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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundessozialgericht
Urteil verkündet am 03.12.1998
Aktenzeichen: B 7 AL 94/97 R
Rechtsgebiete: AFG


Vorschriften:

AFG § 118 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESSOZIALGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Verkündet am 3. Dezember 1998

in dem Rechtsstreit

Az: B 7 AL 94/97 R

Klägerin und Revisionsklägerin,

Prozeßbevollmächtigte:

gegen

Bundesanstalt für Arbeit, Regensburger Straße 104, 90478 Nürnberg,

Beklagte und Revisionsbeklagte.

Der 7. Senat des Bundessozialgerichts hat auf die mündliche Verhandlung vom 3. Dezember 1998 durch die Vizepräsidentin Dr. Wolff, die Richter Eicher und Dr. Spellbrink sowie die ehrenamtlichen Richter Höchst und Kingler

für Recht erkannt:

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 27. Juni 1997 geändert. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Marburg vom 29. Februar 1996 aufgehoben, soweit das Sozialgericht die Beklagte verurteilt hat, der Klägerin ab 25. November 1993 "Leistungen in gesetzlichem Umfang" zu gewähren. Im übrigen wird die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Marburg vom 29. Februar 1996 zurückgewiesen.

Die Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten auch für das Berufungs- und Revisionsverfahren zu erstatten.

Gründe:

I

Die Beteiligten streiten darüber, ob der Anspruch der Klägerin auf Arbeitslosengeld (Alg) ab 1. September 1993 wegen der Zuerkennung von vorgezogenem Altersruhegeld für weibliche Versicherte durch die Versorgungsanstalt der deutschen Bühnen (VddB) ruhte, sowie über die Verpflichtung der Klägerin zur Erstattung von Alg in Höhe von 3.125,60 DM für den Zeitraum vom 1. September 1993 bis 25. November 1993.

Die am 31. Juli 1933 geborene Klägerin war seit 1. Juli 1965 gemäß Art 2 § 1 des Angestelltenversicherungs-Neuregelungsgesetzes von der Versicherungspflicht in der Angestelltenversicherung befreit, weil sie zuvor die Jahresarbeitsverdienstgrenze überschritten und eine befreiende Lebensversicherung abgeschlossen hatte. Die Klägerin war vom 1. August 1979 bis 15. August 1993 als Intendanzsekretärin bei der Stadttheater G. GmbH beschäftigt. Während dieser Beschäftigungszeit bestand ein Versicherungsverhältnis bei der VddB, einer bundesunmittelbaren rechtsfähigen Anstalt des öffentlichen Rechts, die den Zweck hat, den an deutschen Theatern beschäftigten Bühnenangehörigen eine Alters-, Berufsunfähigkeits- und Hinterbliebenenversorgung nach Maßgabe ihrer Satzung zu gewähren (§ 1 der Satzung der VddB vom 12. Dezember 1991, BAnz 8326 - im folgenden: Satzung). Nach § 11 der Satzung sind Angehörige der VddB - als Mitglieder - die Rechtsträger der deutschen Theater und der ihnen nach dieser Satzung gleichgestellten Unternehmen und - als Versicherte - die Bühnenangehörigen und die ihnen Gleichgestellten. Nach § 17 Abs 1 der Satzung ist pflichtversichert jeder unter die Tarifordnung fallende Bühnenangehörige nach Vollendung des 17. Lebensjahres, der bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres 120 Beitragsmonate erreichen kann. Nach § 28 der Satzung leistet die VddB Ruhegeld bei Verwirklichung der dort im einzelnen - alternativ - genannten Voraussetzungen. Das jährliche Ruhegeld beträgt nach § 29 Abs 1 Satz 1 der Satzung im Regelfall 16,1 vH (Verrentungssatz) der für den Versicherten entrichteten Beiträge.

