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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundessozialgericht
Urteil verkündet am 14.02.2001
Aktenzeichen: B 9 V 12/00 R
Rechtsgebiete: BVG


Vorschriften:

BVG § 31 Abs 3 Satz 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESSOZIALGERICHT Im Namen des Volkes Urteil

in dem Rechtsstreit

Verkündet am 14. Februar 2001

Az: B 9 V 12/00 R

Kläger und Revisionsbeklagter,

Prozeßbevollmächtigter:

gegen

Freistaat Bayern, vertreten durch das Bayerische Landesamt für Versorgung und Familienförderung - Landesversorgungsamt - Außenstelle Bayreuth, Hegelstraße 2, 95447 Bayreuth,

Beklagter und Revisionskläger.

Der 9. Senat des Bundessozialgerichts hat auf die mündliche Verhandlung vom 14. Februar 2001 durch den Vorsitzenden Richter Kummer, die Richter Prof. Dr. Bürck und Dau sowie die ehrenamtlichen Richter Söldner und Thome

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 5. April 2000 aufgehoben. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 12. Oktober 1999 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind in sämtlichen Rechtszügen nicht zu erstatten.

Gründe:

I

Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) Anspruch auf Grundrente eines Erwerbsunfähigen hat.

Der Kläger ist schwer kriegsbeschädigt. Seine Erwerbsfähigkeit ist um 90 vH gemindert. 1996 machte er geltend, die Schädigungsfolge "4. Veränderungen im Bereich des linken Daumengrundgelenkes" habe sich verschlimmert und außerdem sei eine beginnende Funktionseinschränkung der rechten Hand hinzugekommen. Der Beklagte lehnte es ab, weitere Schädigungsfolgen anzuerkennen und eine höhere Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) - um 100 vH - festzustellen.

Nachdem der Beklagte im anschließenden sozialgerichtlichen Verfahren statt der bisherigen Schädigungsfolge Nr 4 nunmehr "Veränderungen im Bereich der Daumengrund- und Daumensattelgelenke beidseits" anerkannt hatte, hat das Sozialgericht die im übrigen auf Rente nach einer MdE um 100 vH gerichtete Klage abgewiesen (Urteil vom 12. Oktober 1999). Das Landessozialgericht (LSG) hat den Beklagten verurteilt, dem Kläger Beschädigtenversorgung eines Erwerbsunfähigen zu gewähren (Urteil vom 5. April 2000). Es ist dem erstinstanzlich eingeholten Sachverständigengutachten des Orthopäden Dr. D. gefolgt, der die Gesamt-MdE unter Berücksichtigung der hinzugekommenen Schädigungsfolge mit "90 % (genau 93 %)" eingeschätzt hatte. Mit dieser MdE um "mehr als 90 vH" gelte der Kläger nach § 31 Abs 3 BVG als erwerbsunfähig und habe deshalb Anspruch auf die Beschädigtengrundrente eines Erwerbsunfähigen.

Der Beklagte macht mit der - vom Senat zugelassenen - Revision geltend, eine festgestellte MdE sei nur bei wesentlicher (ungünstiger) Änderung der Verhältnisse heraufzusetzen. Erforderlich sei dafür ein Schritt um wenigstens 5 vH. Geringere Veränderungen fielen in die Schwankungsbreite der MdE-Schätzung.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 5. April 2000 aufzuheben und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 12. Oktober 1999 zurückzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

II

Die Revision des Beklagten ist begründet.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Beschädigtengrundrente eines Erwerbsunfähigen. Das LSG hat zu Unrecht festgestellt, die MdE betrage hier 93 vH und damit, wie in § 31 Abs 3 Satz 2 BVG gefordert, "mehr" als 90 vH. Denn es ist tatsächlich unmöglich und deshalb rechtlich verboten, die MdE genauer als nach Zehnergraden, allenfalls noch nach Fünfergraden einzuschätzen. Die Natur der MdE als grob quantifizierender Maßstab für Umfang und Grad der körperlichen und geistigen Beeinträchtigungen im allgemeinen Erwerbsleben (§ 30 Abs 1 Satz 1 BVG) läßt nicht einmal die Aussage zu, daß die Erwerbsfähigkeit - ohne Festlegung auf einen benannten Vomhundertsatz - jedenfalls um mehr als 90 vH, aber noch nicht um 95 vH gemindert sei.

