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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundessozialgericht
Urteil verkündet am 21.07.2009
Aktenzeichen: B 7 AL 3/08 R
Rechtsgebiete: SGB III, AÜG, NachwG, BGB


Vorschriften:

SGB III F: 23.12.2003 § 169 Nr 1
SGB III F: 23.12.2003 § 170 Abs 1 Nr 3
SGB III F: 23.12.2003 § 170 Abs 4 S 2 Nr 1
AÜG F: 23.12.2002 § 11 Abs 4 S 2
AÜG F: 02.03.2009 § 11 Abs 4
NachwG F: 13.07.2001 § 2 Abs 1 Nr 7
NachwG F: 20.07.1995 § 3
BGB § 134
BGB § 615 S 1

Entscheidung wurde am 10.11.2009 korrigiert: die Rechtsgebiete, die Vorschriften und der Verfahrensgang wurden geändert, Stichworte und ein amtlicher Leitsatz wurden hinzugefügt.
Der Arbeitsausfall von Arbeitnehmern in einem Betrieb der gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung ist branchenüblich; er gilt deshalb regelmäßig als vermeidbar, sodass kein Kurzarbeitergeld gezahlt werden kann.
BUNDESSOZIALGERICHT Im Namen des Volkes Urteil

Verkündet am 21.7.2009

in dem Rechtsstreit

Az: B 7 AL 3/08 R

Der 7. Senat des Bundessozialgerichts hat auf die mündliche Verhandlung vom 21.7.2009 durch den Vorsitzenden Richter Eicher, den Richter Coseriu und die Richterin Behrend sowie die ehrenamtliche Richterin Gehrke und den ehrenamtlichen Richter Prof. Dr. Dauber

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 14.12.2007 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I

Im Streit ist die Zahlung von Kurzarbeitergeld (Kug) für die Zeit vom 1.3. bis 31.5.2005.

Die Klägerin ist seit 1977 im Besitz einer Erlaubnis zur gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung nach § 1 Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG). Neben ihrem Hauptsitz in M. führt sie eine Niederlassung in L., für die kein Betriebsrat existiert. Ihre Arbeitnehmer beschäftigt sie auf der Grundlage von Leiharbeitsverträgen, setzt sie aber nicht nur im Wege des Verleihs bei anderen Arbeitgebern, sondern auch im eigenen Industriemontagebereich ein. Ab 1.3.2005 führte sie in der Niederlassung L. im Bereich Montage Kurzarbeit ein, zeigte am 31.3.2005 bei der Beklagten einen Arbeitsausfall an und beantragte "Kug für die Zeit von März bis August 2005". Die Kurzarbeit wurde ab 1.6.2005 wieder beendet. Die Beklagte lehnte die Zahlung von Kug mit der Begründung ab, nach § 11 Abs 4 AÜG bestehe ein Entgeltanspruch auch für Zeiten, in denen der Leiharbeitnehmer seine Arbeitskraft bereithalte und einsetzen könne, der Verleiher sie aber nicht nutzen könne (Bescheid vom 25.4.2005; Widerspruchsbescheid vom 28.12.2005).

