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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundessozialgericht
Urteil verkündet am 07.02.2002
Aktenzeichen: B 7 AL 14/01 R
Rechtsgebiete: SGB III


Vorschriften:

SGB III § 415
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESSOZIALGERICHT Im Namen des Volkes Urteil

in dem Rechtsstreit

Verkündet am 7. Februar 2002

Az: B 7 AL 14/01 R

Der 7. Senat des Bundessozialgerichts hat auf die mündliche Verhandlung vom 7. Februar 2002 durch die Vizepräsidentin Dr. Wolff, die Richter Dr. Steinwedel und Dr. Spellbrink sowie den ehrenamtlichen Richter Dr. Stemmer und die ehrenamtliche Richterin Dörr

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt vom 23. November 2000 aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.

Gründe:

I

Die beklagte Bundesanstalt für Arbeit wendet sich gegen die im Berufungsurteil getroffene Feststellung, dass der Antrag der Klägerin auf Förderung der Einstellung eines Arbeitnehmers zu Unrecht abgelehnt worden sei.

Die Klägerin, ein Unternehmen der Baubranche im Beitrittsgebiet, beantragte mit einem am 29. Juli 1998 bei der Beklagten eingegangenen "Antrag auf eine Strukturanpassungsmaßnahme Ost für Wirtschaftsunternehmen" die Förderung der zusätzlichen Einstellung einer Bürokauffrau im Bereich Buchhaltung/Rechnungswesen für den Zeitraum vom 10. August 1998 bis zum 9. August 1999. Sie gab an, derzeit seien im Betrieb 142 Arbeitnehmer vollzeitbeschäftigt; diese Zahl habe sich gegenüber dem Stand vor sechs Monaten nicht verringert. Jedoch sei eine Verringerung des gegenwärtigen Personalstands bis zum Zeitpunkt des Endes der beantragten Förderung insoweit absehbar, als es sich um befristet eingestellte Mitarbeiter für die Überbrückung des Urlaubszeitraumes handele. Die Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 16. September 1998 und Widerspruchsbescheid vom 9. März 1999 unter Hinweis auf diese Angaben ab; es sei unerheblich, aus welchen Gründen es zur Reduzierung der Beschäftigtenzahl komme.

Auf die Klage hat das Sozialgericht Magdeburg (SG) die Beklagte mit Urteil vom 13. Oktober 1999 verurteilt, die Klägerin hinsichtlich der Gewährung von Strukturanpassungsmaßnahmen Ost für eine Bürokauffrau in der Zeit vom 10. August 1998 bis 9. August 1999 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden. Nach Sinn und Zweck der im vorliegenden Fall streitigen - negativen - Tatbestandsvoraussetzungen des § 415 Abs 3 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) stehe diese Vorschrift einer Verringerung der Mitarbeiterzahl dann nicht entgegen, wenn die Arbeitsplätze des neu eingestellten Mitarbeiters und die der entlassenen, nicht weiterbeschäftigten oder nicht übernommenen Mitarbeiter so stark voneinander abwichen, dass eine Einarbeitung des bisher beschäftigten Arbeitnehmers in die neu zu besetzende Position unmöglich erscheine; damit sei der vom Gesetzgeber nicht erwünschte "Drehtüreffekt" nicht gegeben.

