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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundessozialgericht
Urteil verkündet am 20.10.2005
Aktenzeichen: B 7a AL 28/05 R
Rechtsgebiete: SGG, GG, SGB III


Vorschriften:

SGG § 103 Satz 1
SGG § 128 Abs 1 Satz 1
GG Art 100 Abs 1 Satz 1 2. Alternative
SGB III § 37b
SGB III § 140
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESSOZIALGERICHT Im Namen des Volkes Urteil

in dem Rechtsstreit

Verkündet am 20. Oktober 2005

Az: B 7a AL 28/05 R

Der 7a. Senat des Bundessozialgerichts hat auf die mündliche Verhandlung vom 20. Oktober 2005 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Udsching, die Richter Eicher und Dr. Spellbrink sowie den ehrenamtlichen Richter Kovar und die ehrenamtliche Richterin Geppert für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 18. Februar 2005 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

Gründe:

I

Der Kläger wendet sich gegen die Minderung der ihm gewährten Arbeitslosenhilfe (Alhi) in der Zeit vom 23. Dezember 2003 bis zum 31. Dezember 2003 und vom 9. Februar 2004 bis 28. April 2004.

Der im Jahre 1978 geborene Kläger stand seit 7. März 2003 bei der Beklagten in Bezug von Alhi. Der tägliche Zahlbetrag betrug 22,56 Euro. Am 23. Oktober 2003 nahm der Kläger eine Arbeit auf, die bereits bei Abschluss des Arbeitsvertrages bis zum 19. Dezember 2003 befristet war. Nach den Feststellungen des Landessozialgerichts (LSG) informierte der Arbeitgeber den Kläger nicht über die Pflicht zur unverzüglichen Arbeitsuchendmeldung; dem Kläger war diese Verpflichtung auch nicht bekannt. Anlässlich einer persönlichen Vorsprache am 28. November 2003 bei der Beklagten teilte der Kläger mit, dass er ab 23. Oktober 2003 eine Arbeit aufgenommen habe. Er machte hingegen keine Angaben zur Befristung des Arbeitsverhältnisses und gab auch nicht an, eine Arbeit zu suchen. Am 23. Dezember 2003 meldete er sich erneut arbeitslos und beantragte die Bewilligung von Alhi. Bei der Antragstellung gab er an, ab 5. Januar 2004 Wehrdienst zu leisten.

Die Beklagte teilte dem Kläger mit einem Schreiben vom 8. Januar 2004 mit, dass er seiner Verpflichtung, sich unverzüglich beim Arbeitsamt (ArbA) arbeitsuchend zu melden, 54 Tage zu spät nachgekommen sei. Der Leistungsanspruch mindere sich daher um insgesamt 1.050,00 Euro (täglich 35,00 Euro für längstens 30 Tage). Die Beklagte bewilligte sodann mit Bescheid vom 19. Januar 2004 dem Kläger erneut Alhi ab 23. Dezember 2003 in Höhe von täglich 22,56 Euro (Bemessungsentgelt 480,00 Euro, Leistungsgruppe A/0) abzüglich einer täglichen Minderungsrate in Höhe von 11,28 Euro. Der Kläger trat seinen Wehrdienst bereits am 1. Januar 2004 an. Am 5. Februar 2004 wurde er vorzeitig entlassen. Am 9. Februar 2004 meldete sich der Kläger wieder arbeitslos und beantragte die Wiederbewilligung von Alhi. Mit Bescheid vom 1. April 2004 bewilligte die Beklagte dem Kläger Alhi ab 9. Februar 2004 in Höhe von täglich 23,05 Euro abzüglich eines täglichen Minderungsbetrages von 11,52 Euro. Ab 29. April 2004 wurde dem Kläger Alhi sodann ohne Minderung gezahlt (Bescheid vom 29. April 2004). Am 5. April 2004 erhob der Kläger Widerspruch mit dem Antrag, von der Minderung abzusehen. Er trug vor, er habe im Jahr 2004 wegen der Ableistung seines Wehrdienstes keine Bescheide erhalten. Er habe nicht gewusst, dass er sich gleich bei Abschluss eines befristeten Arbeitsvertrages wieder arbeitsuchend hätte melden müssen. Die Beklagte wies den Widerspruch durch Bescheid vom 21. April 2004 als unbegründet zurück. Zwischen dem Abschluss des befristeten Arbeitsvertrages ab 23. Oktober 2003 und dessen Ende am 19. Dezember 2003 liege ein Zeitraum von nicht mehr als drei Monaten. In einem solchen Falle sei die Meldepflicht mit dem Abschluss des Arbeitsvertrages am 23. Oktober 2003 entstanden. Der Kläger habe sich nicht unverzüglich, sondern erst am 23. Dezember 2003, beim ArbA persönlich gemeldet.

