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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundessozialgericht
Urteil verkündet am 05.12.2001
Aktenzeichen: B 7 AL 52/01 R
Rechtsgebiete: SGB III, BErzGG, GG, BGB


Vorschriften:

SGB III § 124 Abs 3 Satz 1 Nr 2
BErzGG § 1 Abs 3 Nr 1
GG Art 3
GG Art 6
BGB § 1744
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESSOZIALGERICHT Im Namen des Volkes Urteil

in dem Rechtsstreit

Verkündet am 5. Dezember 2001

Az: B 7 AL 52/01 R

Der 7. Senat des Bundessozialgerichts hat auf die mündliche Verhandlung vom 5. Dezember 2001 durch die Vizepräsidentin Dr. Wolff, die Richter Dr. Steinwedel und Dr. Spellbrink sowie die ehrenamtliche Richterin Geppert und den ehrenamtlichen Richter Lohre

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 21. März 2001 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

Gründe:

I

Streitig ist, ob der Klägerin ab 1. Februar 1999 Arbeitslosengeld (Alg) oder Arbeitslosenhilfe (Alhi) zu zahlen ist.

Die 1963 geborene Klägerin stand von November 1983 bis 31. Januar 1999 als Nahtweberin in einem Arbeitsverhältnis. Vom 5. Dezember 1995 bis 3. Dezember 1998 befand sie sich in Erziehungsurlaub. Am 5. Dezember 1998 nahm sie ihre Arbeit wieder auf. Das Arbeitsverhältnis wurde durch Aufhebungsvertrag vom 18. September 1998 zum 31. Januar 1999 beendet. Während des Erziehungsurlaubs betreute und erzog die Klägerin das am 12. März 1993 geborene Kind Dennis, das am 26. August 1997 von der Klägerin und ihrem Ehemann als Kind angenommen wurde (Beschluß des Amtsgerichts Mönchengladbach vom 26. August 1997). Während des Erziehungsurlaubs bezog die Klägerin weder Erziehungsgeld noch Pflegegeld.

Am 14. Dezember 1998 meldete sich die Klägerin zum 1. Februar 1999 arbeitslos und beantragte Alg. Diesen Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 11. März 1999 und Widerspruchsbescheid vom 24. März 1999 mit der Begründung ab, daß die Klägerin innerhalb der Rahmenfrist nicht mindestens zwölf Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden habe. Ein Anspruch auf Alhi scheitere daran, daß die Klägerin innerhalb der Vorfrist von einem Jahr weder Alg bezogen noch mindestens fünf Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden habe.

Klage und Berufung der Klägerin hatten keinen Erfolg (Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 10. Februar 2000; Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen <LSG> vom 21. März 2001). Das LSG hat im wesentlichen ausgeführt, die Klägerin habe weder die Anwartschaftszeit für das Alg noch für die Alhi erfüllt. Innerhalb der Rahmenfrist vom 1. Februar 1996 bis 31. Januar 1999 habe die Klägerin nur vom 5. Dezember 1998 bis 31. Januar 1999 eine versicherungspflichtige Tätigkeit ausgeübt. Eine Verlängerung der Rahmenfrist nach § 124 Abs 3 Satz 1 Nr 2 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) komme nur für 40 Tage in Betracht, weil der Adoptivsohn der Klägerin am 12. März 1996 sein drittes Lebensjahr vollendet habe. Diese Regelung sei eindeutig und nicht im Sinne der Klägerin dahin auszulegen, daß gemäß § 4 Abs 1 Bundeserziehungsgeldgesetz (BErzGG) iVm § 1 Abs 3 Nr 1 BErzGG auf die Bezugsberechtigung für das Erziehungsgeld abzustellen sei. Darauf komme es bei der Neuregelung - anders als bei der Vorgängervorschrift des § 107 Satz 1 Nr 5 Buchst c Arbeitsförderungsgesetz (AFG) - nicht mehr an. Der Gesetzgeber des SGB III habe die Zeiten der Betreuung und Erziehung eines Kindes bewußt anders regeln wollen als das AFG. Nur die Zeit der Betreuung und Erziehung eines Kindes in den ersten drei Lebensjahren habe berücksichtigt werden sollen.

Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt die Klägerin eine Verletzung des § 124 Abs 3 Satz 1 Nr 2 SGB III iVm § 1 Abs 3 Nr 1 BErzGG, der Art 3 und 6 Grundgesetz (GG) sowie des § 1744 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). Die Vorinstanzen hätten zu Unrecht angenommen, daß die Rahmenfrist im Falle der Adoption - wie bei einem leiblichen Kind - nur um die Zeiten der Betreuung und Erziehung eines Kindes bis zur Vollendung des dritten Lebensjahres verlängert werde. Insoweit hätte aber auf die Bezugsberechtigung für das Erziehungsgeld abgestellt werden müssen, die für angenommene Kinder und Kinder iS des § 1 Abs 3 Nr 1 iVm § 4 BErzGG längstens bis zur Vollendung des siebten Lebensjahres reiche, wenn das Kind nach dem 31. Dezember 1991 geboren sei. Bei Außerachtlassung dieser Regelungen in § 124 Abs 3 Satz 1 Nr 2 SGB III ergebe sich ein nicht auflösbarer Wertungswiderspruch und eine Verletzung des Art 3 Abs 1 GG, weil § 124 Abs 3 Satz 1 Nr 2 SGB III zu einer Benachteiligung von Adoptiveltern gegenüber leiblichen Eltern führe. Denn es werde ohne sachlich rechtfertigenden Grund nicht berücksichtigt, daß der Zeitpunkt der Geburt bei Adoptivkindern in aller Regel nicht mit dem Zeitpunkt der Inobhutnahme und/oder der Adoption zusammenfalle.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 21. März 2001 und das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 10. Februar 2000 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 11. März 1999 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 24. März 1999 zu verurteilen, ihr Arbeitslosengeld, hilfsweise Arbeitslosenhilfe, ab 1. Februar 1999 nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie hält die Entscheidung des LSG für zutreffend und führt aus, daß § 124 Abs 3 Satz 1 Nr 2 SGB III eindeutig sei; für eine entsprechende Anwendung der Regelungen des BErzGG bleibe kein Raum, weil in § 124 SGB III nicht auf den Bezug von Erziehungsgeld, sondern auf die Betreuung eines unter drei Jahre alten Kindes abgestellt sei. Ein Wertungswiderspruch ergebe sich daher nicht.

II

Die Revision der Klägerin ist insoweit begründet, als das Urteil des LSG aufzuheben und die Sache an dieses Gericht zurückzuverweisen war. Mangels ausreichender tatsächlicher Feststellungen läßt sich nicht abschließend beurteilen, ob der Klägerin ab 1. Februar 1999 Alg (oder Alhi) zusteht.

Ein Anspruch auf Alg (§ 117 SGB III) scheitert nicht bereits daran, daß es an der Erfüllung der Anwartschaftszeit nach Maßgabe der §§ 123, 124 SGB III fehlt. Die Anwartschaftszeit kann vielmehr nach dem hier anzuwendenden Übergangsrecht (§ 427 SGB III) erfüllt sein.

Nach § 123 SGB III hat die Anwartschaftszeit erfüllt, wer in der Rahmenfrist mindestens zwölf Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden hat (Satz 1 Nr 1). Die Rahmenfrist beträgt nach § 124 SGB III drei Jahre und beginnt mit dem Tag vor der Erfüllung aller sonstigen Voraussetzungen für den Anspruch auf Alg (Abs 1). In die Rahmenfrist werden ua nicht eingerechnet Zeiten der Betreuung und Erziehung eines Kindes des Arbeitslosen, das das dritte Lebensjahr noch nicht vollendet hat (Abs 3 Satz 1 Nr 2).

Haben bei der Klägerin am 1. Februar 1999 alle sonstigen Voraussetzungen für den Anspruch auf Alg vorgelegen - wozu bisher nähere Feststellungen fehlen -, reicht die dreijährige Rahmenfrist vom 31. Januar 1999 bis zum 1. Februar 1996 zurück, also in eine Zeit, in der noch das AFG gegolten hat, das erst mit Wirkung ab 1. Januar 1998 durch das SGB III ersetzt worden ist (Art 83 des Gesetzes zur Reform des Arbeitsförderungsrechts <AFRG> vom 24. März 1997, BGBl I, 594). Hinsichtlich dieser vor dem Inkrafttreten des SGB III zurückgelegten Zeiten enthält § 427 SGB III Übergangsregelungen zum Alg und zur Alhi, deren Anwendung die Beklagte und die Vorinstanzen nicht geprüft haben.