Die Klägerin meldete sich zum 15. August 1993 bei der Beklagten arbeitslos (Arbeitslosmeldung vom 5. August 1993). Die Beklagte bewilligte der Klägerin durch Bescheid vom 22. September 1993 Alg ab 16. August 1993 für 832 Wochentage in Höhe von 436,20 DM wöchentlich. Am 24. September 1993 beantragte die Klägerin bei der VddB das (vorgezogene) Altersruhegeld für weibliche Versicherte nach § 28 Abs 6 der Satzung. Die Bayerische Versicherungskammer als Verwalterin der VddB bewilligte durch Bescheid vom 25. Oktober 1993 der Klägerin das beantragte Altersruhegeld ab 1. September 1993 in Höhe von 763,10 DM monatlich. Hiervon erhielt die Beklagte am 3. Dezember 1993 Kenntnis. Sie stellte die Zahlung des Alg ab 26. November 1993 ein und hob durch Bescheid vom 20. Dezember 1993 die Bewilligung des Alg gemäß § 48 Sozialgesetzbuch - Verwaltungsverfahren - (SGB X) ab 26. November 1993 auf. Zugleich wies sie darauf hin, daß auch eine Aufhebung mit Wirkung für die Vergangenheit zu prüfen sei. Durch Bescheid vom 31. Januar 1994 hob die Beklagte die Alg-Bewilligung ab 1. September 1993 auf und forderte die Erstattung des vom 1. September bis 25. November 1993 gezahlten Alg in Höhe von 5.379,80 DM. Die Widersprüche gegen die Bescheide vom 20. Dezember 1993 und 31. Januar 1994 begründete die Klägerin ua mit einem Schreiben der VddB vom 2. Februar 1994, in dem ihr mitgeteilt worden sei, es handele sich bei den Leistungen der VddB um eine zusätzliche Versorgung, die neben und unabhängig von Leistungen der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) gewährt würde. Die VddB stelle kein Vollversorgungssystem, wie etwa die berufsständischen Versorgungssysteme für Ärzte oder Rechtsanwälte, die gemäß § 6 Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Rentenversicherung - (SGB VI) das System der Altersversorgung durch die BfA vollständig ersetzten, dar. Die Ansprüche gegen die VddB stellten nur ergänzende Ansprüche dar. Es sei daher auch nicht notwendig und rechtlich auch nicht möglich, den Ruhegeldantrag zurückzunehmen. Die Klägerin hatte die VddB zuvor gebeten, eine solche Möglichkeit zu überprüfen.

Die Beklagte wies durch Bescheid vom 14. April 1994 die Widersprüche zurück. Sie reduzierte dabei die Erstattungsforderung auf 3.125,60 DM, da für den Zeitraum vom 1. September bis 1. November 1993 (Zeitpunkt, zu dem der Klägerin nach der Bekanntgabe des Bewilligungsbescheides der VddB erstmals eine Mitteilung an die Beklagte möglich gewesen wäre) der Erstattungsbetrag auf die Höhe des gewährten Altersruhegelds (763,10 DM) beschränkt sei. Die Beklagte bezifferte die Erstattungsforderung für die Monate September und Oktober 1993 mithin auf je 763,10 DM, für den Zeitraum vom 1. November bis 25. November 1993 auf 1.599,40 DM.

Das Sozialgericht (SG) hat durch Urteil vom 29. Februar 1996 die Bescheide der Beklagten aufgehoben und die Beklagte verurteilt, der Klägerin über den 25. November 1993 hinaus "Leistungen in gesetzlichem Umfang" zu gewähren. Das Altersruhegeld nach § 28 Abs 6 der Satzung werde nicht bei Erreichen einer bestimmten Altersgrenze gewährt. Außerdem sei es nach seiner Gesamtkonzeption nicht so bemessen, daß es im allgemeinen den Lebensunterhalt sicherstellen könne, da es jährlich lediglich 16,1 % der für die Versicherte entrichteten Beiträge betrage.

Das Landessozialgericht (LSG) hat auf die Berufung der Beklagten durch Urteil vom 27. Juni 1997 das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen. Dabei hat es ausgeführt, das vorgezogene Altersruhegeld nach § 28 Abs 6 der Satzung sei eine ähnliche Leistung öffentlich-rechtlicher Art iS von § 118 Abs 1 Satz 1 Nr 4 Arbeitsförderungsgesetz (AFG), dessen Zubilligung zum Ruhen des Alg führe. Nach der Konzeption der Satzung habe das vorgezogene Altersruhegeld die Funktion der Sicherstellung des Lebensunterhalts und sei nicht nur ein Zuschuß zu anderweitigen Einkünften; denn sie greife auf die Arbeitsverdienste des Versicherten im Verlauf seines Versicherungslebens zurück, indem sie eine Mindestwartezeit von zehn Jahren voraussetze.

