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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundessozialgericht
Urteil verkündet am 26.08.2008
Aktenzeichen: B 8/9b SO 18/07 R
Rechtsgebiete: SGB XII


Vorschriften:

SGB XII § 61 Abs 1 Satz 2
SGB XII § 65 Abs 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESSOZIALGERICHT Im Namen des Volkes Urteil

Verkündet am 26. August 2008

in dem Rechtsstreit

Az: B 8/9b SO 18/07 R

Der 8. Senat des Bundessozialgerichts hat auf die mündliche Verhandlung vom 26. August 2008 durch den Vorsitzenden Richter Eicher, den Richter Dr. Koloczek und die Richterin Behrend sowie die ehrenamtlichen Richter Simon und Tesar für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Aachen vom 8. Mai 2007 aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.

Gründe:

I

Im Streit ist, ob der Beklagte die Kosten in Höhe von 210,35 Euro zu erstatten hat, die der Klägerin in der Zeit vom 19. September bis 31. Oktober 2006 für eine Haushaltshilfe entstanden sind.

Die im Jahre 1976 geborene, psychisch kranke Klägerin lebt allein. Im Januar 2006 zog sie sich bei einem Sturz zahlreiche, zum Teil erhebliche Knochenbrüche an Beinen und Füßen zu und ist seitdem gehbehindert. Ihre Krankenkasse bewilligte ihr vom 22. August 2006 bis zum 18. September 2006 Haushaltshilfeleistungen für jeweils zwei Stunden an fünf Tagen pro Woche. Nachdem der Klägerin die Notwendigkeit einer Haushaltshilfe für einen (weiteren) Zeitraum von acht Wochen im selben zeitlichen Umfang ärztlich bescheinigt worden war, nahm sie auch in der Zeit vom 19. September bis 31. Oktober 2006 in einem zeitlichen Umfang von insgesamt 18,5 Stunden Haushaltshilfeleistungen von einer "Fremdkraft" in Anspruch. Dieser zahlte sie 10 Euro je Stunde (Gesamtbetrag iHv 185 Euro) und führte für sie Gesamtsozialversicherungsbeiträge in Höhe von 25,35 Euro ab.

Der für die Stadt Aachen zuständige Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende, von dem die Klägerin Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) bezog, lehnte den Antrag der Klägerin auf Übernahme der Kosten für die Haushaltshilfe ab (Bescheid vom 13. September 2006; Widerspruchsbescheid vom 30. Oktober 2006). Der danach am 22. September 2006 bei dem Beklagten gestellte Antrag auf Erstattung dieser Kosten blieb ebenfalls ohne Erfolg (Bescheid vom 25. September 2006; Widerspruchsbescheid vom 16. November 2006).

Das Sozialgericht (SG) Aachen hat den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 25. September 2006 "in der Fassung" des Widerspruchsbescheides vom 16. November 2006 verurteilt, der Klägerin die für die Zeit vom 19. September 2006 bis 31. Oktober 2006 entstandenen Kosten einer Haushaltshilfe in Höhe von 210,35 Euro zu erstatten (Urteil vom 8. Mai 2007). Zur Begründung seiner Entscheidung hat es ausgeführt, der Anspruch der Klägerin ergebe sich aus den sozialhilferechtlichen Regelungen der Hilfe zur Pflege (§ 19 Abs 3 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe - <SGB XII> iVm § 61 Abs 1 Satz 2 SGB XII und § 65 Abs 1 Satz 2 SGB XII). Dem stehe nicht entgegen, dass die Klägerin Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II (Arbeitslosengeld II <Alg II>) erhalte, weil das SGB II keine Vorschrift enthalte, die die Bewilligung dieser Leistung ermögliche und die Gewährung von Pflegeleistungen nach dem SGB XII neben Alg II gesetzlich nicht ausgeschlossen werde. Unerheblich sei, dass die Klägerin neben dem Hilfebedarf im Bereich der hauswirtschaftlichen Versorgung nicht auch einen solchen im Bereich der Grundpflege habe. Der Beklagte habe die angemessenen Gesamtkosten in Höhe von 210,35 Euro, die der Klägerin durch die Beschäftigung einer Haushaltshilfe entstanden seien, zu erstatten. Insoweit sei § 65 Abs 1 Satz 2 SGB XII einschlägig, da die Haushaltshilfe nicht im Rahmen häuslicher Pflege gemäß § 63 SGB XII von einer der Klägerin nahe stehenden Person oder als Nachbarschaftshilfe erbracht worden sei.