Nach § 427 Abs 2 SGB III bleiben bei der Anwendung der Regelungen zur Berechnung der Rahmenfrist nach § 124 Abs 3 Satz 1 Nr 2 SGB III entsprechende Zeiten unberücksichtigt, die nach dem AFG in der zuletzt geltenden Fassung einer die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung gleichstanden. Im Zusammenhang damit regelt § 427 Abs 3 SGB III, daß bei der Anwendung der Regelungen über die für einen Anspruch auf Alg erforderliche Anwartschaftszeit diejenigen Zeiten, die nach dem AFG in der zuletzt geltenden Fassung den Zeiten einer die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung ohne Beitragsleistung gleichstanden, den Zeiten eines Versicherungspflichtverhältnisses gleichstehen.

Im Hinblick auf § 427 Abs 2 SGB III trifft die Ansicht der Vorinstanzen, die Rahmenfrist verlängere sich im Falle der Klägerin um 40 Tage, dann nicht zu, wenn die Klägerin innerhalb der Rahmenfrist entsprechende Zeiten zurückgelegt hat, die nach dem AFG in der zuletzt geltenden Fassung als sog gleichgestellte Zeiten zu berücksichtigen waren. Denn derartige Zeiten bleiben bei der Anwendung des § 124 Abs 3 Satz 1 Nr 2 SGB III unberücksichtigt, dh führen nicht zu einer Verlängerung der Rahmenfrist. Damit soll vermieden werden, daß Zeiten vor dem Inkrafttreten des SGB III, die bereits nach § 427 Abs 3 SGB III zur Erfüllung der Anwartschaftszeit dienen, zusätzlich die Rahmenfrist verlängern (vgl den Reg-Entwurf zum AFRG, BT-Drucks 13/4941, S 227 zu § 427 Abs 2, der unverändert Gesetz geworden ist). § 427 Abs 3 SGB III stellt nämlich die vor dem 1. Januar 1998 zurückgelegten Zeiten, die nach dem AFG als sog gleichgestellte Zeiten der Erfüllung der Anwartschaftszeit dienten, nunmehr bei der Berechnung der Anwartschaftszeit für das Alg nach § 123 SGB III den Zeiten eines Versicherungspflichtverhältnisses gleich. Da sie mithin - aus Gründen der Besitzstandswahrung - der Erfüllung der Anwartschaftszeit auch nach neuem Recht dienen (§ 123 Satz 1 Nr 1 SGB III), sollen sie nicht gleichzeitig zur Verlängerung der Rahmenfrist nach § 124 führen (§ 427 Abs 2 SGB III). Bei den von § 427 Abs 2 und 3 SGB III erfaßten Zeiten handelt es sich vor allem um die in § 107 Satz 1 Nr 5 AFG genannten Zeiten, ua auch die Zeiten des Erziehungsgeldbezugs iS des § 107 Satz 1 Nr 5 Buchst c AFG, die insoweit den Zeiten der Betreuung und Erziehung eines Kindes iS des § 124 Abs 3 Satz 1 Nr 2 SGB III "entsprechen".

Dem kann nicht entgegengehalten werden, § 107 Satz 1 Nr 5 AFG könne nicht nach § 427 Abs 3 SGB III weiter angewendet werden, weil für die von dieser Regelung erfaßten Zeiten § 427 Abs 2 SGB III die "speziellere" Regelung sei; bei derartigen Zeiten berechne sich die Anwartschaftszeit deshalb in vollem Umfang nach dem SGB III (so jedoch LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 15. August 2001 -L 12 AL 181/00 -). Diese Auslegung verkennt Zweck und Inhalt der genannten Übergangsregelung. § 427 Abs 2 SGB III ist im Verhältnis zu § 427 Abs 3 SGB III keine speziellere, sondern eine ergänzende Vorschrift, die - wie bereits ausgeführt - eine Doppelberücksichtigung von sog gleichgestellten Zeiten iS des AFG, die jetzt nach § 427 Abs 3 SGB III den Zeiten eines Versicherungspflichtverhältnisses gleichstehen, verhindern soll; sie sollen nicht zusätzlich als die Rahmenfrist verlängernde Zeiten berücksichtigt werden (vgl auch Niesel, SGB III, § 427 Rz 4 und 5). Bei anderer Auslegung würde der Zweck des § 427 Abs 3 SGB III verfehlt, der gerade auch gleichgestellte Zeiten des Erziehungsgeldbezugs iS von § 107 Satz 1 Nr 5 Buchst c AFG in die Berechnung der Anwartschaftszeit nach § 123 SGB III einbeziehen will (vgl die Begründung zu § 427 Abs 2 des Reg-Entwurfs zum AFRG, aaO).

