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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundessozialgericht
Urteil verkündet am 21.06.2001
Aktenzeichen: B 7 AL 6/00 R
Rechtsgebiete: SGB X


Vorschriften:

SGB X § 45 Abs 2 Satz 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESSOZIALGERICHT Im Namen des Volkes Urteil

Az: B 7 AL 6/00 R

in dem Rechtsstreit

Der 7. Senat des Bundessozialgerichts hat ohne mündliche Verhandlung am 21. Juni 2001 durch die Vizepräsidentin Dr. Wolff, die Richter Dr. Spellbrink und Eicher sowie die ehrenamtlichen Richter Hannig und Dr. Dauber

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 22. Oktober 1999 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I

Die Klägerin wendet sich gegen die Rücknahme der Bewilligung von Arbeitslosengeld (Alg) ab dem 31. Oktober 1995.

Die im Jahre 1942 geborene Klägerin war vom 1. Dezember 1981 bis zum 28. Februar 1995 als Altenpflegehelferin bei der Stadt D. beschäftigt. Vom 21. Juli 1991 bis zum 28. Februar 1995 übte sie diese Tätigkeit nicht aus. Sie bezog vom 22. Juli 1991 bis zum 11. Juli 1992 Krankengeld und führte zugleich ein Rentenverfahren wegen Berufs- bzw Erwerbsunfähigkeit durch. Nachdem das Sozialgericht (SG) im Januar 1995 die Klage in dem Rentenverfahren abgewiesen hatte, schloß die Klägerin am 27. Januar 1995 mit ihrer Arbeitgeberin einen Aufhebungsvertrag zum 28. Februar 1995. Für den Zeitraum vom 1. Juli 1991 bis zum 28. Februar 1995 wurde kein Arbeitsentgelt gezahlt.

Die Klägerin meldete sich am 2. März 1995 arbeitslos und beantragte die Gewährung von Alg, das ihr mit Bescheid vom 8. Juni 1995 bewilligt wurde. Die Beklagte teile der Klägerin mit Anhörungsschreiben vom 6. Juli 1995 mit, daß ihr nach den vorliegenden Unterlagen das bewilligte Alg nicht zustehe. Mit Bescheid vom 21. Juli 1995 nahm die Beklagte sodann den Bewilligungsbescheid vom 8. Juni 1995 zurück, weil die Anspruchsvoraussetzungen für die Gewährung von Alg von Anfang an nicht vorgelegen hätten. Die Klägerin habe die Anwartschaftszeit nicht erfüllt. Zur Begründung ihres Widerspruchs hat die Klägerin ausgeführt, sie sei der Meinung gewesen, erst nach Abschluß des Rentenverfahrens Alg beantragen zu können. Auf die Möglichkeit, sich schon früher arbeitslos zu melden, habe sie niemand hingewiesen. Mit einem am 31. Oktober 1995 ausgehändigten Bescheid, der das Datum 22. August 1995 trägt, erließ die Beklagte einen Änderungsbescheid zum Rücknahmebescheid vom 21. Juli 1995, mit dem die Bewilligung von Alg ab dem 7. August 1995 zurückgenommen wurde. Mit Widerspruchsbescheid vom 1. Dezember 1995 wies die Beklagte den Widerspruch zurück und führte zur Begründung aus, der Klägerin sei aufgrund des Anhörungsschreibens vom 6. Juli 1995 bekannt gewesen, daß Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Bewilligung des Alg bestanden hätten. Sie könne sich daher ab dem Zugang des Anhörungsschreibens nicht mehr auf Vertrauensschutz berufen. Die Rücknahmeentscheidung stehe im Ermessen der Beklagten. Nach Abwägung der beiderseitigen Interessen werde der Bescheid ab dem 7. August 1995 mit Wirkung für die Zukunft zurückgenommen. Es bestehe noch ein Restanspruch auf Alg für 581 Tage. Zwar treffe die Rücknahmeentscheidung die Klägerin in ihrer wirtschaftlichen Existenz und führe gegebenenfalls zur Sozialhilfebedürftigkeit. Dies wäre aber bei einer von Anfang an richtigen Sachentscheidung ebenfalls der Fall gewesen. Im übrigen sei die Klägerin bereits ab dem 12. Juli 1992 nach Beendigung des Krankengeldbezugs ohne eigenes Einkommen gewesen und habe ihren Lebensunterhalt gemeinsam mit ihrem Ehegatten aus dessen Einkommen und gemeinsamen Ersparnissen bestritten. Die von Anfang an rechtswidrige Bewilligung gehe allerdings zu Lasten der Beklagten, so daß die Rücknahme erst mit Wirkung für die Zukunft erfolge.

