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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundessozialgericht
Urteil verkündet am 27.05.2003
Aktenzeichen: B 7 AL 6/02 R
Rechtsgebiete: SGB III, AlhiV, GG


Vorschriften:

SGB III § 190
SGB III § 193
SGB III § 194
AlhiV § 6
AlhiV § 11
GG Art 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESSOZIALGERICHT Im Namen des Volkes Urteil

Verkündet am 27. Mai 2003

Az: B 7 AL 6/02 R

in dem Rechtsstreit

Der 7. Senat des Bundessozialgerichts hat auf die mündliche Verhandlung vom 27. Mai 2003 durch die Vizepräsidentin Dr. Wolff, die Richter Eicher und Dr. Spellbrink sowie die ehrenamtlichen Richter Dr. Brandenburg und Hohenstein

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 17. Oktober 2001 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

Gründe:

I

Der Kläger begehrt höhere Arbeitslosenhilfe (Alhi) ab dem 30. November 1998.

Die Beklagte bewilligte dem 1939 geborenen Kläger im Anschluss an den Bezug von Arbeitslosengeld (Alg) ab dem 30. November 1998 Alhi in Höhe von 158,97 DM wöchentlich und ab dem 1. Januar 1999 in Höhe von 158,90 DM wöchentlich (Bewilligungsbescheide vom 17. Februar 1999). Die Alhi-Leistungsgewährung erfolgte unter Anrechnung eines Betrags in Höhe von 282,52 DM wöchentlich. Dabei legte die Beklagte eine dem Kläger monatlich gezahlte Betriebsrente in Höhe von 1.773,00 DM als zu berücksichtigendes Einkommen zu Grunde und erkannte als hiervon abzugsfähig lediglich Versicherungsleistungen in Höhe von insgesamt 548,73 DM monatlich an. Der Kläger macht seit dem Verwaltungsverfahren geltend, dass er an seine (zunächst getrennt lebende) erste Ehefrau Unterhaltsleistungen in Höhe von 1.395,31 DM monatlich zu erbringen habe, die zu seinen Gunsten bei der Alhi-Leistungsberechnung Berücksichtigung finden müssten. Dies lehnte die Beklagte ab und wies den Widerspruch des Klägers zurück (Widerspruchsbescheid vom 11. März 1999).

Am 1. April 1999 heiratete der Kläger erneut. Nachdem die Beklagte die Leistungsbewilligung im Zusammenhang mit der erneuten Eheschließung wegen des zusätzlich zum Einkommen des Klägers anzurechnenden Einkommens der zweiten Ehefrau mit Bescheid vom 15. April 1999 gänzlich aufgehoben hatte, bewilligte sie ihm später für die Zeit ab dem 1. April 1999 wieder Alhi in Höhe von 158,90 DM wöchentlich. Die von dem Kläger an seine erste Ehefrau zu leistenden Unterhaltszahlungen blieben weiterhin unberücksichtigt.

Klage und Berufung blieben erfolglos (Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 10. Februar 2000; Urteil des Hessischen Landessozialgerichts <LSG> vom 17. Oktober 2001). Zur Begründung seiner Entscheidung hat das LSG im Wesentlichen ausgeführt, der Kläger habe keinen Anspruch auf höhere Alhi unter einkommensmindernder Anrechnung des an seine zunächst getrennt lebende und später geschiedene Ehefrau zu zahlenden Unterhalts. Bei der Betriebsrente des Klägers handele es sich um Einkommen iS des § 194 Abs 2 Satz 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III). Abzüge vom Einkommen lasse lediglich der abschließende Katalog des § 194 Abs 2 Satz 2 SGB III zu. Hiervon würden Aufwendungen für den Getrenntlebenden- bzw Geschiedenenunterhalt jedoch nicht erfasst. Die Unterhaltsleistungen seien auch nicht in entsprechender Anwendung dieser Regelung absetzbar. Der Gesetzgeber gehe in § 194 Abs 1 und 2 SGB III hinsichtlich der Feststellung der Bedürftigkeit erkennbar davon aus, dass die Berücksichtigung familienrechtlicher Beziehungen unter Eheleuten auf den Kreis der nicht dauernd getrennt lebenden Eheleute beschränkt sein sollte und lediglich die eheähnliche Lebensgemeinschaft als Wirtschaftsgemeinschaft der Ehe gleichgestellt werde. Der Auffassung des Klägers, wonach auch im Falle von dauernd getrennt lebenden bzw geschiedenen Eheleuten auf Grund der Vergleichbarkeit der wirtschaftlichen Lage eine Analogie zur Rechtslage bei nicht dauernd getrennt lebenden Eheleuten anzunehmen sei, könne nicht gefolgt werden. Im Übrigen entspreche die zu Grunde gelegte Auffassung der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts <BSG> (unter Hinweis auf BSG SozR 4100 § 138 Nr 14).