Auf die Klage hat das Sozialgericht (SG) durch Urteil vom 26. Juli 2004 den Bescheid vom 19. Januar 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21. April 2004 abgeändert und die Beklagte verurteilt, dem Kläger Alhi ohne Minderung zu gewähren. Das LSG hat die Berufung der Beklagten mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass auch der Bescheid vom 1. April 2004 zu ändern sei. Zur Begründung seines Urteils vom 18. Februar 2005 hat es ausgeführt, die Regelung des § 37b Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) sei hier nicht einschlägig. Dies folge aus § 37b Satz 2 SGB III, der im Falle eines befristeten Arbeitsverhältnisses eine Meldung "frühestens drei Monate vor dessen Beendigung" vorschreibe. Diese Pflicht könne bei Arbeitsverhältnissen, die auf weniger als drei Monate befristet seien, nicht eingehalten werden. Eine Meldung drei Monate vor Beendigung der Beschäftigung sei bei Arbeitsverhältnissen, die auf weniger als drei Monate befristet seien, überhaupt nicht möglich. Zumindest sei es widersprüchlich, bei befristeten Arbeitsverhältnissen einerseits eine Meldung nach Ablauf von drei Monaten vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses als verspätet anzusehen, andererseits aber die Vorschrift auch auf Arbeitsverhältnisse anzuwenden, die auf weniger als drei Monate befristet seien. Durch eine widersprüchliche Regelung könne keine mit Rechtsnachteilen sanktionierte Obliegenheit begründet werden. Letztlich sei § 37b Satz 2 SGB III nicht hinreichend inhaltlich bestimmt genug. Deshalb könne auch dahinstehen, ob die Sanktionsnorm des § 140 SGB III überhaupt eingreife. Dem Kläger sei hier Alhi nach einer Zwischenbeschäftigung wiederbewilligt worden, sodass zudem zweifelhaft sei, ob der Anspruch - wie § 140 Satz 1 SGB III voraussetze - erst "nach" der Obliegenheitsverletzung entstanden sei.