Mit Urteil vom 23. November 2000 hat das Landessozialgericht Sachsen-Anhalt (LSG) die Berufung der Beklagten mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Tenor des erstinstanzlichen Urteils neugefasst werde; es werde festgestellt, dass der Bescheid vom 16. September 1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. März 1999, mit dem die Beklagte die Förderung der Beschäftigung einer Bürokauffrau für die Zeit vom 10. August 1998 bis zum 9. August 1999 abgelehnt habe, rechtswidrig gewesen sei. Der Klageantrag sei nur im Sinne des in der Berufungsinstanz ausdrücklich hilfsweise gestellten Fortsetzungsfeststellungsantrags zulässig; in diesem Sinne sei das Klagebegehren auch schon bei sachgemäßer Auslegung des erstinstanzlichen Antrags zu verstehen gewesen, da der angefochtene Verwaltungsakt sich bereits durch Zeitablauf erledigt gehabt habe. Das erforderliche Feststellungsinteresse der Klägerin bestehe im Hinblick auf einen möglichen erneuten Förderungsantrag. Zu Recht habe das SG entschieden, dass die Beklagte eine Ermessensentscheidung über den Antrag der Klägerin zu treffen gehabt habe; eine Förderung sei nicht bereits wegen des Vorliegens eines Ausschlusstatbestandes ausgeschieden. Entgegen der Meinung der Klägerin führten zwar auch der Rückgang der Anzahl der im Betrieb Beschäftigten, der auf ein Auslaufen befristeter Arbeitsverträge während des Beschäftigungszeitraums zurückzuführen sei, zum Ausschluss einer Förderung nach § 415 Abs 3 SGB III. Ein solcher sei jedoch nur dann gerechtfertigt, wenn sich nicht nur die Zahl der im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer vermindere, sondern auch tatsächlich Arbeitsplätze abgebaut würden oder für die Einstellung eines Arbeitslosen zur Inanspruchnahme von Fördermitteln "frei gemacht" werden sollten. Beim Auslaufen befristeter "arbeitsplatzneutraler" Beschäftigungsverhältnisse sei dies jedoch nicht der Fall. Um derartige Beschäftigungsverhältnisse handele es sich im vorliegenden Fall. Sei ein Arbeitnehmer nur befristet, bis zur Rückkehr des festbeschäftigten Arbeitnehmers, eingestellt, so bedeute das Auslaufen des befristeten Beschäftigungsverhältnisses keinen Personalabbau, sondern nur die Herstellung des "Status quo". Das Ausscheiden eines befristet beschäftigten Arbeitnehmers sei jedoch dann förderungsschädlich, wenn dieser Arbeitnehmer nach seiner Qualifikation und Eignung für den Arbeitsplatz in Betracht komme, für den die Einstellung des Arbeitslosen begehrt werde. Dies sei jedoch konkret nicht der Fall. Die im Berufungsurteil gefundene Auslegung des § 415 Abs 3 SGB III sei auch deswegen geboten, weil sonst jene Betriebe von vornherein aus der Förderung ausgegrenzt würden, die regelmäßig während der Hauptferienzeit auf Aushilfskräfte angewiesen seien. Bestätigt werde diese Auffassung auch durch die Verwaltungspraxis der Beklagten, wonach bei Saisonbetrieben eine Einzelfallprüfung nach inhaltlichen Kriterien erfolge, die nicht allein auf die Zahl der im Betrieb während des nach § 415 Abs 3 Satz 1 Nr 1 (jetzt Satz 2 Nr 1) SGB III maßgeblichen Zeitraumes beschäftigten Arbeitnehmer abstelle.

Mit ihrer vom LSG zugelassenen Revision rügt die Beklagte eine Verletzung des § 415 SGB III. Die vom LSG gefundene Auslegung widerspreche der vom Gesetzgeber gewollten einfachen pauschalierenden Regelung. In § 415 Abs 3 SGB III werde allein auf die Zahl der in dem Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer abgestellt. Eine Prüfung, ob ein entlassener Arbeitnehmer für den Arbeitsplatz in Betracht komme, für den eine Förderung begehrt werde, sei vom Gesetzgeber nicht gewollt und in der Praxis auch nicht durchführbar. Bei der Ermittlung der Zahl der beschäftigten Arbeitnehmer gehe sie (die Beklagte) aus verwaltungsökonomischen Gründen von Stichtagen aus. Die Erhebung erfolge sechs Monate vor dem Antragsmonat, im Antragsmonat sowie am Ende der Förderungsdauer. Wenn ein befristetes Arbeitsverhältnis nicht in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis umgewandelt oder verlängert werde, liege hierin eine förderungsausschließende Verringerung der Beschäftigtenzahl. Besonderheiten der Arbeitsabläufe in den einzelnen Betrieben könnten dabei keine Berücksichtigung finden. Wollte man der Auffassung des LSG folgen, wäre in jedem Fall einer Entlassung zu prüfen, ob der ausgeschiedene Arbeitnehmer für den Arbeitsplatz in Betracht gekommen wäre, für den die Förderung der Einstellung des Arbeitslosen beantragt werde. Dies sei in der Praxis nicht durchführbar.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt vom 23. November 2000 und das Urteil des Sozialgerichts Magdeburg vom 13. Oktober 1999 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin verteidigt das Berufungsurteil und beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie trägt vor, auch angesichts der verschärften Förderungsvoraussetzungen sei sie nach wie vor - unter der Erwartung einer Besserung der Auftragslage - an einer Förderung interessiert; auch in den Folgejahren nach 1998 seien durchgehend befristete Arbeitsverträge zur Urlaubsüberbrückung abgeschlossen worden.