Während das Sozialgericht (SG) Mannheim die Beklagte verurteilt hat, "der Klägerin Kurzarbeitergeld nach den gesetzlichen Bestimmungen für März bis Mai 2005 zu zahlen" (Urteil vom 15.8.2006), hat das Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen (Urteil vom 14.12.2007). Zur Begründung seiner Entscheidung hat das LSG ausgeführt, es fehle an einer wirksamen Vereinbarung der Kurzarbeit. Unabhängig davon, dass die Vereinbarungen nicht erkennen ließen, für welchen Zeitraum und in welchem Umfang die arbeitsvertraglich vereinbarte Arbeitszeit verringert werden solle, stehe ihr § 11 Abs 4 Satz 2 AÜG entgegen, wonach die grundsätzlich disponible Regelung des § 615 Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) für die unter den Anwendungsbereich des AÜG fallenden Arbeitsverhältnisse zwingend sei. Danach trage die Klägerin das Risiko für den Fall, dass sich die Möglichkeit, Arbeitnehmer an Dritte zu verleihen, auf Grund fehlender Entleihernachfrage nicht realisieren lasse. Die Vereinbarung von Kurzarbeit beinhalte eine Umgehung von § 11 Abs 4 Satz 2 AÜG iVm § 615 BGB, mit der Folge ihrer Nichtigkeit nach § 134 BGB. Das Arbeitgeberrisiko des Verleihers sei (nur) durch die grundsätzliche Möglichkeit, auch Leiharbeitnehmern betriebsbedingt zu kündigen, begrenzt. Eine Vereinbarung von Kurzarbeit sei deshalb nur dann nicht als Umgehung von § 11 Abs 4 Satz 2 AÜG iVm § 615 Satz 1 BGB anzusehen, wenn eine solche betriebsbedingte Kündigung wirksam ausgesprochen werden könne. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) seien aber kurzfristige Auftragslücken bei einem Leiharbeitsunternehmen nicht geeignet, eine betriebsbedingte Kündigung zu rechtfertigen, weil sie zum typischen Wirtschaftsrisiko dieses Unternehmens gehörten. Eine kurzfristige Auftragslücke sei bei einer Dauer von drei Monaten anzunehmen. Die Rückkehr zur regelmäßigen betriebsüblichen Arbeitszeit sei vorliegend bereits ab Juni 2005 erfolgt. Selbst wenn die Dauer des Arbeitsausfalls eine zu Beginn der Kurzarbeit zu stellende Prognose erfordere, stehe fest, dass eine realistische Prognose schon im März 2005 keine ungünstigere Annahme gerechtfertigt hätte.

Mit ihrer Revision rügt die Klägerin eine Verletzung der §§ 169, 170 Sozialgesetzbuch Drittes Buch - Arbeitsförderung - (SGB III). Schon vor der Anzeige über den Arbeitsausfall habe ein erheblicher Auftragsmangel bestanden. Unverbrauchte Arbeitszeitguthaben habe es nicht mehr gegeben. Die betreffenden Monteure hätten Minusstunden verzeichnet, die sie teilweise bis heute noch nicht wieder aufgeholt hätten. Es handele sich nicht nur um branchenübliche kurzfristige Auftragslücken iS von § 170 Abs 4 Nr 1 SGB III, für die sie das unternehmerische Risiko allein zu tragen habe. Ein Arbeitsausfall sei von März bis August 2005 zu erwarten und eine Rückkehr zur Vollarbeit mit Ablauf des 31.5.2005 nicht absehbar gewesen. Zum Zeitpunkt des Antrages auf Kug sei diese Prognose realistisch gewesen. Die Vereinbarung von Kurzarbeit verstoße nicht gegen ein gesetzliches Verbot; Arbeitszeitvereinbarungen seien mit dem AÜG vereinbar. Aus § 11 Abs 4 Satz 2 AÜG folge nicht, dass einzelvertragliche Abreden - wie vorliegend - zwischen Verleiher und Leiharbeitnehmer unzulässig wären.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des LSG aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG zurückzuweisen.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie ist der Ansicht, dass das Urteil des LSG nicht zu beanstanden sei.

II

Die Revision der Klägerin ist nicht begründet (§ 170 Abs 1 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz [SGG]). Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Zahlung von Kug für März bis Mai 2005.

Gegenstand des Verfahrens, das die Klägerin als Prozessstandschafterin führt (vgl dazu: BSGE 22, 181, 183 = SozR Nr 26 zu § 144 SGG Blatt Da11 Rücks; BSGE 38, 94, 95 f = SozR 1500 § 75 Nr 4 S 3 f; BSG SozR 4-4300 § 323 Nr 1 RdNr 11 und SozR 4-4300 § 175 Nr 1 RdNr 10), ist der Bescheid vom 25.4.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.12.2005, gegen den sich die Klägerin mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 1 Satz 1 iVm Abs 4, § 56 SGG) wehrt. Lehnt die Bundesagentur für Arbeit im zweistufigen Verwaltungsverfahren für die Gewährung von Leistungen bei Kurzarbeit (vgl zum Verwaltungsverfahren: BSG, Urteil vom 15.2.1990 - 7 RAr 22/89 -, NZA 1990, 705 f mwN; siehe auch Söhngen in Kasseler Handbuch des Arbeitsförderungsrechts, 2003, § 6 RdNr 86 ff) - wie hier - bereits auf eine Anzeige des Arbeitsausfalls die Zahlung von Kug ab, ist Rechtsschutz grundsätzlich durch die verbundene Anfechtungs- und Leistungsklage zu suchen, die darauf abzielt, die Verurteilung der Beklagten zur Leistung zu erreichen (BSG, Urteil vom 15.2.1990, aaO).