Dieses Ergebnis folgt aus der geschichtlichen Entwicklung des Rechts der Kriegsopferversorgung und aus neueren Regelungen im Schwerbehindertengesetz (SchwbG) und in der gesetzlichen Unfallversicherung (Siebtes Buch Sozialgesetzbuch <SGB VII>). Seine bisher vertretene - gegenteilige - Ansicht (vgl Urteile vom 31. Januar 1973 - 9 RV 532/71 - und vom 28. Oktober 1975 - 9 RV 78/75 -, SozR § 31 BVG Nr 12 und SozR 3100 § 30 Nr 9) gibt der Senat auf.

Das Militärpensionsgesetz vom 27. Juni 1871 (RGBl I S 275) sah für die Bemessung des Grades der Erwerbsunfähigkeit nur drei Stufen vor: teilweise, größtenteils und gänzlich. Weil nach dieser groben Einteilung im Einzelfall der Grad der Erwerbsunfähigkeit nicht zutreffend bemessen und eine der tatsächlichen Einbuße an Erwerbsfähigkeit entsprechende Entschädigung nicht gewährt werden konnte (vgl Reichstag, 11. Legislatur-Periode, Drucks 13/14, S 22) wurde mit dem Offizierspensionsgesetz und dem Mannschaftsversorgungsgesetz vom 31. Mai 1906 (RGBl I S 565 und 593) ein neuer "Maßstab für die Beurteilung der einzelnen Grade der Erwerbsunfähigkeit" (Reichstag, aaO, S 104) eingeführt. Die Gesetze unterschieden zwischen völliger und teilweiser Erwerbsunfähigkeit. Bei teilweiser Erwerbsunfähigkeit betrug die Rente "denjenigen in Hundertsteln auszudrückenden Teil der Vollrente, welcher dem Maße der Einbuße an Erwerbsfähigkeit entspricht (Teilrente)". In der Begründung des Gesetzentwurfes (Reichstag, aaO, S 105) heißt es dazu:

Teilweise Erwerbsunfähigkeit liegt bei denjenigen Personen vor, welche in ihrer Erwerbsfähigkeit um 10 bis 90 Prozent beeinträchtigt sind.

Bei der erstmaligen Festsetzung des Grades der teilweisen Erwerbsunfähigkeit sind alle Abstufungen der Schätzung zulässig, doch ist dabei an gewissen Abrundungen festzuhalten. Die Abstufungen sollen in der Regel durch Fünf teilbar sein, außerdem sind noch die Stufen von 33 1/3 und 66 2/3 Prozent zulässig. Unterschiede in der Schätzung von nur 5 Prozent oder weniger sollen im allgemeinen für die höheren Stellen und bei Nachuntersuchungen keinen Anlaß zur Änderung der vorgeschlagenen oder bestehenden Rentenfestsetzung abgeben.

...

Völlige Erwerbsunfähigkeit liegt vor:

a) Bei Personen, welche auch nach Abschluß der ärztlichen Behandlung um mehr als 90 Prozent in ihrer Erwerbsfähigkeit beschränkt oder überhaupt körperlich zu jeder Arbeit unfähig sind, ...

