd getrennt lebenden Ehegatten zu berücksichtigen, soweit es verwertbar, die Verwertung zumutbar und der Wert des Vermögens, dessen Verwertung zumutbar ist, jeweils 8.000,00 DM übersteigt. Mit dieser Regelung bringt der Gesetzgeber zum Ausdruck, daß der Arbeitslose grundsätzlich auch die Substanz seines Vermögens zu verwerten hat, bevor er Leistungen der Alhi in Anspruch nimmt (vgl BSG SozR 3-4220 § 6 Nr 4 S 5).

2) Zwar ist das Vermögen, über das der Kläger und seine Ehefrau verfügen, nämlich die Sparkassenbriefe im Wert von etwa 150.000,00 DM, die Anteile an dem Wertpapierfonds in Höhe von etwa 25.787,00 DM sowie die jeweiligen Lebensversicherungen, grundsätzlich verwertbar (§ 6 Abs 2 AlhiVO). Denn Wertpapiere und Lebensversicherungen können jeweils belastet und/oder auch verkauft werden (BSG SozR 3-4100 § 137 Nr 6 S 56; SozR 3-4220 § 6 Nr 4 S 5; vgl im übrigen zur Verwertung von gemeinsamem Vermögen eines Ehepaares im Hinblick auf die gegenseitige Unterhaltspflicht: BSG SozR 3-4220 § 6 Nr 4 S 6).

Ob und in welchem Umfang die Verwertung zumutbar ist, bestimmt § 6 Abs 3 AlhiVO. Nach Satz 1 dieser Vorschrift ist die Verwertung dann zumutbar, wenn sie nicht offensichtlich unwirtschaftlich ist und wenn sie unter Berücksichtigung einer angemessenen Lebenshaltung des Inhabers des Vermögens und seiner Angehörigen billigerweise erwartet werden kann. Satz 2 zählt unter den Nrn 1 bis 7 Regelbeispiele auf, bei deren Vorliegen von einer Unzumutbarkeit der Vermögensverwertung auszugehen ist. Der Verordnungsgeber hat ua, worauf sich der Kläger beruft, auch die Verwertung von Vermögen, das zur Aufrechterhaltung einer angemessenen Alterssicherung bestimmt ist (Nr 3 3. Alt), ausdrücklich als unzumutbar (Schonvermögen) bezeichnet und damit von einer Verwertung ausgenommen. In den zu § 6 AlhiVO ergangenen Entscheidungen hat das BSG insoweit darauf hingewiesen, daß eine die gesetzliche Altersrente ergänzende - private - Alterssicherung einem verbreiteten Bedürfnis entspreche und auch politisch befürwortet werde (vgl ua SozR 3-4220 § 6 Nr 4 S 7 f; SozR 3-4100 § 137 Nr 7 S 63). Jeder Einzelne soll sich gegen das Risiko des Alters (und der Invalidität) mehrfach absichern, und zwar durch die Kombination aus privater und sozialer Vorsorge; letztlich soll der Arbeitslose durch die Verwertung seines Vermögens nicht in die Lage gebracht werden, irgendwann einmal staatliche Hilfe zur Aufrechterhaltung seines Unterhalts in Anspruch nehmen zu müssen (vgl hierzu auch Fuchs, SGb 1994, S 292 f).

3) Ausgehend von diesen Zielvorgaben stellt sich im Rahmen des § 6 Abs 3 Satz 2 Nr 3 AlhiVO zunächst die Frage, ob der Arbeitslose bestimmt hat, daß sein Vermögen der Alterssicherung dienen soll (subjektive Zweckbestimmung) und sodann, ob die objektiven Begleitumstände bei der Anlage des Vermögens, wie etwa die Vertragsgestaltung, ferner das Alter des Versicherten und seine Familienverhältnisse im Einklang mit dieser subjektiven Zweckbestimmung stehen und diese damit glaubhaft ist (vgl hierzu BSG SozR 3-4100 § 137 Nr 7 S 62; Nr 9 S 72). Schließlich erfolgt in einem weiteren Schritt die Prüfung, ob das für die Altersvorsorge bestimmte Vermögen einer "angemessenen" Alterssicherung dient.