Mit ihrer Revision rügt die Klägerin die Verletzung des § 118 Abs 1 Satz 1 Nr 4 AFG. Die Leistungen der VddB hätten keinen Lohnersatzcharakter. Es handele sich lediglich um eine Zusatzversorgung, die für sich allein zur Sicherstellung des Lebensunterhalts nicht ausreiche. Die Beiträge seien freiwillig gezahlt worden; das vorgezogene Altersruhegeld könne daher nicht anders behandelt werden als eine Lebensversicherung oder Betriebsrente. Bereits das SG habe zu Recht entschieden, daß nach der Gesamtkonzeption des § 28 der Satzung das Altersruhegeld gemäß § 28 Abs 6 nicht wegen der Vollendung einer bestimmten Altersgrenze gezahlt werde.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 27. Juni 1997 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Marburg vom 29. Februar 1996 zurückzuweisen.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Auch wenn die Leistung der VddB eine Zusatzleistung darstellen würde, würde das nicht ihre Berücksichtigung im Rahmen des § 118 Abs 1 Satz 1 Nr 4 AFG hindern. Mit der tatbestandlichen Voraussetzung, daß die Rente nur gewährt werde, wenn eine Erwerbstätigkeit nicht mehr ausgeübt werde, entfalle mit dem Zeitpunkt des Rentenbeginns der Wille der Klägerin, dem Arbeitsmarkt zur Verfügung zu stehen.

II

Die Revision der Klägerin ist im wesentlichen begründet.

Die Beklagte war nicht berechtigt, ihren Alg-Bewilligungsbescheid vom 22. September 1993 gemäß § 48 Abs 1 SGB X aufzuheben. Die Aufhebungsbescheide der Beklagten vom 20. Dezember 1993 und 31. Januar 1994 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. April 1994 sind rechtswidrig. Mit der Aufhebung dieser Bescheide erreicht die Klägerin ihr Klageziel in vollem Umfang, da damit die ursprüngliche Alg-Bewilligung vom 22. September 1993 wiederauflebt. Eines gesonderten Ausspruchs im Tenor, daß die Beklagte ab 25. November 1993 verpflichtet war, der Klägerin Leistungen zu gewähren, bedurfte es nicht. Lediglich insoweit hat der Senat den Tenor der erstinstanzlichen Entscheidung korrigiert.

Nach § 48 Abs 1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlaß eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Letzteres ist der Fall, wenn die Änderung im Vergleich zur Rechts- und Sachlage bei Erlaß des maßgeblichen Verwaltungsaktes dazu führt, daß die Behörde unter den nunmehr objektiv vorliegenden Verhältnissen den ergangenen Verwaltungsakt nicht hätte erlassen dürfen (vgl nur BSG SozR 3-4100 § 105a Nr 5, S 21). Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt. Insbesondere bestand eine wesentliche Änderung nicht darin, daß die VddB der Klägerin mit Bescheid vom 25. Oktober 1993 mit Wirkung zum 1. September 1993 ein vorgezogenes Altersruhegeld für Frauen gemäß § 28 Abs 6 ihrer Satzung zuerkannt hat. Bei diesem Altersruhegeld handelt es sich nicht um eine "ähnliche Leistung öffentlich-rechtlicher Art" iS des § 118 Abs 1 Satz 1 Nr 4 AFG (in der hier maßgeblichen Fassung des Gesetzes zur Reform der gesetzlichen Rentenversicherung - Rentenreformgesetz 1992 - vom 18. Dezember 1989, BGBl I 2261; in Kraft ab 1. Januar 1992). Nach § 118 Abs 1 Satz 1 Nr 4 AFG ruht der Anspruch auf Alg während der Zeit, für die dem Arbeitslosen ein Anspruch auf Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung oder Knappschaftsausgleichsleistung oder ähnliche Leistungen öffentlich-rechtlicher Art zuerkannt ist.