Anspruch auf Kug haben Arbeitnehmer, wenn (1) ein erheblicher Arbeitsausfall mit Entgeltausfall vorliegt, (2) die betrieblichen Voraussetzungen erfüllt sind, (3) die persönlichen Voraussetzungen erfüllt sind und (4) der Arbeitsausfall der Agentur für Arbeit angezeigt worden ist (§ 169 Satz 1 SGB III in der Normfassung des Dritten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23.12.2003 - BGBl I 2848).

Es ist vorliegend bereits fraglich, ob eine wirksame arbeitsvertragliche Vereinbarung als Rechtsgrundlage für die Einführung von Kurzarbeit vorliegt, die der Kug-Anspruch als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal voraussetzt (Söhngen, aaO, RdNr 16 ff; Krodel in Niesel, SGB III, 4. Aufl 2007, § 169 RdNr 8; Mutschler in Mutschler/Bartz/Schmidt-De Caluwe, NomosKommentar SGB III [NK-SGB III], 3. Aufl 2008, § 169 RdNr 27; Bieback in Gagel, SGB II/SGB III, § 169 RdNr 131, Stand August 2001). Die Einführung von Kurzarbeit auf individualrechtlicher Ebene - wie sie hier vorgenommen wurde - setzt voraus, dass mit allen betroffenen Arbeitnehmern eine Änderung des Arbeitsvertrages bezüglich der Arbeitszeit vereinbart wird, die nach § 2 Abs 1 Nr 7 des Nachweisgesetzes (in der Normfassung des Gesetzes zur Anpassung der Formvorschriften des Privatrechts und anderer Vorschriften an den modernen Rechtsgeschäftsverkehr vom 13.7.2001 - BGBl I 1542) iVm § 3 Nachweisgesetz idF vom 20.7.1995 (BGBl I 1995, 946) den betroffenen Arbeitnehmern spätestens einen Monat nach der Änderung schriftlich mitzuteilen ist.

Das Vorliegen einer solche Vereinbarung ist zweifelhaft. Diese sieht das LSG in der so genannten "Einverständniserklärung", die in der formularmäßigen "Anlage zur Anzeige über Arbeitsausfall" enthalten sei und auf der Rückseite der Anlage folgenden, mit der Unterschrift des Arbeitnehmers (ohne Datum) versehenen Wortlaut hat: "Im Einvernehmen mit den Arbeitsämtern wird im Betrieb L. ab 1.3.2005 Kurzarbeit eingeführt für...". Die Unterschrift kann möglicherweise, da nur von dem Einvernehmen mit den Arbeitsämtern die Rede ist, eine bloße Kenntnisnahme des jeweiligen Arbeitnehmers bedeuten, ohne dass eine Änderung des Arbeitsvertrages damit vereinbart werden sollte. Nach den Feststellungen des LSG wurden die "Einverständniserklärungen" zudem erst Ende März/Anfang April 2005 abgegeben, also zu einem Zeitpunkt, zu dem die Kurzarbeit längst eingeführt, offensichtlich also (noch) nicht vereinbart war. Auch ist nicht erkennbar, dass eine Vereinbarung auf individualrechtlicher Ebene mit allen (betroffenen) Arbeitnehmern abgeschlossen wurde. Über sein Direktionsrecht jedenfalls vermag der Arbeitgeber Kurzarbeit nicht einzuführen, weil dadurch das Kündigungsschutzrecht umgangen würde (BAG AP Nr 1 zu § 615 BGB Kurzarbeit; Söhngen, aaO, RdNr 19). Schließlich fehlt es ggf am Schriftformerfordernis des Nachweisgesetzes, was allerdings keine Auswirkungen auf die Wirksamkeit der Vertragsänderung hätte. Hierin läge lediglich ein Verstoß gegen Arbeitgeberpflichten, der als Ordnungswidrigkeit nach § 16 Abs 1 Nr 8 AÜG strafbewehrt ist und zudem Schadensersatzansprüche des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber auslösen kann (BAGE 101, 75 ff = AP Nr 6 zu § 2 NachwG).