Nach § 107 Satz 1 Nr 5 Buchst c AFG (Nr 5 Buchst c zuletzt idF des 2. Gesetzes zur Änderung des Bundeserziehungsgeldgesetzes und anderer Vorschriften vom 6. Dezember 1991, BGBl I, 2142) stehen den Zeiten einer die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung diejenigen Zeiten gleich, für die der Arbeitslose Erziehungsgeld oder eine entsprechende Leistung des Landes bezogen oder nur wegen der Berücksichtigung von Einkommen nicht bezogen hat, wenn durch die Betreuung und Erziehung des Kindes die beitragspflichtige Beschäftigung unterbrochen worden ist. Die Unterbrechung muß durch die Betreuung und Erziehung des Kindes verursacht worden sein. Es ist unschädlich, daß die Leistung nicht tatsächlich bezogen wurde, wenn dies auf einer Berücksichtigung von Einkommen beruhte.

Danach könnte der Klägerin ein Anspruch auf Alg zustehen, wenn sie in der Zeit zwischen dem 1. Februar 1996 (möglicher Beginn der Rahmenfrist) und dem 31. Dezember 1997 (letzter Tag der Geltung des AFG) Erziehungsgeld bezogen oder - was hier allein in Betracht kommen dürfte - diese Leistung nur wegen Berücksichtigung von Einkommen (des Ehemannes) nicht bezogen hat. Ob dies der Fall ist, und ob mit derartigen und weiteren Zeiten, die nach dem 31. Dezember 1997 in einem Pflichtversicherungsverhältnis zurückgelegt worden sind, die Wartezeit erfüllt wäre, läßt sich mangels ausreichender Feststellungen des LSG nicht abschließend beurteilen.

Das LSG hat bisher lediglich festgestellt, daß sich die Klägerin vom 5. Dezember 1995 bis 3. Dezember 1998, also ununterbrochen über einen Zeitraum von (fast) drei Jahren, in Erziehungsurlaub befunden hat und daß sie während dieser Zeit weder Erziehungsgeld noch Pflegegeld bezogen hat. Außerdem ist festgestellt, daß die Klägerin noch bis zum 5. Dezember 1995, also bis unmittelbar vor Beginn des Erziehungsurlaubs, und wieder ab 5. Dezember 1998, also praktisch unmittelbar nach Beendigung des Erziehungsurlaubs, beschäftigt war. Insoweit ist davon auszugehen, daß das Beschäftigungsverhältnis der Klägerin durch Betreuung und Erziehung des Kindes "unterbrochen" worden ist. Denn die Zeit zwischen der Beendigung und der Wiederaufnahme der Beschäftigung ist geprägt durch den - in gesetzlicher Höchstdauer - gewährten Erziehungsurlaub, der seinerseits voraussetzt und insoweit auch dokumentiert, daß die Klägerin in dieser Zeit ein Kind betreut und erzogen hat (§ 15 BErzGG). Nach Sinn und Zweck des § 107 Satz 1 Nr 5 Buchst c AFG muß deshalb der Erziehungsurlaub als die den Unterbrechungstatbestand wahrende Überbrückungszeit gelten, die - über eine auf höchstens zwei Jahre begrenzte Bezugsberechtigung von Erziehungsgeld hinaus - den Anschluß an die am 5. Dezember 1998 wiederaufgenommene Beschäftigung wahrt (vgl BSG SozR 3-4100 § 107 Nr 6, S 21 ff).

Ob die Klägerin - ungeachtet der Einkommensverhältnisse ihres Ehegatten - Anspruch auf Erziehungsgeld gehabt hätte, ergibt sich aus §§ 1 bis 4 BErzGG (in der Fassung, die dieses Gesetz durch die Bekanntmachung vom 31. Januar 1994 - BGBl I, 180 - erhalten hat). Nach § 1 Abs 1 dieses Gesetzes hat Anspruch auf Erziehungsgeld, wer 1. einen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Geltungsbereich dieses Gesetzes hat, 2. mit einem Kind, für das ihm die Personensorge zusteht, in einem Haushalt lebt, 3. dieses Kind selbst betreut und erzieht und 4. keine oder keine volle Erwerbstätigkeit ausübt. Nach § 1 Abs 3 Nr 1 BErzGG steht einem in Abs 1 Nr 2 genannten Kind ein Kind gleich, das mit dem Ziel der Annahme als Kind in die Obhut des Annehmenden aufgenommen ist. Nach § 4 Abs 1 BErzGG wird für Kinder, die nach dem 31. Dezember 1992 geboren sind, Erziehungsgeld vom Tag der Geburt bis zur Vollendung des vierundzwanzigsten Lebensmonats gewährt (Satz 1). Für angenommene Kinder und Kinder iS des § 1 Abs 3 Nr 1 wird Erziehungsgeld von der Inobhutnahme an für die jeweils geltende Bezugsdauer, längstens bis zur Vollendung des siebten Lebensjahres gewährt, wenn das Kind nach dem 31. Dezember 1991 geboren ist (Satz 3). Für die letztgenannten Kinder ist nicht der Zeitpunkt der Geburt, sondern der Zeitpunkt der Inobhutnahme für die Gewährung von Erziehungsgeld maßgeblich (BSG, Urteil vom 15. August 2000 - B 14 EG 4/99 R - SozR 3-7833 § 1 Nr 23).

