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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundessozialgericht
Urteil verkündet am 13.06.2006
Aktenzeichen: B 8 KN 1/05 KR R
Rechtsgebiete: GMG


Vorschriften:

GMG Art 37 Abs 8
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESSOZIALGERICHT Im Namen des Volkes Urteil

in dem Rechtsstreit

Verkündet am 13. Juni 2006

Az: B 8 KN 1/05 KR R

Der 8. Senat des Bundessozialgerichts hat auf die mündliche Verhandlung vom 13. Juni 2006 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Dreher, den Richter Dr. Neuhaus und die Richterin Dr. Günniker sowie die ehren- amtlichen Richter Bauer und Dr. Ing. Dauber

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 10. Juni 2005 wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander auch für das Revisionsverfahren keine Kosten zu erstatten.

Gründe:

I

Die Beteiligten streiten über die Zahlung von Sterbegeld.

Der Kläger ist der Sohn der am 7. Februar 2004 gestorbenen Frau E. K. L. , die (zuletzt) bei der Beklagten krankenversichert war.

Den Antrag des Klägers auf Auszahlung des Sterbegelds lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 1. September 2004 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 20. Dezember 2004 ab, weil der Anspruch auf Sterbegeld für Todesfälle ab dem 1. Januar 2004 auf Grund des Gesetzes zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung vom 14. November 2003 (GKV-Modernisierungsgesetz - GMG) entfallen sei.

Die hiergegen erhobene Klage hat das Sozialgericht Duisburg (SG) mit Urteil vom 10. Juni 2005 abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Die bisherigen, die Zahlung von Sterbegeld regelnden Vorschriften der §§ 58, 59 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) alter Fassung (aF) seien durch das GMG mit Wirkung vom 1. Januar 2004 aufgehoben worden. Dies ergebe sich aus der Neufassung des 7. Abschnitts im 3. Kapitel des SGB V durch das GMG vom 14. November 2003. Durch die Neufassung dieses Gesetzesabschnitts seien die darin zuvor enthaltenen Regelungen aufgehoben worden, ohne dass es noch einer zusätzlichen ausdrücklichen Aufhebung dieser Vorschriften durch den Gesetzgeber bedurft hätte. Hierfür spreche auch der Gesetzentwurf zum GMG, welchem zu entnehmen sei, dass die Streichung des Sterbegelds als Solidarbeitrag der Versicherten zur Stabilisierung der finanziellen Situation der Krankenversicherung erforderlich gewesen sei. Die Streichung des Anspruchs auf Sterbegeld mit Wirkung vom 1. Januar 2004 verstoße nicht gegen höherrangiges Verfassungsrecht.

Mit der vom SG zugelassenen Sprungrevision rügt der Kläger die Verletzung materiellen Rechts (sinngemäß: Art 37 Abs 8 GMG) und trägt hierzu vor: Nach den bisherigen Vorschriften der §§ 58, 59 SGB V aF habe er einen Anspruch auf Zahlung von Sterbegeld in Höhe von 525,00 € gehabt. Diese Regelungen seien erst zum 1. Januar 2005 außer Kraft getreten, weil der Gesetzgeber in Art 37 Abs 8 GMG bestimmt habe, dass §§ 58, 59 SGB V neue Fassung (nF) erst zum 1. Januar 2005 in Kraft treten sollten; die alten Regelungen sollten demnach durch die neuen Bestimmungen ersetzt werden, dh erst mit dem Inkrafttreten der Neuregelung außer Kraft treten. Sollten die bisherigen Bestimmungen der §§ 58, 59 SGB V aF dagegen tatsächlich bereits mit Wirkung vom 1. Januar 2004 außer Kraft getreten sein, so läge darin eine Verletzung des rechtsstaatlichen Vertrauensschutzgrundsatzes, wie der vorliegende Fall verdeutliche: Beim Tode seiner Mutter am 7. Februar 2004 seien noch nicht einmal drei Monate seit der Bekanntmachung der gesetzlichen Änderung verstrichen gewesen. Er habe nicht damit rechnen müssen, dass das Sterbegeld quasi "über Nacht" entfallen werde. Bei einem längeren Ankündigungszeitraum hätte er sich rechtzeitig darauf einstellen und Rücklagen bilden oder eine Sterbegeldversicherung abschließen können. Auch im Hinblick auf die notwendigen finanziellen Einsparungen im Interesse des Gemeinwohls sei die Streichung des Sterbegelds bereits zum 1. Januar 2004 ein unverhältnismäßiger Eingriff in die bis dahin bestandene Rechtsposition.