Auf ihre Klage hat das SG Darmstadt mit Urteil vom 8. Oktober 1996 den Bescheid der Beklagten vom 21. Juli 1995 idF des Änderungsbescheids vom 22. August 1995 und des Widerspruchsbescheids vom 1. Dezember 1995 aufgehoben. Zwar sei der Alg-Bewilligungsbescheid von Anfang an rechtswidrig gewesen, weil die Klägerin die Anwartschaftszeit nicht erfüllt habe. Die Beklagte habe aber die für eine Ermessensentscheidung geltenden Grenzen nicht eingehalten, weil sie nicht beachtet habe, daß sich die Klägerin bereits zum 12. Juli 1992 hätte arbeitslos melden und Alg beantragen können. Hierdurch sei der Beklagten ein erheblicher Vermögensvorteil entstanden, weil die Klägerin im Falle der rechtzeitigen Antragstellung voraussichtlich für den gesamten Leistungszeitraum Alg erhalten hätte. Dies müsse bei einer erneuten Entscheidung im Sinne einer Ermessensreduzierung beachtet und deshalb müsse von einer Aufhebung der Bewilligungsentscheidung insgesamt abgesehen werden.

Auf die Berufung der Beklagten hat das Hessische Landessozialgericht (LSG) mit Urteil vom 22. Oktober 1999 das Urteil des SG hinsichtlich des Bescheides vom 22. August 1995 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 1. Dezember 1995 dahingehend abgeändert, daß der Bescheid nur insoweit aufgehoben wurde, als die Bewilligung von Alg für die Zeit vom 7. August 1995 bis zum 30. Oktober 1995 zurückgenommen worden ist. Insoweit wurde die Klage abgewiesen. Im übrigen hat das LSG die Berufung zurückgewiesen. Zur Begründung hat das LSG ausgeführt, der Bescheid vom 21. Juli 1995 sei wegen inhaltlicher Unbestimmtheit nichtig, weil offengelassen werde, ab welchem Zeitpunkt die Rücknahmeentscheidung wirke. Der am 31. Oktober 1995 der Klägerin ausgehändigte Bescheid vom 22. August 1995 sei nur insoweit rechtmäßig, als er eine Rücknahme für die Zukunft ausspreche. Die Bewilligung von Alg sei von Anfang an rechtswidrig gewesen. Die Klägerin habe die Rahmenfrist nicht erfüllt, da lediglich 132 Tage des Krankengeldbezuges Berücksichtigung finden könnten. Ein früherer Zeitpunkt der Arbeitslosmeldung könne auch nicht im Wege eines Herstellungsanspruches fingiert werden, so daß der Klägerin unter keinem denkbaren Gesichtspunkt ein Anspruch auf Alg zustehe. Soweit der Bescheid eine Rücknahme für die Zukunft beinhalte, sei er rechtmäßig. Ein die Rücknahme ausschließendes, das öffentliche Interesse überwiegendes schutzwürdiges Vertrauen auf Seiten der Klägerin liege nicht vor. Bei Verwaltungsakten, mit denen Dauerleistungen bewilligt worden seien, müsse das öffentliche Interesse an der Beseitigung des rechtswidrigen Zustandes höher bewertet werden als bei der Gewährung einmaliger Leistungen. Dauerleistungen würden die Allgemeinheit regelmäßig stärker belasten als eine einmalige Leistung. Die Klägerin habe weder eine nicht rückgängig zu machende Vermögensdisposition getroffen, noch seien andere Umstände, die die Schutzwürdigkeit ihres Vertrauens in den Bestand der Bewilligung rechtfertigen könnten, ersichtlich. Auch könne der Ansicht, daß durch grobe Fehler der Verwaltung bei Erlaß des rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsakts das Vertrauen des Begünstigten nachhaltig gestärkt werde, nicht beigetreten werden. Weitere Gesichtspunkte, die einen Vertrauensschutz begründen könnten, seien nicht ersichtlich. Die Beklagte habe das ihr eingeräumte Ermessen in rechtlich nicht zu beanstandender Weise ausgeübt. Sie habe sachgerechte Erwägungen angestellt und den Aspekt der möglicherweise eintretenden Sozialhilfebedürftigkeit ausreichend berücksichtigt. Die Tatsache, daß die Klägerin nicht bereits nach der Beendigung des Krankengeldbezugs Alg beantragt habe, sei in diesem Zusammenhang nicht zu berücksichtigen. Hinweise auf die Verletzung einer Beratungspflicht durch einen beteiligten Sozialleistungsträger lägen nicht vor.

