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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundessozialgericht
Urteil verkündet am 21.10.1998
Aktenzeichen: B 9 V 3/98 R
Rechtsgebiete: BVG


Vorschriften:

BVG § 89
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESSOZIALGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

in dem Rechtsstreit

Az: B 9 V 3/98 R

Kläger und Revisionsbeklagter,

Prozeßbevollmächtigter:

gegen

Freistaat Bayern, vertreten durch das Bayerische Landesamt für Versorgung und Familienförderung -Landesversorgungsamt-, Schellingstraße 155, 80797 München,

Beklagter und Revisionskläger,

beigeladen:

Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch das Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung, Rochusstraße 1, 53123 Bonn.

Der 9. Senat des Bundessozialgerichts hat ohne mündliche Verhandlung am 21. Oktober 1998 durch den Vorsitzenden Richter Kummer, die Richter Dr. Kocher und Dau sowie die ehrenamtlichen Richter Kuschel und Thome

für Recht erkannt:

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 5. August 1997 aufgehoben. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 12. November 1996 wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der beklagte Versorgungsträger den Antrag des Klägers ablehnen durfte, im Wege des Härteausgleichs die Kosten für medizinische Fußpflege durch einen Fußpfleger zu übernehmen.

Bei dem 1926 geborenen Kläger sind als Schädigungsfolgen

"1. unter S-förmiger Achsenknickung und zwei Zentimeter Verkürzung fest verheilter Schußbruch des linken Oberarmes mit reizlosen Narben an der Oberarmaußenseite und am Brustkorb hinten neben der Achselfalte; Verlust des linken Armes im Oberarm;

2. kleiner Defekt am äußeren Schulterblattrand links, reizlos eingeheilte kleine Weichteilstecksplitter im linken Schultergürtel"

und eine dadurch bedingte (medizinische) Minderung der Erwerbsfähigkeit von 70 vH anerkannt.

Am 1. August 1995 beantragte der Kläger beim Beklagten die Übernahme der Kosten für medizinische Fußpflege. Er sei durch seine Schädigungsfolgen gehindert, seine Füße selbst zu pflegen. Mit Bescheid vom 23. August 1995 und Widerspruchsbescheid vom 2. Oktober 1995 lehnte der Beklagte den Antrag ab. Kosten der medizinischen Fußpflege dürften seit einer entsprechenden Änderung der Heil- und Hilfsmittelrichtlinien durch den Bundesausschuß der Ärzte und Krankenkassen (Beschluß vom 25. Mai 1994) weder von den Krankenkassen noch vom Versorgungsträger im Rahmen der Heilbehandlung weiterhin übernommen werden. Auch eine Kostenübernahme im Wege des Härteausgleichs nach § 89 Bundesversorgungsgesetz (BVG) sei nicht möglich, weil beim Kläger keine Schädigungsfolgen an den Füßen vorhanden seien.

Die Klage zum Sozialgericht Regensburg (SG) blieb erfolglos (Urteil vom 12. November 1996). Auf die Berufung des Klägers hob das Bayerische Landessozialgericht (LSG) mit Urteil vom 5. August 1997 das sozialgerichtliche Urteil sowie die Bescheide des Beklagten auf und verurteilte diesen, über den Antrag des Klägers vom 1. August 1995 unter Beachtung seiner, des LSG, Rechtsauffassung neu zu entscheiden. In den Entscheidungsgründen führt das LSG im wesentlichen aus, das Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung (BMA) habe mit Rundschreiben vom 1. März 1995 die in § 89 Abs 1 BVG vorgesehene allgemeine Zustimmung erteilt, daß im Wege des Härteausgleichs die Kosten einer schädigungsbedingt notwendigen medizinischen Fußpflege weiterhin erstattet werden könnten. Diese Voraussetzungen lägen auch beim Kläger vor, weil ihn die anerkannten Schädigungsfolgen daran hinderten, "seine sonst einwachsenden Zehennägel selbst zu kürzen, so daß er - um drohenden krankhaften Veränderungen am Fuß vorzubeugen - aus medizinischen Gründen die Hilfe eines Fußpflegers in Anspruch nehmen" müsse. Dabei stützte sich das LSG auf ein Rundschreiben des Bayerischen Landesamts für Versorgung und Familienförderung (BLVF-RdS) vom 6. April 1995 (Nr 2039/II/95), mit dem diese Behörde das Rundschreiben des BMA vom 1. März 1995 sowie einen dazu erstellten Zusatz des Bayerischen Staatsministeriums für Arbeit und Sozialordnung (BayStMAS) vom 31. März 1995 bekanntgegeben hatte.