Das LSG hat ausgehend von seiner Rechtsauffassung keine Feststellungen hierzu getroffen. Es wird daher zunächst die subjektive Zweckbestimmung zu ermitteln und zu beurteilen haben, ob diese mit den ebenfalls festzustellenden objektiven Gegebenheiten in Einklang steht (vgl hierzu BSG SozR 3-4100 § 137 Nr 7 S 62 f). Bekannt sind zwar insoweit das Alter des Klägers und dessen Familienstand. Gerade der Vermögensbetrag von 120.000,00 DM, der - soweit erkennbar - bis 1996 in Form eines Sparkassenbriefs fest verzinslich angelegt war, sowie die Anteile aus dem Wertpapierfonds lassen jedoch nicht ohne weiteres den Schluß zu, daß das Vermögen auch tatsächlich einer zusätzlichen Alterssicherung dienen soll. Bei der Würdigung muß allerdings nicht negativ ins Gewicht fallen, daß die für einen bestimmten Zeitraum fest verzinslich angelegten Wertpapiere zwischenzeitlich fällig geworden sind. Zum einen kann eine ergänzende Alterssicherung auch stufenweise aufgebaut werden (vgl hierzu BSG SozR 3-4220 § 6 Nr 4 S 7; SozR 3-4100 § 137 Nr 7 S 63). Zum anderen ist insoweit nicht Voraussetzung, daß das der Alterssicherung dienende Vermögen nur in einer bestimmten und nur unter erschwerten Bedingungen und Verlusten kündbaren Anlageform festgelegt ist (vgl BSG SozR 3-4100 § 137 Nr 7 S 63).

4) Sollte das LSG feststellen, das Vermögen des Klägers und seiner Ehefrau (oder ein Teil davon) sei zur Aufrechterhaltung der Alterssicherung bestimmt, so wird es weiter zu prüfen haben, ob das Vermögen einer "angemessenen" Alterssicherung des Klägers und seiner Ehefrau dient.

a) Insoweit können die Ausführungen des 11. Senats im Urteil vom 29. Januar 1997 (SozR 3-4220 § 6 Nr 4 S 8 f) herangezogen werden. Das BSG hatte in dem dort entschiedenen Rechtsstreit die Angemessenheit der Alterssicherung iS von § 6 Abs 3 Satz 2 Nr 3 AlhiVO im Hinblick auf die Lebensstellung des Arbeitslosen bejaht und festgestellt, eine überschlägige Rechnung ergebe, daß die im Jahr 2006 fällige Versicherungsleistung von etwa 112.000,00 DM bis zu einer möglichen Verwertung als Alterssicherung bei entsprechender Anlage rund 150.000,00 DM betragen werde. Die sich aus diesem Kapital ergebende zusätzliche Alterssicherung für zwei Personen halte sich "im Rahmen des Angemessenen". Dabei hatte der 11. Senat im Hinblick auf die typisierende Regelung des § 6 Abs 3 Satz 2 Nr 3 AlhiVO betont, es bedürfe im Einzelfall keiner Prüfung, ob die Alterssicherung des Arbeitslosen und seiner Ehefrau auch ohne zusätzliche Sicherung - allein - durch die gesetzliche Rentenversicherung gewährleistet sei; bei der Beurteilung der Angemessenheit einer zusätzlichen Altersversorgung bleibe die zu erwartende individuelle Rente - ebenso wie Haus- und Grundbesitz - außer Betracht.