Mit ihrer Revision rügt die Klägerin eine Verletzung des § 45 Abs 2 Satz 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X). Sie könne sich auf ein die Rücknahme hinderndes überwiegendes schutzwürdiges Vertrauen berufen. Das grob fahrlässige Handeln der Beklagten habe zu ihren - der Klägerin - Gunsten einen erhöhten Vertrauensschutz zur Folge. Bei der Ermessensentscheidung seien auch Billigkeitsgesichtspunkte zu berücksichtigen, die sich vorliegend daraus ergäben, daß ihr ab dem 12. Juli 1992 aufgrund der bestehenden Leistungseinschränkungen und ihres fortgeschrittenen Alters ein Anspruch auf Alg nach § 105a Arbeitsförderungsgesetz (AFG) zugestanden habe. Alg habe sie indessen erst im März 1995 beantragt. Dadurch sei der Beklagten ein erheblicher Vermögensvorteil im Sinne ersparter Aufwendungen erwachsen. Schließlich hätten die beteiligten Kranken- und Rentenversicherungsträger Beratungspflichten verletzt.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 22. Oktober 1999 abzuändern und den Bescheid der Beklagten vom 22. August 1995 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 1. Dezember 1995 auch insoweit aufzuheben, als dieser die Bewilligung von Arbeitslosengeld für die Zeit ab dem 31. Oktober 1995 zurückgenommen hat.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie bringt vor, die Gewährung von Alg sei von Anfang an rechtswidrig gewesen. Bevor es zur Ausübung des Ermessens komme, sei im Rahmen der nach § 45 Abs 2 SGB X gebotenen Interessenabwägung zu prüfen, ob der Klägerin Vertrauensschutz erwachsen sei. Bei Verwaltungsakten, mit denen eine Dauerleistung bewilligt werde, sei das öffentliche Interesse an der Beseitigung des rechtswidrigen Zustandes in der Regel höher einzuschätzen als bei der Gewährung einmaliger Leistungen. Nach den bindenden Feststellungen des LSG habe die Klägerin keine Vermögensdispositionen getroffen oder andere, einen Vertrauensschutz begründende Handlungen vorgenommen. Die Verursachung der Rechtswidrigkeit durch sie - die Beklagte - führe nicht zur Schutzwürdigkeit des Vertrauens der Klägerin. Nicht jeder im Bereich der Verwaltung liegende Fehler rechtfertige einen Ausschluß der Rücknahme. Das ihr zustehende Ermessen habe sie fehlerfrei ausgeübt. Von einem nach § 105a AFG bestehenden Anspruch der Klägerin auf Alg könne nicht ausgegangen werden, denn Voraussetzung für einen derartigen Anspruch seien neben der Antragstellung weitere Tatbestandsmerkmale, deren Vorliegen nicht nachgewiesen werden könne.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch Urteil (§ 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz <SGG>) einverstanden erklärt.

II

Die Revision der Klägerin ist unbegründet. Zu Recht hat das LSG entschieden, daß die Rücknahme der Alg-Bewilligung für die Zeit ab 31. Oktober 1995 rechtmäßig war. Soweit das LSG den Rücknahmebescheid der Beklagten für den Zeitraum vom 7. August bis zum 30. Oktober 1998 aufgehoben hat, ist das Urteil in Rechtskraft erwachsen. Streitig ist im Revisionsverfahren mithin nur noch, ob der Klägerin über den 30. Oktober 1995 hinaus ein Anspruch auf Alg zusteht.

Zwar ist der Tenor des angefochtenen Urteils mißverständlich gefaßt. Das LSG hat die Klage insoweit abgewiesen, als die Alg-Bewilligung für die Zeit vom 7. August bis zum 30. Oktober 1995 von der Beklagten zurückgenommen worden ist. Richtig wäre gewesen, die weitergehende Klage der Klägerin abzuweisen, weil die Klägerin für den Zeitraum vom 7. August bis 30. Oktober 1995 gerade obsiegt hat. Hinsichtlich der Berufung der Beklagten wäre der Ausspruch geboten gewesen, die Berufung nur insoweit zurückzuweisen, als die Klägerin obsiegt hat. Der vom LSG gewählte Tenor: "Im übrigen wird die Berufung zurückgewiesen" ist insoweit mißverständlich. Dies führt jedoch nicht dazu, daß das Urteil wegen inhaltlicher Widersprüchlichkeit keine Rechtswirkungen entfalten kann (vgl hierzu BSG, Urteil vom 29. Juni 2000 - B 13 RJ 41/99 R -, SGb 2000, 475; BSG Urteil vom 26. Januar 2000 - B 13 RJ 5/99 R -, SGb 2000, 258; BSG SozR 1500 § 136 Nr 6, S 6). Vielmehr kann die Urteilsformel unter Heranziehung des sonstigen Urteilsinhalts, insbesondere der Entscheidungsgründe, eindeutig so ausgelegt werden, daß die Rücknahme der Alg-Bewilligung vom LSG insoweit als rechtmäßig angesehen wurde, als sie für die Zukunft (ab 31. Oktober 1995) erfolgt ist.