Zweifel an einer wirksamen Vereinbarung bestehen allerdings auch - worauf das LSG zu Recht verweist - mit Blick auf die nicht abdingbare Regelung des § 615 Satz 1 BGB (§ 11 Abs 4 Satz 2 AÜG in der Normfassung des Ersten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23.12.2002 - BGBl I 4607). Danach kann der Arbeitnehmer für die infolge eines Verzugs nicht geleisteten Dienste die vereinbarte Vergütung verlangen, ohne zur Nachleistung verpflichtet zu sein, wenn der Arbeitgeber mit der Annahme der Dienste in Verzug kommt. Gemäß § 11 Abs 4 Satz 2 AÜG ist es zum Schutz des Leiharbeitnehmers untersagt, den Vergütungsanspruch bei Annahmeverzug vertraglich zu beschränken oder gar aufzuheben. Schutzzweck der Vorschrift ist es, den Leiharbeitnehmer vor der Verlagerung des Arbeitgeberrisikos in Zeiten einer fehlenden Einsatzmöglichkeit zu schützen (vgl nur Schüren, AÜG, 3. Aufl 2007, § 11 RdNr 97 - 102 mwN). Da also Leiharbeitnehmer grundsätzlich den Entgeltanspruch behalten, wenn sie ihre Arbeitskraft anbieten, der Verleiher sie allerdings wegen Arbeitsanfalls nicht annimmt, fehlt es - ohne Vereinbarung von Kurzarbeit - an einem Entgeltausfall. Wird Kurzarbeit vereinbart, würde zwar kein Verzug im Sinne der Regelung des § 11 Abs 4 Satz 2 AÜG iVm § 615 Satz 1 BGB eintreten; weil Sinn und Zweck der Regelung des § 11 Abs 4 Satz 2 AÜG aber gerade darin liegt, dass das Risiko der Nichteinsetzbarkeit des Leiharbeitnehmers und das damit verbundene Entgeltrisiko dem Verleiher aufgebürdet wird, kann ein Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot iS des § 134 BGB vorliegen.

Danach ist ein Rechtsgeschäft, das gegen ein gesetzliches Verbot verstößt, nichtig, wenn sich nicht aus dem Gesetz etwas anderes ergibt. Das Verbot braucht im Gesetz nicht ausdrücklich ausgesprochen zu sein, es kann sich auch aus dem Zusammenhang des Gesetzes ergeben (BGHZ 51, 255, 262). Es reicht dabei aus, dass sich das Verbotsgesetz allein gegen einen Vertragsteil - hier den Arbeitgeber - richtet. Zwar ist dann das verbotswidrige Rechtsgeschäft in der Regel gültig (BGHZ 46, 24, 26; 65, 368, 370 und 89, 369, 373); in besonderen Fällen kann sich die Unwirksamkeit allerdings auch aus einer einseitigen Gesetzesübertretung ergeben, falls der Zweck des Verbotsgesetzes anders nicht zu erreichen ist und die rechtsgeschäftlich getroffene Regelung nicht hingenommen werden kann (BGH aaO). Dies dürfte dann der Fall sein, wenn die Regelung des § 615 Satz 1 BGB abbedungen wird, selbst wenn der Arbeitnehmer hiermit einverstanden ist (so Schüren, AÜG, 3. Aufl 2007, § 11 RdNr 100; Ulber, AÜG, 3. Aufl 2006, § 11 RdNr 99). Andernfalls verlöre die Regelung des § 11 Abs 4 Satz 2 AÜG ihren Sinn.