b) Wie der "Rahmen des Angemessenen" iS von § 6 Abs 3 Satz 2 Nr 3 AlhiVO zu bestimmen ist, hat der 11. Senat nicht näher dargelegt; er hat insbesondere nicht erkennen lassen, wie er den Grenzbetrag bestimmt, bei dessen Überschreitung das angesparte Vermögen bzw die sich daraus ergebende zusätzliche Alterssicherung nicht mehr angemessen ist. Ein Anhalt zur Konkretisierung des unbestimmten Rechtsbegriffs "angemessen" kann auch nicht etwa den übrigen, in § 6 Abs 3 Satz 2 Nrn 1 bis 7 AlhiVO aufgeführten Regelbeispielen entnommen werden. Sie enthalten keinen einheitlichen Bewertungsmaßstab (vgl hierzu § 6 Abs 1 und Abs 3 Nr 5 und Nr 7 AlhiVO; vgl hierzu auch Bleckmann, NVwZ 1992 S 954, 955 f). Im Interesse der Rechtssicherheit ist es jedoch erforderlich, einen allgemein verbindlichen Maßstab zu finden, der der Arbeitsverwaltung eine zügige Bearbeitung und zudem eine Gleichbehandlung sämtlicher Arbeitslosen - von Sonderfällen abgesehen - ermöglicht; eine derartige vereinfachte Bearbeitung ist im Hinblick darauf, daß die Arbeitsverwaltung in kurzer Zeit die Anspruchsvoraussetzungen für die Alhi in jedem einzelnen Fall festzustellen und zahlreiche Anträge zu bescheiden hat, sachlich gerechtfertigt (vgl hierzu BVerfGE 87, 234, 266 = SozR 3-4100 § 137 Nr 3). Zur Bestimmung dieses Maßstabs kann an das System der gesetzlichen Rentenversicherung angeknüpft werden, das vornehmlich der Alterssicherung dient. Denn wenn allgemein - und auch im Rahmen des Alhi-Rechts - für eine angemessene Alterssicherung ein Bedürfnis anerkannt wird, neben der Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung eine zusätzliche - private - Alterssicherung aufzubauen, bietet es sich an, auf die typischen Verhältnisse in der gesetzlichen Rentenversicherung zurückzugreifen, wie sie sich in dem ihr zugrundeliegenden Modell des "idealtypischen" Rentners (Standardrentners) und dem Sicherungsniveau der Standardrente ausdrücken. Beträgt die Lebensstandardsicherung dieses Rentners derzeit etwa 70 vH (Standardrentenniveau), erscheint es sachlich gerechtfertigt, typisierend - und von Sonderfällen abgesehen - als angemessene zusätzliche Alterssicherung einen Betrag anzusehen, der dem Standardrentner der gesetzlichen Rentenversicherung monatlich zusätzlich zufließen müßte, um statt einer Lebensstandardsicherung von 70 vH eine solche bis zu 100 vH zu erreichen.

Im Hinblick auf die bei der Ordnung von Massenerscheinungen, insbesondere auch im Rahmen des Alhi-Rechts zulässige und erforderliche Typisierung sowie auf die auch im Rahmen des § 6 Abs 3 Satz 2 Nr 3 AlhiVO zu beachtende politische Vorgabe, daß zur angemessenen Alterssicherung allgemein auch eine ergänzende (private) Vorsorge gehört, ist eine Anknüpfung an das Recht der gesetzlichen Rentenversicherung jedenfalls insoweit gerechtfertigt, als dem Rentensystem allgemeine Aussagen über das Sicherungsniveau der typischen Altersrente entnommen werden können. Der gesetzlichen Rentenversicherung liegt zwar generell das - im Sechsten Buch des Sozialgesetzbuchs (SGB VI) nur vage umschriebene - Ziel zugrunde, den bisher innegehabten Lebensstandard zu sichern. In welchem Umfang dieses Ziel verwirklicht ist bzw welches Sicherungsniveau die Altersrente der gesetzlichen Rentenversicherung erreicht, läßt sich allgemein nur anhand der Standardrente (Regelaltersrente eines Durchschnittsverdieners) bestimmen, der 45 Versicherungsjahre zugrunde liegen (vgl § 68 Abs 3 Satz 3 SGB VI). Aus den jeweils erzielten Durchschnittsverdiensten werden von diesem Standardrentner 45 Entgeltpunkte erreicht, die bei Multiplikation mit dem aktuellen Rentenwert die monatliche Rente des Standardrentners ergeben (vgl hierzu Ruland in: Handbuch der gesetzlichen Rentenversicherung, Kap 19 RdNrn 90, 91).

Der Senat geht davon aus, daß die (Brutto-)Standardrente den Lebensstandard derzeit zu etwa 70 vH sichert (vgl die Begründung zu § 68 SGB VI in BT-Drucks 13/8011; ferner Ruland, aaO, RdNrn 91, 92, zum Begriff des Standardrentenniveaus RdNr 100; im Hinblick auf die gebotene Typisierung wird hier vernachlässigt, daß die Relation von 70 vH das Netto-Standardrentenniveau ausdrückt). Kommt in dieser Relation zum Ausdruck, daß mit der Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung dem Standardrentner eine Sicherung seines Lebensstandards nur mit Einschränkungen gewährleistet wird, so kann die Standardrente zugleich als Ausgangsbetrag gewertet werden, von dem aus diese Rente aufzustocken wäre, um durch eine zusätzliche Sicherung eine insgesamt "angemessene" Lebensstandardsicherung zu erreichen. Liegt das Standardrentenniveau derzeit bei etwa 70 vH, kann - bei typisierender Betrachtung - jedenfalls im Regelfall eine Ergänzung bzw Aufstockung dieser Sicherung auf eine volle Absicherung des Lebensstandards (Anhebung des Standardrentenniveaus von 70 vH auf 100 vH) noch als angemessen angesehen werden. Für eine derartige volle Lebensstandardsicherung müßte der Standardrentner mithin über ein Vermögen verfügen, aus dem sich bei Eintritt in das Rentenalter eine zusätzliche Alterssicherung ergibt, die im Regelfall drei Siebtel der Brutto-Standardrente nicht überschreiten darf.