Gegen dieses Urteil hat der Beklagte die vom Senat zugelassene Revision eingelegt, die er im wesentlichen wie folgt begründet: Das LSG habe § 89 BVG verletzt, weil es dessen Verbindung mit den §§ 10, 11 Abs 1 Satz 2 und § 30 BVG vernachlässigt habe. Die Gewährung eines Härteausgleichs nach § 89 BVG könne nur zu einer Leistung führen, die mit Sinn, Zweck und der Systematik der §§ 10 ff BVG übereinstimme. Nach diesen Bestimmungen komme die Gewährung von Fußpflege von vornherein nur in Frage, wenn diese aufgrund einer ärztlichen Verordnung von einer Hilfsperson durchgeführt werde und zur Behandlung einer Krankheit iS der gesetzlichen Krankenversicherung notwendig sei. Beim Kläger fehle aber bereits eine - durch die Fußpflege zu behandelnde - Gesundheitsstörung iS des § 10 Abs 1 und 2 BVG, da das ständige Nachwachsen von Fuß- und Fingernägeln nicht als Gesundheitsstörung angesehen werden könne. Es handele sich bei der Fußpflege um eine Verrichtung der Körperpflege, die der Kläger freilich schädigungsbedingt nicht selbst vornehmen könne. Die vermehrten Aufwendungen für derartige Verrichtungen seien durch die Grundrente abgedeckt. Erst wenn eine medizinische Indikation (schädigungsbedingte Gesundheitsstörungen am Fuß) für die begehrte Maßnahme vorliege, könne ein Härteausgleich iS des Rundschreibens des BMA vom 1. März 1995 in Betracht kommen. Nur in diesem Fall seien die Kosten der medizinischen Fußpflege durch einen Fußpfleger, die seit der Änderung der Heil- und Hilfsmittelrichtlinien im Mai 1994 nicht mehr im Rahmen der Heilbehandlung nach § 10 Abs 1 und 2 BVG gewährt werden könnten, im Wege des Härteausgleichs vom Versorgungsträger zu übernehmen.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 5. August 1997 aufzuheben und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 12. November 1996 zurückzuweisen.

Die beigeladene Bundesrepublik Deutschland hat - ohne einen ausdrücklichen Antrag zu stellen - sich der Stellungnahme des beklagten Landes angeschlossen und ausgeführt, daß der Fall des Klägers von dem im Rundschreiben des BMA vom 1. März 1995 angesprochenen Härteausgleich nicht erfaßt werde.

Der Kläger beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Er hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

II

Die Revision des Beklagten ist begründet.

Streitgegenstand ist nur, ob der Kläger Anspruch auf einen neuen Bescheid über seinen im August 1995 gestellten Antrag auf Härteausgleich wegen medizinischer Fußpflege hat. Zu Unrecht hat das LSG einen solchen Anspruch bejaht.