Der Kläger beantragt (sinngemäß),

das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 10. Juni 2005 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 1. September 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20. Dezember 2004 zu verurteilen, ihm aus der Versicherung seiner Mutter Frau E. K. L. , Sterbegeld in Höhe von 525,00 € zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie hält sie das angefochtene Urteil des SG für zutreffend.

II

Die zulässige Sprungrevision des Klägers ist unbegründet. Das SG hat die Klage auf Zahlung von Sterbegeld zu Recht abgewiesen, weil das Sterbegeld als Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung auf Grund des GMG mit Wirkung vom 1. Januar 2004 für Sterbefälle nach diesem Stichtag entfallen ist.

Zu Unrecht stützt der Kläger seinen Anspruch auf §§ 58, 59 SGB V aF. Nach § 58 SGB V aF wurde beim Tode eines Versicherten ein Zuschuss zu den Bestattungskosten (Sterbegeld) gezahlt, wenn der Verstorbene am 1. Januar 1989 versichert war, wobei das Sterbegeld an denjenigen bezahlt wurde, der die Bestattungskosten getragen hatte. Nach § 59 SGB V aF (idF durch Art 1 Nr 4 Beitragssatzsicherungsgesetz vom 23. Dezember 2002, BGBl I 4637) betrug das Sterbegeld beim Tod eines Mitglieds 525,00 €, beim Tod eines nach § 10 SGB V Versicherten 262,50 €. Das SG hat keine Feststellungen dazu getroffen, ob der Kläger die Bestattungskosten seiner verstorbenen Mutter getragen hat. Diese Feststellung ist indes entbehrlich, denn die gesetzliche Grundlage für die Zahlung von Sterbegeld ist bereits mit dem 1. Januar 2004 und nicht erst - wie der Kläger meint - mit dem 1. Januar 2005 entfallen. Dieses hat bereits der 1. Senat des Bundessozialgerichts (BSG) mit mehreren Urteilen vom 13. Dezember 2005 entschieden (stellvertretend: BSG SozR 4-2500 § 58 Nr 1). Der erkennende Senat schließt sich dieser Rechtsprechung in Ergebnis und Begründung an und weist an Stelle von Wiederholungen lediglich auf folgende wesentliche Punkte hin.

Durch Art 1 Nr 36 GMG iVm Art 37 GMG wurde der 7. Abschnitt im 3. Kapitel des SGB V mit Wirkung vom 1. Januar 2004 neu gefasst und erhielt nunmehr Regelungen über den "Zahnersatz" an Stelle der bisher in diesem Abschnitt enthaltenen Regelungen über das Sterbegeld, wobei der neue 7. Abschnitt nicht nur die bisherigen §§ 58, 59 SGB V über das Sterbegeld umfasste, sondern auch die bis dahin nicht mehr besetzt gewesenen §§ 55 bis 57 SGB V einbezog. Dass einzelne Vorschriften (§§ 55, 58, Abs 1, 2 und 4 sowie § 59 SGB V) des zum 1. Januar 2004 neu gefassten 7. Abschnitts erst zum 1. Januar 2005 in Kraft treten sollten (Art 37 Abs 8 GMG), ändert nichts daran, dass der bisherige 7. Abschnitt mit den §§ 58, 59 SGB V über das Sterbegeld mit Wirkung vom 1. Januar 2004 aufgehoben worden war (so bereits BSG SozR 4-2500 § 58 Nr 1 RdNr 10). Inzwischen sind die §§ 58, 59 SGB V nF im 7. Abschnitt im 3. Kapitel durch Gesetz vom 15. Dezember 2004 (BGBl I 3445) gänzlich aufgehoben worden.