Mit seiner Revision rügt der Beklagte einen Verstoß gegen § 61 Abs 1 Satz 2 SGB XII und § 65 Abs 1 SGB XII. Die Anwendung dieser Vorschriften setze voraus, dass neben dem hauswirtschaftlichen Bedarf auch ein messbarer Grundpflegebedarf bestehe. Der Gesetzgeber hätte die hauswirtschaftliche Versorgung nicht mehr ausdrücklich in § 63 SGB XII erwähnen müssen, wenn er davon ausgegangen wäre, dass diese für sich genommen bereits als Pflege zu qualifizieren sei. Auch ergebe sich aus der vom SG herangezogenen Anspruchsgrundlage des § 65 Abs 1 Satz 2 SGB XII, dass nur die Kosten für die Heranziehung einer besonderen Pflegekraft zu übernehmen seien. Die einfache Haushaltshilfe oder eine Person, die zwar geschult sei, aber nur hauswirtschaftliche Tätigkeiten ausübe, könne nicht als "besondere Pflegekraft" im Sinne dieser Vorschrift angesehen werden.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des SG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie hält die Entscheidung des SG für zutreffend.

II

1. Die zulässige Sprungrevision des Beklagten ist im Sinne der Aufhebung und Zurückverweisung der Sache an das SG begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz <SGG>). Mangels ausreichender tatsächlicher Feststellungen des SG (§ 163 SGG) kann der Senat nicht abschließend über den geltend gemachten Anspruch entscheiden.

Gegenstand des Revisionsverfahrens ist eine kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 1 und 4 SGG). Die Klägerin wehrt sich gegen den Bescheid vom 25. September 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides (§ 95 SGG) vom 16. November 2006, mit dem der Beklagte die Übernahme der Kosten abgelehnt hat, die die Klägerin für eine Haushaltshilfe in der Zeit vom 19. September bis 31. Oktober 2006 tatsächlich aufgewendet hat. Die Klage ist zu Recht gegen den Oberbürgermeister der Stadt Aachen gerichtet. Die Stadt Aachen ist als kreisfreie Stadt zuständiger Träger der Sozialhilfe (vgl §§ 97 Abs 1, 98 Abs 1 SGB XII iVm § 3 Abs 2 Satz 1 SGB XII und § 1 des Landesausführungsgesetzes zum SGB XII für das Land NordrheinWestfalen <NRW> vom 16. Dezember 2004 - Gesetz- und Verordnungsblatt <GVBl> NRW 2004, 816). Für diese handelt der Oberbürgermeister als beteiligtenfähige Behörde (§ 70 Nr 3 SGG iVm § 3 des Gesetzes zur Ausführung des SGG im Land NRW vom 8. Dezember 1953 - GVBl 412, zuletzt geändert durch Gesetz vom 14. Dezember 1989 - GVBl 678 - iVm § 62 Abs 1 Satz 1 und § 63 Abs 1 Satz 1 Gemeindeordnung für das Land NRW idF der Bekanntmachung vom 14. Juli 1994 - GVBl 666).

2. Als Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Anspruch der Klägerin dürfte nur § 19 Abs 3 SGB XII iVm §§ 61 ff SGB XII in Betracht kommen (dazu unter 3).

§ 27 Abs 3 SGB XII dürfte als Anspruchsgrundlage ausscheiden (vgl zu den denkbaren Anspruchsgrundlagen insgesamt das Senatsurteil vom 11. Dezember 2007 - B 8/9b SO 12/06 R -SozR 4-3500 § 21 Nr 1 RdNr 12 ff). Diese Regelung, nach der Hilfe zum Lebensunterhalt auch Personen geleistet werden kann, die ein für den notwendigen Lebensunterhalt ausreichendes Einkommen und Vermögen haben, jedoch einzelne für ihren Lebensunterhalt erforderliche Tätigkeiten nicht verrichten können, wäre nur anwendbar, wenn die Klägerin nicht als Erwerbsfähige oder Angehörige eines Erwerbsfähigen dem Grunde nach leistungsberechtigt nach dem SGB II wäre (§ 21 Satz 1 SGB XII; § 5 Abs 2 SGB II) und iS des § 19 Abs 1 SGB XII iVm §§ 82 bis 84 SGB XII nicht hilfebedürftig gewesen wäre (Urteil des Senats vom 11. Dezember 2007 - B 8/9b SO 12/06 R - RdNr 14, 16). Diese Voraussetzungen liegen jedenfalls nach Aktenlage nicht vor.