Gemäß § 89 Abs 1 BVG kann mit Zustimmung des BMA ein Ausgleich gewährt werden, sofern sich in einzelnen Fällen aus den Vorschriften des BVG besondere Härten ergeben. Voraussetzungen für eine Ermessensleistung (vgl § 39 Erstes Buch Sozialgesetzbuch <SGB I>) nach § 89 BVG ist somit, daß der Gesetzgeber besondere Einzelfälle oder auch Gruppen mit ihren Besonderheiten übersehen oder nicht vorausgesehen oder nicht genügend differenziert geregelt hat (vgl BSGE 27, 75, 76 ff = SozR Nr 1 zu § 89 BVG; BSGE 47, 123, 124 ff = SozR 3100 § 89 Nr 7; ferner Entscheidung des Senats vom 18. Dezember 1996 - SozR 3-3100 § 89 Nr 3 S 8 f). § 89 BVG soll die Gewährung von Leistungen ermöglichen, wenn zwischen der konkreten Gesetzesanwendung und dem mit dem Recht der Kriegsopferversorgung angestrebten Ziel ein Mißverhältnis auftritt. Die besondere Härte kann nur bejaht werden, wenn für einen Anspruch auf Versorgung nicht alle Tatbestandsmerkmale, die das Gesetz aufstellt, verwirklicht sind und wenn der Antragsteller dadurch besonders hart getroffen wird. Die Ermächtigung des § 89 BVG ist aber auf wenige, unmittelbar aus der Gesetzesanwendung sich ergebende Einzelfälle oder Einzelfallgruppen beschränkt. Ohne die Begrenzung des Verwaltungsermessens auf krasse Ausnahmen wäre die Ermächtigung zum Verwaltungsermessen dazu angetan, die verfassungsmäßigen Grenzen zwischen Gesetzgebung, Rechtsprechung und Verwaltung zu sprengen (vgl Urteil des Senats vom 19. September 1979, SozR 3100 § 89 Nr 8; vgl auch § 31 SGB I). Die fundamentalen Vorschriften des Kriegsopferrechts dürfen durch einen Härteausgleich nicht ausgehöhlt oder umgangen werden (BSGE 47, 123, 125; Rohr/Sträßer, Bundesversorgungsrecht mit Verfahrensrecht, Stand März 1985 Anm 1 zu § 89 BVG; Fehl bei Wilke, Soziales Entschädigungsrecht, 7. Aufl 1992, RdNr 4 zu § 89 BVG).

Bei dem Begriff der "besonderen Härte" handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, dessen Anwendung durch die Gerichte voll zu überprüfen ist (vgl Rohr/Sträßer; BSG aaO und BSGE 36, 143, 144 = SozR Nr 9 zu § 89 BVG). Liegt eine besondere Härte nach den genannten Kriterien vor, so können die Gerichte den Versorgungsträger auch dann zum Erlaß einer Ermessensentscheidung (vgl § 131 Abs 3 Sozialgerichtsgesetz <SGG>) unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts verurteilen, wenn das BMA entgegen der in § 89 Abs 1 und 2 BVG vorgesehenen Regelung seine Zustimmung nicht erteilt hat. Denn die Zustimmung des BMA hat nur verwaltungsinterne Bedeutung; ob sie hätte erteilt werden müssen, wird im Rahmen der gerichtlichen Überprüfung des Ablehnungsbescheides mit geprüft (vgl BSG SozR Nr 38 zu § 75 SGG auf S Da 18 sowie das dort zitierte Urteil vom 12. Dezember 1969 - Az 8 RV 469/67 - Presse-Mitteilung veröffentlicht in VersorgB 1970, 96; ferner BSG SozR 3100 § 56 Nr 1 auf S 2 unten; auch Rohr/Sträßer, aaO Anm 5 zu § 89). Fehlt es dagegen sowohl an der besonderen Härte als auch an der Zustimmung des BMA, so kommt eine Verurteilung des Versorgungsträgers zum Erlaß einer abgelehnten Entscheidung über einen Härteausgleich nicht in Betracht.