Mit seiner Revision rügt der Kläger eine Verletzung der §§ 190, 193, 194 SGB III, der §§ 6 und 11 Arbeitslosenhilfe-Verordnung (AlhiV) sowie des Art 3 Grundgesetz (GG). Die Höhe der Unterhaltsleistungen beruhe darauf, dass das Familiengericht die Abfindungszahlung seines Arbeitgebers, die sich nicht mehr in seinem Vermögen befinde, so behandelt habe, als sei der Betrag noch vorhanden. Die §§ 190, 193 SGB III belegten, dass der Gesetzgeber auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Arbeitslosen abstelle und nicht fiktive Einkommens- oder Vermögensbeträge heranziehen wolle. Gerade dies geschehe aber, wenn er darauf verwiesen werde, sowohl die Unterhaltszahlungen als auch seinen eigenen Lebensunterhalt aus der für beides nicht ausreichenden Betriebsrente zu bestreiten. Das SGB III enthalte keine ausdrückliche Regelung für die Behandlung von Unterhaltszahlungen, die nicht den tatsächlichen Einkommens- oder Vermögensverhältnissen entsprächen, aber gleichwohl nicht mit einer Abänderungsklage nach § 323 Zivilprozessordnung (ZPO) angegriffen werden könnten. Diese Möglichkeit habe ihm deshalb nicht offen gestanden, weil unterhaltsrechtlich ein gleich bleibendes Einkommen (Betriebsrente zuzüglich anteilig umgelegter Betrag aus der Abfindung bis zur Erreichung des vorherigen Arbeitseinkommens) zu Grunde gelegt worden sei. In Anbetracht der atypischen Fallgestaltung sei davon auszugehen, dass der Gesetzgeber diese übersehen habe, weshalb von einer bewussten Entscheidung des Gesetzgebers gegen eine Berücksichtigung seiner Unterhaltszahlungen nicht ausgegangen werden könne. Zu Unrecht habe das Berufungsgericht daher eine planwidrige Gesetzeslücke verneint und eine Analogiebildung nicht in Betracht gezogen. Das LSG habe seine ablehnende Entscheidung auch nicht auf das in Bezug genommene Urteil des BSG stützen können. Zum einen seien die jeweils zu entscheidenden Sachverhalte nicht miteinander vergleichbar, zum anderen sei der Gesetzgeber der Rechtsprechung des BSG in dem zitierten Urteil gerade nicht gefolgt, weil § 194 Abs 1 Satz 3 SGB III nunmehr die Erhöhung der Freibeträge des Ehegatten eines Alhi-Empfängers um dessen Unterhaltszahlungen an Dritte vorsehe. Das LSG habe sich auch nicht mit seinem Vortrag auseinander gesetzt, dass es sich bei dem Abfindungsbetrag, wäre er in seinem Vermögen noch vorhanden gewesen, in arbeitslosenhilferechtlicher Hinsicht um sog "Schonvermögen" gehandelt hätte, welches im Rahmen der AlhiV nicht berücksichtigt worden wäre, weil es sich dann um ein der Aufrechterhaltung einer angemessenen Alterssicherung dienendes Vermögen gehandelt hätte. Insoweit sei zugleich ein Verstoß gegen Art 3 GG gegeben, weil er ohne sachlichen Grund schlechter gestellt werde als ein Alhi-Empfänger, der keine Unterhaltslasten zu tragen habe und außerdem noch über die von der Verwertung verschonte Abfindung verfüge.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 17. Oktober 2001 und das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 10. Februar 2000 aufzuheben, die Bescheide vom 17. Februar 1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. März 1999 sowie die Bescheide vom 30. August 1999 und 26. Oktober 1999 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, ihm ab dem 30. November 1998 höhere Arbeitslosenhilfe zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

