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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundessozialgericht
Beschluss verkündet am 16.12.2008
Aktenzeichen: B 9 SB 24/08 B
Rechtsgebiete: GG, SGG


Vorschriften:

GG Art. 101 Abs. 1 S. 2
SGG § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2
Voraussetzung für einen Verstoß gegen Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG, der in der nächsten Instanz als Verfahrensmangel zu berücksichtigen ist, ist das Tätigwerden eines Richters unter eindeutiger Missachtung der Verfahrensvorschriften oder das so eindeutige Vermissenlassen der gebotenen Distanz und Neutralität, dass jede andere Würdigung als die Bejahung einer Besorgnis der Befangenheit willkürlich erschiene. [Nicht amtlich veröffentlichte Entscheidung]
BUNDESSOZIALGERICHT Beschluss

in dem Rechtsstreit

Az: B 9 SB 24/08 B

Der 9. Senat des Bundessozialgerichts hat am 16. Dezember 2008 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Loytved sowie die Richter Kruschinsky und Dr. Knörr

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 8. April 2008 wird als unzulässig verworfen.

Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Gründe:

Mit Urteil vom 8.4.2008 hat das Schleswig-Holsteinische Landessozialgericht (LSG) einen Anspruch des Klägers auf Feststellung eines höheren Grades der Behinderung (GdB) als 50 verneint. Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil hat der Kläger beim Bundessozialgericht (BSG) Beschwerde eingelegt. Er macht grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache und Verfahrensmängel geltend.

Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers ist unzulässig. Ihre Begründung genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen.

Nach § 160 Abs 2 SGG ist die Revision nur zuzulassen, wenn (1.) die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder (2.) das Urteil von einer Entscheidung des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder (3.) ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 Satz 1 SGG und auf eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. In der Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde muss die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung, von der das Urteil des LSG abweicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG).

Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus - aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Eine Beschwerde muss daher anhand des anwendbaren Rechts sowie unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung und des Schrifttums angeben, welche Rechtsfragen sich stellen, dass diese noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung aus Gründen der Rechtseinheit oder Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung erwarten lässt. Um seiner Darlegungspflicht zu genügen, muss der Beschwerdeführer mithin Folgendes aufzeigen: (1) Eine konkrete Rechtsfrage, (2) ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, (3) ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit sowie (4) die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung, also eine Breitenwirkung (vgl BSG SozR 1500 § 160 Nr 17 und § 160a Nr 7, 11, 13, 31, 59, 65). Diesen Kriterien hat der Kläger nicht hinreichend Rechnung getragen.

Soweit es der Kläger als eine Frage von grundsätzlicher Bedeutung ansieht, ob es verfassungswidrig ist, dass die Auswirkungen auf die Teilnahme am Leben in der Gesellschaft gemäß § 69 Abs 1 Satz 4 SGB IX als GdB nur nach Zehnergraden und nicht nach Fünfergraden abgestuft festgestellt werden, hat er die Klärungsbedürftigkeit dieser Frage nicht hinreichend dargetan. Abgesehen davon, dass es an einer Auseinandersetzung mit einschlägiger Rechtsprechung des BSG fehlt, hat der Kläger unberücksichtigt gelassen, dass nach dem im Schwerbehindertenrecht entsprechend anwendbaren § 30 Abs 1 Satz 2 Halbsatz 2 Bundesversorgungsgesetz (§ 69 Abs 1 Satz 5 SGB IX) ein bis zu fünf Grad geringerer Grad der Schädigungsfolgen vom höheren Zehnergrad mit umfasst wird.

Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde - wie vorliegend - darauf gestützt, dass ein Verfahrensmangel vorliege, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen könne, so müssen bei der Bezeichnung des Verfahrensmangels zunächst die diesen (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 14, 24, 34, 36). Darüber hinaus ist die Darlegung erforderlich, dass und warum die Entscheidung des LSG ausgehend von dessen materieller Rechtsansicht auf dem Mangel beruhen kann, also die Möglichkeit einer Beeinflussung des Urteils besteht (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 14, 36).