Hiergegen wendet sich die Beklagte mit ihrer Revision. Sie rügt eine Verletzung der §§ 103 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG), 128 Abs 1 Satz 1 SGG, Art 100 Abs 1 Satz 1 2. Alternative Grundgesetz (GG) sowie der §§ 37b, 140 SGB III. Das LSG sei in verfahrensfehlerhafter Weise zu der Feststellung gelangt, der Kläger habe von seiner Verpflichtung, sich frühzeitig arbeitsuchend zu melden, keine Kenntnis gehabt. Ebenso verfahrensfehlerhaft zu Stande gekommen sei die Feststellung, er sei von seinem Arbeitgeber nicht auf die Meldepflicht hingewiesen worden. Das LSG hätte schließlich nach Art 100 GG das Verfahren aussetzen und dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) vorlegen müssen, wenn es die Norm des § 37b Satz 2 SGB III wegen inhaltlicher Unbestimmtheit für verfassungswidrig halte. Die Rechtsauffassung des LSG, bei Arbeitsverhältnissen, die weniger als drei Monate bestünden, könne die Pflicht aus § 37b Satz 2 SGB III überhaupt nicht eingreifen, gehe an der Sache vorbei. Die Pflicht zur unverzüglichen Arbeitsuchendmeldung könne auch bei diesen Arbeitsverhältnissen selbstverständlich eingehalten werden. Es wäre widersinnig, bei Arbeitsverhältnissen, die auf mehr als drei Monate befristet seien, eine Arbeitsuchendmeldung drei Monate vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses zur fordern, obwohl sie - die Beklagte - dann noch genügend Zeit habe, Vermittlungsbemühungen einzuleiten, andererseits aber bei Arbeitsverhältnissen, die auf weniger als drei Monate befristet seien, eine Pflicht zur schnellstmöglichen Arbeitsuchendmeldung erst nach dem faktischen Eintritt der Arbeitslosigkeit anzunehmen. Um dem Willen des Gesetzgebers zur Geltung zu verhelfen, müsse der Terminus unverzüglich entsprechend § 121 Abs 1 Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) mit dem Begriff "ohne schuldhaftes Zögern" umschrieben werden. Dabei stehe dem Kläger eine angemessene Überlegungsfrist zu, die mit einer Woche, beginnend mit dem Tag nach Kenntnis von der Beendigung des Arbeitsverhältnisses, angemessen bemessen sei. Der Kläger hätte sich hier deshalb spätestens am 30. Oktober 2003 arbeitsuchend melden müssen. Allenfalls sei bei einer entsprechenden Anwendung des § 121 Abs 1 Satz 1 BGB zu prüfen, ob der Kläger rechtlich billigenswerte Motive dafür gehabt habe, sich erst nach Ablauf der Sieben-Tage-Frist bei ihr arbeitsuchend zu melden. Solche billigenswerten Motive lägen hier nicht vor. Auch für § 37b SGB III gelte der allgemeine Rechtsgrundsatz, dass die Unkenntnis von Normen niemanden von deren Anwendung befreien könne.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 18. Februar 2005 und das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 26. Juli 2004 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Er beruft sich auf die angefochtene Entscheidung. Ergänzend macht er geltend, es sei noch ungeklärt, ob § 140 SGB III überhaupt auf wiederbewilligte Ansprüche anwendbar sei, denn § 140 SGB III erfasse nach seinem Wortlaut nur Ansprüche, die erst nach der Verletzung der Meldepflicht entstanden seien.

II

Die Revision der Beklagten ist im Sinne der Aufhebung und Zurückverweisung begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 SGG). Auf Grund der tatsächlichen Feststellungen des LSG kann nicht entschieden werden, ob der Kläger sich entgegen § 37b SGB III nicht unverzüglich arbeitsuchend gemeldet hat, weil § 37b SGB III insofern ein Verschulden des Arbeitslosen voraussetzt (grundlegend Bundessozialgericht <BSG> Urteil vom 25. Mai 2005 - B 11a/11 AL 81/04 R, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen <hierzu unter 2.>). Zu Recht rügt die Beklagte allerdings die Auslegung des § 37b Satz 2 SGB III durch das LSG. Ist ein Arbeitsverhältnis von vornherein auf weniger als drei Monate befristet, so setzt die Obliegenheit, sich gemäß § 37b SGB III arbeitsuchend zu melden, unmittelbar mit Abschluss eines solchen befristeten Arbeitsverhältnisses ein (sogleich unter 1.). Schließlich steht einer Anwendung des § 140 SGB III auch nicht entgegen, dass es sich vorliegend um einen wiederbewilligten Anspruch auf Alhi handelt, denn § 140 SGB III meint mit dem Begriff "Anspruch" den sog Zahlungsanspruch und gerade nicht das Stammrecht (vgl unter 3.).