II

Die Revision des Klägers ist im Sinne der Aufhebung und Zurückverweisung begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz). Allerdings kann der Auffassung des Klägers, ihm sei höhere Alhi unter einkommensmindernder Berücksichtigung der von ihm an seine getrennt lebende bzw später geschiedene Ehefrau erbrachten Unterhaltsleistungen zu gewähren, nicht gefolgt werden. Die §§ 193, 194 SGB III iVm der AlhiV enthalten insofern ein abschließendes Regelungskonzept über die Berücksichtigung von Einkommen des Antragstellers, das auch nicht im Wege der Analogie zu Gunsten des Klägers erweitert werden kann. Jedoch ist keine abschließende Entscheidung darüber möglich, ob dem Kläger möglicherweise aus anderen Gründen eine höhere als die ihm bewilligte Alhi zusteht. Auf Grund der Feststellungen des LSG kann weder beurteilt werden, ob und ggf ab wann bzw bis zu welchem Zeitpunkt dem Kläger Alhi dem Grunde nach zusteht, noch kann auf der Grundlage der tatsächlichen Feststellungen des LSG die Höhe der dem Kläger bewilligten Leistungen auf ihre Rechtmäßigkeit überprüft werden.

Gegenstand des Revisionsverfahrens sind zunächst die den Bezug und die Höhe der Anschluss-Alhi ab dem 30. November 1998 regelnden Bescheide der Beklagten vom 17. Februar 1999 (Bewilligungsbescheid und Änderungsbescheid auf Grund der Leistungsentgeltverordnung 1999) in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. März 1999. Darüber hinaus ist Gegenstand des Revisionsverfahrens der Bescheid vom 26. Oktober 1999, mit dem die Beklagte dem Kläger erneut Alhi ab dem 1. April 1999 bewilligt hat. Unklar bleibt auf Grund der tatsächlichen Feststellungen des LSG bereits, für welchen Zeitraum der Kläger insgesamt einen Anspruch auf höhere Alhi geltend machen will.

Der geltend gemachte Anspruch des Klägers auf höhere Alhi ist unter jedem rechtlichen und tatsächlichen Gesichtspunkt zu prüfen. Betrifft die Klage - wie hier - höhere Leistungen als bewilligt, setzt die Begründetheit ua voraus, dass die Anspruchsvoraussetzungen dem Grunde nach vorliegen. Fehlt eine solche Voraussetzung, kann zwar die bewilligte Leistung wegen des Verbots einer reformatio in peius (Verböserungsverbot) nicht durch das Gericht entzogen werden, jedoch hätte dann die Klage auf eine höhere Leistung bereits aus diesem Grund keinen Erfolg. Zwar hat der Senat bereits entschieden, dass sich eine Einschränkung dieses gerichtlichen Prüfungsumfangs ergeben kann, wenn eine bindende Entscheidung der Verwaltung über die Grundvoraussetzungen ergangen ist (BSGE 74, 199, 201 = SozR 3-4100 § 59 Nr 5). Eine solche Bindung liegt hier jedoch nicht vor, auch nicht auf Grund der ausgesprochenen Alhi-Bewilligung. Denn diese Bewilligung hat nicht zur Folge, dass bindend vom Vorliegen aller Voraussetzungen des Anspruchs auf Alhi auszugehen ist. Vielmehr beschränkt sich die Bindungswirkung eines Leistungsbescheides auf die bewilligte Leistung und schränkt die Verpflichtung des Gerichts, den streitigen Anspruch unter jedem rechtlichen Gesichtspunkt zu prüfen, nicht ein (BSGE 67, 128, 137 = SozR 3-4100 § 137 Nr 1). Da das LSG zu den in § 190 Abs 1 SGB III (idF des Arbeitsförderungs-Reformgesetzes <AFRG> vom 24. März 1997, BGBl I 594) genannten Voraussetzungen für den Anspruch auf Alhi keinerlei Feststellungen getroffen hat, wird es diese zunächst nachzuholen haben.