Leistungen nach § 19 Abs 3 SGG XII iVm § 70 SGB XII kommen für die Klägerin nicht in Betracht. Nach den Feststellungen des SG führt sie einen Ein-Personen-Haushalt. § 70 Abs 1 Satz 1 SGB XII bestimmt, dass Personen mit eigenem Haushalt Leistungen zur Weiterführung des Haushalts erhalten, wenn keiner der Haushaltsangehörigen den Haushalt führen kann und die Weiterführung des Haushalts geboten ist. Die Leistungen sollen in der Regel nur vorübergehend erbracht werden (Abs 1 Satz 2). Dies gilt jedoch nicht, wenn durch die Leistungen die Unterbringung in einer stationären Einrichtung vermieden oder aufgeschoben werden kann (Abs 1 Satz 3). Nach § 70 Abs 2 SGB XII umfassen die Leistungen die persönliche Betreuung von Haushaltsangehörigen sowie die sonstige zur Weiterführung des Haushalts erforderliche Tätigkeit. Nicht zuletzt dies macht deutlich, dass Zweck der Leistung nicht die auf Dauer angelegte behindertenbezogene Pflege in Form der hauswirtschaftlichen Versorgung, sondern in Abgrenzung zu den Pflegeleistungen die persönliche Betreuung von Haushaltsangehörigen bei einem (vorübergehenden) Ausfall des Haushaltsführers sowie die zur Weiterführung des Haushalts erforderliche Tätigkeit ist (Urteil des Senats vom 11. Dezember 2007 - B 8/9b SO 12/06 R - RdNr 21 ff).

3. Ob die Voraussetzungen der hier deshalb wohl allein als Anspruchsgrundlage in Betracht kommenden § 19 Abs 3 SGB XII iVm § 61 Abs 1 Satz 2 SGB XII, § 63 SGB XII und § 65 Abs 1 SGB XII (alle in der Fassung, die die Normen durch das Gesetz zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch vom 27. Dezember 2003 - BGBl I 3022 - erhalten haben) vorliegen, kann nicht abschließend beurteilt werden. Zwar erfüllt die Klägerin die Voraussetzungen des § 61 Abs 1 Satz 2 SGB XII (4). Mangels ausreichender Feststellungen des SG kann der Senat jedoch schon nicht entscheiden, auf Grund welcher Regelungsvariante die der Klägerin entstandenen Kosten zu übernehmen sind (5), ob - bei Anwendung des § 65 Abs 1 Satz 1 SGB XII - ein Rechtsanspruch auf deren volle Übernahme besteht (6), und in welcher Höhe die Aufwendungen der Klägerin angemessen sind (7). Einer Verpflichtung des Beklagten zur Kostentragung bereits ab 19. September 2006 stünde allerdings nicht entgegen, dass die Klägerin erst am 22. September 2006 einen Antrag bei dem Beklagten gestellt hat (8).

4. Bei der Klägerin bestand im streitigen Zeitraum Pflegebedarf iS des § 61 Abs 1 Satz 2 SGB XII. Nach § 61 Abs 1 Satz 2 SGB XII ist Hilfe zur Pflege auch Kranken und behinderten Menschen zu leisten, die voraussichtlich für weniger als sechs Monate der Pflege bedürfen oder einen geringeren Bedarf als nach Satz 1 haben oder die der Hilfe für andere Verrichtungen als nach Abs 5 bedürfen. Satz 1 des § 61 Abs 1 SGB XII fordert für Pflegeleistungen zwar einen erheblichen Pflegebedarf im Sinne des Sozialgesetzbuchs Elftes Buch - Soziale Pflegeversicherung - (SGB XI), der bei der Klägerin nicht vorliegt. Die Klägerin erfüllt aber die Voraussetzungen des § 61 Abs 1 Satz 2 SGB XII, weil sie nach den Feststellungen des SG auf Grund eines ausgeprägt eingeschränkten Gehvermögens der Hilfe für die gewöhnlich und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen im Bereich der hauswirtschaftlichen Versorgung bedurfte.