Das Reichsversorgungsgesetz (RVG) vom 12. Mai 1920 (RGBl I 989) stufte die MdE nach Zehnergraden von 20 bis 90 ab (§ 27 Abs 1 RVG), erklärte eine um 5 vH geringere MdE vom darüberliegenden Zehnergrad als mitumfaßt (§ 27 Abs 2 RVG) und bestimmte schließlich: "Wer in seiner Erwerbsfähigkeit um mehr als 90 vH beeinträchtigt ist, gilt als erwerbsunfähig" (§ 27 Abs 3 RVG). In der Begründung des Gesetzentwurfs heißt es dazu (Deutsche Nationalversammlung, Drucks 2663, S 38):

Entsprechend der Minderung der Erwerbsfähigkeit wird die Rente nur in Stufen von 10 zu 10 vH bemessen. Geringere Abstufungen sind theoretisch denkbar, waren auch bisher in der Militärversorgung und der Unfallversicherung üblich; es kann aber wohl nicht bestritten werden, daß es, objektiv betrachtet, unmöglich ist, die Beeinträchtigung der Erwerbsfähigkeit bei Berücksichtigung der Lebensverhältnisse, Kenntnisse und Fertigkeiten des Beschädigten genau auf einen bestimmten Hundertsatz festzustellen und beispielsweise zwischen einer Minderung der Erwerbsfähigkeit um 45 und einer solchen um 50 vH zu unterscheiden. Für die Überleitung der bereits getroffenen Feststellungen auf den Vollzug dieses Gesetzes ist zugunsten der Beschädigten vorgesehen, daß jeweils eine um 5 vH geringere Minderung der Erwerbsfähigkeit zur nächsten Stufe aufgerundet wird. Da demnach eine Minderung der Erwerbsfähigkeit um 15 vH einer solchen um 20 vH gleichzustellen ist, beginnen die Rentenstufen erst mit 20 vH.

Trotz dieser uneingeschränkten Abkehr des RVG von der zuvor geltenden, aufs Hundertstel genauen Skalierung ordnete der Reichsarbeitsminister in den nach § 103 RVG erlassenen Ausführungsbestimmungen vom 16. November 1920 (RGBl I 1907) unter Verkennung des Überleitungscharakters der Vorschrift an: "Die MdE ist grundsätzlich in Stufen von 10 zu 10 vH auszudrücken, die auch eine bis zu 5 vH geringere Minderung mitumfassen. Nur die Stufe 100 vH umfaßt auch eine bis 9 vH geringere Minderung". In Verbindung mit § 27 Abs 3 RVG wurde dadurch der Weg für eine Verwaltungspraxis bereitet, die sich trotz der Erkenntnis des Gesetzgebers von der Unmöglichkeit einer genaueren Einschätzung der MdE als nach Zehnerstufen in der Lage sah, auch in anderen als Übergangsfällen aus der Zeit vor 1920 im Bereich ab 90 die MdE auf den Prozentpunkt genau festzustellen und Beschädigten ab einer MdE um 91 vH die Rente eines Erwerbsunfähigen zu gewähren (vgl Handbuch der Reichsversorgung, Band I, 1932, S 658 und - ebendort - Anhaltspunkte für die ärztliche Beurteilung der Erwerbsfähigkeit nach dem RVG <AnhP.>, A. "Vorbemerkungen" Abs 10, S 694).

Das Wehrmachtsfürsorge- und Versorgungsgesetz (WFVG) vom 26. August 1938 (RGBl I S 1077) kehrte vorübergehend zu einer groben Abstufung der Erwerbsunfähigkeit (dort "Grad der Versehrtheit" genannt) in zunächst drei, dann vier Grade zurück (§ 84 WFVG). Das BVG korrigierte diese Entscheidung. Es baute auf dem RVG auf. In den Punkten MdE-Bemessung und Erwerbsunfähigkeit knüpfte die Begründung des Gesetzentwurfs zum BVG bruchlos an die durch ministerielle Ausführungsbestimmungen und Verwaltungspraxis geprägte (Fehl)Vorstellung an, jedenfalls jenseits des Wertes 90 vH lasse sich die Erwerbsminderung prozentgenau ermitteln und feststellen.