Die Höhe der Alhi errechnet sich gemäß § 195 SGB III (idF des 1. SGB III-ÄndG vom 16. Dezember 1997, BGBl I 2970) unter Berücksichtigung des Leistungsentgelts, der sich nach dem Familienstatus (Existenz eines berücksichtigungsfähigen Kindes) richtenden Nettolohnersatzquote sowie nach dem zu berücksichtigenden Einkommen und Vermögen. Das aus der Leistungsentgeltverordnung ersichtliche Leistungsentgelt (§§ 151 Abs 2 Nr 2, 198 Satz 2 Nr 4 SGB III) ergibt sich seinerseits aus zwei weiteren Kriterien, zum einen aus dem Bemessungsentgelt und zum anderen aus der die (pauschalen) gesetzlichen Entgeltabzüge vom Bemessungsentgelt bestimmenden Lohnsteuerklasse (§§ 136, 137 SGB III idF des AFRG iVm § 198 Satz 2 Nr 4 SGB III). Das Bemessungsentgelt selbst ist grundsätzlich - von den jährlichen Dynamisierungen und Sonderregelungen einmal abgesehen - das Arbeitsentgelt des Bemessungszeitraums (§ 132 Abs 1 SGB III iVm § 200 Abs 1 Satz 1 SGB III). Das Urteil des LSG enthält indes ausschließlich Ausführungen und Feststellungen dazu, ob die von dem Kläger zu leistenden Unterhaltszahlungen im Rahmen der Einkommensberücksichtigung nach § 194 Abs 1 und 2 SGB III absetzbar sind (hierzu sogleich). Der Höhenstreit im sozialgerichtlichen Verfahren ist aber grundsätzlich keiner gesonderten Entscheidung über einzelne Berechnungselemente zugänglich, wie sie § 113 Abs 2 Satz 2 Verwaltungsgerichtsordnung für das verwaltungsgerichtliche Verfahren eröffnet (BSG SozR 3-4100 § 138 Nr 10 S 54; SozR 3-4100 § 138 Nr 13 S 72; BSGE 85, 123, 125 = SozR 3-4100 § 136 Nr 11; SozR 3-4220 § 11 Nr 3 S 5).

Soweit das LSG allerdings die Rechtsfrage entschieden hat, dass die Unterhaltszahlungen des Klägers an seine getrennt lebende bzw später geschiedene Ehefrau nicht zu seinen Gunsten einkommensmindernd bei der Alhi zu berücksichtigen sind, ist diese Entscheidung rechtlich nicht zu beanstanden.