Gegenstand des Rechtsstreits sind die Festsetzung der Minderung im Schreiben der Beklagten vom 8. Januar 2004 und die Bescheide vom 19. Januar 2004 und 1. April 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21. April 2004. Der Kläger hat am 5. April 2004 Widerspruch gegen den Bescheid vom 8. Januar 2004 eingelegt. War der Bescheid vom 1. April 2004 zu diesem Zeitpunkt bereits wirksam, so bezog sich der Widerspruch vom 5. April 2004 auch auf diesen Bescheid. Ist die Wirksamkeit des Bescheides vom 1. April 2004 erst nach dem Widerspruch des Klägers vom 5. April 2004 eingetreten, so wurde er gemäß § 86 SGG als Folgebescheid zu dem Bescheid vom 19. Januar 2004 zum Gegenstand des Vorverfahrens. Die Bescheide vom 8. Januar und 19. Januar 2004 stellen eine rechtliche Einheit iS eines einheitlichen Bescheids über die Minderung des Alhi-Anspruchs dar (vgl hierzu BSG, Urteil vom 18. August 2005 - B 7a AL 4/05 R, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen). Bei einem Rechtsstreit über die Minderung des Arbeitslosengeldes (Alg) bzw der Alhi handelt es sich zwar um einen sog Höhenstreit, bei dem nach der ständigen Rechtsprechung des 7. und 11. Senats des BSG grundsätzlich alle Anspruchsvoraussetzungen dem Grunde und der Höhe nach zu prüfen sind (BSG, Urteile vom 25. Mai 2005 - B 11a/11 AL 81/04 R und B 11a/11 AL 47/04 R). Dieser Überprüfung und der des bei der Alhi-Bewilligung zu Grunde gelegten Bemessungsentgelts bedarf es aber dann nicht, wenn der Kläger - in der Regel nach entsprechender Erörterung bzw Nachfrage - seine Klage ausdrücklich auf die Anfechtung der Minderung selbst beschränkt (BSG, Urteil vom 18. August 2005 - B 7a AL 4/05 R und B 7a/7 AL 80/04 R). Dies hat der Kläger vorliegend im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem Revisionsgericht getan. Er hat ausdrücklich klargestellt, dass er die Klage auf die Beseitigung der Minderung der Alhi beschränkt. Es ist deshalb gerechtfertigt, die Überprüfung auf die Minderung als solche zu beschränken. Dies folgt - wie der Senat an anderer Stelle ausführlich begründet hat (BSG, Urteile vom 18. August 2005 - B 7a AL 4/05 R und B 7a/7 AL 80/04 R) - aus dem Charakter des Bewilligungsbescheids.

1. Nach § 37b SGB III (in der Fassung, die die Norm durch das Erste Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23. Dezember 2002, BGBl I 4607 erhalten hat) sind Personen, deren Versicherungspflichtverhältnis endet, verpflichtet, sich unverzüglich nach Kenntnis des Beendigungszeitpunkts persönlich beim ArbA (jetzt: Agentur für Arbeit) arbeitsuchend zu melden (Satz 1). § 37b Satz 2 SGB III bestimmt: "Im Falle eines befristeten Arbeitsverhältnisses hat die Meldung jedoch frühestens drei Monate vor dessen Beendigung zu erfolgen". Zu Recht hat das LSG zunächst § 37b SGB III auch auf den Anspruch auf Alhi angewandt. Obwohl § 198 SGB III durch das Erste Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt insofern nicht geändert worden ist, ergibt sich diese Rechtsfolge unmittelbar aus § 198 Satz 2 SGB III, nach dem die Vorschriften über das Alg auf die Alhi "entsprechend anzuwenden" sind.

