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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundessozialgericht
Urteil verkündet am 21.07.2001
Aktenzeichen: B 7 AL 66/00 R
Rechtsgebiete: AFG


Vorschriften:

AFG § 107 Abs 1 Satz 1 Nr 5 Buchst a
AFG § 104 Abs 1 Satz 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESSOZIALGERICHT Im Namen des Volkes Urteil

in dem Rechtsstreit

Verkündet am 21. Juni 2001

Az: B 7 AL 66/00 R

Der 7. Senat des Bundessozialgerichts hat auf die mündliche Verhandlung vom 21. Juni 2001 durch die Vizepräsidentin Dr. Wolff, die Richter Eicher und Dr. Spellbrink sowie die ehrenamtlichen Richter Hannig und Dr. Dauber

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landessozialgerichts Berlin vom 18. April 2000 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

Gründe:

I

Streitig ist die Zahlung von Arbeitslosengeld (Alg) für die Zeit ab 10. April 1995 (anstelle bewilligter Arbeitslosenhilfe <Alhi>).

Die Klägerin war seit Januar 1985 als kaufmännische Angestellte tätig und erhielt Arbeitsentgelt bis 3. Mai 1992. Ab 6. Mai 1992 bezog die Klägerin bis 1. Juli 1994 Krankengeld (Krg); insoweit wurden von der Krankenkasse Beiträge an die Beklagte entrichtet. Während des Krg-Bezugs bewilligte die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) der Klägerin mit Bescheid vom 27. Juni 1994 nachträglich Rente wegen Erwerbsunfähigkeit (EU) auf Zeit aufgrund eines Versicherungsfalls vom 25. März 1992 für die Zeit vom 16. Oktober 1992 bis 31. März 1995. Den Antrag der Klägerin vom September 1994 auf Weitergewährung der EU-Rente lehnte die BfA ab (Bescheid vom 10. April 1995). Ein anschließendes Klageverfahren wurde von der Klägerin "für erledigt erklärt".

Zuvor hatte sich die Klägerin am 10. April 1995 arbeitslos gemeldet und Alg beantragt. Die Beklagte lehnte zunächst die Zahlung von Alg und Alhi ab, weil die Klägerin arbeitsunfähig sei, der Arbeitsvermittlung nicht zur Verfügung stehe und die sog Nahtlosigkeitsregelung des § 105a Arbeitsförderungsgesetz (AFG) nicht eingreife (Bescheid vom 2. Juni 1995; Widerspruchsbescheid vom 16. Juni 1995). Im Klageverfahren hat die Beklagte diesen Bescheid aufgehoben und der Klägerin Alhi ab 10. April 1995 für die Dauer von 312 Tagen bewilligt, jedoch die Gewährung von Alg abgelehnt, weil die Klägerin innerhalb der Rahmenfrist von drei Jahren nicht 360 Kalendertage in einer beitragspflichtigen Beschäftigung gestanden bzw gleichgestellte Zeiten zurückgelegt habe (Bescheid vom 26. Oktober 1995 über die Ablehnung der Gewährung von Alg; Bescheid vom Oktober 1995 über die Bewilligung von Alhi).

Die Klage auf Gewährung von Alg blieb erst- und zweitinstanzlich ohne Erfolg (Gerichtsbescheid des Sozialgerichts <SG> vom 7. August 1997; Urteil des Landessozialgerichts <LSG> vom 18. April 2000). Zur Begründung seiner Entscheidung hat das LSG ausgeführt, die Klägerin könne kein Alg beanspruchen. Sie habe innerhalb der Rahmenfrist von drei Jahren, die dem ersten Tag der Arbeitslosigkeit unmittelbar vorausgehe, an dem die sonstigen Voraussetzungen für den Anspruch auf Alg erfüllt seien, nicht 360 Kalendertage in einer die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung nach § 168 AFG gestanden bzw Zeiten zurückgelegt, die den Zeiten einer die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung gemäß § 107 AFG gleichgestanden hätten. Zwar seien während des Bezugs von Krg für die Zeit vom 16. Oktober 1992 bis 1. Juli 1994 Beiträge zur Arbeitslosenversicherung gezahlt worden; jedoch seien diese mangels Beitragspflicht nicht anwartschaftsbegründend. Denn der Klägerin sei durch die BfA rückwirkend EU-Rente für die Zeit vom 16. Oktober 1992 bis 31. März 1995 zuerkannt worden; dadurch sei auch rückwirkend ab 16. Oktober 1992 die Beitragspflicht zur Arbeitslosenversicherung entfallen (§ 169c Nr 2 AFG).