Nach § 193 Abs 1 SGB III (§ 193 idF des 1. SGB III-ÄndG) ist ein Arbeitsloser bedürftig, soweit er seinen Lebensunterhalt nicht auf andere Weise als durch Alhi bestreitet oder bestreiten kann und das zu berücksichtigende Einkommen die Alhi nicht erreicht. Zu berücksichtigendes Einkommen ist nach § 194 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB III (§ 194 idF des 1. SGB III-ÄndG) zunächst das Einkommen des Arbeitslosen, soweit es nicht als Nebeneinkommen anzurechnen ist. Nach § 194 Abs 1 Satz 2 SGB III ist auch das Einkommen des vom Arbeitslosen nicht dauernd getrennt lebenden Ehegatten oder Lebenspartners oder einer Person, die mit dem Arbeitslosen in eheähnlicher Gemeinschaft lebt, zu Lasten des Antragstellers als Einkommen zu berücksichtigen, soweit es die vorgesehenen Freibeträge iS des § 194 Abs 1 Satz 2 und Satz 3 SGB III übersteigt. Einkommen im Sinne der Vorschriften über die Alhi sind nach der Legaldefinition in § 194 Abs 2 Satz 1 SGB III alle Einnahmen in Geld oder Geldeswert einschließlich der Leistungen, die von Dritten beansprucht werden können. Von dem Einkommen iS des § 194 Abs 2 Satz 1 SGB III sind nach § 194 Abs 2 Satz 2 SGB III bestimmte Beträge abzusetzen, die in den Nr 1 bis 4 des § 194 Abs 2 Satz 2 SGB III abschließend aufgezählt sind. Schließlich bestimmt § 194 Abs 3 SGB III iVm § 11 AlhiV, dass bestimmte Einkünfte nicht als Einkommen iS der Alhi-Bedürftigkeitsprüfung gelten. Die dem Kläger nach den Feststellungen des LSG in Höhe von 1.773,00 DM monatlich zufließende Betriebsrente stellt - ungeachtet fehlender Feststellungen zu deren Umrechnung auf einen wöchentlichen Anrechnungsbetrag und die Anerkennung von abzusetzenden Beträgen gemäß § 194 Abs 2 Satz 2 SGB III (siehe noch unten) - danach grundsätzlich zu berücksichtigendes Einkommen dar. Ein Ausnahmetatbestand, wonach die Betriebsrente als privilegiertes Einkommen zu behandeln wäre und nicht der Einkommensanrechnung unterläge, ist weder nach Maßgabe des § 194 Abs 3 SGB III (§ 194 idF des 1. SGB III-ÄndG) noch nach § 11 AlhiV (idF der AlhiV vom 7. August 1974, BGBl I 1929, hier idF der 5. Verordnung zur Änderung der AlhiV vom 25. September 1998, BGBl I 3112; vgl zur Weitergeltung der AlhiV ab 1. Januar 1998 Art 81 und 82 AFRG) gegeben.

Ob und inwieweit vom Einkommen des Klägers Abzüge vorzunehmen sind, beurteilt sich ausschließlich nach § 194 Abs 2 Satz 2 SGB III. Die Auffassung des Klägers, seine an die frühere Ehefrau zu erbringenden Unterhaltsleistungen in Höhe von 1.395,31 DM monatlich seien zusätzlich zu seinen Gunsten einkommensmindernd zu berücksichtigen, findet in dieser Norm keine Grundlage. Der an den getrennt lebenden bzw geschiedenen Ehegatten zu zahlende Unterhalt wird von § 194 Abs 2 Satz 2 SGB III nicht erfasst. Danach sind lediglich abzusetzen: 1. die auf das Einkommen entfallenden Steuern, 2. Pflichtbeiträge zur Sozialversicherung und zur Arbeitsförderung sowie Beiträge zu öffentlichen oder privaten Versicherungen oder ähnlichen Einrichtungen, soweit diese Beiträge gesetzlich vorgeschrieben oder nach Grund und Höhe angemessen sind, 3. die notwendigen Aufwendungen für den Erwerb, zur Sicherung und Erhaltung der Einnahmen und 4. ein Betrag in angemessener Höhe von den Erwerbsbezügen des vom Arbeitslosen nicht dauernd getrennt lebenden Ehegatten oder der Person, die mit dem Arbeitslosen in eheähnlicher Gemeinschaft lebt (§ 194 Abs 2 Satz 2 Nr 4 SGB III wurde mit Wirkung zum 1. Januar 2003 durch das Erste Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23. Dezember 2002, BGBl I 4607, wieder gestrichen). Bereits aus dem Wortlaut der Vorschrift folgt, dass beim Einkommen des Arbeitslosen selbst iS von § 194 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB III nur bestimmte, mit dem Einkommen unmittelbar zusammenhängende Ab- bzw Ausgaben abgesetzt werden können. Vom Arbeitslosen an den getrennt lebenden bzw geschiedenen Ehegatten zu erbringende Unterhaltsleistungen zählen nicht dazu, und zwar ebenso wenig wie Unterhaltsleistungen an die in seinem Haushalt lebenden Familienangehörigen (Ehefrau, Kinder). Denn andere als die ausdrücklich genannten Absetzungen zur Schmälerung des Einkommens kommen nach der gesetzlichen Regelung nicht in Betracht, weil es sich, wie das LSG zu Recht ausführt, bei der Aufzählung in § 194 Abs 2 Satz 2 Nr 1 bis 4 SGB III um einen abschließenden Katalog handelt (Ebsen in Gagel, SGB III, Stand März 2002, § 194 RdNr 46; Krauß in Wissing, SGB III, Stand September 2002, § 194 RdNr 40; vgl zu § 138 Abs 2 Satz 2 Arbeitsförderungsgesetz <AFG> bereits BSG SozR 4100 § 138 Nr 14 S 62; LSG für das Saarland, Urteil vom 29. Januar 1998 - L 6/1 AR 101/96; Schmidt in GK-AFG, Stand Mai 1998, § 138 RdNr 20).