So liegt der Fall hier. Zu Recht hat der Beklagte die Übernahme von Kosten im Wege des Härteausgleichs abgelehnt. Eine andere Entscheidung würde den tragenden Grundsätzen des Bundesversorgungsrechts widersprechen, sich insbesondere nicht in den Rahmen der Heilbehandlungsvorschriften einfügen. Gemäß § 10 Abs 1 BVG erhält der Beschädigte Heilbehandlung für Gesundheitsstörungen, die als Folge einer Schädigung anerkannt oder durch eine anerkannte Schädigungsfolge verursacht sind. Schwerbeschädigten wie dem Kläger wird nach § 10 Abs 2 BVG Heilbehandlung aber auch für solche Gesundheitsstörungen gewährt, die nicht als Folge einer Schädigung anerkannt sind. Für den Umfang der Heilbehandlung gilt in beiden Fällen § 11 BVG. Gemäß § 11 Abs 1 Satz 1 BVG umfaßt die Heilbehandlung verschiedene in den Nrn 1 bis 10 der Vorschrift im einzelnen aufgezählte Leistungen. Der Katalog entspricht im wesentlichen demjenigen des § 27 Abs 1 Satz 2 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) für die Krankenbehandlung, nur daß in den Katalog des § 11 Abs 1 Satz 1 BVG die vom Versorgungsträger zu erbringenden Rehabilitationsleistungen einbezogen sind (vgl Rohr/Sträßer, Vorbemerkung zu § 10 BVG). Im übrigen sind für den Umfang der Heilbehandlung die Vorschriften für die Leistungen entsprechend heranzuziehen, zu denen die Krankenkasse ihren Mitgliedern verpflichtet ist, soweit das BVG nichts anderes bestimmt (§ 11 Abs 1 Satz 2 BVG).

Hiernach ist eine Verpflichtung des Versorgungsträgers zur Erbringung von Leistungen der Heilbehandlung ua davon abhängig, daß eine behandlungsbedürftige Gesundheitsstörung vorliegt und daß die begehrten Heilbehandlungsmaßnahmen notwendig sind, um die Gesundheitsstörung zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern (§ 27 Abs 1 Satz 1 SGB V). Diese Vorschrift gilt also auch für die Heilbehandlung nach dem BVG, jedenfalls insoweit, wie das BVG den Vorschriften des SGB V entsprechende Vorschriften enthält. Das ist für diejenigen Vorschriften des BVG, nach denen allein die Leistung von medizinischer Fußpflege in Betracht kommt, der Fall. Denn als ärztlich verordnete Dienstleistung stellt die medizinische Fußpflege ein "Heilmittel" sowohl im Sinne des § 27 Abs 1 Satz 2 Nr 3, § 32 SGB V als auch im Sinne des § 11 Abs 1 Satz 1 Nr 3 BVG dar, weil der Heilmittelbegriff des BVG demjenigen des SGB V entspricht (vgl Höfler, Kass Komm, RdNrn 4 und 10 zu § 32 SGB V; Rohr/Sträßer, aaO, Anmerkung 4 zu § 11 BVG). Jedenfalls insoweit gilt also § 27 Abs 1 Satz 1 SGB V auch für die Heilbehandlung nach dem BVG.

Einer Anwendung des § 27 Abs 1 Satz 1 SGB V stehen hier nicht Vorschriften des BVG entgegen, die den Leistungsrahmen der Heilbehandlung nach dem Versorgungsrecht gegenüber den der Krankenbehandlung nach dem SGB V erweitern. Das gilt insbesondere für § 10 Abs 1 Satz 1 BVG, soweit in der genannten Norm, Zweck und Zielsetzung der Heilbehandlung angesprochen werden, und zwar auch insoweit, als die Zielsetzung der Heilbehandlung über diejenige der Krankenbehandlung im Sinne des SGB V hinausgeht. In § 10 Abs 1 Satz 1 BVG heißt es im einzelnen, daß die Heilbehandlung dem Beschädigten für Gesundheitsstörungen gewährt wird, um diese oder die durch sie bewirkte Beeinträchtigung der Berufs- oder Erwerbsfähigkeit zu beseitigen oder zu bessern, eine Zunahme des Leidens zu verhüten, Pflegebedürftigkeit zu vermeiden, zu überwinden, zu mindern oder ihre Verschlimmerung zu verhüten, körperliche Beschwerden zu beheben, die Folgen der Schädigung zu erleichtern oder um die Beschädigten möglichst auf Dauer in Arbeit, Beruf und Gesellschaft einzugliedern. Aus diesen Zielen, insbesondere aus der Zielsetzung, "die Folgen der Schädigung zu erleichtern", folgt jedoch noch nicht unmittelbar ein Leistungsanspruch. Zur Erreichung des Regelungszwecks bedarf § 10 Abs 1 Satz 1 BVG vielmehr der Umsetzung durch Einzelnormen, wie sie insbesondere in § 11 BVG enthalten sind. Einzelnormen, die einen weitergehenden Anspruch auf Versorgung mit Heilmitteln vorsehen, als er dem Leistungsrahmen der gesetzlichen Krankenversicherung entspricht, fehlen indessen.