II

Die zulässige Revision der Beklagten ist im Sinne der Zurückverweisung begründet. Auf der Grundlage der vom LSG festgestellten Tatsachen kann nicht entschieden werden, ob die angefochtenen Bescheide rechtmäßig waren und damit die - angesichts der Erklärungen der Klägerin zulässige - Fortsetzungsfeststellungsklage begründet ist. Nach wie vor ist zweifelhaft, ob im Fall der Klägerin die gesetzlichen Voraussetzungen für den Lohnkostenzuschuss (Ost) nach § 415 Abs 3 SGB III erfüllt waren.

Nach § 415 Abs 3 Satz 1 SGB III (in der damals maßgebenden Fassung durch das Erste SGB III-Änderungsgesetz <1. SGB III-ÄndG> vom 16. Dezember 1997, BGBl I 2970) waren im Beitrittsgebiet und in Berlin (West) als Strukturanpassungsmaßnahmen auch zusätzliche Einstellungen arbeitsloser Arbeitnehmer in Wirtschaftsunternehmen im gewerblichen Bereich förderungsfähig, wenn der Arbeitgeber

1. in einem Zeitraum von mindestens sechs Monaten vor der Förderung die Zahl der in dem Betrieb bereits beschäftigten Arbeitnehmer nicht verringert hat und während der Dauer der Zuweisung nicht verringert und

2. für die Arbeitnehmer während der Zuweisung berufliche Qualifizierung vorsieht, die die Vermittlungschancen der Arbeitnehmer im Anschluss an die Zuweisung verbessern kann.

Die Sätze 2 bis 5 der Vorschrift regelten weitere Einzelheiten, wie die Förderungsdauer und die Höchstzahl der zu fördernden Arbeitnehmer je Betrieb.

Problematisch ist die Erfüllung der Voraussetzung des § 415 Abs 3 Satz 1 Nr 1 SGB III. Die Beklagte meint, die Klägerin habe im Sinne dieser Vorschrift während der beantragten Förderungsdauer (10. August 1998 bis 9. August 1999) die Zahl der in dem Betrieb bereits beschäftigten Arbeitnehmer dadurch verringert, dass befristete Arbeitsverträge ausgelaufen seien, wie bereits bei Antragstellung angegeben. Nach ihrem Vortrag im Widerspruchsverfahren hatte die Klägerin im Sommer 1998 - zwischen Mai und September - mehrere Arbeitnehmer (Höchststand im Juli 1998: 20) auf der Grundlage befristeter Arbeitsverträge angestellt; diese seien bis Ende September 1998 ausgelaufen gewesen. Damit habe sich die Beschäftigtenzahl von 127 im April 1998 bis auf 150 im Juli 1998 er-höht; im Oktober 1998 seien nur noch 132 unbefristet beschäftigte Arbeitnehmer im Betrieb gewesen.

1. Mit der Beklagten und dem LSG ist davon auszugehen, dass auch eine Abnahme der Zahl der Arbeitnehmer durch Auslaufen befristeter Beschäftigungsverhältnisse iS des § 415 Abs 3 Satz 1 Nr 1 SGB III eine Verringerung der Zahl der in dem Betrieb bereits beschäftigten Arbeitnehmer darstellen kann.

Denn "der Arbeitgeber ... verringert" die Zahl der in dem Betrieb bereits beschäftigten Arbeitnehmer auch dadurch, dass er ohne sein Zutun freiwerdende Arbeitsplätze (zB durch Arbeitnehmerkündigung oder aber - wie hier - durch Auslaufen eines befristeten Arbeitsvertrags) nicht erneut besetzt. Wie aus den Gesetzesmaterialien zur Vorgängervorschrift des § 415 Abs 3 SGB III, § 249h Abs 4b Arbeitsförderungsgesetz (eingeführt durch Art 11 Nr 44 Buchst e des Arbeitsförderungs-Reformgesetzes vom 24. März 1997, BGBl I 594, mit Wirkung ab 1. April 1997), hervorgeht, sollten durch die damals in Satz 1 Nr 2 jener Vorschrift enthaltene Forderung, dass der Arbeitgeber die Zahl der in dem Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer nicht verringert, "Betriebe, die Personal abbauen oder innerhalb des vergangenen halben Jahres abgebaut haben", von der Förderung ausgenommen werden (BT-Drucks 13/5936, S 43, zu Art 14 Nr 11, Buchst e). Durch diese Gesetzesbegründung aber wird deutlich, dass es nicht etwa auf aktives Tätigwerden des Arbeitgebers zur Verringerung seines Personalbestandes ankommt, sondern auf das objektive Vorliegen eines Personalabbaus (aA Schlegel in: Hennig, SGB III, § 415 RdNr 42, Stand: 1999). Im Übrigen kann durchaus auch ein vom Arbeitgeber beabsichtigter Personalabbau allein dadurch vorgenommen werden, dass durch zufällige Fluktuation freiwerdende Arbeitsstellen nicht mehr besetzt werden.