Bei der Berechnung des Betrags, bis zu dessen Höhe grundsätzlich noch eine "angemessene" zusätzliche - private - Alterssicherung angenommen werden kann und auch hinsichtlich der Berechnung des Schonvermögens muß - nicht nur aus Gründen der Praktikabilität - auf die Verhältnisse zum Zeitpunkt der Antragstellung abgestellt werden; denn § 6 Abs 3 Satz 2 Nr 3 AlhiVO stellt auf die "Aufrechterhaltung" der mit dem vorhandenen Vermögen erstrebten Alterssicherung ab. Bezogen auf den im November 1993 gestellten Alhi-Antrag ergibt sich hinsichtlich der "angemessenen" Alterssicherung folgende Berechnung: Bei einer (Brutto-)Standardrente im Jahre 1993 (Jahr der Antragstellung) in Höhe von 2.002,05 DM (45 <Entgeltpunkte> x 44,49 <aktueller Rentenwert für 1993>) und einem Sicherungsniveau von 70 vH beträgt die auf das Sicherungsniveau von 100 vH angehobene "volle" Rente 2.860,07 DM (2.002,05 DM x 100 : 70). Die Differenz von 858,02 DM (= drei Siebtel der Standardrente) entspricht dann dem zulässigen Aufstockungsbetrag. Dieser Betrag, der im Rahmen des § 6 Abs 3 Satz 2 Nr 3 AlhiVO auch bei einem Arbeitslosen als angemessene zusätzliche monatliche Alterssicherung zugrunde zu legen ist, ist bei Eheleuten zu verdoppeln, um auch dem Ehepartner eine angemessene Alterssicherung zu gewährleisten. Für den Kläger und seine Ehefrau wäre demnach eine monatliche zusätzliche Alterssicherung in Höhe von bis zu 1.716,00 DM als noch angemessen anzusehen.

Bezüglich der Frage, in welchem Umfang Vermögen, das der angemessenen Alterssicherung dient, als Schonvermögen bei der Bemessung der Alhi unberücksichtigt bleibt, ist mithin zu prüfen, ob das im Zeitpunkt der Antragstellung vorhandene und verwertbare Vermögen (vorliegend ca 180.000,00 DM) für den (gedachten) Fall, daß es in der Form einer laufenden monatlichen Rentenzahlung bei Kapitalverzehr angelegt würde, einen (monatlichen) Betrag ergibt, der sich in dem aufgezeigten Rahmen einer angemessenen zusätzlichen Alterssicherung bewegt oder ob der genannte Grenzwert (für beide Ehegatten jeweils drei Siebtel der Standardrente) überschritten wird. Bei den dazu erforderlichen Berechnungen ist im Hinblick auf die gebotene Typisierung davon auszugehen, daß der Arbeitslose im Zeitpunkt der Antragstellung das 65. Lebensjahr vollendet hat, daß die Laufzeit der zusätzlichen monatlichen Alterssicherung einer durchschnittlichen Lebenserwartung (vom 65. Lebensjahr an bis zu dem - bei durchschnittlicher Lebenserwartung anzunehmenden - Tod) entspricht und daß das angelegte Kapital während der Laufzeit der zusätzlichen Altersrente "verzehrt wird". Das LSG wird mithin - ggf unter Hinzuziehung eines Versicherungsfachmanns - festzustellen haben, wie hoch der nach den Regeln der Versicherungswirtschaft unter Berücksichtigung einer durchschnittlichen Lebenserwartung, der voraussichtlichen Höhe der Verzinsung und der voraussichtlichen wirtschaftlichen Entwicklung sich aus dem angelegten Vermögen ergebende monatliche Zahlbetrag bei kapitalverzehrender Anlage sein würde. Liegt er in der Spannbreite bis etwa 1.716,00 DM für beide Eheleute, bleibt das Vermögen des Arbeitslosen und seiner Ehefrau anrechnungsfrei. Umgekehrt kann aus dem Grenzwert (1.716,00 DM) unter Berücksichtigung der vorgenannten Kriterien errechnet werden, wie hoch das Vermögen sein darf, um noch als Schonvermögen iS von § 6 Abs 3 Satz 2 Nr 3 AlhiVO bei der Bemessung der Alhi unberücksichtigt zu bleiben.