Zu der unverändert aus § 27 Abs 3 RVG übernommenen Vorschrift des § 30 Abs 2 BVG-E (jetzt: § 31 Abs 2 BVG) hieß es dort, für die Annahme von Erwerbsunfähigkeit sei nicht Voraussetzung, daß die Erwerbsfähigkeit um mindestens 95 vH beeinträchtigt sei, es genüge vielmehr, daß die Erwerbseinbuße über 90 vH liege (BT-Drucks 1/1333, S 57). Dementsprechend bestimmten die Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im Versorgungswesen 1952 in Teil C Nr 5 unter nahezu wörtlicher Übernahme der Ausführungsbestimmung des Reichsarbeitsministers zu § 27 RVG, die MdE-Stufe 100 umfasse auch eine bis zu 9 vH geringere MdE (mit der Ausgabe 1965 der Anhaltspunkte ist dieser Hinweis weggefallen).

Die aus der Natur der Sache folgende Unschärfe, die eine genauere Einschätzung der MdE als nach Zehnergraden ausschließt, wurde in der Verwaltungspraxis mit Hilfe der Mathematik überspielt. Die sogenannte Lohmüller'sche Formel, das prozentuale Subtraktionsverfahren oder die Bruchteilmethode (vgl dazu Müller, Der Versorgungsbeamte 1973, 42 f und - zugleich zur Kritik - Goetz, KOV 1966, 101; 1973, 97) machten es - jedenfalls bei Bestimmung der Gesamt-MdE - möglich, die MdE bis auf zwei Stellen hinter dem Komma genau zu berechnen. Die Rechtsprechung hat diese Praxis zunächst gebilligt (SozR § 31 BVG Nr 12; SozR 3100 § 30 Nr 9), dann aber im Urteil vom 15. März 1979 - 9 RVs 6/77 - (BSGE 48, 82, 85 ff = SozR 3-3870 § 3 Nr 4) alle mathematischen Formeln als untauglich verworfen und eine natürliche, wirklichkeitsorientierte, funktionale Betrachtungsweise, die auf medizinischen Erkenntnissen beruht, für den einzig rechtmäßigen Beurteilungsmaßstab bei Einschätzung der MdE erklärt.

Der Gesetzgeber hat in der Folgezeit erkannt, daß mit der Abschaffung von Scheingenauigkeit durch sachwidrige mathematische Berechnungsformeln eine präzisere Aussage über den Grad der Erwerbsunfähigkeit als nach Zehnerstufen - allenfalls nach Fünferstufen - nicht möglich ist. Ausdruck dieser Erkenntnis sind neuere Regelungen im Schwerbehindertenrecht und im Recht der gesetzlichen Unfallversicherung. Das SchwbG bestimmt seit seiner Änderung durch das Gesetz vom 30. Juni 1986 (BGBl I S 1110) in § 3 Abs 2, daß der Grad der Behinderung nach Zehnerschritten gestuft anzugeben sei, nicht mehr wie bis dahin - die zuvor auch im Schwerbehindertenrecht geltende MdE - nach Vomhundertsätzen. Nach § 73 Abs 3 SGB VII ist bei Feststellung der MdE eine Änderung der Verhältnisse iS des § 48 Abs 1 SGB X nur wesentlich, wenn sie mehr als 5 vH beträgt. Damit wurde unter Hinweis auf die Rechtsprechung des BSG kodifiziert (vgl BT-Drucks 13/2204, S 93), was in der gesetzlichen Unfallversicherung schon seit langem gesicherte Erkenntnis war: Daß ein MdE-Grad von 5 vH "in Rentenstreitigkeiten als eine erhebliche Größe in der Regel nicht gelten sollte" (RVA AN 1897, 267 Nr 1582; 1906, 420 Nr 2147), weil eine so geringe Dimension noch innerhalb der allen ärztlichen Schätzungen eigenen Schwankungsbreite liegt, der Grad einer unfallbedingten MdE mithin nicht völlig genau, sondern nur annäherungsweise feststellbar ist (BSGE 32, 245, 246 f = SozR § 622 Reichsversicherungsordnung <RVO> Nr 11; SozR 2200 § 622 Nr 12).