Zwar wird durch die Vereinbarung von Kurzarbeit § 615 Satz 1 BGB nicht unmittelbar abbedungen, weil es bei der Verpflichtung zur Entgeltleistung auch im Falle des Verzugs verbleibt; in der Vereinbarung der Kurzarbeit kann aber ein Umgehungsgeschäft vorliegen, weil es keinen Unterschied machen kann, ob der Arbeitgeber mit dem Arbeitnehmer wegen Auftragsmangels die Regelung des § 615 BGB abbedingt, was einen Verstoß gegen § 11 Abs 4 Satz 2 AÜG und damit die Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts nach § 134 BGB zur Folge hätte, oder bei Auftragsmangel zur Vermeidung des Annahmeverzugs Kurzarbeit mit dem betroffenen Arbeitnehmer vereinbart wird. Die Vergütungspflichten des Verleihers sollen nach dem Willen des Gesetzgebers zwar gestaltbar sein (BT-Drucks 15/25, S 38); die Gestaltung darf jedoch nicht zu einer Verlagerung der generellen Risikoverteilung führen; dies wäre bei der Vereinbarung von Kurzarbeit der Fall. Die gegebenen Gestaltungsmöglichkeiten sind vielmehr dem Ziel, dem Leiharbeitnehmer eine verstetigte Vergütung für Zeiten des Nichtverleihs zu garantieren, untergeordnet. Auch das Umgehungsgeschäft hat dann die Nichtigkeit zur Folge. Dabei kann es dahingestellt bleiben, ob die Nichtigkeit des Umgehungsgeschäfts im Wege der Auslegung aus der umgangenen Verbotsnorm herzuleiten ist, oder ob es sich um einen besonderen Nichtigkeitsgrund und damit um ein eigenes Rechtsinstitut handelt (vgl dazu Ellenberger in Palandt, BGB, 68. Aufl 2009, § 134 RdNr 28).

Für die Auffassung, dass Kurzarbeit für Leiharbeitnehmer nicht wirksam vereinbart werden kann, spricht § 11 Abs 4 AÜG idF des Gesetzes zur Sicherung von Beschäftigung und Stabilität in Deutschland (vom 2.3.2009 - BGBl I 416). Darin wurde mit Wirkung vom 1.2.2009 folgender Satz angefügt: "Das Recht des Leiharbeitnehmers auf Vergütung kann durch Vereinbarung von Kurzarbeit für die Zeit aufgehoben werden, für die dem Leiharbeitnehmer Kurzarbeitergeld nach dem SGB III gezahlt wird; eine solche Vereinbarung kann das Recht des Leiharbeitnehmers auf Vergütung bis längstens zum 31.12.2010 ausschließen." In der Gesetzesbegründung heißt es hierzu, dass die Einführung von Kurzarbeit und die Gewährung von Kug für Leiharbeitnehmerinnen und -arbeitnehmer nach der bisherigen Rechtslage durch die von § 11 Abs 4 Satz 2 AÜG geregelte unabdingbare Geltung des § 615 Satz 1 BGB nur eingeschränkt möglich gewesen sei. Da der Vergütungsanspruch auch bei Kurzarbeit nicht wie für andere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer habe aufgehoben oder beschränkt werden können und unvermindert bestehen geblieben sei, habe der für die Gewährung von Kug vorausgesetzte Entgeltausfall nicht eintreten können (BT-Drucks 16/11740, S 33 zu Art 14). Mit der bis Ende des Jahres 2010 befristeten Ergänzung von § 11 Abs 4 AÜG wollte der Gesetzgeber nunmehr die Möglichkeit eröffnen, die Zahlung konjunkturellen Kugs nach §§ 169 ff SGB III auch für Leiharbeitnehmerinnen und -arbeitnehmer unter den Bedingungen zu ermöglichen, die für alle anderen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gelten, um bei vorübergehenden Auftragseinbrüchen Arbeitsplätze in der Zeitarbeitsbranche zu erhalten (BT-Drucks aaO).

Letztlich kann dies indes dahingestellt bleiben. Es fehlt für den Anspruch auf Gewährung von Kug jedenfalls an einem erheblichen Arbeitsausfall iS des § 169 Satz 1 Nr 1 SGB III. Gemäß § 170 SGB III (in der Normfassung des Dritten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23.12.2003 - BGBl I 2848) ist ein Arbeitsausfall erheblich, wenn er (1) auf wirtschaftlichen Gründen oder einem unabwendbaren Ereignis beruht, (2) vorübergehend ist, (3) nicht vermeidbar ist und (4) im jeweiligen Kalendermonat (Anspruchszeitraum) mindestens ein Drittel der in dem Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer von einem Entgeltausfall von jeweils mehr als 10 % ihres monatlichen Bruttoentgelts betroffen ist. Vorliegend fehlt es zumindest an der Unvermeidbarkeit des Arbeitsausfalls.