Mit der Revision rügt die Klägerin einen Verstoß gegen § 107 Abs 1 Satz 1 Nr 5 Buchst a AFG iVm § 104 Abs 1 Satz 1 AFG. Sie ist der Ansicht, durch die rückwirkende Zuerkennung der EU-Rente sei die anwartschaftsbegründende Wirkung des Krg-Bezugs nicht entfallen. Es handele sich weiterhin um eine Zeit, die einer die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung gleichgestellt sei, so daß sie (die Klägerin) innerhalb der Rahmenfrist mehr als 360 Tage zurückgelegt habe.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des LSG sowie den Gerichtsbescheid des SG aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 26. Oktober 1995 zu verurteilen, ihr ab 10. April 1995 Alg zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie hält die Ausführungen des LSG in der angefochtenen Entscheidung für zutreffend.

II

Die Revision ist iS der Aufhebung der zweitinstanzlichen Entscheidung und der Zurückverweisung der Sache an das LSG begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz <SGG>). Die tatsächlichen Feststellungen des LSG ermöglichen dem Senat keine abschließende Entscheidung darüber, ob der Klägerin dem Grunde nach (§ 130 SGG) Alg zusteht. Ausgehend von seiner Rechtsansicht, die der Senat nicht teilt, hat das LSG - folgerichtig - insbesondere keine Feststellungen zur objektiven und subjektiven Verfügbarkeit der Klägerin getroffen. Auf diese Feststellungen kann auch nicht deshalb verzichtet werden, weil die Beklagte ab 10. April 1995 Alhi gewährt und damit inzident Verfügbarkeit angenommen hat. Hiervon geht keine Bindungswirkung aus.

Da die Beklagte den ursprünglichen Bescheid vom 2. Juni 1995 über die Ablehnung von Alg in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16. Juni 1995 aufgehoben und durch den (Zweit-)Bescheid über die (erneute) Ablehnung von Alg vom 26. Oktober 1995 ersetzt hat, ist dieser gemäß § 96 Abs 1 SGG zum Gegenstand des Gerichtsverfahrens geworden. Der Senat hat damit nur noch über dessen Rechtmäßigkeit zu befinden; gegen ihn wehrt sich die Klägerin mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 1 Satz 1 iVm Abs 4 SGG). Gegenstand des Revisionsverfahrens sind nicht die Bescheide, mit denen der Klägerin ab 10. April 1995 sog originäre Alhi bewilligt worden ist; gegebenenfalls ist jedoch bei Bestehen eines Alg-Anspruchs diesem Umstand Rechnung zu tragen. Die Gewährung von Alhi wäre dann von Anfang an rechtswidrig gewesen. Hier böte sich anstelle einer Aufhebung der Alhi-Bewilligung eine analoge Anwendung des § 107 Sozialgesetzbuch - Verwaltungsverfahren - (SGB X) mit der Folge an, daß der Alg-Anspruch der Klägerin in Höhe der gezahlten Alhi als erfüllt gilt; wegen der Möglichkeit des Erlasses eines Grundurteils (§ 130 SGG) dürfte dies jedoch keine Auswirkungen auf die vom LSG zu treffende Entscheidung haben.