Rechtsgrundlage für den der Klägerin nach den Feststellungen des LSG am 31. Oktober 1995 bekanntgegebenen Bescheid vom 22. August 1995, der allein noch streitbefangen ist, ist § 45 SGB X. § 152 Abs 2 AFG (idF des Ersten Gesetzes zur Umsetzung des Spar-, Konsolidierungs- und Wachstumsprogramms <1. SKPWG> vom 21. Dezember 1993, BGBl I 1993 S 2353) kommt nicht zur Anwendung, weil die Voraussetzungen des § 45 Abs 2 Satz 3 SGB X nicht vorliegen.

Gemäß § 45 Abs 1 Satz 1 SGB X darf ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), soweit er rechtswidrig ist, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt darf nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist (§ 45 Abs 2 Satz 1 SGB X). Da vorliegend lediglich streitig die Rücknahme der Bewilligung ab 31. Oktober 1995 ist und die Beklagte der Klägerin den Rücknahmebescheid am 31. Oktober 1995 iS des § 37 SGB X bekanntgegeben hat, ist nur die Rechtmäßigkeit einer in die Zukunft gerichteten Rücknahme der Alg-Bewilligung streitig (vgl BSG SozR 3-1200 § 44 Nr 2 S 8; BSGE 61, 189, 190; BSGE 80, 186, 196 = SozR 3-7140 § 1 Nr 1 S 13 mwN).

Der Bescheid über die Bewilligung von Alg vom 8. Juni 1995 war von Anfang an rechtswidrig. Der Klägerin stand kein Anspruch auf Gewährung von Alg zu. Nach § 100 Abs 1 AFG hat Anspruch auf Alg, wer arbeitslos ist, der Arbeitsvermittlung zur Verfügung steht, die Anwartschaftszeit erfüllt und Alg beantragt hat. Die Klägerin hat die Anwartschaftszeit nicht erfüllt. Dies ist nach § 104 AFG idF des 1. SKWPG vom 21. Dezember 1993 (BGBl I 1993 S 2353) nur dann der Fall, wenn der Arbeitslose in der Rahmenfrist 360 Kalendertage in einer die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung gestanden hat. Die Rahmenfrist beträgt drei Jahre (§ 104 Abs 3 AFG) und geht dem ersten Tag der Arbeitslosigkeit unmittelbar voraus, an dem die sonstigen Voraussetzungen für den Anspruch auf Alg erfüllt sind (§ 104 Abs 2 AFG). Zeiten einer Beschäftigung, für die kein Arbeitsentgelt gezahlt wird, dienen nicht zur Erfüllung der Anwartschaftszeit (§ 104 Abs 1 Satz 2 Nr 1 AFG).

Da die Klägerin sich am 2. März 1995 arbeitslos gemeldet und den Antrag auf Gewährung von Alg gestellt hat, lief die Rahmenfrist frühestens vom 2. März 1992 bis zum 1. März 1995. Die Klägerin hätte mithin - bei Erfüllung der sonstigen Voraussetzungen - die Anwartschaftszeit für einen Anspruch auf Alg nur dann erfüllt, wenn sie in dem der Antragstellung vorhergehenden Dreijahreszeitraum außer dem festgestellten Krankengeldbezug bis zum 11. Juli 1992 weitere Beschäftigungszeiten zurückgelegt hätte, die entweder Beitragspflicht begründet haben oder aber als Beschäftigungszeiten ohne Entgeltzahlung iS von § 104 Abs 1 Satz 3 AFG zurückgelegt worden sind, sofern sie jeweils vier Wochen nicht überschritten haben. Die Klägerin war jedoch von 1992 bis 1995 nach den unangegriffenen Feststellungen des LSG nicht entgeltlich beschäftigt. Mithin war der Bescheid der Beklagten über die Bewilligung von Alg vom 8. Juni 1995 von Anfang an rechtswidrig.