2. Entgegen der Rechtsmeinung des LSG kann von dieser förderungsschädlichen Wirkung des Auslaufens befristeter Arbeitsverhältnisse auch nicht in jenen Fällen abgesehen werden, in denen "arbeitsplatzneutrale" befristete Beschäftigungsverhältnisse auslaufen. Hierunter versteht das LSG solche, die begründet werden, um Vakanzen (auf Grund längerer Krankheit, Urlaubs oder aus anderen Gründen) von Mitgliedern der Stammbelegschaft auszugleichen. Hierbei solle ausreichen, wenn sich auf Grund der Besonderheiten des Arbeitsablaufes plausibel ohne schwierige Prüfung der tatsächlichen Verhältnisse ergebe, dass die Befristung der Aufrechterhaltung der Produktion im gewünschten Umfange während der Abwesenheitszeit diene und sich dies auch in der arbeitsvertraglichen Begründung für die Befristung niederschlage. Hiervon soll aber nach Meinung des LSG wiederum eine Ausnahme gelten, wenn der ausscheidende befristet beschäftigte Arbeitnehmer nach seiner Qualifikation und Eignung für den Arbeitsplatz in Betracht komme, für den die Förderung der Einstellung eines Arbeitslosen begehrt werde.

Abgesehen davon, dass der Wortlaut der hier angewandten Regelung des § 415 Abs 3 SGB III für eine derartige Auslegung keinen Anhalt bietet, steht sie auch mit deren Sinn und Zweck nicht in Einklang. Sie stellt zu sehr auf Einzelheiten ab - Differenzierung nicht lediglich danach, ob ein befristetes oder Dauer-Arbeitsverhältnis begründet wurde, sondern auch nach dem Grund der Befristung, nach dem Inhalt des Arbeitsvertrages und sogar nach der individuellen Qualifikation und Eignung des einzelnen Arbeitnehmers -.

Eine derartige Einzelfallprüfung ist aber im Rahmen des § 415 Abs 3 Satz 1 Nr 1 SGB III nicht angebracht. Bei dem in dieser Vorschrift geregelten Lohnkostenzuschuss (Ost) als Sonderfall von Strukturanpassungsmaßnahmen im Beitrittsgebiet und in Berlin (West), handelt es sich um ein großzügiges Angebot an Arbeitgeber im gesamten gewerblichen Bereich (vgl Weiland, BB 1997, 938, 945; Kopp, NZS 1997, 456, 458), bei dem die einschränkenden Voraussetzungen, die für Strukturanpassungsmaßnahmen (nach dem AFG: Maßnahmen der Produktiven Arbeitsförderung) zuvor - und auch weiterhin für den Westteil der Bundesrepublik - galten, weitgehend wegfielen. Bis zur Neufassung des § 415 Abs 3 SGB III durch das Zweite SGB III-Änderungsgesetz vom 21. Juli 1999 (BGBl I 1648) mit Wirkung ab 1. August 1999 war die Förderung nicht auf Arbeitnehmer mit besonderen Vermittlungserschwernissen beschränkt. Die Großzügigkeit der Förderungsvoraussetzungen nach dem damaligen Rechtszustand zeigte sich auch darin, dass für die zugewiesenen Arbeitnehmer nur deren Arbeitslosigkeit vorausgesetzt wurde; eine weitere, individuelle Prüfung war insoweit nicht erforderlich. Darüber hinaus stellte § 415 Abs 3 SGB III idF des 1. SGB III-ÄndG - neben der hier streitigen Voraussetzung zum Personalstand (aaO, Satz 1 Nr 1) - lediglich darauf ab, dass der Arbeitgeber während der Zuweisung eine berufliche Qualifizierung der Arbeitnehmer vorzusehen hatte (aaO, Satz 1 Nr 2). Hierzu kam die vor dem Hintergrund des Lohnniveaus in Ostdeutschland attraktive Förderhöhe (im Jahre 1998 bis zu DM 2.162,--/Monat: Buslei/Steiner, Beschäftigungseffekte von Lohnsubventionen im Niedriglohnbereich, ZEW Wirtschaftsanalysen, Band 42, 1999, S 51).