Entgegen der Rechtsansicht des LSG ist jedoch § 37b Satz 2 SGB III nicht in sich so widersprüchlich bzw unbestimmt, dass er den rechtsstaatlichen Erfordernissen an eine Sanktionsandrohung nicht mehr genügen kann. Richtigerweise ist § 37b Satz 2 SGB III als unselbstständige Begrenzung des § 37b Satz 1 SGB III anzusehen (hierzu Voelzke in Spellbrink/Eicher, Kasseler Handbuch des Arbeitsförderungsrechts, 2003, § 12 RdNr 494). Dies bedeutet, dass "an sich" auch der befristet Beschäftigte unverzüglich nach Kenntnis des Beendigungszeitpunktes zur Meldung angehalten ist, er sich jedoch erst drei Monate vor der Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses melden muss, wenn ihm bereits vorher der Zeitpunkt der Beendigung bekannt ist. Keinesfalls kann aus dieser Privilegierung der befristeten Arbeitsverhältnisse (hierzu Spellbrink in Eicher/Schlegel, § 37b RdNr 57, Stand: Juni 2003) im Umkehrschluss gefolgert werden, dass bei Arbeitsverhältnissen, die von vornherein für eine befristete Dauer von weniger als drei Monaten abgeschlossen sind, die Pflicht zur frühzeitigen Arbeitsuchendmeldung gemäß § 37b SGB III gänzlich entfallen solle. Vielmehr gilt für solche von vornherein für einen Zeitraum unter drei Monaten befristete Arbeitsverhältnisse § 37b Satz 1 SGB III. Der Arbeitnehmer hat sich mithin unverzüglich nach Kenntnis des Beendigungszeitpunkts persönlich arbeitsuchend zu melden. Da er bei Abschluss eines solchen befristeten Arbeitsverhältnisses auch schon dessen Ende kennt, fällt die Pflicht zur frühzeitigen Arbeitsuchendmeldung nach § 37b SGB III hier mit dem Zeitpunkt des Abschlusses eines befristeten Arbeitsverhältnisses von unter drei Monaten zusammen (im Ergebnis ebenso: Brand in Niesel, SGB III, 3. Aufl 2005, § 37b RdNr 16; Coseriu/Jakob in PK SGB III, 2. Aufl 2004, § 37b RdNr 12). Folglich bestand auch für den Kläger die Obliegenheit gemäß § 37b Satz 1 SGB III. Die abweichende Ansicht des LSG hätte im Übrigen zur Folge, dass lediglich die Gruppe der Arbeitnehmer, die ein Beschäftigungsverhältnis eingehen, das von vornherein auf eine Dauer von unter drei Monaten befristet ist, von der Verpflichtung des § 37b SGB III ausgenommen wäre. Die Materialien zu § 37b SGB III (BT-Drucks 15/25, S 27) geben jedenfalls keinen Anlass zu der Auslegung, der Gesetzgeber habe gerade diese Gruppe oder generell die befristeten Arbeitsverhältnisse von der Verpflichtung des § 37b SGB III ausnehmen wollen. Gegen eine "unbewusste Lücke" des § 37b SGB III spricht Sinn und Zweck der Norm, eine nahtlose Vermittlung des Arbeitnehmers aus einer Arbeit in Arbeit - ohne zwischenzeitliche Arbeitslosigkeit - zu ermöglichen, sodass gerade auch befristete Arbeitsverhältnisse von kürzerer Dauer nach dem Plane des Gesetzes von § 37b SGB III erfasst werden sollten.

2. Mithin ist zu überprüfen, ob der Kläger die Obliegenheit (vgl BSG, Urteil vom 25. Mai 2005 - B 11a/11 AL 81/04 R) des § 37b Satz 1 SGB III verletzt hat. Eine solche Verletzung setzt nach der Rechtsprechung beider Senate des BSG (vgl BSG aaO sowie BSG, Urteile vom 18. August 2005 - B 7a/7 AL 4/05 R und B 7a/7 AL 94/04 R) auf Seiten des Versicherten ein Verschulden nach einem subjektiven Fahrlässigkeitsmaßstab voraus. Rechtlicher Ansatzpunkt hierzu ist § 121 BGB, der eine Legaldefinition der Unverzüglichkeit enthält. Danach ist ein Verstoß gegen die Obliegenheit, sich arbeitsuchend zu melden, nur dann zu verneinen, wenn der Arbeitslose unter Berücksichtigung seiner individuellen Kenntnisse und Fähigkeiten ohne schuldhaftes Zögern gehandelt hat. Entgegen der Ansicht der Beklagten ist die Unkenntnis des Arbeitslosen über das Bestehen der Obliegenheit nicht ohne rechtliche Bedeutung. Vielmehr ist im Rahmen des Kriteriums "ohne schuldhaftes Zögern" zu prüfen, ob der Leistungsempfänger zumindest fahrlässig in Unkenntnis war, wobei, wie auch in anderen Bereichen des Sozialrechts, anders als nach dem BGB ein subjektiver Maßstab anzuwenden ist. Zu prüfen ist mithin, ob der Leistungsempfänger nach seinem individuellen Vermögen fahrlässig in Unkenntnis über die ihm auferlegte Obliegenheit war und sich fahrlässig nicht unmittelbar nach dem Zeitpunkt der Kenntnis über die Beendigung des Versicherungspflichtverhältnisses bei der zuständigen Agentur für Arbeit gemeldet hat (vgl dazu etwa auch Otto, NZS 2005, 288, 290). Diese Prüfung wird das LSG nachzuholen haben. Das LSG wird dabei auch zu berücksichtigen haben, dass die Norm des § 37b Satz 2 SGB III - hierin stimmt der Senat dem LSG zu - eindeutiger und klarer hätte gefasst werden können. Hat eine Norm selbst noch in den Instanzen der Sozialgerichtsbarkeit Anlass zu unterschiedlichen Auslegungen gegeben, kann von einem Versicherten im Rahmen der Fahrlässigkeitsprüfung im Regelfall keine Normkenntnis bzw ein klares Normverständnis erwartet werden.