Ein Arbeitsausfall ist nach § 170 Abs 4 SGB III nicht vermeidbar, wenn in einem Betrieb alle zumutbaren Vorkehrungen getroffen wurden, um den Einritt des Arbeitsausfalls zu verhindern. § 170 Abs 4 Satz 2 SGB III zählt dabei beispielhaft wirtschaftliche Ursachen auf, bei denen die Vermeidbarkeit des Arbeitsausfalls fingiert wird. So schließt § 170 Abs 4 Satz 2 Nr 1 SGB III die Vermeidbarkeit für einen Arbeitsausfall aus, wenn er überwiegend branchenüblich, betriebsüblich oder saisonbedingt ist. Diese Ursachen des Arbeitsausfalls werden beim Kug dem Betriebsrisiko des Arbeitgebers zugeordnet, weil die entsprechenden Arbeitsausfälle in die Kalkulation eingehen und der Arbeitgeber den organisatorischen, technischen und kaufmännischen Ablauf störungsfrei zu gestalten hat (BSG SozR 3-4100 § 64 Nr 4 S 28; BT-Drucks V/2291, S 71; BT-Drucks 11/800, S 11). Dabei gehören zur Risikosphäre des Arbeitgebers insbesondere die betriebsnahen, auf der Eigenart des Betriebs beruhenden - betriebs- oder branchenüblichen - Ursachen für den Arbeitsausfall (BSG aaO).

Der Arbeitsausfall in Zeitarbeitsunternehmen ist in diesem Sinn grundsätzlich branchenüblich. Dies zeigt bereits § 11 Abs 1 Satz 2 Nr 2 AÜG, der den Arbeitgeber verpflichtet, zusätzlich zu den in § 2 Abs 1 NachweisG genannten Angaben in die Niederschrift die Art und Höhe seiner zu erbringenden Leistungen für Zeiten, in denen der Leiharbeitnehmer nicht verliehen ist, aufzunehmen. Diese Regelung geht typisierend von verleihfreien Zeiten aus, in denen auch ohne Arbeitsleistung ein Arbeitsentgeltanspruch besteht. In diesem Zusammenhang ist auch § 11 Abs 4 Satz 2 AÜG zu sehen, wonach das Recht des Leiharbeitnehmers auf Vergütung bei Annahmeverzug des Verleihers nicht durch Vertrag aufgehoben oder beschränkt werden kann (s schon oben). Hierdurch soll sichergestellt werden, dass der Verleiher das von ihm zu tragende Entgeltrisiko nicht auf den Leiharbeitnehmer abwälzt, und erklärt aus diesem Grunde zwingend, dass im Falle des Annahmeverzugs ein Arbeitnehmer grundsätzlich nach dem Entgeltausfallprinzip so zu stellen ist, als wenn er gearbeitet hätte (Wank in Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 9. Aufl 2009, § 11 AÜG RdNr 16). § 11 Abs 4 Satz 2 AÜG setzt damit Arbeitsausfallzeiten bei Leiharbeitsverhältnissen bereits normativ als wesensimmanent oder typusbildend voraus (Estelmann in Eicher/Schlegel, SGB III § 171 RdNr 72, Stand Februar 2009). Auf die tatsächlichen Gegebenheiten kommt es insoweit nicht mehr an.