Ob die Klägerin ab 10. April 1995 einen Anspruch auf Alg hat, beurteilt sich nach § 100 AFG. Danach hat Anspruch auf Alg, wer arbeitslos ist, der Arbeitsvermittlung zur Verfügung steht, die Anwartschaftszeit erfüllt, sich beim Arbeitsamt arbeitslos gemeldet und Alg beantragt hat. Zwar hat sich die Klägerin nach den Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) bei der Beklagten erst am 10. April arbeitslos gemeldet und einen Alg-Antrag gestellt; sie war auch arbeitslos iS der §§ 101, 102 AFG. Ob die Klägerin allerdings zu diesem Zeitpunkt bzw seit wann sie gemäß § 103 AFG (subjektiv und objektiv) verfügbar war bzw ob und ggf in welchem Zeitraum die Voraussetzungen des § 105a AFG - der nur über fehlende objektive Verfügbarkeit hinweghilft - vorlagen, läßt sich nach den tatsächlichen Feststellungen des LSG nicht beurteilen. Schon deshalb ist auch keine abschließende Entscheidung darüber möglich, ob die Anwartschaftszeit gemäß § 104 AFG (hier idF, die die Vorschrift durch das Erste Gesetz zur Umsetzung des Spar-, Konsolidierungs- und Wachstumsprogramms vom 21. Dezember 1993 - BGBl I 2353 - erhalten hat) erfüllt war. Die Anwartschaftszeit ist erfüllt, wenn der Arbeitslose in der Rahmenfrist 360 Kalendertage in einer die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung (§ 168) gestanden hat (Abs 1 Satz 1). Die Rahmenfrist geht dem ersten Tag der Arbeitslosigkeit unmittelbar voraus, an dem die sonstigen Voraussetzungen für den Anspruch auf Alg (also auch die der Verfügbarkeit) erfüllt sind oder nach § 105 als erfüllt gelten (Abs 2). Die Rahmenfrist beträgt drei Jahre (Abs 3 1. Halbsatz). Derartige Zeiten kann die Klägerin nach den Feststellungen des LSG aufgrund des Bezugs von Arbeitsentgelt aus ihrer Beschäftigung als kaufmännische Angestellte lediglich bis zum 3. Mai 1992 zurückgelegt haben, wobei indes nähere Angaben zu dieser Beschäftigung im Urteil des LSG fehlen. Jedenfalls kann die Klägerin innerhalb der dreijährigen Rahmenfrist nicht 360 Kalendertage in einer die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung gestanden haben.

Den Zeiten einer die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung stehen indes gemäß § 107 AFG (hier idF, die die Vorschrift durch das Zweite Gesetz zur Änderung des Bundeserziehungsgeldgesetzes und anderer Vorschriften vom 6. Dezember 1991 - BGBl I 2142 - erhalten hat) ua Zeiten gleich, für die wegen des Bezuges von Krg gemäß § 186 AFG Beiträge zu zahlen waren (Satz 1 Nr 5 Buchst a). Dabei ist es ohne Bedeutung, ob die Beiträge tatsächlich gezahlt oder wieder erstattet worden sind. Nach § 186 Abs 1 AFG (hier idF, die die Vorschrift durch das Gesetz zur Reform der gesetzlichen Rentenversicherung vom 18. Dezember 1989 - BGBl I 2261 -, erhalten hat) zahlen ua die Träger der gesetzlichen Krankenversicherung Beiträge für die Zeiten, für die sie Krg zahlen, wenn der Bezieher dieser Leistung unmittelbar vor deren Beginn in einer die Beitragspflicht nach diesem Gesetz begründenden Beschäftigung gestanden hat (Abs 1 Satz 1). Mangels hinreichender tatsächlicher Feststellungen des LSG läßt sich auch die anwartschaftsbegründende Wirkung der Krg-Bezugszeiten nicht abschließend beurteilen, und zwar insbesondere die Frage, ob während des (gesamten) Krg-Bezuges Beiträge zur Arbeitslosenversicherung "zu zahlen waren" oder ob und ggf ab wann Beitragsfreiheit bestanden hat.