Der Kläger hat im vorliegenden Fall die befristete Zwischenbeschäftigung der Beklagten erst im November 2003 verspätet angezeigt und sich auch nicht (ordnungsgemäß) aus dem Leistungsbezug von Alhi abgemeldet. Daher bedarf es keines Eingehens auf die Frage, ob die Beklagte ihrerseits den sich ordnungsgemäß aus dem Leistungsbezug in eine befristete Beschäftigung Abmeldenden gesondert auf die Notwendigkeit einer zusätzlichen frühzeitigen Arbeitsuchendmeldung gemäß § 37b SGB III hätte hinweisen können bzw müssen (hierzu im Einzelnen Urteil des Senats vom 20. Oktober 2005 - B 7a AL 50/05 R).

Da die Sache ohnedies an das LSG zurückzuverweisen ist, bedarf es keiner Entscheidung des Senats über die von der Beklagten erhobenen Verfahrensrügen. Sollte das LSG zu der Erkenntnis kommen, dass der Kläger fahrlässig die ihm auferlegte Obliegenheit nicht kannte und sich ebenso fahrlässig nicht unmittelbar nach dem Zeitpunkt der Kenntnis - hier Abschluss des befristeten Arbeitsvertrages - bei der zuständigen Agentur für Arbeit gemeldet hat, so wäre allerdings ein Verstoß gegen § 37b Satz 1 SGB III anzunehmen. Liegt ein solcher Verstoß vor, so ordnet § 140 Satz 2 SGB III die Minderung des Alg für jeden Tag der verspäteten Meldung an. Wie der Senat an anderer Stelle ausführlich begründet hat (Urteil vom 18. August 2005 - B 7a/7 AL 94/04 R), ist aus der im Gesetzestext des § 140 SGB III gewählten Formulierung "jeden Tag" statt Kalendertag zu folgern, dass hier alle Tage auszunehmen sind, an denen die Agentur für Arbeit nicht dienstbereit war oder aus Kulanzgründen auf eine unverzügliche Meldung verzichtet hat. Ebenso sind die Tage auszunehmen, an denen es dem Arbeitslosen aus subjektiven Gründen nicht möglich war, die Agentur für Arbeit aufzusuchen.