Ob das der Klägerin von der VddB satzungsgemäß zuerkannte vorgezogene Altersruhegeld eine Leistung "öffentlich-rechtlicher Art" ist, bedarf hier keiner Entscheidung, denn es fehlt bereits an der Ähnlichkeit iS von § 118 Abs 1 Satz 1 Nr 4 AFG. Ähnliche Leistungen iS dieser Vorschrift sind solche Leistungen, die die gleichen gemeinsamen und typischen Merkmale aufweisen wie die ausdrücklich in § 118 Abs 1 Satz 1 Nr 4 AFG genannten Ruhegelder und Ausgleichsleistungen für eine Zeit vor Vollendung des 65. Lebensjahres. Es kommen hier, wie der Senat wiederholt entschieden hat, nur Leistungen in Betracht, die bei Erreichen einer bestimmten Altersgrenze gewährt werden, als Lohnersatz gedacht und ihrer Gesamtkonzeption nach so bemessen sind, daß sie im allgemeinen den Lebensunterhalt sicherstellen (BSGE 41, 177, 179 = SozR 4100 § 118 Nr 2; BSGE 43, 20, 30 f = SozR 4100 § 118 Nr 3; BSG SozR 4100 § 118 Nrn 9, 12, 13; BSG SozR 3-4100 § 118 Nr 2; BSGE 73, 10, 16 = SozR 3-4100 § 118 Nr 4; vgl auch BSG SozR 3-4100 § 137 Nr 9 und BSGE 80, 295, 297 f = SozR 3-4100 § 142 Nr 1). Sie müssen den in § 118 Abs 1 Satz 1 Nr 4 AFG genannten Leistungen nach Konzeption und Struktur ähnlich sein (BSGE 73, 10, 16 f = SozR 3-4100 § 118 Nr 4; vgl auch das Urteil des Senats vom 29. Oktober 1997 zu § 142 AFG, BSGE 81, 134 = SozR 3-4100 § 142 Nr 1). Dahinter steht die Erwägung, daß Bezieher der in § 118 Abs 1 Satz 1 Nr 4 AFG genannten Leistungen versicherungsmäßig versorgt sind und eine Erwerbstätigkeit aufgrund dieser Versorgung in der Regel nicht mehr nötig oder erstrebenswert ist, sie vielmehr als aus dem Erwerbsleben ausgeschieden gelten müssen (vgl BSGE 81, 134, 139 = SozR 3-4100 § 142 Nr 2). Altersruhegeld nach § 28 Abs 6 der Satzung erhält eine Versicherte zwar dann, wenn sie das 60. Lebensjahr vollendet hat, mithin mit dem Erreichen einer bestimmten Altersgrenze. Die Leistung hat auch in einem gewissen Umfang Lohnersatzcharakter, da nach der Gesamtkonzeption der Satzung eine Erwerbstätigkeit der Versicherten neben dem Altersruhegeld nur noch im begrenzten Umfang zulässig ist. Nach § 28 Abs 6 Satz 2 der Satzung ruht der Anspruch auf Altersruhegeld in den Monaten, in denen die Berechtigte Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen erzielt, das 1/8 der Beitragsbemessungsgrenze (§ 23 Abs 2 der Satzung) überschreitet. Da § 23 Abs 2 der Satzung auf die Beitragsbemessungsgrenzen der Rentenversicherung verweist, war 1993 für die Klägerin mithin ein Hinzuverdienst (nur) bis zu 900 DM monatlich für ihren Rentenbezug unschädlich (Beitragsbemessungsgrenze 1993 gemäß §§ 159, 160 SGB VI: 7.200 DM).

Das vorgezogene Altersruhegeld nach § 28 Abs 6 der Satzung unterscheidet sich aber konzeptionell von einer Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung (vgl zu dieser Voraussetzung BSGE 73, 10, 16 f = SozR 3-4100 § 118 Nr 4; vgl auch das Urteil des Senats vom 29. Oktober 1997, BSGE 81, 135, 141 = SozR 3-4100 § 142 Nr 2, S 14). Sowohl die Renten wegen Alters gemäß §§ 35 ff SGB VI als auch die weitere in § 118 Abs 1 Satz 1 Nr 4 AFG genannte Knappschaftsausgleichsleistung gemäß § 239 SGB VI gehen konzeptionell davon aus, daß mit ihrer Bewilligung der Lebensunterhalt des Versicherten im allgemeinen gesichert wird. Im Unterschied hierzu hat das Altersruhegeld nach § 28 Abs 6 der Satzung lediglich die Funktion, eine zusätzliche Sicherung für den Versicherten bereitzustellen. Es stellt konzeptionell eine Zusatzversorgung dar, die regelmäßig nur die gesetzliche Altersrente bzw die - an ihre Stelle getretene - befreiende Lebensversicherung aufstocken soll und weder beitrags- noch leistungsrechtlich als eine der gesetzlichen Alterssicherung vergleichbare Leistung angesehen werden kann.