Eine Berücksichtigung von Unterhaltsleistungen des Klägers ist entgegen der Auffassung der Revision auch nicht auf Grund einer analogen Rechtsanwendung möglich. Für eine Analogie ist bereits angesichts des abschließenden Charakters des § 194 Abs 2 Satz 2 SGB III kein Raum. Einer Übertragung namentlich der in § 194 Abs 1 Satz 2 und 3, Abs 2 Satz 2 Nr 4 SGB III getroffenen Regelungen über die Berücksichtigung von Einkommen ua des nicht getrennt lebenden Partners - also gerade nicht des Antragstellers selbst - steht von vornherein das Fehlen einer planwidrigen Regelungslücke entgegen.

Der Kläger übersieht, dass die Alhi keine Leistung ist, die den Arbeitslosen von Unterhaltspflichten entlasten soll, bzw die den Bedarf von jeweils gegenüber dem Alhi-Empfänger Unterhaltsberechtigten berücksichtigt. Bedürftigkeit iS von § 193 Abs 1 SGB III wird vielmehr - wenn von der Berücksichtigung von Vermögen einmal abgesehen wird - ausschließlich durch die Differenz zwischen dem zu berücksichtigenden Einkommen und der Alhi bestimmt. Dabei wird als zu berücksichtigendes Einkommen neben dem Einkommen des Arbeitslosen gemäß § 194 Abs 1 Satz 1 Nr 2 SGB III auch das Einkommen seiner nicht dauernd getrennt lebenden Ehefrau (oder des Lebenspartners oder einer Person, mit der er in eheähnlicher Gemeinschaft lebt) zu seinen Lasten berücksichtigt, dh aus dem Gedanken der "Einsatzgemeinschaft" wie eigenes Einkommen des Arbeitslosen behandelt, soweit es bestimmte, in § 194 Abs 1 Satz 2 und Satz 3 SGB III vorgesehene Freibeträge überschreitet. Hingegen wird die nicht dauernd getrennt lebende Ehefrau, sofern sie einkommenslos ist, nicht berücksichtigt; Unterhaltsleistungen des Arbeitslosen an diese und seine Kinder bleiben bei der Berechnung der Alhi - ebenso wie Unterhalt an die getrennt lebende oder geschiedene Ehefrau - völlig außer Betracht. Soweit in § 194 Abs 1 Satz 3 SGB III Unterhaltsleistungen an Dritte Berücksichtigung finden, handelt es sich um eine Regelung, die lediglich zur Berechnung des zu Lasten des Antragstellers zu berücksichtigenden Einkommens seines Partners iS von § 194 Abs 1 Satz 1 Nr 2 SGB III herangezogen wird. Hat etwa die nicht getrennt lebende Ehefrau einem Dritten (zB einem Kind aus erster Ehe) Unterhalt zu leisten, bleibt ein Betrag in Höhe des Unterhalts anrechnungsfrei, dh er wird nicht als Einkommen iS von § 194 Abs 1 Satz 1 SGB III berücksichtigt, weil insoweit ein Rückgriff auf das Einkommen des Ehegatten aus dem Gedanken der Einsatzgemeinschaft heraus nicht gerechtfertigt wäre. § 194 Abs 1 Satz 3 SGB III verfolgt damit - ebenso wie § 194 Abs 2 Nr 4 und § 194 Abs 3 Nr 10 SGB III - einen ganz anderen Regelungszweck. Auf Grund der Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 87, 234 ff) sollen bestimmte Einkommensteile des Partners des Alhi-Antragstellers nicht zu seinen Lasten, also einkommenserhöhend, berücksichtigt werden. Diese Regelungen können nicht - was auch das LSG im Ergebnis nicht verkannt hat - auf Fälle der vorliegenden Art übertragen werden, in denen der Alhi-Antragsteller selbst einem Dritten Unterhalt schuldet.