Es war absehbar, dass dieses Angebot auf einen regen Zuspruch bei der Wirtschaft stoßen würde (hierzu Baumann ua, AuB 1999, 8, 12 ; s auch Meyer, NZS 2000, 14, 15: "aus betrieblicher Sicht ... eine interessante Fördervariante"). Dementsprechend stieg die Zahl der geförderten Arbeitnehmer bis zu einem Höchststand von knapp 160.000 im Januar 1999, sodass allein hierdurch die Arbeitslosenquote in Ostdeutschland 1999 um über 1,7 Prozentpunkte sank (Hagen/Steiner, Von der Finanzierung der Arbeitslosigkeit zur Förderung von Arbeit, ZEW Wirtschaftsanalysen, Band 51, 2000, S 132 f).

Wenn aber das Gesetz die Förderungsvoraussetzungen möglichst einfach und typisierend gestaltet und damit - vorhersehbar - eine große Nachfrage nach den Förderungsleistungen hervorruft, widerspricht es seiner Intention, wenn zur Entscheidung über eine der Förderungsvoraussetzungen ins Einzelne gehende Nachforschungen verlangt werden - bis hin zur Überprüfung, ob anderweitig ausgeschiedene Arbeitnehmer eine bestimmte Qualifikation und Eignung aufgewiesen haben. Da bereits die Förderungsvoraussetzungen im Übrigen kaum Gewähr leisten, dass Mitnahmeeffekte vermieden werden (s Baumann ua, AuB 1999, 8, 12; BT-Drucks 14/873 S 19 zu Nr 49 <§ 415> Buchst b), spricht alles gegen ihre noch weiter gehende Ausdehnung auf Kosten der Durchführbarkeit des Gesetzes, wie sie aus der vom LSG vertretenen Rechtsmeinung folgt.

Gerade die Großzügigkeit der Förderungsvoraussetzungen erlaubt auch, zur Frage des Personalstandes die zur Verwaltungsvereinfachung erforderlichen groben, pauschalierenden Maßstäbe anzulegen, ohne mit dem Gleichheitsgebot (Art 3 Abs 1 Grundgesetz) in Konflikt zu kommen. Es geht im vorliegenden Fall nicht um einen Eingriff in die Rechte der Klägerin, sondern um die Frage, inwieweit sie Ansprüche auf die Förderung der Einstellung eines zusätzlichen Arbeitnehmers im Rahmen einer vor allem zum Abbau der Arbeitslosigkeit - und nicht zur Wirtschaftsförderung - gedachten Regelung geltend machen kann.

3. Mit dem (zu 1. und 2.) gewonnenen Ergebnis ist jedoch noch nicht entschieden, dass die Klägerin in der Tat iS des § 415 Abs 3 Satz 1 Nr 1 SGB III die Zahl ihrer Arbeitnehmer förderungsschädlich verringert hat. Denn hierzu kann - anders als die Beklagte im vorliegenden Fall angenommen hat - nicht ausreichen, dass sich irgendwann innerhalb der dort genannten Zeiträume (mindestens sechs Monate vor Beginn der Förderung bis zu ihrem Beginn sowie während der Dauer der Zuweisung) der Personalstand verringert. Dies widerspräche sowohl der vom Gesetzgeber intendierten möglichst pauschalen Abwicklung jenes Massenverfahrens als auch den damit verfolgten arbeitsmarktpolitischen Zwecken.

Die bei Bearbeitung der Förderungsanträge geltenden Kriterien müssen auch bei Beginn und nach Ablauf der Förderung leicht überprüfbar sein. Es kann nicht lediglich darauf ankommen, dass der Arbeitgeber in seinem Antrag die Frage nach der Absehbarkeit einer Verringerung des gegenwärtigen Personalstands verneint; vielmehr setzt die Förderung voraus, dass er tatsächlich "die Zahl der in dem Betrieb bereits beschäftigten Arbeitnehmer ... während der Dauer der Zuweisung nicht verringert". Hiermit wiederum kann nicht gemeint sein, dass während der Förderung oder nach ihrem Ende jede Schwankung im Personalstand während jener Zeit nachzuvollziehen ist und bereits eine einzige feststellbare Verringerung förderungsschädlich wäre, selbst wenn sie durch vorherige oder spätere Stellenmehrungen ausgeglichen wäre. Denn sonst stünde zB bereits der plötzliche Todesfall eines Mitarbeiters, dessen Stelle nicht sogleich wiederbesetzt werden konnte, einer Förderung ebenso entgegen wie die Ersetzung eines ausscheidenden Mitarbeiters durch einen neuen, der zur Einarbeitung bereits kurz vor Abgang des bisherigen Stelleninhabers eingestellt wird - obwohl in beiden Fällen der Personalstand im Ergebnis gleich bleibt, da die Verringerung selbst nur kurzfristig ist oder eine ebenso kurzfristige Erhöhung ausgleicht.