Die nach dem Gesagten nach § 11 Abs 1 Satz 2 BVG iVm § 27 Abs 1 Satz 1 SGB V erforderlichen Leistungsvoraussetzungen sind hier nicht erfüllt. Es fehlt nämlich nach den Feststellungen des LSG an einer Gesundheitsstörung, die mit der Fußpflege geheilt, gebessert oder gelindert werden könnte. Die beim Kläger als Schädigungsfolgen anerkannten Gesundheitsstörungen, insbesondere der Verlust des linken Arms, sind mit Maßnahmen der Fußpflege nicht zu beeinflussen. An den Füßen fehlt es nach den Feststellungen des LSG derzeit an einer Gesundheitsstörung überhaupt. Festgestellt und vom Kläger behauptet sind lediglich d r o h e n d e Gesundheitsstörungen (Einwachsen der Zehennägel) bei Unterlassen der Fußpflege. Die Fußpflege stellt eine physiologisch bedingte, in regelmäßigen zeitlichen Abständen bei jedermann notwendig werdende Verrichtung der Körperpflege dar, die normalerweise ohne fremde Hilfe vorgenommen wird. Sie ähnelt damit den "gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens" im Sinne des Rechts der gesetzlichen Pflegeversicherung (§ 14 Abs 1 und 4 Elftes Buch Sozialgesetzbuch <SGB XI> sowie die dazu ergangenen Pflegebedürftigkeits-Richtlinien vom 7. November 1994, geändert am 21. Dezember 1995 - DOK 1996, S 435), mag sie auch nicht täglich, sondern in längeren zeitlichen Intervallen erforderlich sein (vgl BSG USK 94115). Es ist nicht ungewöhnlich, daß das Unterbleiben solcher Verrichtungen zu Gesundheitsstörungen führen kann. Trotzdem gehört es grundsätzlich sowenig zum Leistungsumfang des BVG wie zu dem der gesetzlichen Krankenversicherung, Dienstleistungen durch dritte Personen zu erbringen, mit denen erkrankten Personen einzelne Verrichtungen der Körperpflege abgenommen werden. Derartige Dienste stellen vielmehr Pflegeleistungen dar, die grundsätzlich außerhalb des Rahmens der Heilbehandlung liegen. Ist dem Beschädigten allerdings außerdem eine Vielzahl von Verrichtungen des täglichen Lebens unmöglich geworden, so daß er als hilflos anzusehen ist, so hat er Anspruch auf Pflegezulage (§ 35 BVG, vgl auch die unveröffentlichte Entscheidung des Senats vom 27. Oktober 1982 - 9a RV 14/82 -). Dagegen werden Unbequemlichkeiten und Mehraufwendungen, die dem Beschädigten dadurch entstehen, daß er die "physiologische" Fußpflege, dh eine bestimmte regelmäßig anfallende Einzelverrichtung der Körperpflege, nicht mehr selbst ausführen kann, durch die Grundrente (§ 30 BVG) ausgeglichen (vgl dazu auch Urteile des Senats SozR 3-3100 § 35 Nr 4 und SozR 3-3100 § 89 Nr 3). Denn eine der Hauptfunktionen der Grundrente ist es gerade, Mehraufwendungen und Ausgaben, die ein gesunder Mensch nicht hat, auszugleichen (vgl Schulin in von Maydell/Ruland, Sozialrechtshandbuch, 2. Aufl 1995, Soziales Entschädigungsrecht RdNr 93 auf S 1344; BSGE 50, 243, 245 = SozR 2200 § 180 Nr 5 S 14 mit Nachweisen aus den Gesetzgebungsmaterialien). Hierauf hat die Revision mit Recht hingewiesen. Erst wenn ein bestimmtes, hier unstreitig nicht vorliegendes Ausmaß der Hilfsbedürftigkeit erreicht ist, sind Leistungen zum Ausgleich der dadurch notwendig werdenden Dienstleistungen vorgesehen. Das gilt auch dann, wenn das Unterbleiben bestimmter einzelner der in Nr 3.4.1 der Pflegebedürftigkeits-Richtlinien (aaO) genannten Verrichtungen des täglichen Lebens auf dem Gebiet der Körperpflege (zB die Zahnpflege oder das Duschen) zu Gesundheitsstörungen führen könnte. Diese Überlegungen sind grundsätzlicher Art und lassen keinen Raum für eine Durchbrechung im Wege einer Härteausgleichsregelung.