Danach wäre die Klägerin jedenfalls für die Zeit nach der Adoption (ab 27. August 1997) erziehungsgeldberechtigt gewesen, bzw hätte bis 31. Dezember 1997 ca 4 Monate sog gleichgestellte Zeiten zurückgelegt haben können. Ob ihr auch für die Zeit vorher (1. Februar 1996 bis 26. August 1997) Erziehungsgeld zugestanden hätte, hängt davon ab, wann sie das Kind in ihre "Obhut", dh in ihren räumlich bestimmten persönlichen Lebensbereich zur Pflege aufgenommen hat, und ob bereits mit der Aufnahme bzw ab wann später das Ziel der Annahme als Kind verfolgt worden ist. Dies ist nicht schon dann der Fall, wenn die Pflegeeltern vor oder nach der Aufnahme den Entschluß zur Adoption fassen. Nach der Rechtsprechung des BSG genügt für die Inanspruchnahme von Erziehungsgeld der Status von Pflegeeltern nicht, auch nicht in Verbindung mit deren innerem Willen oder der unverbindlichen Bereitschaft, ein bestimmtes Kind anzunehmen. Erforderlich ist vielmehr, daß der Annahmewille nach außen bekundet wird. Dies geschieht regelmäßig durch Einleitung eines Adoptionsvermittlungsverfahrens bzw eine auf ein bestimmtes Kind konkretisierte Adoptionsbewerbung, wie sie nach den Regelungen des Adoptionsvermittlungsgesetzes (idF der Bekanntmachung vom 27. November 1989, BGBl I, 2016) zur Vorbereitung der Aufnahme in eine Adoptionspflege iS von § 1744 BGB und der späteren Adoption vorgesehen ist (vgl dazu im einzelnen BSGE 71, 128, 131 ff = SozR 3-7833 § 1 Nr 9 und ergänzend BSG, Urteil vom 28. Februar 1996 - 14 REg 3/95 - unveröffentlicht; ferner Bundesverfassungsgericht, Kammerbeschluß vom 22. Dezember 1993 - 1 BvR 54/93 - SozSich 1994, 235, 236; BSG, Urteil vom 15. August 2000, SozR 3-7833 § 1 S 116 f).

Hinsichtlich des Zeitpunkts der Inobhutnahme und der dieser vorhergehenden oder nachfolgenden Adoptionsbewerbung fehlen entsprechende Feststellungen des LSG. Diese kann das BSG nicht selbst nachholen. Das LSG wird insbesondere zu prüfen haben, ob und ggf ab wann sich für eine Konkretisierung des Adoptionswillens im vorgenannten Sinne ausreichende Anhaltspunkte ergeben. Unter Umständen können die Vorgänge zum Erziehungsurlaub hierüber Aufschluß geben. Denn § 15 BErzGG macht den Anspruch auf Erziehungsurlaub ua davon abhängig, daß das Kind "in Adoptionspflege" steht oder als Kind angenommen ist, und gewährt Erziehungsurlaub für insgesamt drei Jahre ab der "Inobhutnahme mit dem Ziel der Annahme als Kind" (§ 15 Abs 1 Nr 1 Satz 2 BErzGG). Das könnte jedenfalls einen gewissen Hinweis dafür bieten, daß die auf Adoption zielende Inobhutnahme bereits mit dem Beginn des Erziehungsurlaubs erfolgt ist.