3. Sollte das LSG zu der Überzeugung gelangen, dass bei dem Kläger eine schuldhafte Verletzung der Obliegenheit des § 37b SGB III vorliegt, so spielt es hinsichtlich der Rechtsfolge des § 140 SGB III schließlich keine Rolle, dass der Kläger bereits im Bezug von Alhi stand und ab 23. Dezember 2003 der wiederbewilligte Anspruch auf Alhi gemindert wurde. § 140 Satz 1 SGB III, der über § 198 Satz 2 SGB III auch für die Alhi gilt, bestimmt insofern, dass sich das Alg mindert, das dem Arbeitslosen auf Grund des Anspruchs zusteht, der nach der Pflichtverletzung entstanden ist. Aus diesem Wortlaut wird zum Teil der Schluss gezogen, ein wiederbewilligter Alg- bzw ein Alhi-Anspruch überhaupt könne nicht gemäß § 140 SGB III gemindert werden, weil er eben nicht nach der Pflichtverletzung entstanden sei (so Brand in Niesel, SGB III, 3. Aufl 2005, RdNr 3 zu § 140 und Winkler in Gagel, SGB III, § 140 RdNr 5, Stand Januar 2005). Diese Rechtsansicht verkennt jedoch, dass mindern im Sinne einer betragsmäßig bezifferten Minderung - wie sie § 140 Satz 2 SGB III im Einzelnen normiert - sich jeweils nur der konkrete Zahlungsanspruch - Einzelanspruch - auf Alg bzw Alhi kann. Der Begriff Anspruch in § 140 Satz 1 SGB III kann nicht im Sinne des Stammrechts auf Alg bzw Alhi verstanden werden (zum Begriff und zur Abgrenzung zum Einzelanspruch und zum Anwartschaftsrecht vgl Spellbrink in Eicher/Schlegel, § 118 RdNr 23 ff, Stand September 2005). Im Rahmen des SGB III ist jeweils bei der Auslegung des Begriffs "Anspruch" zu differenzieren zwischen dem sog Stammrecht und dem konkreten Einzelanspruch auf Auszahlung (exemplarisch BSGE 88, 180 = SozR 3-4300 § 150 Nr 1). Unter Einzelanspruch ist das Recht zu verstehen, von einem anderen ein bestimmtes (notfalls durch Vollstreckung erzwingbares) Tun, Dulden oder Unterlassen zu verlangen (§ 194 Abs 1 BGB). Das Stammrecht kennzeichnet demgegenüber einen zu einem subjektiven Recht des Betroffenen verfestigten Besitzstand. Das Stammrecht entsteht, sobald alle gesetzlichen Tatbestandsvoraussetzungen erfüllt sind (auch bei Vorliegen von rechtshindernden Einwendungen, wie etwa Ruhenstatbeständen), ohne dass es hierfür notwendigerweise eines (ersten) Bewilligungsbescheids bedarf (Argument aus § 40 Abs 1 SGB I, vgl Spellbrink, aaO). Von beiden Begriffen - Stammrecht und Recht auf Einzelanspruch - zu trennen ist das sog Anwartschaftsrecht, das eben noch nicht zum Vollrecht erstarkt ist, sondern als latente, weil nicht realisierte rechtliche Möglichkeit dem Versicherten zusteht (vgl hierzu im Einzelnen das Urteil des Senats vom 20. Oktober 2005, B 7a AL 50/05 R, zur Veröffentlichung vorgesehen). § 140 SGB III greift hingegen nicht das Bestehen des Anspruchs für bestimmte Tage an, sondern lediglich die Höhe des ausgezahlten Betrages. Nach § 140 Satz 1 SGB III mindert sich - so wörtlich - das "Arbeitslosengeld" (hier die Alhi), und zwar um den konkreten Betrag, den § 140 Satz 2 SGB III vorsieht. Rein rechtstechnisch ist eine solche betragsmäßige Minderung eines Anspruchs nur möglich in Bezug auf den Einzelanspruch auf Auszahlung eines konkreten Betrags. § 140 Abs 1 Satz 1 SGB III ist daher so zu verstehen, dass sich jeweils der nach der Pflichtverletzung nächste Einzelanspruch auf Auszahlung in der von § 140 Satz 2 SGB III vorgesehenen Höhe mindert. § 140 Satz 4 SGB III schließlich bestimmt, dass die Minderung erfolgt, indem der Minderungsbetrag "auf das halbe Arbeitslosengeld" (hier die halbe Alhi) "angerechnet wird". Gemindert wird also in § 140 SGB III der Alhi-Zahlbetrag. Anderenfalls - wenn § 140 SGB III sich auf das Stammrecht hätte beziehen wollen - hätte die Sanktion entsprechend der Regelung in § 128 SGB III - Minderung des Stammrechts um "Tage" - gefasst werden müssen. Mithin stünde einer Minderung des Alhi-Anspruchs gemäß § 140 SGB III nicht entgegen, dass es sich hier um einen wiederbewilligten Anspruch gehandelt hat.

Das LSG wird auch über die Kostenentscheidung zu befinden haben.

Ende der Entscheidung

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