Dies folgt aus § 23 der Satzung, die als bundesweit geltende Norm gemäß § 162 Sozialgerichtsgesetz (SGG) der vollen Überprüfung durch den Senat unterliegt. Als Beitrag sind nach § 23 Abs 1 der Satzung für jeden durch ein Mitglied Versicherten monatlich 9 vH des Diensteinkommens zu entrichten, wenn aus diesem Einkommen (auch) Pflichtversicherungsbeiträge zur Rentenversicherung geleistet werden (Buchst a). Ebenfalls 9 vH des Diensteinkommens sind als Beitrag zu entrichten, wenn der Versicherte - wie hier die Klägerin - von der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht befreit ist, sofern und solange ihm das Mitglied einen Zuschuß zu einem Lebensversicherungsvertrag gewährt (Buchst b). Lediglich für die übrigen Fälle beträgt der Beitrag 16 vH des Diensteinkommens (Buchst c). Letztere Gruppe umfaßt allerdings nur Sonderfälle wie die Bühnenangehörigen im Gastierbereich; auch für diese sind aber, soweit sie daneben an einer bestimmten Bühne beschäftigt sind, Beiträge nach Buchst a oder b zu entrichten. Nach § 23 Abs 3 der Satzung entfallen die Beiträge jeweils zur Hälfte auf das Mitglied und den Versicherten. Mithin werden nach der Satzung für den Großteil der Versicherten, die bereits in der gesetzlichen Rentenversicherung abgesichert sind (oder eine befreiende Lebensversicherung haben), Beiträge nur nach einem Prozentsatz entrichtet, der weniger als die Hälfte des Beitragssatzes der gesetzlichen Rentenversicherung beträgt. Entsprechend geringer ist auch ihre Versorgung, die sich aus der Summe der entrichteten Beiträge errechnet. Nach § 29 Abs 1 Satz 1 der Satzung beträgt das jährliche Ruhegehalt im Regelfall lediglich 16,1 vH (Verrentungssatz) der für den Versicherten entrichteten Beiträge.

Die VddB gehört ua wegen dieser Beschränkung auf eine sog Zusatzversorgung auch nicht zu den berufsständischen Versorgungseinrichtungen iS von § 6 Abs 1 SGB VI, deren Mitglieder von der gesetzlichen Versicherungspflicht befreit werden (vgl hierzu die Übersicht im Anhang in Boecken, Die Pflichtaltersversorgung der verkammerten freien Berufe und der Bundesgesetzgeber, 1986). Zum einen handelt es sich bei den Bühnenangehörigen nicht um eine kraft gesetzlicher Verpflichtung zwangsverkammerte Berufsgruppe, wie § 6 Abs 1 Satz 1 SGB VI (idF des Gesetzes zur Änderung des SGB VI und anderer Gesetze vom 15. Dezember 1995, BGBl I 1824) nunmehr zwingend fordert (hierzu Mann, NJW 1996, 1315). Zum anderen stellen die Leistungen der VddB keinen etwa gleichwertigen Ersatz für die Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung dar, der wegen dieser Gleichwertigkeit die Befreiung von der gesetzlichen Rentenversicherung rechtfertigt. Das Erfordernis der Gleichwertigkeit hat das Bundessozialgericht (BSG) zu § 7 Abs 2 Angestelltenversicherungsgesetz aufgestellt (BSG SozR 3-2940 § 7 Nr 2), der im wesentlichen dem § 6 Abs 1 Satz 1 Nr 1c SGB VI entsprach (hierzu auch Kasseler Komm - Gürtner, RdNrn 15 ff zu § 6 SGB VI). Die Satzung der VddB strebt von vornherein nicht an, den Versicherten eine Sicherung zu garantieren, die in etwa auf dem Niveau der gesetzlichen Rentenversicherung liegt (vgl hierzu auch BSG SozR 2400 § 7 Nr 6). Denn das satzungsmäßige Ruhegeld errechnet sich aus Beiträgen, die gerade wegen der Zugehörigkeit zur gesetzlichen Rentenversicherung (erheblich) gemindert sind. Die - aufgrund des gesamten eingezahlten Kapitals - errechnete Leistung der VddB ist im übrigen nach der Satzung völlig unabhängig davon, ob und in welcher Höhe der Versicherte weitere Ansprüche aus der gesetzlichen Rentenversicherung oder aus einer befreienden Lebensversicherung erworben hat. Auch daraus wird deutlich, daß das Altersruhegeld nach der Satzung der VddB eine Zusatzleistung ist, denn es bleibt dem Versicherten neben der Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung uneingeschränkt erhalten und führt im Gegensatz zu den in §§ 89 ff SGB VI und § 239 Abs 3 Satz 1 und Satz 4 SGB VI genannten Sozialleistungen nicht zur Anrechnung auf die Altersrente oder die Knappschaftsausgleichsleistung bzw zu deren Wegfall. Die Satzung der VddB bezweckt mithin nach ihrer Konzeption nicht, mit den satzungsgemäßen Ruhegeldern nach § 28 im allgemeinen den Lebensunterhalt der Versicherten sicherzustellen, sondern ist auf eine die gesetzliche Rentenversicherung ergänzende zusätzliche Versorgung angelegt. Deshalb kann es auch auf die konkrete Höhe der bewilligten Leistung (hier: 763,10 DM monatlich) nicht ankommen.