Entgegen dem Revisionsvorbringen des Beklagten ist - anders als im SGB XI - nicht erforderlich, dass ein Hilfebedarf neben der hauswirtschaftlichen Versorgung - wenn auch in geringerem Umfang - in den Bereichen der Grundpflege iS des § 61 Abs 5 Nr 1 bis 3 SGB XII (Körperpflege, Ernährung, Mobilität) vorhanden ist (Urteil des Senats vom 11. Dezember 2007 - B 8/9b SO 12/06 R - RdNr 20). Mit der Einführung der Vorgängerregelung des § 61 Abs 1 Satz 2 SGB XII, dem § 68 Abs 1 Satz 2 Bundessozialhilfegesetz (BSHG), durch das PflegeVersicherungsgesetz vom 26. Mai 1994 (BGBl I 1014) sollten auch Hilfebedürftige Hilfe zur Pflege erhalten, die nicht pflegebedürftig iS des § 68 Abs 1 Satz 1 BSHG waren (BT-Drucks 12/5262 S 167; BT-Drucks 12/5952 S 56). Auf den Pflegebedürftigkeitsbegriff des SGB XI kommt es nicht an.

5. Die tatsächlichen Feststellungen des SG ermöglichen jedoch - was für die Angemessenheit der Kosten bedeutsam ist - bereits keine Entscheidung darüber, ob die geltend gemachten Kosten nach § 65 Abs 1 Satz 1 SGB XII oder nach § 65 Abs 1 Satz 2 SGB XII zu erstatten sind. Reicht im Falle des § 61 Abs 1 SGB XII häusliche Pflege aus, soll der Träger der Sozialhilfe nach § 63 Satz 1 SGB XII darauf hinwirken, dass die Pflege einschließlich der hauswirtschaftlichen Versorgung durch Personen, die dem Pflegebedürftigen nahe stehen, oder als Nachbarschaftshilfe übernommen wird. In diesem Fall (der kostenlosen Pflege) sind nur die angemessenen Aufwendungen der Pflegeperson zu erstatten (§ 65 Abs 1 Satz 1 1. Halbsatz SGB XII), und es können angemessene Beihilfen geleistet sowie die Beiträge der Pflegeperson für eine angemessene Alterssicherung übernommen werden, wenn diese nicht anderweitig sichergestellt ist (§ 65 Abs 1 Satz 1 2. Halbsatz SGB XII). Ist (aber) neben oder anstelle der Pflege nach § 63 Satz 1 SGB XII die Heranziehung einer besonderen Pflegekraft erforderlich (1. Alt) oder eine Beratung (2. Alt) oder zeitweilige Entlastung der Pflegekraft (3. Alt) geboten, sind die (dafür) angemessenen Kosten zu übernehmen (§ 65 Abs 1 Satz 2 SGB XII). § 65 Abs 1 Satz 2 SGB XII räumt dem Leistungsberechtigten also einen über den allgemeinen Leistungsanspruch bei häuslicher Pflege hinausgehenden Anspruch in Fallgestaltungen ein, bei denen es einer besonderen Pflegekraft bedarf (Urteil des Senats vom 11. Dezember 2007 - B 8/9b SO 12/06 R - RdNr 19). Besondere Kräfte im Sinne dieser Vorschrift sind regelmäßig Fachkräfte wie Krankenschwestern, Krankenpfleger, Familienhelfer(innen) und Hauswirtschafter/Hauswirtschafterinnen uÄ (vgl dazu etwa H. Schellhorn in Schellhorn/Schellhorn/Hohm, SGB XII, 17. Aufl 2006, § 65 SGB XII RdNr 13; Lachwitz in Fichtner/Wenzel, Kommentar zur Grundsicherung, 3. Aufl 2005, § 65 SGB XII RdNr 4, 20).