Die Klägerin kann auch nicht im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs so gestellt werden, als habe sie die Anwartschaftszeit für einen Anspruch auf Alg erfüllt. Der sozialrechtliche Herstellungsanspruch hat zunächst zur Voraussetzung, daß der Sozialleistungsträger eine ihm aufgrund Gesetzes oder bestehenden Sozialrechtsverhältnisses obliegende Pflicht, insbesondere zur Auskunft und Beratung (§§ 14, 15 SGB I) verletzt hat (vgl hierzu die Urteile des Senats: BSGE 76, 84, 90 = SozR 3-8825 § 2 Nr 3; SozR 3-4100 § 249e Nr 4; SozR 3-4100 § 37 Nr 1; SozR 3-4100 § 134 Nr 14 und SozR 3-4100 § 110 Nr 2). Aus dieser Verletzung einer Beratungspflicht muß dem Sozialversicherten ein Nachteil entstanden sein. Schließlich ist weitere Voraussetzung eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs, daß dieser erlittene Nachteil mit verwaltungskonformen Mitteln im Rahmen der gesetzlichen Regelung, also durch eine vom Gesetz vorgesehene zulässige und rechtmäßige Amtshandlung ausgeglichen werden kann (BSG SozR 3-4100 § 134 Nr 14, S 56; BSGE 58, 104, 109 = SozR 4100 § 103 Nr 36; BSGE 51, 89, 52 = SozR 2200 § 381 Nr 44; BSG SozR 3-4100 § 110 Nr 2, S 10). Ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch scheitert hier aber schon daran, daß ein Beratungsfehler auf Seiten der Beklagten (oder eines anderen Sozialleistungsträgers) nicht erkennbar ist. Die Klägerin hat sich zudem erst zum 2. März 1995 arbeitslos gemeldet. Eine Arbeitslosmeldung zu einem früheren Zeitpunkt ist nicht festgestellt und auch nicht behauptet. Die Arbeitslosmeldung stellt eine reine Tatsachenerklärung dar, die im Wege des Herstellungsanspruchs nicht von der Beklagten ersetzt werden kann. Der Senat hat zuletzt mit Urteil vom 7. September 2000 (B 7 AL 2/00 R, zur Veröffentlichung vorgesehen, mit zahlreichen weiteren Nachweisen) den Charakter der Arbeitslosmeldung als Tatsachenerklärung nochmals vorgehoben. Die Arbeitslosmeldung dient vornehmlich dazu, das Arbeitsamt tatsächlich in die Lage zu versetzen, mit seinen Vermittlungsbemühungen zu beginnen, um die Arbeitslosigkeit und damit die Leistungspflicht möglichst rasch zu beenden. Gerade im Hinblick auf diese spezifische Funktion der Arbeitslosmeldung hat der Senat bereits mehrfach entschieden, daß eine fehlende Arbeitslosmeldung nicht im Wege des Herstellungsanspruchs ersetzbar ist (BSGE 60, 43 = SozR 4100 § 105 Nr 2; BSG SozR 3-4100 § 134 Nr 14, S 56; BSG SozR 1300 § 28 Nr 1). Mithin kann die Klägerin im Wege des Herstellungsanspruchs - unabhängig davon, daß ein Beratungsfehler nicht ersichtlich ist - nicht rückwirkend so gestellt werden, als hätte sie sich vor dem 2. März 1995 arbeitslos gemeldet, wodurch die Rahmenfrist verschoben worden wäre, mit der Folge, daß die Klägerin die Anwartschaftszeit ggf hätte erfüllen können.

Der Klägerin kann auch nicht im Wege des § 28 SGB X ein Anspruch auf Alg zustehen. Hat ein Leistungsberechtigter von der Stellung eines Antrags auf eine Sozialleistung abgesehen, weil ein Anspruch auf eine andere Sozialleistung geltend gemacht worden ist, und wird diese Leistung versagt oder ist sie zu erstatten, wirkt der nunmehr nachgeholte Antrag bis zu einem Jahr zurück, wenn er innerhalb von sechs Monaten nach Ablauf des Monats gestellt ist, in dem die Ablehnung oder Erstattung der anderen Leistung bindend geworden ist. Da die Klägerin hier geltend macht, wegen des weiterhin betriebenen Rentenverfahrens keinen Antrag auf Alg gestellt zu haben, könnte hinsichtlich der Antragstellung möglicherweise eine Rückwirkung gemäß § 28 SGB X in Frage kommen. Jedoch hat der Senat bereits entschieden, daß § 28 SGB X nur die Rückwirkung einer (nachgeholten) Antragstellung bewirken kann, nicht jedoch eine Rückwirkung der übrigen Voraussetzungen für die Gewährung von Alg, insbesondere nicht eine Rückwirkung der Arbeitslosmeldung (BSG SozR 1300 § 28 Nr 1). Eine Vordatierung der Arbeitslosmeldung im Wege des § 28 SGB X ist grundsätzlich nicht möglich, weil es sich insoweit nicht um eine Willenserklärung handelt, die den Gestaltungsmöglichkeiten einer Willenserklärung unterliegt (vgl hierzu BSG aaO).

Somit war die Bewilligung von Alg vom 8. Juni 1995 auch unter den Gesichtspunkten des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs und des § 28 SGB X von Anfang an rechtswidrig gemäß § 45 Abs 1 Satz 1 SGB X.