Dabei ist einerseits auf § 169c Nr 3 AFG hinzuweisen, wonach die Klägerin ab dem Zeitpunkt beitragsfrei gewesen sein könnte, zu dem sie wegen einer Minderung der Leistungsfähigkeit dauernd der Arbeitsvermittlung nicht zur Verfügung stand (§ 103 AFG) und das zuständige Arbeitsamt diese Minderung der Leistungsfähigkeit und der zuständige Rentenversicherungsträger Berufsunfähigkeit oder EU im Sinne der gesetzlichen Rentenversicherung festgestellt haben. Diese Regelung hat das LSG, ausgehend von seiner Rechtsansicht, nicht prüfen müssen. Andererseits dürften die Voraussetzungen des § 186 Abs 1 AFG - wenn auch entsprechende Feststellungen des LSG fehlen - erfüllt sein. Dies gilt sowohl hinsichtlich der vorausgehenden beitragspflichtigen Beschäftigung als auch hinsichtlich der verlangten Unmittelbarkeit zwischen dem Ende dieser Beschäftigung und dem Beginn der Krg-Zahlung (vgl hierzu BSG SozR 3-6050 Art 71 Nr 11 S 62; die Beklagte nimmt in ihrem Runderlaß 138/92 - DBl 1992 - Unmittelbarkeit an, wenn zwischen dem Ende der beitragspflichtigen Beschäftigung und dem Bezug von Krg nicht mehr als ein Monat verstrichen ist). Auch geht der Senat davon aus, daß die Voraussetzungen für den Bezug von Krg nach §§ 44 ff Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Krankenversicherung - (SGB V) erfüllt waren. Deshalb ist keine Entscheidung darüber erforderlich, ob die Beitragspflicht nach § 186 Abs 1 AFG einen rechtmäßigen Bezug von Krg voraussetzt oder ggf der Bezug von Krg aufgrund eines noch wirksamen Bewilligungsbescheides genügt (vgl BSGE 75, 298, 300 mwN = SozR 3-2400 § 26 Nr 6).

Allerdings entfällt entgegen der Ansicht des LSG eine "anwartschaftsbegründende" Wirkung der Bezugszeiten von Krg nach § 107 Satz 1 Nr 5 Buchst a AFG nicht rückwirkend dadurch, daß der Klägerin durch die BfA mit Bescheid vom 27. Juni 1994 nachträglich Rente wegen EU bewilligt worden ist. Denn trotz der Bewilligung der Rente entfiel - von § 169c Nr 3 AFG einmal abgesehen - die Beitragspflicht nicht rückwirkend für die Zeit ab 6. Mai 1992 bzw ab 16. Oktober 1992, sondern erst mit der Zuerkennung der EU-Rente für die Zukunft, also mit dem Zugang des Rentenbescheids (vgl BSG SozR 3-8825 § 2 Nr 3 S 16 mwN).

Zur Begründung dieses Ergebnisses kann nicht unmittelbar auf § 169c Nr 2 AFG (hier idF, die die Norm durch das Gesetz zur Änderung des AFG und zur Förderung eines gleitenden Übergangs älterer Arbeitnehmer in den Ruhestand vom 20. Dezember 1988 - BGBl I 2343 - erhalten hat), zurückgegriffen werden. Denn diese Regelung erfaßt unmittelbar nur Arbeitnehmer iS des § 168 Abs 1 Satz 1 AFG, also Personen, die als Arbeiter oder Angestellte gegen Entgelt oder zur Berufsausbildung beschäftigt sind. Nach § 169c Nr 2 AFG sind beitragsfrei Arbeitnehmer während der Zeit, für die ihnen ein Anspruch auf Rente wegen EU aus einer der gesetzlichen Rentenversicherungen zuerkannt ist (anders nunmehr § 28 Nr 2 Sozialgesetzbuch - Arbeitsförderung - <SGB III>). Der Krg-Bezieher kann nicht - entgegen dem Wortlaut der Norm - einem Arbeitnehmer gleichgestellt werden. Ob für den Krg-Bezieher Beiträge zu zahlen sind bzw zu zahlen waren, bestimmt sich vielmehr nach § 186 AFG, wobei jedoch hinsichtlich des Endes der Beitragspflicht bzw des Eintritts von Beitragsfreiheit nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) mangels ausdrücklicher Regelung in § 186 AFG § 169c Nr 2 AFG - wie im übrigen auch § 169c Nr 3 AFG - analog anzuwenden ist (BSG SozR 3-4100 § 186 Nr 1 S 4). Das LSG hat § 169c Nr 2 AFG angewandt, jedoch dahin ausgelegt, daß die Beitragspflicht nach dem Recht der Arbeitsförderung (§ 186 AFG) mit dem Beginn der Rente (16. Oktober 1992) rückwirkend entfallen sei. Dem folgt der Senat nicht.