Inwieweit der Arbeitsausfall auf einem Auftragsrückgang oder vergleichbaren wirtschaftlichen Gründen beruht, ist für die Entscheidung ebenfalls regelmäßig ohne Bedeutung. Zwar schließt § 170 Abs 4 Satz 2 Nr 1 SGB III den Anspruch auf Kug bei einem betriebs- und branchenüblichen Arbeitsausfall nur aus, wenn er überwiegende Ursache ist, sodass nach dem sozialrechtlichen Kausalitätsbegriff der wesentlichen Bedingung (BSG SozR 3-4100 § 64 Nr 4 S 29) der Ausschluss nicht greifen kann, wenn der Arbeitsausfall trotz betriebs- oder branchenüblicher wirtschaftlicher Faktoren in erster Linie doch auf anderen, allgemeinen wirtschaftlichen Gründen (§ 170 Abs 1 Nr 1 SGB III) beruht; dies kann aber regelmäßig nicht für konjunkturell bedingte Auftrags-/Nachfragerückgänge bei Zeitarbeitsunternehmen gelten, weil derartige Schwankungen, wie sich aus oben Gesagtem ergibt, typusbildend sind, also normativ dem Risikobereich des Arbeitgebers zugeordnet werden, und schon deshalb den Ausschluss nach § 170 Abs 4 Satz 2 Nr 1 SGB III nicht verhindern können. Zwar dient das Kug dem Interesse des Arbeitgebers insoweit, als mittelbar der wirtschaftliche Bestand des Betriebes bei konjunkturellen Schwankungen oder betrieblichen Strukturveränderungen gesichert wird und ihn von dem Entgeltrisiko entlastet (Mutschler in NK-SGB III, § 169 RdNr 9); es ist aber nicht Aufgabe des Kug, Schwankungen der Beschäftigungslage aufzufangen, die - wie hier - durch die Eigenart der Betriebe bedingt sind oder regelmäßig wiederkehren (BT-Drucks V/2291 S 55). § 11 Abs 4 Satz 2 AÜG beschränkt insoweit nicht nur die privatautonome Gestaltungsfreiheit, abweichende Regelungen zum Betriebsrisiko des Verleihers zu treffen, sondern hat auch zur Folge, dass das Betriebsrisiko nicht auf der Grundlage öffentlich-rechtlicher Normen oder durch sonstiges staatliches Handeln (etwa in Form von Entschädigungen oder Subventionen) mittelbar verlagert werden kann, sodass die Zahlung von Kug ausgeschlossen ist (Ulber, AÜG, 3. Aufl 2006, § 11 RdNr 102; Boemke/Lembke, AÜG, 2. Aufl 2005, § 11 RdNr 124).

Dies gilt selbst bei nicht mehr kurzfristigen Ausfallzeiten, in denen der Arbeitgeber mangels Entleihernachfrage keine Überlassungsmöglichkeiten hat, weil auch dieses Risiko der Eigenart des Betriebs folgt und nicht auf die Solidargemeinschaft der Beitragszahler abgewälzt werden kann. Auch die Rechtsprechung des BAG nimmt bei Unternehmen der gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung an, dass der Arbeitgeber bei einem Auftragsrückgang das Beschäftigungsrisiko zu tragen hat. Nur wenn der Arbeitgeber anhand der Auftrags- und Personalplanung einen dauerhaften Auftragsrückgang darlegt und nachweist, der den dauerhaften Wegfall des Beschäftigungsbedarfs begründet, ist er zu einer betriebsbedingten Kündigung berechtigt (BAG AP Nr 7 zu § 9 AÜG). Trägt er danach also das Entgelt- und Beschäftigungsrisiko außer bei einem dauerhaften Wegfall des Beschäftigungsbedarfs, könnte der Ausschlussgrund des § 170 Abs 4 Satz 2 Nr 1 SGB III allenfalls entfallen, wenn der Beschäftigungsbedarf dauerhaft wegfällt. Dann allerdings wäre Kug schon nach § 170 Abs 1 Nr 2 SGB III nicht zu zahlen, weil der Arbeitsausfall nicht nur vorübergehend wäre. Abgesehen davon hätte nach den Feststellungen des LSG eine realistische Prognose bereits im März 2005 zu dem Ergebnis geführt, dass die Verringerung der Arbeitszeit lediglich kurzfristig für den Zeitraum von etwa drei Monaten erfolgen werde. An diese Feststellungen ist der Senat mangels ordnungsgemäß erhobener Verfahrensrügen ohnedies gebunden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG; § 197a SGG findet keine Anwendung. Der Arbeitgeber ist in Streitigkeiten über Kurzarbeitergeld nur Prozessstandschafter für seine Arbeitnehmer.

Ende der Entscheidung

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