Das LSG hat auf der Grundlage der von ihm getroffenen tatsächlichen Feststellungen auch zu Recht entschieden, daß die Klägerin für sich keinen Vertrauensschutz beanspruchen konnte. Ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt darf nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit den öffentlichen Interessen an einer Rücknahme schutzwürdig ist (§ 45 Abs 2 Satz 1 SGB X). Nach § 45 Abs 2 Satz 2 SGB X ist das Vertrauen in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte erbrachte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann. Nach den unangefochtenen und insoweit bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) hat die Klägerin jedenfalls keine Vermögensdisposition iS des § 45 Abs 2 Satz 2 SGB X getroffen. Eine Prüfung, ob die Klägerin das ihr zu Unrecht bewilligte Alg verbraucht hat, ist nur bei einer Rücknahme der Bewilligungsentscheidung mit Wirkung für die Vergangenheit beachtlich (Wiesner in Schroeder-Printzen, SGB X, 3. Aufl 1996, RdNr 19 zu § 45 SGB X).

Im Rahmen der Vertrauensschutzprüfung nach § 45 Abs 2 Satz 1 SGB X sind die Belange des vom rechtswidrigen Verwaltungsakt Begünstigten mit dem öffentlichen Interesse der Allgemeinheit an der Herstellung gesetzmäßiger Zustände abzuwägen (vgl hierzu: BSGE 81, 156, 159 f = SozR 3-1300 § 45 Nr 37 S 116; SozR 1300 § 45 Nr 9 S 25 f; BSGE 59, 157, 163 ff = SozR 1300 § 45 Nr 19 S 58; BSGE 60, 147, 152 = SozR 1300 § 45 Nr 24 S 77). Im vorliegenden Fall hat das LSG zunächst zu Recht beachtet, daß es sich bei der Gewährung von Alg um die Bewilligung einer Dauerleistung handelt, bei der das öffentliche Interesse an der Beseitigung des rechtswidrigen Zustandes in der Regel höher einzuschätzen ist als bei der Gewährung einmaliger Leistungen, weil eine Dauerleistung die Allgemeinheit in der Regel stärker belastet als eine einmalige Leistung (BSGE 60, 147, 152 = SozR 1300 § 45 Nr 24 S 77; BSG SozR 3-3100 § 85 Nr 1 S 3; Steinwedel in Kasseler Komm, § 45 SGB X RdNr 47). Hinzu kommt, daß die Bewilligung von Alg hier erst ab dem 18. April 1995 erfolgt ist, so daß die Leistungsgewährung bis zur Rücknahmeentscheidung der Beklagten nur von kurzer Dauer war. Deshalb kann zugunsten der Klägerin auch nicht ins Feld geführt werden, die bewilligte Leistung sei ihr bereits über einen längeren Zeitraum gewährt worden. Die Stellung des durch die rechtswidrige Leistung Begünstigten wird nach der Rechtsprechung zwar mit zunehmendem zeitlichen Abstand vom Zeitpunkt der Bewilligung gestärkt (BSGE 81, 156, 161 = SozR 3-1300 § 45 Nr 37 S 118). Die rechtswidrige Bewilligung vom 8. Juni 1995 lag im Zeitpunkt der Rücknahmeentscheidung noch nicht einmal ein halbes Jahr zurück. Dieser Zeitraum ist nicht ausreichend, um in die Vertrauensschutzprüfung zugunsten der Klägerin einzufließen (vgl BSG SozR 3-3100 § 85 Nr 1 S 3 f). Hinzu kommt, daß die Klägerin bereits im Juli 1995 durch das Anhörungsschreiben der Beklagten im einzelnen darüber informiert wurde, daß die - zu diesem Zeitpunkt - nur vier Wochen zurückliegende Bewilligung rechtswidrig war. Insofern war die Klägerin bereits ab Zugang dieses Anhörungsschreibens "bösgläubig" hinsichtlich des Behaltendürfens des ihr bewilligten Alg.