Ob die rückwirkende Bewilligung einer EU-Rente für Zeiten, in denen Krg bezogen wurde und für die nach § 186 AFG Beiträge zu zahlen waren, die Beitragspflicht nachträglich entfallen läßt, hat der Senat bislang offengelassen (vgl BSG SozR 3-4100 § 107 Nr 8 S 27). Offengeblieben ist dies auch in einer Entscheidung des 12. Senats vom 18. August 1992 (12 RK 54/91, USK 9235), in der der 12. Senat auf seine Entscheidung vom 19. März 1992 (BSG SozR 3-4100 § 186 Nr 1) Bezug nimmt. Nach dieser Entscheidung endet die Beitragspflicht des Krg zur Bundesanstalt für Arbeit nach § 186 AFG bei Bewilligung einer EU-Rente (jedenfalls) nicht vor dem Zeitpunkt, an dem entweder (im Hinblick auf § 169c Nr 2 AFG) die Rente - nicht die laufende Rentenzahlung - beginnt (vorliegend: 16. Oktober 1992) oder an dem der Rentenversicherungsträger (im Hinblick auf § 169c Nr 3 AFG) die EU feststellt (vgl zum gleichartigen Problem bei § 105a AFG BSGE 71, 12, 13 f = SozR 3-4100 § 105a Nr 4). In beiden Entscheidungen war lediglich streitig, ob die Beitragspflicht auch schon für eine Zeit entfällt, die sowohl vor dem Beginn der EU-Rente als auch vor der der Rentenbewilligung vorausgehenden verfahrensmäßigen Feststellung von EU liegt. Insoweit ging es in beiden Verfahren um Beitragserstattungsansprüche für eine Zeit zwischen dem Eintritt der EU und dem Beginn der Rente, der seinerseits vor der verfahrensmäßigen Feststellung der EU lag. Zwar heißt es in einem obiter dictum der Entscheidung des 12. Senats vom 19. März 1992, die Vorschrift des jetzigen § 169c Nr 2 AFG führe zu einer Beitragsfreiheit ab Rentenbeginn (BSG SozR 3-4100 § 186 Nr 1 S 3); diese Aussage war jedoch weder entscheidungserheblich noch wurde sie näher begründet.

In drei späteren Urteilen hat der 12. Senat indes zur gleichgelagerten Problematik der Beitragspflicht im Rahmen des Rentenversicherungsrechts entschieden, daß es (nach dem seit 1. Januar 1992 geltenden Recht) bei der Beitragspflicht zur Rentenversicherung während des Krg-Bezugs auch dann bleibt, wenn dem Versicherten nachträglich Rente wegen EU bewilligt wird (BSGE 75, 298 ff = SozR 3-2400 § 26 Nr 6, BSG, Urteile vom 25. Januar 1995 - 12 RK 58/94 und 12 RK 59/94 - , unveröffentlicht). Allein der Anspruch auf Rente wegen EU beseitige bei rückwirkender Zuerkennung die Versicherungs- und daraus resultierende Beitragspflicht zur Rentenversicherung nicht, weil ansonsten unzulässigerweise in das Versicherungsverhältnis eingegriffen würde (kritisch zu den Entscheidungen des 12. Senats von Einem, NZS 1996, 62 ff). Diesen Entscheidungen des 12. Senats schließt sich der 7. Senat hinsichtlich Frage der Beitragspflicht nach dem Recht der Arbeitsförderung bei Krg-Bezug im Rahmen des § 186 Abs 1 AFG an. Es sind keine Gesichtspunkte erkennbar, die zu Lasten einer einheitlichen Betrachtung im Arbeitsförderungsrecht eine vom Rentenversicherungsrecht abweichende Rechtsprechung nahelegen würden. Die Notwendigkeit hierzu folgt insbesondere nicht aus dem Umstand, daß sich die Frage nach der Einbeziehung in die Versicherung und nach der daraus resultierenden Beitragspflicht im AFG allein unter der Terminologie von Beitragspflicht und Beitragsfreiheit stellt (anders das SGB III, das im Interesse einer einheitlichen Terminologie nunmehr auch für das Arbeitsförderungsrecht zwischen Versicherungspflicht - §§ 24 ff SGB III - und Beitragspflicht - §§ 346 ff SGB III - unterscheidet; vgl BR-Drucks 550/96 S 157).