Die im Gesetz in § 194 Abs 1 Satz 1 Nr 1 iVm Abs 2, 3 SGB III fehlende Berücksichtigung von Aufwendungen für den Trennungs- bzw Geschiedenenunterhalt bei der Ermittlung des eigenen Einkommens des Arbeitslosen begegnet auch keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Insbesondere lässt sich durch die Nichtberücksichtigung dieser Unterhaltsleistungen bei der Einkommensanrechnung entgegen der Auffassung der Revision kein Verstoß gegen Art 3 Abs 1 GG begründen. Der allgemeine Gleichheitssatz wird verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten (BVerfGE 55, 72, 88; 65, 104, 112 f; 71, 146, 154 f; 87, 234, 255 = SozR 3-4100 § 137 Nr 3). § 194 SGB III enthält insofern bereits keine Ungleichbehandlung von Personengruppen, weil diese Norm generell keine Berücksichtigung von Unterhaltsleistungen beim Antragsteller selbst vorsieht. Auch der verheiratete, nicht getrennt lebende Alhi-Antragsteller kann Unterhaltsleistungen nicht einkommensmindernd geltend machen. Bei ihm selbst sind - wie bereits betont - lediglich die in § 194 Abs 2 Satz 2 SGB III im Einzelnen genannten Aufwendungen absetzbar, die jeweils in einem direkten Bezug zur Erzielung seiner Einnahmen stehen. Eine Ungleichbehandlung verschiedener Personengruppen ist mithin nicht erkennbar, weil alle Alhi-Antragsteller - ob verheiratet, getrennt lebend, geschieden oder nicht - hinsichtlich der Nichtabsetzbarkeit von Unterhaltsleistungen gleich behandelt werden. Die in den gesetzlichen Regelungen über die Gewährung von Alhi vom Gesetzgeber vorgenommene Typisierung (und damit Abstrahierung von den jeweiligen Umständen des Einzelfalls) wiederum ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) nicht zu beanstanden (vgl BVerfGE 51, 115, 122 f; 87, 234, 255, 260 f; 90, 226, 238; 91, 93, 115). So hat es auch das BSG etwa unter dem Blickwinkel des Art 3 Abs 1 GG für zulässig erachtet, dass die Höhe des Leistungssatzes des Alg oder der Alhi nicht mit der Kinderzahl steigt (vgl zu den lediglich zwei Leistungssätzen von 60 und 67 vH beim Alg, § 129 SGB III, von 53 vH und 57 vH bei der Alhi, § 195 SGB III) und dabei insbesondere auch die erforderlichen Unterhaltsleistungen für eine größere Anzahl Kinder unberücksichtigt bleiben (vgl BSGE 79, 14, 21). Solange die Alhi eine Entgeltersatzleistung darstellt (vgl § 116 Nr 6 SGB III), knüpft ihre Höhe im Wesentlichen am zuvor erzielten Arbeitsentgelt an und dient gerade nicht dazu, (wie etwa die Sozialhilfe) den individuellen Bedarf des Antragstellers zu decken. Insofern ist es auch mit Art 3 Abs 1 GG vereinbar, wenn der Gesetzgeber der Beklagten aufgibt, im Rahmen einer Massenverwaltung die Höhe der Alhi entsprechend den gesetzlichen Regelungen der §§ 190 ff SGB III zu ermitteln und nicht alle denkbaren und geltend gemachten individuellen Bedarfslagen und Besonderheiten des Einzelfalls zu berücksichtigen. Im Übrigen zeigt gerade der Vortrag des Klägers, der mit einer Abänderungsklage gemäß § 323 ZPO hinsichtlich der Höhe des Unterhaltstitels vor den Familiengerichten gescheitert ist, dass es nicht Aufgabe der Bedürftigkeitsprüfung im Rahmen der Alhi sein kann, Unterhaltsprozesse nochmals nachzuvollziehen. Evtl fehlerhafte Unterhaltsurteile können nicht - wie der Kläger meint - über die Berechnung der Alhi korrigiert werden. Die konkreten Umstände, die die Höhe der Unterhaltsverpflichtung bestimmen, sind von den Familiengerichten im Rahmen des § 323 ZPO zu prüfen. Es ist weder Aufgabe noch Ziel der typisierenden Festsetzung von Entgeltersatzleistungen innerhalb einer Massenverwaltung, die Unterhaltsbelastung des Antragstellers im Einzelnen zu berücksichtigen. Insofern verstößt es auch nicht gegen Art 3 Abs 1 GG, wenn die §§ 193, 194 SGB III bei der Bedürftigkeitsprüfung im Rahmen der Alhi generell von den individuellen Unterhaltsbelastungen des Antragstellers abstrahieren und diese nicht zu den gemäß § 194 Abs 2 Satz 2 SGB III vom Einkommen absetzbaren Beträgen rechnen.