Das Vertrauen der Klägerin war auch nicht deshalb schützenswert, weil die Rechtswidrigkeit der Bewilligung allein in den Verantwortungsbereich der Beklagten fiel. Der Beklagten war aufgrund der vom Arbeitgeber erstellten Arbeitsbescheinigung bekannt, daß der Klägerin im Zeitraum vom 21. Juli 1991 bis zum 28. Februar 1995 wegen Krankheit kein Arbeitsentgelt gezahlt worden war und die Klägerin vom 22. Juli 1991 bis zum 11. Juli 1992 Krankengeld bezogen hat. Im Hinblick darauf, daß der letzte Tag des Bemessungszeitraums mehr als drei Jahre zurücklag, hat die Beklagte zudem eine Stellungnahme zum fiktiven Arbeitsentgelt eingeholt. Insofern handelte die Beklagte fehlerhaft, als sie der Klägerin dennoch durch Bescheid vom 8. Juni 1995 Alg bewilligte. Der Anwendungsbereich des § 45 SGB X würde jedoch zu stark eingeengt, ließe man den Umstand der alleinigen Verantwortlichkeit für die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts genügen, um das öffentliche Interesse an der Einstellung der rechtswidrig bewilligten Dauerleistung als weniger gewichtig zu bewerten. Mit Ausnahme des § 45 Abs 2 Satz 3 SGB X, wonach Vertrauensschutz generell versagt wird, fällt die Ursache für den Erlaß eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsakts regelmäßig in den Verantwortungsbereich der Verwaltung (vgl BSG SozR 3-3100 § 85 Nr 1 S 3). Würde jeder im Bereich der Verwaltung auftretende Fehler zu einem schutzwürdigen Vertrauen des durch den Verwaltungsakt Begünstigten führen, so bedürfte es der Norm des § 45 SGB X letztlich nicht. Es bliebe bei der Bindungswirkung des § 77 SGG. Eine derartige Konstruktion liefe aber der Zielsetzung des § 45 SGB X, einen rechtswidrigen Zustand auch wieder beseitigen zu können, zuwider.

Der Senat hat dementsprechend bereits entschieden, allein die Tatsache, daß die Fehlerhaftigkeit des Bewilligungsbescheids auf einer unrichtigen Rechtsanwendung seitens der Beklagten beruht, rechtfertige noch nicht ein schutzwürdiges Vertrauen des Begünstigten in den Fortbestand dieser rechtswidrigen Entscheidung (BSGE 59, 157, 164 f = SozR 1300 § 45 Nr 19, S 58; ebenso BSGE 81, 156, 161 = SozR 3-1300 § 45 Nr 37 S 117 ff). Vielmehr sind alle Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen und in die Abwägungsentscheidung zwischen dem öffentlichen Interesse an der Wiederherstellung eines gesetzesmäßigen Zustandes und den Belangen des betroffenen Versicherten einzubeziehen (BSG aaO; vgl hierzu auch BSG Urteil vom 28. November 1994 - 4 RJ 37/84 = DRV 1985, 319). Im Rahmen dieser Einzelabwägung aller Belange könnte eine Stärkung des Vertrauens der Klägerin in den Bestand der fehlerhaften Bewilligung allenfalls dann angenommen werden, wenn der Beklagten über den bloßen Fehler bei der ursprünglichen Bewilligung hinaus noch weitere Fehler unterlaufen wären, die ein zusätzliches Vertrauen begründet hätten (vgl hierzu BSG SozR 1300 § 45 Nr 9). Eine solche Vertiefung oder Perpetuierung des ursprünglich gemachten Fehlers durch zusätzliches Verwaltungshandeln (etwa durch die Erteilung zusätzlicher falscher Auskünfte, weiterer Bescheide oder die Anforderung weiterer Unterlagen, ohne Hinweis auf die Rechtswidrigkeit der Bewilligung) liegt hier gerade nicht vor. Vielmehr hat die Beklagte - wie ausgeführt - bereits knapp vier Wochen nach Erteilung des Bewilligungsbescheids vom 8. Juni 1995 die Klägerin ausdrücklich auf die Rechtswidrigkeit der Bewilligung hingewiesen. Da weitere für eine Vertrauensschutzprüfung iS des § 45 Abs 2 Satz 1 SGB X relevante Sachverhaltselemente vom LSG nicht festgestellt und von der Klägerin auch nicht vorgetragen wurden, war hier das Interesse der Allgemeinheit daran, daß die Klägerin nicht noch für fast zwei weitere Jahre Alg aufgrund einer rechtswidrigen Bewilligung erhält, höher zu bewerten als das bei ihr durch die Rechtswidrigkeit der Bewilligung möglicherweise entstandene Vertrauen. Eine andere Entscheidung würde dazu führen, daß auch in Normalfällen fehlerhaften Verwaltungshandelns eine Korrektur rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakte zu Lasten des Versicherten mit Wirkung für die Zukunft praktisch nicht mehr möglich wäre.