Ob die Klägerin eine solche besondere Pflegekraft eingeschaltet hat und derer bedurfte, steht nicht fest. Das SG hat lediglich ausgeführt, die Klägerin habe Haushaltshilfeleistungen von einer "Fremdkraft" in Anspruch genommen. Es fehlen zudem genaue, nachvollziehbare Feststellungen dazu, welche körperlichen Funktionsdefizite bei der Klägerin vorlagen und welche Tätigkeiten im Bereich der hauswirtschaftlichen Versorgung von ihr deshalb nicht verrichtet werden konnten. Insofern sind die pauschalen Ausführungen des SG nicht ausreichend, die Klägerin bedürfe wegen ihres eingeschränkten Gehvermögens infolge der im Januar 2006 erlittenen Knochenbrüche der Hilfe für die gewöhnlich und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen im Bereich der hauswirtschaftlichen Versorgung. Erst vor dem Hintergrund der konkret vorhandenen Defizite und des daraus folgenden Hilfebedarfs lässt sich die Notwendigkeit der Hilfe bei im Einzelnen zu bezeichnenden Verrichtungen, die Erforderlichkeit der Inanspruchnahme einer Fachkraft (etwa im hauswirtschaftlichen Bereich) und die notwendige Qualifikation der in Anspruch genommenen Kraft ermitteln.

6. Stellt das SG nach Zurückverweisung der Sache fest, dass nur einfache Hilfeleistungen im hauswirtschaftlichen Bereich erforderlich waren, kommen (nur) Beihilfen iS des § 65 Abs 1 Satz 1 SGB XII in Betracht; die Klägerin kann hier allerdings nicht auf unentgeltliche Hilfeleistungen einer nahe stehenden Person oder Nachbarschaftshilfe iS des § 63 Satz 1 SGB XII verwiesen werden. Es kann dahinstehen, ob die Leistung einer Beihilfe regelmäßig im Ermessen des Sozialhilfeträgers steht (bejahend: Krahmer in Lehr- und Praxiskommentar SGB XII <LPK-SGB XII>, 8. Aufl 2008, § 65 SGB XII RdNr 6; H. Schellhorn in Schellhorn/Schellhorn/ Hohm, SGB XII, 17. Aufl 2006, § 65 SGB XII RdNr 7; Grube in Grube/Wahrendorf, SGB XII, 2. Aufl 2008, § 65 SGB XII RdNr 10). Eine Ermessensreduzierung auf Null wird jedenfalls bei vorliegendem Sachverhalt relevant, in dem es nicht nur um den von § 65 Abs 1 Satz 1 SGB XII erfassten Fall einer Stabilisierung und Verbesserung der häuslichen Pflegesituation durch geeignete (zusätzliche) Unterstützungsmaßnahmen an Angehörige geht (vgl hierzu zB Klie in Hauck/Noftz, SGB XII, K § 65 RdNr 5, Stand November 2006), sondern mit der Übernahme der Kosten für eine Pflegekraft die hauswirtschaftliche Versorgung an sich erst sichergestellt wird, weil eine unentgeltliche (einfache) Pflege nicht möglich ist (Senatsurteil vom 11. Dezember 2007 - B 8/9b SO 12/06 R). Es ist nämlich zu berücksichtigen, dass § 63 Satz 1 SGB XII eine vorrangige Verpflichtung des Sozialhilfeträgers enthält, in Fallgestaltungen, in denen - wie hier - die (einfache) häusliche Pflege nach den Umständen des Einzelfalls ausreicht, (zunächst) selbst im Sinne einer Dienstleistung darauf hinzuwirken, dass eine unentgeltliche Pflege mit Ersatz der Aufwendungen nach § 65 Abs 1 Satz 1 SGB XII tatsächlich durchgeführt werden kann. Der Träger der Sozialhilfe soll also Maßnahmen der ambulanten Pflege nach Kräften fördern (H. Schellhorn, aaO, § 63 SGB XII RdNr 6) und Möglichkeiten häuslicher sowie ambulanter Pflege und Betreuung im Interesse des zu Pflegenden schaffen bzw erhalten (Klie, aaO, K § 63 RdNr 4, Stand Dezember 2004). Solange allerdings der Sozialhilfeträger - wie hier der Beklagte - seiner Verpflichtung nach § 63 Satz 1 SGB XII nicht nachkommt oder Pflegeleistungen durch Angehörige oder Nachbarn ohne Entgelt nicht realisiert werden können, ergibt sich ein Anspruch auf Übernahme der angemessenen Kosten als Beihilfe in Form einer Geldleistung als Sekundäranspruch nur, wenn die Kosten unter dem Entgelt für eine besondere Pflegekraft iS des § 65 Abs 1 Satz 2 SGB XII liegen (Urteil des Senats vom 11. Dezember 2007 - B 8/9b SO 12/06 R - RdNr 18). Liegen sie darüber, sind sie regelmäßig nur im für eine einfache Pflegekraft angemessenen Umfang zu übernehmen. Dies würde dann nicht gelten, wenn - wofür hier keine Anhaltspunkte vorhanden sind - der Hilfeempfänger vorsätzlich bzw grob fahrlässig iS des § 103 SGB XII den Bedarf herbeigeführt hätte und dieser mittlerweile bereits gedeckt wäre.