Auf Grund der tatsächlichen Feststellungen des LSG kann aber nicht abschließend beurteilt werden, ob dem Kläger ggf aus anderen Gründen ein Anspruch auf höhere Alhi zusteht. Das LSG hat zunächst keine Feststellungen zum Bemessungsentgelt getroffen. Ausweislich der Leistungsakten war der Kläger zuletzt (1996) im Beitrittsgebiet beschäftigt gewesen, und das Bemessungsentgelt wurde jeweils nach der Leistungsbemessungsgrenze für dieses Gebiet (§ 409 SGB III idF des AFRG) bestimmt. Nach der SGB III-Leistungsentgeltverordnung 1999 (vom 18. Dezember 1998, BGBl I 3864) lag die Leistungsbemessungsgrenze für 1999 beim Alhi-Bezug bei einem Bemessungsentgelt von 1.680,00 DM und nicht bei 1.630,00 DM, die den Alhi-Bewilligungen für 1999 offensichtlich zu Grunde gelegt wurden (und die im Übrigen der Leistungsbemessungsgrenze nach der SGB III-Leistungsverordnung 1998 vom 22. Dezember 1997, BGBl I 3349, entsprachen). Es bleibt daher aufzuklären, wieso bei den Alhi-Bewilligungen für den Zeitraum ab 1. Januar 1999 die Anhebung der Leistungsbemessungsgrenze von 1.630,00 DM (1998) auf 1.680,00 DM durch die SGB III-Leistungsverordnung 1999 nicht zu Gunsten des Klägers durchgeführt wurde, obwohl zuvor jeweils das der jährlichen Leistungsbemessungsgrenze für das Beitrittsgebiet entsprechende Bemessungsentgelt zu Grunde gelegt worden war.

Weiterhin kann auf Grund der tatsächlichen Feststellungen des LSG nicht nachvollzogen werden, in welcher Weise und unter Berücksichtigung welcher absetzbaren Beträge die dem Kläger gezahlte Betriebsrente in Höhe von 1.773,00 DM monatlich auf den Anrechnungsbetrag von wöchentlich 282,52 DM umgerechnet wurde. Hierbei fehlt es an Feststellungen zur konkreten Berechnungsweise unter Berücksichtigung der von der Beklagten offenbar anerkannten absetzungsfähigen Beträge im Rahmen des § 194 Abs 2 Satz 2 SGB III. Auch die offenbar von der Beklagten anerkannten und abgesetzten Beträge sind im Einzelnen rechnerisch nicht nachvollziehbar. Schließlich hat das LSG auch nicht berücksichtigt, dass sich die tatsächlichen Voraussetzungen für die Alhi-Bewilligung ab 1. April 1999 auf Grund der erneuten Eheschließung des Klägers anders darstellten, insofern nunmehr Einkommen und Vermögen der neuen Ehefrau des Klägers gemäß §§ 193, 194 SGB III bei der Berechnung der Alhi des Klägers berücksichtigt werden mussten. Zu Einkommen und Vermögen der zweiten Ehefrau des Klägers fehlt es aber an tatsächlichen Feststellungen, sodass die Höhe der Alhi-Bewilligung ab 1. April 1999 einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht zugänglich ist.

Das LSG wird abschließend auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu befinden haben.

Ende der Entscheidung

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