Ist mithin die der Klägerin gezahlte Altersrente durch die VddB ihrer Konzeption nach nur eine Zusatzversorgung, und zwar unabhängig davon, daß sie keine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung zu erwarten hat, sondern eine Leistung aus ihrer befreienden Lebensversicherung, so findet § 118 Abs 1 Satz 1 Nr 4 AFG auf diese Leistung keine Anwendung mit der Folge, daß die Zubilligung dieser Leistung nicht zum Ruhen des Alg führte.

Der Ansicht der Beklagten, daß im Rahmen der Prüfung, ob eine ähnliche Leistung iS des § 118 Abs 1 Satz 1 Nr 4 AFG vorliegt, maßgebend auf das Kriterium abzustellen sei, ob der Empfänger der Leistung aus dem Arbeitsmarkt endgültig ausgeschieden sei und damit der Arbeitsvermittlung regelmäßig nicht mehr zur Verfügung stehe, kann in dieser Form nicht gefolgt werden. Ausschlaggebend ist vielmehr, daß das der Klägerin von der VddB zugebilligte Altersruhegeld nach der Gesamtkonzeption der Satzung nur eine Zusatzversorgung darstellt, die nicht - wie das Ruhegeld der gesetzlichen Rentenversicherung - für sich allein auf Sicherung des Lebensunterhalts ausgerichtet ist und deren Inanspruchnahme deshalb auch nicht dokumentiert, daß der Versicherte wegen seiner versicherungsmäßigen Versorgung aus dem Erwerbsleben ausgeschieden ist.

Der Senat hat die Einwendungen der Beklagten auch dahingehend geprüft, ob eine wesentliche Änderung iS des § 48 Abs 1 Satz 1 SGB X im vorliegenden Falle dadurch eingetreten sein könnte, daß mit Bewilligung des Altersruhegeldes nach § 28 Abs 6 der Satzung die subjektive Verfügbarkeit der Klägerin iS des § 103 Abs 1 Satz 1 Nr 2 AFG (in der hier maßgeblichen Fassung des Gesetzes zur Änderung der Fördervoraussetzungen im AFG und in anderen Gesetzen vom 18. Dezember 1992, BGBl I 2044) entfallen ist. Auch wenn die Rentengewährung durch die VddB voraussetzt, daß eine "normale" Erwerbstätigkeit nicht mehr ausgeübt wird, bzw der Versicherte lediglich bis zur Grenze von 900 DM monatlich einen Hinzuverdienst erzielen darf, bedeutet dies nicht ohne weiteres, daß die subjektive Verfügbarkeit des Versicherten mit dem Bezug der Leistung entfällt oder von vornherein nicht vorliegt. Wie dem Gesamtzusammenhang der Feststellungen des LSG entnommen werden kann, war die Klägerin durchaus arbeitsbereit und auch bereit - wofür das Schreiben des VddB vom 2. Februar 1994 an die Klägerin einen Anhaltspunkt bietet - für den Fall der Vermittlung einer Arbeit auf ihre Rente zu verzichten. Dafür spricht insbesondere auch, daß das der Klägerin zustehende Alg nicht unerheblich höher ist als die Zusatzleistung durch die VddB.

Die Beklagte war mithin nicht berechtigt, die Alg-Bewilligung aufzuheben, da der Alg-Anspruch der Klägerin nicht gemäß § 118 Abs 1 Satz 1 Nr 4 AFG zum Ruhen gekommen ist. Folglich war die Beklagte auch nicht befugt, von der Klägerin Erstattung des bereits gezahlten Alg zu verlangen, weshalb hier dahinstehen kann, ob die Beklagte den Erstattungsbetrag richtig berechnet hat.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Ende der Entscheidung

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