7. Wegen der Höhe der zu erstattenden Kosten sind jedoch weitere Feststellungen notwendig. Der Anspruch auf Kostenübernahme nach § 65 SGB XII wird sowohl bei der einfachen als auch der besonderen Pflegekraft durch die Kriterien der Angemessenheit und Erforderlichkeit begrenzt (BVerwGE 111, 241, 242 f). Das SG hat daher zum einen den konkreten Hilfebedarf der Klägerin zu ermitteln. Zum anderen muss es prüfen, ob die Entlohnung der von der Klägerin beschäftigten "Fremdkraft" in Höhe von 10 Euro/Std. angemessen ist. Dies kann nicht ohne Vergleich mit dem ansonsten üblichen Stundenlohn beurteilt werden (Urteil des Senats vom 11. Dezember 2007 - B 8/9b SO 12/06 R - RdNr 18, 20).

Dabei sind zusätzlich die im Haushaltsscheckverfahren für geringfügig Beschäftigte im Privathaushalt (§ 8a Sozialgesetzbuch Viertes Buch - Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung - SGB IV) entstandenen Aufwendungen der Klägerin, die Beiträge zur Krankenversicherung nach § 249b Satz 2 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch - Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V) und zur Rentenversicherung nach § 168 Abs 1 Nr 1c Sozialgesetzbuch Sechstes Buch - Gesetzliche Rentenversicherung (SGB VI), als angemessene und notwendige Auslagen zu übernehmen. Dem steht die Regelung des § 65 Abs 2 SGB XII nicht entgegen. Diese sieht vor, dass bei Pflegebedürftigen, die Pflegegeld nach § 64 SGB XII erhalten, zusätzlich die Aufwendungen für die Beiträge einer besonderen Pflegekraft für eine angemessene Alterssicherung zu erstatten sind, wenn diese nicht anderweitig sichergestellt ist. Das in dieser Regelung enthaltene Erfordernis einer fehlenden anderweitigen Absicherung beruht auf der Überlegung, dass mit der Zahlung des Pflegegeldes an den Pflegebedürftigen und dessen Weiterleitung an die Pflegeperson nicht automatisch die Versicherung der Pflegekraft verbunden ist und daher Bedarf für eine soziale Absicherung bestehen kann. Wird jedoch - wie hier - eine Pflegekraft von dem Pflegebedürftigen selbst beschäftigt, hat dieser auch die Arbeitgeberanteile zur gesetzlichen Rentenversicherung zu entrichten. Dann gehören die Arbeitgeberanteile zur Rentenversicherung ebenso wie die sonstigen Beiträge des Arbeitgebers (Pflegebedürftigen) zur Sozialversicherung bereits zu den notwendigen Beihilfen, die von § 65 Abs 1 Satz 1 SGB XII erfasst werden.