Der 12. Senat hat in seiner Entscheidung ausgeführt, daß nach allgemeinen Grundsätzen des Beitragsrechts, wenn andere Regelungen fehlen, rückwirkende Veränderungen der Beitragslast nur in Betracht kommen, wenn damit einer von Anfang an bestehenden, aber erst nachträglich erkannten Beitragspflicht oder Beitragsfreiheit Geltung verschafft wird. Beitragserstattungen könnten demgegenüber grundsätzlich nicht verlangt werden, wenn sie auf einer nachträglichen Änderung der Rechtslage - wenn auch mit Rückwirkung - beruhten (BSGE 75, 298, 301 = SozR 3-2400 § 26 Nr 6). Gerade dies ist jedoch im Verhältnis von Krg-Anspruch und EU-Rentenanspruch der Fall (BSG aaO; vgl auch BSG SozR 3-8825 § 2 Nr 3 S 15 f). Ein rückwirkendes Entfallen der Beitragspflicht aufgrund nachträglicher Rechtsänderung scheidet vor allem deshalb aus, weil sonst rückwirkend in das Versicherungsverhältnis eingegriffen würde (BSG aaO). Dies gilt im Arbeitsförderungsrecht um so mehr, als § 169c Nr 2 AFG, der im Rahmen des § 186 Abs 1 AFG nur analoge Anwendung findet, unmittelbar nicht den Bezieher von Krg, sondern nur den (gegen Arbeitsentgelt beschäftigten) Arbeitnehmer betrifft. Die Übertragung der vom 12. Senat für die Beitragspflicht zur Rentenversicherung angestellten Überlegungen entspricht im übrigen auch dem Grundgedanken des § 50 SGB V. Danach darf der Krg-Bezieher den Rentenbetrag übersteigenden Spitzbetrag des Krankengeldes auch für die Zeit zwischen Rentenbeginn und Bewilligung der Rente behalten. Er soll mit anderen Worten das behalten dürfen, was er - zum Zahlungszeitpunkt rechtmäßig - bekommen hat (vgl BSG SozR 3-8825 § 2 Nr 3 S 16 mwN). Ein rückwirkendes Entfallen der Beitragspflicht nach § 186 AFG würde aber in vergleichbarer Weise eine rechtmäßig erworbene Rechtsposition (Alg-Anwartschaft) beseitigen. Für die Frage der Beitragspflicht von Krg-Bezugszeiten bei rückwirkender EU-Rentenbewilligung ist damit, dem 12. Senat folgend, auf den Zeitpunkt der Entrichtung der Beiträge abzustellen (BSGE 75, 298, 302 = SozR 3-2400 § 26 Nr 6; Gagel, AFG, Stand Januar 1998, RdNr 15 zu § 169).

Demgegenüber sind die Argumente des LSG für eine andere Beurteilung der Beitragspflicht im Rahmen des § 186 AFG nicht stichhaltig. Das AFG enthält in § 186 AFG ebensowenig wie das Rentenversicherungsrecht ausdrückliche Regelungen über die beitragsrechtlichen Folgen beim rückwirkenden Zusammentreffen von Rente wegen EU und Krg. Wenn das LSG hierzu ausführt, tatsächlich schließe der Bezug von Rente wegen EU eine Beitragspflicht in der Rentenversicherung (§ 5 SGB VI) anders als in der Arbeitslosenversicherung (§ 169c Nr 2 AFG) nicht aus, so ist dem entgegenzuhalten, daß es bei der Anwendung des § 186 Abs 1 AFG und auch des § 169c Nr 2 AFG ja gerade erst darum geht, ob dies auch im Arbeitsförderungsrecht gilt. Dabei muß der Gesetzgeber nicht das Fortbestehen der Beitragspflicht ausdrücklich regeln; es genügt, wenn sich diese Rechtsfolgen den einschlägigen Regelungen durch Auslegung entnehmen läßt.

Das LSG wird bei seiner Entscheidung zu beachten haben, daß die subjektive Verfügbarkeit der Klägerin (§ 103 Abs 1 Satz 1 Nr 2 AFG) auch in Fällen des § 105a AFG ermittelt werden muß (vgl BSGE 84, 262, 265 f = SozR 3-4100 § 105a Nr 7) und diese durchaus zweifelhaft sein kann, wenn ein EU-Rentenverfahren betrieben wird; im übrigen wird das LSG über die Kosten des Revisionsverfahrens zu befinden haben.



Ende der Entscheidung

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