Des weiteren wird das LSG zu prüfen haben, ob ein - an sich bestehender - Anspruch der Klägerin auf Erziehungsgeld "nur" wegen des nach §§ 5 und 6 BErzGG zu berücksichtigenden Einkommens nicht bestanden hat. Auch hierzu fehlen Feststellungen. In diesem Zusammenhang ist es unerheblich, ob die Klägerin einen Antrag auf Erziehungsgeld gestellt hat oder nicht. Hatte sie ihn gestellt, könnte der ergangene Bescheid darüber Auskunft geben, ob die Ablehnung der Leistung auf den vorgenannten Gründen beruht. Hat die Klägerin einen Antrag nicht gestellt, hat das LSG die betreffenden Feststellungen selbst zu treffen. Denn für den Fall, daß ihr die Leistung wegen des zu berücksichtigenden Einkommens nicht zugestanden hätte, ist ein fehlender Antrag unschädlich. Es ist dem potentiell Leistungsberechtigten grundsätzlich nicht zuzumuten, eine ohnehin nicht zu gewährende Leistung zu beantragen (zu einer ähnlichen Situation bei § 36 AVG <jetzt § 58 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch> vgl BSGE 64, 118, 120/21). Daran ändert auch der Umstand nichts, daß § 5 BErzGG in Abs 2 Satz 4 auf die Einkommensverhältnisse zum Zeitpunkt der Antragstellung abstellt. Denn bei der hier erforderlichen Prüfung, ob der Klägerin ab 1. Februar 1996 (möglicher Beginn der Rahmenfrist) Erziehungsgeld zugestanden hätte oder wegen Berücksichtigung von Einkommen nicht zugestanden hätte, ist auf die Verhältnisse zu diesem Zeitpunkt abzustellen. Dieser Zeitpunkt liegt im übrigen nur ca sieben Wochen nach Beginn des Erziehungsurlaubs, der nach den Umständen des Falles als frühester Zeitpunkt einer Erziehungsgeldberechtigung in Frage kommen dürfte.

Sollten die Ermittlungen ergeben, daß die Voraussetzungen des § 107 Satz 1 Nr 5 Buchst c AFG nicht erfüllt, dh in der gesamten Zeit vom 1. Februar 1996 bis 31. Dezember 1997 keine "gleichgestellten Zeiten" bzw keine Zeiten eines Versicherungspflichtverhältnisses zurückgelegt worden sind (§ 427 Abs 2 und 3 SGB III), sind die Voraussetzungen für das Alg nicht erfüllt. Denn die Klägerin hat auch in der Zeit zwischen dem 1. Januar 1997 und dem 31. Januar 1999 nur etwa 7 Wochen lang (vom 5. Dezember 1998 bis 31. Januar 1999) in einem Pflichtversicherungsverhältnis gestanden.

In diesem Fall wären auch die Voraussetzungen für die Alhi nach §§ 190 ff SGB III nicht erfüllt. Denn die Klägerin hat in einjähriger Vorfrist vom 1. Februar 1998 bis 31. Januar 1999 weder Alg bezogen noch mindestens fünf Monate in einer Beschäftigung gestanden oder Zeiten zurückgelegt, die zur Erfüllung der Anwartschaftszeit dienen können (§ 191 Abs 1, § 192 Satz 1 SGB III <§ 191 idF, die diese Vorschrift durch das Rentenreformgesetz 1999 vom 16.12.1997, BGBl I, 2998, erhalten hat; § 192 idF, die diese Vorschrift durch das 1. SGB III-ÄndG vom 16.12.1997, BGBl I, 2970, erhalten hat>).

Eine günstigere Beurteilung ergibt sich für die Klägerin in diesem - von § 427 Abs 2 und 3 SGB III nicht erfaßten - Fall auch nicht aus § 124 Abs 3 Satz 1 Nr 2 SGB III bzw aus § 192 Satz 2 Nr 3 SGB III (§ 124 und § 192 idF, die diese Vorschriften durch das 1. SGB III-ÄndG erhalten haben), weil sich bei Anwendung dieser Vorschriften nur eine Verlängerung der Rahmenfrist bzw der Vorfrist um 40 Tage errechnet; dies reicht für die Erfüllung der Anwartschaftszeit nicht aus. Ob diese Vorschriften - wie die Klägerin geltend macht - insoweit verfassungswidrig sind, als sie die Verlängerung der genannten Fristen auf Zeiten der Betreuung von Kindern bis zu deren 3. Lebensjahr beschränken, bedarf bei dem gegenwärtigen Stand der Ermittlungen (noch) keiner weiteren Erörterung.

Im übrigen wird das LSG über die Kosten des Revisionsverfahrens mitzuentscheiden haben.

Ende der Entscheidung

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