8. Der Zeitraum vom 19. September 2006 bis zum 21. September 2006 wird von einer Zahlungsverpflichtung des Beklagten erfasst, obwohl er vor dem Zeitpunkt liegt, in dem die Klägerin einen entsprechenden Antrag bei dem Beklagten gestellt hat (22. September 2006). Nach § 16 Abs 2 Satz 2 Sozialgesetzbuch Erstes Buch - Allgemeiner Teil - (SGB I) gilt der Antrag auf eine Sozialleistung, die von einem Antrag abhängig ist, als zu dem Zeitpunkt gestellt, in dem er bei einer der in § 16 Abs 2 Satz 1 SGB I genannten - für die Bearbeitung des Antrags unzuständigen - Stelle eingegangen ist. § 16 Abs 2 Satz 1 SGB I bestimmt, dass Anträge, die bei einem unzuständigen Leistungsträger, bei einer für die Sozialleistung nicht zuständigen Gemeinde oder bei einer amtlichen Vertretung der Bundesrepublik im Ausland gestellt werden, unverzüglich an den zuständigen Leistungsträger weiterzuleiten sind. Diese Vorschrift gilt auch für die Sozialhilfe, obwohl diese nicht im eigentlichen Sinn antragsabhängig ist (BVerwGE 98, 248 ff). Zu den unzuständigen Stellen gehört der für die Stadt Aachen zuständige Träger der Grundsicherung nach dem SGB II, bei dem der Antrag auf Übernahme der Kosten für die Haushaltshilfe jedenfalls vor dem 13. September 2006 (Datum des ablehnenden Bescheides) und damit vor dem hier streitigen Zeitraum eingegangen sein muss. In dem Antrag auf Übernahme der Haushaltshilfekosten bei dem Grundsicherungsträger für die Stadt Aachen liegt bei sachgerechter Auslegung des Begehrens der Klägerin auch ein Antrag auf entsprechende Leistungen der Sozialhilfe. Insofern ist unter Berücksichtigung des "Meistbegünstigungsgrundsatzes" im Zweifel davon auszugehen, dass ein Kläger ohne Rücksicht auf den Wortlaut des Antrags all die Leistungen begehrt, die ihm den größten Nutzen bringen können (vgl nur Link in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl 2008, § 37 RdNr 21 ff mwN zur Rechtsprechung). § 16 Abs 2 Satz 1 SGB I begründet dann eine Verpflichtung des Trägers der Grundsicherung zur Weiterleitung des Antrags an den Beklagten. Dies entspricht auch dem Sinn und Zweck des § 16 SGB I, wonach der einzelne mit seinem Begehren nach Sozialleistungen gerade nicht an Zuständigkeitsabgrenzungen innerhalb der gegliederten Sozialverwaltung scheitern soll (BSG SozR 3-1200 § 16 Nr 2 S 4). Dies gilt in besonderer Weise für das Verhältnis von Leistungen nach dem SGB II und SGB XII. Im Zweifel ist insofern davon auszugehen, dass ein Antrag auf Leistungen nach dem einen Gesetz wegen der gleichen Ausgangslage (Bedürftigkeit und Bedarf) auch als Antrag nach dem anderen Gesetz zu werten ist (Link, aaO, § 37 RdNr 21a). Dem Hilfebedürftigen kommt es regelmäßig nur darauf an, die als notwendig empfundene Hilfe vom zuständigen Sozialleistungsträger zu erhalten, und zwar unabhängig von den für einen Laien kaum oder nur schwer durchschaubaren Abgrenzungsregelungen für Leistungen nach dem SGB II und SGB XII.