Für den Wegfall der Vorschriften über das Sterbegeld bereits mit dem 1. Januar 2004 spricht insbesondere, dass mit Wirkung zum 1. Januar 2004 das Sterbegeld aus dem Leistungskatalog des § 11 Abs 1 Satz 2 SGB V aF (Art 1 Nr 3 iVm Art 37 Abs 1 GMG) und zu demselben Zeitpunkt aus der Leistungsübersicht des § 21 Abs 1 Erstes Buch Sozialgesetzbuch aF gestrichen worden ist (Art 3 Nr 3 iVm Art 37 Abs 1 GMG). Schließlich ist auch den Gesetzesmaterialien zum GMG eindeutig zu entnehmen, dass der Wegfall des Sterbegelds bereits zum 1. Januar 2004 vom Gesetzgeber beabsichtigt war, denn bereits für das Jahr 2004 war die hierdurch erstrebte finanzielle Entlastung auf 0,4 Milliarden EURO geschätzt worden (BT-Drucks 15/1525 S 171 - vgl auch hierzu BSG SozR 4-2500 § 58 Nr 1 RdNr 11 mwN).

Zur Überzeugung des erkennenden Senats ist durch den Wegfall des Sterbegelds nicht in verfassungsrechtlich geschützte Rechtspositionen des Klägers eingegriffen worden.

Die Streichung des Sterbegelds zum 1. Januar 2004 verstößt nicht gegen Art 14 Abs 1 Grundgesetz (GG). Das Sterbegeld unterliegt nicht der Eigentumsgarantie des Art 14 GG, weil es weder auf nicht unerheblichen Eigenleistungen des Versicherten beruht noch dessen Existenzsicherung diente. Es handelte sich um eine Zuschussleistung, die die wirtschaftliche Belastung durch die Begräbniskosten mildern sollte.

Art 2 Abs 1 GG iVm dem rechtsstaatlichen Grundsatz des Vertrauensschutzes ist durch den Wegfall des Sterbegelds ebenfalls nicht verletzt. Dies gilt auch unter dem Aspekt, dass das Sterbegeld mit der Einführung des Gesundheits-Reformgesetzes vom 20. Dezember 1988 (BGBl I 2477) ohnehin längerfristig als eine auslaufende Leistung angesehen worden war, was sich daraus ergibt, dass der Anspruch nach § 58 Abs 1 SGB V aF voraussetzte, dass der verstorbene Versicherte bereits am 1. Januar 1989 versichert war. Trotz des bereits auslaufenden Charakters der Sterbegeldregelung hatte der Gesetzgeber damit keine Übergangsregelung geschaffen, die einen besonderen Vertrauensschutz in ihren Fortbestand hätte begründen können. Die historische Entwicklung und die Ausgestaltung des Sterbegelds, das nicht zu den Kernleistungen der gesetzlichen Krankenversicherung zählte, waren nicht geeignet, bei den Betroffenen einen Vertrauensschutz dahingehend zu begründen, dass jedenfalls mit der langfristigen Übergangsregelung eine nicht mehr veränderbare gesetzliche Rechtsposition erlangt war. Sowohl die weite Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers bei der Gewährung von Sozialleistungen, die keine nachhaltige und keine erhebliche Bedeutung für den Versicherten und seine Angehörigen haben, als auch der Umstand, dass bereits in der Vergangenheit eine stufenweise Absenkung der Höhe des Sterbegelds aus Gründen der finanziellen Stabilisierung der gesetzlichen Krankenversicherung erfolgt war, führen im Ergebnis dazu, dass bei den Versicherten ein Vertrauen auf eine zukünftig ungeschmälerte Sterbegeldleistung nicht begründet werden konnte. Auch dies ist vom 1. Senat des BSG bereits eingehend dargelegt worden (BSG SozR 4-2500 § 58 Nr 1 RdNr 15 ff).

Nichts anderes gilt schließlich für die Abwägung zwischen dem Interesse des einzelnen Betroffenen an einer zusätzlichen Übergangsregelung, um sich auf die neue Rechtslage einstellen zu können, und dem Interesse der Allgemeinheit an der Aufrechterhaltung der finanziellen Leistungskraft der gesetzlichen Krankenversicherung. Auch für den erkennenden Senat bestehen keine Zweifel, dass die Bedeutung des gesetzlichen Anliegens für das Wohl der Allgemeinheit trotz der Belastung des Einzelnen - und damit auch des Klägers - die Streichung des Sterbegelds bereits zum 1. Januar 2004 ohne Einräumung von Übergangsfristen für Sterbefälle in den ersten Monaten nach der Rechtsänderung rechtfertigte. Dieser Eingriff verletzt weder den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit noch des Sozialstaatsprinzips (zur näheren Begründung wiederum BSG SozR 4-2500 § 58 Nr 1 RdNr 22 mwN).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz.

Ende der Entscheidung

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