Bei dieser - auf den Zeitpunkt der Antragstellung bezogenen - Betrachtungsweise bleibt unberücksichtigt, wie sich das zu diesem Zeitpunkt vorhandene (verwertbare) Vermögen des Arbeitslosen in der Zeit bis zur späteren Vollendung des 65. Lebensjahres entwickelt bzw erhöht und welche zusätzliche Alterssicherung sich zu diesem späteren Zeitpunkt aus dem angesparten Vermögen ergäbe. Abgesehen davon, daß es bei § 6 Abs 3 Satz 2 Nr 3 AlhiVO nur um die Aufrechterhaltung einer angemessenen Alterssicherung geht, ist die Vernachlässigung dieser Entwicklung auch im Hinblick darauf gerechtfertigt, daß Prognosen hinsichtlich der zukünftigen Entwicklung eines Vermögens ohnehin unsicher sind und insbesondere bei jüngeren Arbeitslosen häufig nicht abgesehen werden kann, welche Änderungen sich hinsichtlich des (zunächst) für die Alterssicherung bestimmten Vermögens ergeben. Ferner bleibt bei dieser Betrachtung - wovon auch der 11. Senat (SozR 3-4220 § 6 Nr 4) ausgegangen ist - die individuell zu erwartende (und hinsichtlich ihrer voraussichtlichen Höhe nur mit erheblichen Unschärfen zu prognostizierende) Rente des Arbeitslosen aus der gesetzlichen Rentenversicherung - ebenso eine zu erwartende Betriebsrente - grundsätzlich außer Betracht mit der Folge, daß sich die besonderen, in der Versicherungsbiographie des Arbeitslosen widerspiegelnden Lebensumstände bei der Bestimmung einer angemessenen zusätzlichen Alterssicherung weder positiv noch negativ auswirken. Besteht allerdings in atypischen Fällen (zB bei längerer Selbständigkeit, bei späterem Eintritt in die Rentenversicherung) hinsichtlich einer zusätzlichen Alterssicherung ein besonderes Sicherungsbedürfnis, kann dem ggf dadurch Rechnung getragen werden, daß die Begrenzung der angemessenen zusätzlichen Alterssicherung (auf bis zu drei Siebtel der Standardrente) erweitert wird.

Zunächst wird das LSG mithin die erforderlichen tatsächlichen Feststellungen zur Zweckbestimmung des - bei der Antragstellung vorhandenen - Vermögens nachzuholen haben, die es ausgehend von seiner Rechtsauffassung bisher nicht getroffen hat.

Sollte das LSG zu dem Ergebnis gelangen, daß das Vermögen des Klägers und seiner Ehefrau nicht oder nicht vollständig für eine zusätzliche Alterssicherung bestimmt ist oder das hierzu bestimmte Vermögen die Grenze der Angemessenheit übersteigt, wird es unter Berücksichtigung der vom Senat aufgestellten Grundsätze (vgl BSG SozR 3-4100 § 137 Nr 7 S 64) auch den Auffangtatbestand des § 6 Abs 3 Satz 1 AlhiVO zu prüfen und Feststellungen zu treffen haben, ob die Verwertung des Vermögens unter Berücksichtigung einer angemessenen Lebenshaltung des Klägers und seiner Angehörigen billigerweise erwartet werden kann. Sollte das LSG eine Bedürftigkeit des Klägers iS von § 137 AFG bejahen, wird es auch die übrigen Voraussetzungen für einen Anspruch auf Alhi, ua die Verfügbarkeit des Klägers in dem in Frage kommenden Zeitraum, zu prüfen und auch festzustellen haben, ob dem Kläger, wie seinen Angaben vom 3. August 1993 und vom 25. Februar 1995 entnommen werden könnte, Zinsen zugeflossen sind, die ggf als laufendes Einkommen zu berücksichtigen sind. Im übrigen ist anzumerken, daß die Beklagte über den Antrag des Klägers auf Alhi vom 15. Februar 1995 noch nicht entschieden hat.

Das LSG wird auch über die Kosten des Revisionsverfahrens mit zu entscheiden haben.

Ende der Entscheidung

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