Vielmehr stellt die genannte Förderungsvoraussetzung, der Personalstand dürfe sich "in einem Zeitraum von mindestens sechs Monaten vor der Förderung" und "während der Dauer der Zuweisung" nicht verringern, auf einen Vergleich des Personalstands zum Zeitpunkt dreier Stichtage - nämlich (mindestens) sechs Monate vor, zu Beginn und am Ende der Förderung - ab. Es ist also - jeweils bezogen auf einen Anfangs- und einen Endstichtag - die Differenz der Arbeitnehmerzahl festzustellen. Die Prüfung anhand von Stichtagen entspricht auch der Verwaltungspraxis der Beklagten. Soweit diese jedoch - wie von der Revision vorgetragen (s auch Durchführungsanweisungen SAM und SAM OfW DA 415. 33 <1> und <2>) - "aus Gründen der Verwaltungsökonomie" andere als die genannten Stichtage heranzieht (nämlich die Zeitpunkte sechs Monate vor dem Antragsmonat/im Antragsmonat/am Ende der Förderungsdauer und lediglich im Fall einer "unbilligen Härte" auf den "im Gesetz vorgesehenen Zeitpunkt unmittelbar vor Beginn der Förderung" abheben will), ist dies vom Gesetz nicht gedeckt.

Allerdings widerspricht die Verfahrensweise der Beklagten im vorliegenden Fall sowohl dem Gesetz als auch ihrer eigenen, sonstigen Verwaltungspraxis: Nicht ein Personalabbau bis zum Zeitpunkt des Auslaufens der befristeten Arbeitsverträge (Oktober 1998) konnte hier relevant sein, sondern ein solcher bis zum Ende der - beantragten - Förderung (August 1999). Hierzu aber fehlen jegliche Feststellungen des LSG. Hinsichtlich des Personalstandes im August 1998 (Beginn der beantragten Förderung) gibt das Berufungsurteil zwar Angaben der Klägerin wieder ("148 Arbeitsplätze"); für den Personalstand im Februar 1998 (sechs Monate vor der Förderung) und im August 1999 (Ende der beantragten Förderung) jedoch fehlen alle Anhaltspunkte. Allein die Angabe der Klägerin im Antragsformular, eine Verringerung des gegenwärtigen Personalstands bis zum Zeitpunkt des Endes der beantragten Förderung sei insoweit absehbar, als es sich um befristet eingestellte Mitarbeiter für die Überbrückung des Urlaubszeitraumes handele, kann als Begründung für die Ablehnung des Antrags nicht ausreichen. Denn bereits diese Antwort legt nahe, dass sie nicht auf den im August 1999 zu erwartenden Personalstand abstellt.

Die fehlenden Feststellungen wird das LSG nachzuholen haben.

Beim gegenwärtigen Streitstand sieht der Senat von einer Festlegung dahingehend ab, ob sich aus den drei angegebenen Stichtagen die Vergleichspaare

Ia) ("mindestens") sechs Monate vor Beginn der Förderung/Beginn der Förderung und

b) Beginn der Förderung/Ende der Förderung

oder

IIa) ("mindestens") sechs Monate vor Beginn der Förderung/Beginn der Förderung und

b) ("mindestens") sechs Monate vor Beginn der Förderung/Ende der Förderung

ergeben. Beide Alternativen sind mit dem Gesetzeswortlaut vereinbar. Sie unterscheiden sich dadurch, dass bei der Alternative (II) ein Personalabbau zwischen dem Beginn der Förderung und dem Ende der Förderung irrelevant ist, weil dann der Anfangsstichtag bei beiden Alternativen sechs Monate vor Förderungsbeginn liegt. Ob es im vorliegenden Fall hierauf ankommen kann, ist noch nicht ersichtlich. Ebenso wenig sieht sich der Senat genötigt, zur Auslegung des Wortes "mindestens" in § 415 Abs 3 Satz 1 Nr 1 SGB III Stellung zu nehmen.

Das LSG wird auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu befinden haben.

Ende der Entscheidung

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