Zunächst rügt der Kläger, das LSG habe seine Kreislaufbeschwerden und Kopfschmerzen nicht gewürdigt. Soweit er darin ein Fehlen von Entscheidungsgründen iS des § 136 Abs 1 Nr 6 SGG sieht, lässt sein Vorbringen nicht erkennen, inwiefern es sich dabei um wesentliche Streitpunkte des vorinstanzlichen Verfahrens gehandelt habe (vgl dazu BSGE 76, 233, 234 = SozR 3-1750 § 945 Nr 1 S 2 f). Auch ein erheblicher Verstoß gegen den Grundsatz der Gewährung rechtlichen Gehörs (§ 62 SGG) ist insoweit nicht dargetan. Eine solche Rüge greift in Fällen, in denen die Vorinstanz dem Vortrag des Beteiligten - wie hier - allein durch weitere Beweiserhebung hätte entsprechen können, jedenfalls bei anwaltlicher Vertretung (der Kläger ist selbst Rechtsanwalt) nur dann durch, wenn auch ein entsprechender Beweisantrag gestellt wurde (vgl BSG SozR 3-2500 § 160 Nr 22). Einen auf die Kreislaufbeschwerden bzw Kopfschmerzen bezogenen Beweisantrag, der vor dem LSG bis zuletzt aufrechterhalten worden sei, hat der Kläger nicht bezeichnet (vgl dazu BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 20).

Entsprechendes gilt, soweit der Kläger die Nichtberücksichtigung anderer tatsächlicher Angaben und Beweisanträge durch das LSG rügt. Auch dazu fehlt es an nähreren Darlegungen, woraus sich ergebe, dass dieses Vorbringen im Berufungsverfahren bis zuletzt derart aufrechterhalten worden sei, dass sich das LSG zu einer Berücksichtigung hätte veranlasst sehen müssen (vgl dazu BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 20, § 124 Nr 3).

Weiter macht der Kläger geltend, das LSG habe die von ihm behaupteten Verfahrensmängel zu Unrecht nicht zum Anlass genommen, die Sache - wie von ihm beantragt - an das LSG zurückzuverweisen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass das berufungsgerichtliche Zurückverweisungsermessen nach § 159 Abs 1 SGG auch bei Verfahrensfehlern des SG von erheblichem Gewicht nicht eingeschränkt ist. Bei der Ausübung des Ermessens kommt prozessökonomischen Gesichtspunkten eine erhebliche Bedeutung zu. Im Zweifel ist die Entscheidung des Berufungsgerichts, den Rechtsstreit selbst zu entscheiden, im Interesse einer zügigen Erledigung des Verfahrens vorzugswürdig (vgl BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 57 S 317). Der Kläger hat nicht dargetan, dass in seinem Fall - gemessen an diesen Kriterien - ausnahmsweise eine Zurückverweisung der Sache an das SG geboten gewesen sei.

Die von ihm erst nach Abschluss der ersten Instanz geltend gemachte Befangenheit der Kammervorsitzenden des SG reicht insoweit nicht, zumal ein diesbezügliches Ablehnungsgesuch grundsätzlich unzulässig ist (vgl dazu Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG-Komm, 9. Aufl 2008, § 60 RdNr 11 mwN auf die Rspr der obersten Bundesgerichte). Nur dann, wenn ein Richter unter eindeutiger Missachtung der Verfahrensvorschriften tätig wird oder wenn der tätig gewordene Richter so eindeutig die gebotene Distanz und Neutralität hat vermissen lassen, dass jede andere Würdigung als die Bejahung einer Besorgnis der Befangenheit willkürlich erschiene, ist ein Verstoß unmittelbar gegen Art 101 Abs 1 Satz 2 GG gegeben, der in der nächsten Instanz als Verfahrensmangel zu berücksichtigen ist (vgl BVerwG, Urteil vom 16.4.1997, DVBl 1997, 1235). Abgesehen davon, dass die vom Kläger vorgebrachten Ablehnungsgründe nicht erkennen lassen, dass ein solcher Fall hier vorliegt, hinderte ein derartiger Mangel das LSG nicht, das erstinstanzliche Urteil aufgrund eigener Sachprüfung zu bestätigen.

Soweit der Kläger die Beweiswürdigung des LSG (§ 128 Abs 1 Satz 1 SGG) rügt, kann er damit gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG keine Revisionszulassung erreichen.

Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung des § 193 SGG.

Ende der Entscheidung

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