Dieser Entwicklung haben sich auch die Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz (AHP) angepaßt. Dort heißt es unter Nr 18 Abs 4 (idF 1996): "Da GdB und MdE ihrer Natur nach nur annähernd bestimmt werden können, sind bei der GdB-Bewertung nur Zehnerwerte, bei der MdE-Bewertung in der Regel nur Werte angegeben, die durch zehn teilbar sind". Durch die weitere Formulierung über "die sehr wenigen in der GdB/MdE-Tabelle noch enthaltenen Fünfergrade ..." wird das Bemühen deutlich, auch die MdE ausschließlich nach Zehnergraden abzustufen. Konsequent bestimmen die AHP 1996 in Nr 24 Abs 2, daß eine wesentliche Änderung im Ausmaß der Schädigungsfolgen oder der Behinderung nur vorliegt, wenn die Änderung des GdB/MdE-Grades wenigstens zehn beträgt. Dem folgen die Verwaltungsvorschriften zum Beamtenversorgungsgesetz (GMBl Nr 35/1980; wiedergegeben bei Stegmüller/Schmalhofer/Bauer, Beamtenversorgungsgesetz, Stand 1997, § 35 S HB I 5).

Vor diesem Hindergrund erweist sich die Vorschrift des § 30 Abs 3 Satz 2 BVG - anders als nach dem Verständnis des Berufungsgerichts - nicht als Befehl an die Versorgungsverwaltung und die Gerichte, im Einzelfall die MdE genauer als mit 90, allenfalls 95 festzustellen oder auch nur mit einem unbenannten Grad zwischen diesen Werten und damit Unmögliches zu versuchen. Die Vorschrift definiert lediglich den versorgungsrechtlichen Begriff der Erwerbsunfähigkeit (vgl dazu die §§ 25a, 33, 40a, 48 BVG). Ihre sprachliche Fassung als Vermutung deutet nicht auf Erwerbsunfähigkeit bereits vor Erreichen einer MdE um 100 vH, also im Bereich zwischen 90 und 95 hin (so aber Förster in Wilke, Soziales Entschädigungsrecht, 7. Aufl, 1992, § 31 BVG RdNr 12). Denn ohne Rücksicht auf den tatsächlichen Umfang der individuellen Beeinträchtigung handelt es sich bei der in Vomhundertsätzen ausgedrückten MdE stets nur um abstrakte Primärannahmen und Setzungen von denen aus auf die Erwerbsbeeinträchtigung geschlossen wird (BSGE 40, 120, 123 = SozR 3100 § 30 Nr 8; Wulfhorst aaO 218; vgl dazu die sprachliche Fassung in § 25 Abs 1 RVG).

Der Kläger hat danach keinen Anspruch auf Beschädigtenrente eines Erwerbsunfähigen, weil hier nach den Feststellungen des LSG der erste über 90 vH liegende, allenfalls bestimmbare MdE-Grad von 95 vH nicht erreicht wird. Der erstinstanzlich gehörte Sachverständige, auf dessen Gutachten sich auch das LSG gestützt hat, hat die MdE lediglich mit "90 %" eingeschätzt. Die hinzugefügte Präzisierung "(genau 93 %)" ist unbeachtlich. Einer höheren Gesamt-MdE als 90 vH wegen der auch nach Verschlimmerung lediglich mit einer Einzel-MdE um 10 vH bewerteten Schädigungsfolge Nr 4 stand im übrigen das nur für Ausnahmefälle gelockerte Verbot in Nr 19 Abs 4 AHP 1996 entgegen, zusätzliche leichte Gesundheitsstörungen, die nur einen GdB/MdE-Grad von 10 bedingen, bei der Gesamtbeurteilung durch eine Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung zu berücksichtigen (vgl dazu Senatsurteil vom 13. Dezember 2000 - B 9 V 8/00 R - zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen).

Die Kostenentscheidung beruht auff § 193 Sozialgerichtsgesetz.



Ende der Entscheidung

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