Damit sind auch die Voraussetzungen des § 18 Abs 1 SGB XII (in der Fassung, die die Norm durch das Gesetz zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch vom 27. Dezember 2003 erhalten hat) erfüllt, nach dem die Sozialhilfe, mit Ausnahme der Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung auch ohne Antrag einsetzt, sobald dem Träger der Sozialhilfe oder den von ihm beauftragten Stellen bekannt wird, dass die Voraussetzungen für die Leistung vorliegen. Die Bewilligung von Sozialhilfe ist nach dieser Regelung zwar nicht formal von einem Antrag abhängig (vgl dazu näher Mrozynski, ZFSH/SGB 2007, 463 ff). Da § 18 SGB XII zum Schutz des Hilfebedürftigen einen niedrigschwelligen Zugang zum Sozialhilfesystem sicherstellen will (Armborst in LPK-SGB XII, 8. Aufl 2008, § 18 SGB XII RdNr 4; vgl auch Rothkegel, Sozialhilferecht, 2005, Teil IV Kap 1 RdNr 4), ist es aber für die Annahme einer Kenntnis iS des § 18 SGB XII ausreichend, dass die Notwendigkeit der Hilfe dargetan oder sonst wie erkennbar ist (BVerwG, Beschluss vom 9. November 1976 - V B 80.76 -, FEVS 25, 133, 135; BVerwG Buchholz 436.0 § 5 Nr 15). Die weitere Sachverhaltsaufklärung obliegt dann dem Sozialhilfeträger (§ 20 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - <SGB X>). Auch die durch den Antrag bei einer unzuständigen Stelle vermittelte (§ 16 Abs 2 SGB I) und nach § 18 SGB XII für das Einsetzen der Sozialhilfe erforderliche Kenntnis von dem Hilfefall gilt dann für den zuständigen Sozialhilfeträger als zu dem Zeitpunkt gegeben, in dem der Antrag bei der unzuständigen Stelle eingeht (BVerwGE 98, 248, 254). Insofern war mit dem Antrag der Klägerin auf Übernahme der Kosten für eine Haushaltshilfe bei dem Träger der Grundsicherung auch die iS des § 18 SGB XII für eine "rückwirkende" Bewilligung der Leistung (BVerwGE 98, 248 ff) erforderliche Kenntnis der Voraussetzungen für die Leistung gegeben. Denn der konkrete Bedarf (hier: Hilfebedarf in Form einer Haushaltshilfekraft) war aus dem Antrag ebenso erkennbar wie der Umstand, dass die Klägerin wohl hilfebedürftig war.

§ 18 Abs 2 SGB XII widerspricht nicht dieser Auslegung. Nach dieser Vorschrift sind, wenn einem nicht zuständigen Träger der Sozialhilfe oder einer nicht zuständigen Gemeinde im Einzelfall bekannt wird, dass Sozialhilfe beansprucht wird, die darüber bekannten Umstände dem zuständigen Träger der Sozialhilfe oder der von ihm beauftragten Stelle unverzüglich mitzuteilen und vorhandene Unterlagen zu übersenden (§ 18 Abs 2 Satz 1 SGB XII). Ergeben sich hieraus die Voraussetzungen für die Leistung, ist gemäß § 18 Abs 2 Satz 2 SGB XII für das Einsetzen der Sozialhilfe die Kenntnis der nicht zuständigen Stelle maßgebend. Mit der Einfügung der Vorgängerregelung des § 5 Abs 2 BSHG durch das Gesetz zur Reform des Sozialhilferechts vom 23. Juli 1996 (BGBl I 1088) sollte "entsprechend der neuen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 18. Mai 1995 - 5 C 1.93) eine Leistungspflicht" bereits "ab Kenntnis der nicht zuständigen Kommune vorgesehen" werden (BT-Drucks 13/3904 S 44). In der Gesetzbegründung wurde zwar ausdrücklich auf die "geltende Parallelregelung in § 16 Abs. 2 SGB I" abgestellt (BT-Drucks aaO). § 18 Abs 2 SGB XII kann aber ein Wille des Gesetzgebers, die durch einen Antrag bei einem anderen als in § 18 Abs 2 SGB XII genannten Träger vermittelte Kenntnis nicht mehr als maßgebend für die rückwirkende Leistungsbewilligung anzusehen, also eine einschränkende Zielsetzung, nicht entnommen werden. Vielmehr soll die Regelung über § 16 Abs 2 SGB I hinaus Fälle fehlender Antragstellung erfassen, nicht die zuvor bestehende Rechtslage zum Nachteil des Sozialhilfeempfängers korrigieren (Armborst in LPK-SGB XII, 8. Aufl 2008, § 18 SGB XII RdNr 13; aA Adolph in Linhart/Adolph, SGB II/ SGB XII/Asylbewerberleistungsgesetz, § 18 SGB XII RdNr 31 f, Stand Juli 2006; Grube in Grube/Wahrendorf, SGB XII, 2. Aufl 2008, § 18 SGB XII RdNr 52 f; differenzierend Rothkegel, aaO, RdNr 15). Vorrangige Aufgabe des § 18 SGB XII ist es nicht, Leistungen für die Vergangenheit auszuschließen, sondern ein rechtzeitiges Eingreifen des Sozialhilfeträgers von Amts wegen zu gewährleisten. Ggf wird das SG bei seiner Entscheidung auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu befinden haben.

Ende der Entscheidung

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