Die Beklagte hat auch das ihr durch § 45 Abs 2 Satz 1 SGB X eingeräumte Ermessen in nicht zu beanstandender Weise ausgeübt. Die Beklagte hat zunächst im vorliegenden Fall Ermessen betätigt. Dies folgt insbesondere aus der Begründung des Widerspruchsbescheids, dem sich entnehmen läßt, daß die Beklagte sich des ihr zustehenden Ermessensspielraums bewußt war, also nicht von einer Rücknahmepflicht ausgegangen ist. Im Rahmen der Ermessenserwägungen ist die Beklagte zu dem Ergebnis gelangt, daß die Rücknahme die Klägerin "hart" treffe und ggf zur Sozialhilfebedürftigkeit führe. Auf der anderen Seite sei es jedoch nicht vertretbar, der Arbeitslosenversicherung den Restanspruch von 581 Tagen bis zu dessen Erschöpfung finanziell aufzubürden. Dabei durfte sich die Beklagte darauf berufen, daß die Klägerin auch ohne die Fehlbewilligung des Alg wirtschaftlich nicht anders als vor dieser Bewilligung gestanden hätte bzw aus der Fehlbewilligung für die Klägerin keine besonderen Belastungen (insbesondere keine Rückzahlungspflichten) entstanden sind. Ein solcher Gesichtspunkt wäre insbesondere dann zugunsten der Klägerin zu berücksichtigen, wenn durch die Rückzahlungspflicht bereits erhaltener Leistungen (wie Alg etc) Sozialhilfebedürftigkeit eintreten würde, die aber - weil für die Vergangenheit - nicht zur Leistungspflicht des Sozialhilfeträgers führte. So lagen die Verhältnisse hier gerade nicht. Die Beklagte hat den rechtswidrigen Bewilligungsbescheid nach Maßgabe des Widerspruchsbescheids sodann mit Wirkung für die Zukunft aufgehoben, obwohl womöglich auch die rechtlichen Voraussetzungen für eine rückwirkende Aufhebung vorgelegen haben. Auch dies läßt mit hinreichender Deutlichkeit erkennen, daß die Beklagte das ihr zustehende Rücknahmeermessen ausgeübt hat (BSG SozR 3-5425 § 24 Nr 14 S 87 f).

Nach alledem hat die Beklagte das ihr zustehende Ermessen erkannt und den gesetzlichen Vorgaben entsprechend ausgeübt. Dabei hat sie auch alle wesentlichen tatsächlichen Gesichtspunkte berücksichtigt. Entgegen der Ansicht der Klägerin mußte der Umstand, daß sie erst 1995 Alg beantragt hat, obwohl ihrer Ansicht nach die Voraussetzungen für die Gewährung bereits 1992 vorgelegen haben, nicht in die Ermessensentscheidung einfließen. Der Beklagten steht es in den Grenzen ihres Ermessens grundsätzlich frei, zu entscheiden, auf welche Umstände sie die zu treffende Ermessensentscheidung stützt (BSG SozR 3-1300 § 45 Nr 2 S 15; Nr 5 S 22). Das Ermessen ist gerichtlich nur dahingehend zu überprüfen, ob die Verwaltung bei ihrer Entscheidung alle wesentlichen Umstände beachtet hat (Steinwedel in Kasseler Komm, § 45 SGB X RdNr 54). Der vom SG vertretenen Auffassung, in die Ermessensentscheidung hätte im Sinne einer Ermessensreduzierung auf Null Eingang finden müssen, daß der Beklagten ein erheblicher Vermögensvorteil im Sinne ersparter Aufwendungen entstanden sei, kann so nicht gefolgt werden. Von ersparten Aufwendungen könnte nur ausgegangen werden, wenn die Beklagte zuvor eine der Klägerin zustehende Leistung rechtswidrig versagt hätte. Ein Anspruch der Klägerin auf Alg nach § 105a AFG hätte indessen nur dann bestanden, wenn sie sich seinerzeit auch arbeitslos gemeldet und Alg beantragt hätte, was die Klägerin gerade nicht getan hat, oder wenn die Beklagte im Rahmen eines Herstellungsanspruchs so zu behandeln wäre, als hätte sie Alg seinerzeit zu Unrecht versagt. Auch dies ist, wie oben ausgeführt, nicht der Fall. Im übrigen ist es auch nicht zu beanstanden, daß die Beklagte den Umstand, daß die Rechtswidrigkeit der Bewilligung auf einen Fehler der Beklagten zurückgeht, nicht bei der Ermessensprüfung beachtet hat. Dies folgt bereits daraus, daß (grobe) Fehler der Verwaltung bei der Vertrauensschutzprüfung nur dann Berücksichtigung finden, wenn sie das Vertrauen des Begünstigten iS der Fehlerperpetuierung nachhaltig und zusätzlich gestärkt haben. Insoweit würde es einen Wertungswiderspruch darstellen, wollte man Versäumnisse, die dem Machtbereich der Beklagten zuzurechnen sind, nunmehr zugunsten der Klägerin in die Ermessensentscheidung mit einfließen lassen.

Da die weiteren Voraussetzungen für die Rücknahme des Bescheids (Einhaltung der Frist nach § 45 Abs 3 Satz 1 und § 45 Abs 3 SGB X) ebenfalls gegeben sind, war die Rücknahme der Alg-Bewilligung vom 8. Juni 1995 mit Wirkung für die Zukunft rechtmäßig.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Ende der Entscheidung

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