Dieser Rechtslage entspricht - bei richtiger Auslegung - auch das vom LSG herangezogene Rundschreiben des BMA vom 1. März 1995 (BABl 1995, 5/56). Zwar findet sich darin die Formulierung, "sollte bei Beschädigten wegen der anerkannten Schädigungsfolgen medizinische Fußpflege durch Fußpfleger erforderlich sein, ist diese im Wege des Härteausgleichs in Anwendung des § 18c Abs 3 BVG durch die zuständige Verwaltungsbehörde zu gewähren; entstehende Kosten sind den Behandlern in angemessenem Umfang zu erstatten". Das Rundschreiben muß jedoch im Einklang mit der dargestellten Systematik des BVG ausgelegt werden. Der genannte Satz, insbesondere das darin verwendete Wort "wegen", ist daher so zu verstehen, daß einem Härteausgleich nur für den Fall zugestimmt wird, daß die medizinische Fußpflege wegen einer als Schädigungsfolge anerkannten oder auf einer Schädigungsfolge beruhenden "Gesundheitsstörung an den Füßen" erforderlich ist. Dies hat das BMA durch eine vom SG im anhängigen Verfahren eingeholte Stellungnahme vom 1. Oktober 1996 auch ausdrücklich klargestellt. Hier geht es aber nicht um die Kosten für die Behandlung einer anerkannten oder mittelbaren Schädigungsfolge, sondern - wie schon hervorgehoben - allein um - allerdings durch die anerkannten Schädigungsfolgen verursachte - Mehraufwendungen, die dadurch entstehen, daß bestimmte gewöhnliche und regelmäßig wiederkehrende jedermann treffende Verrichtungen der Körperpflege durch eine fremde Person vorgenommen werden müssen (vgl § 14 Abs 4 Nr 1 SGB XI; Kummer in Schulin, Handbuch des Sozialversicherungsrechts, Band 4 Pflegeversicherungsrecht, § 13 RdNr 62).

Das Rundschreiben des BLVF vom 6. April 1995, insbesondere der darin veröffentlichte Zusatz des BayStMAS vom 31. März 1995, auf den sich das LSG bei seiner Entscheidung gestützt hat, kann zu keiner für den Kläger günstigeren Beurteilung führen. Denn diesem Rundschreiben fehlt als verwaltungsinterner Anordnung jede Außenwirkung. Das Rundschreiben enthält keine normative, also von den Gerichten zu beachtende Regelung. Hinzu kommt, daß § 89 BVG für Härteausgleichsleistungen nicht die Zustimmung des Ministeriums eines Bundeslandes, sondern die des BMA vorschreibt und daß nach dem Revisionsvortrag des Beklagten das BLVF mit Rundschreiben vom Juni 1995 den vom Bayerischen LSG erwähnten Zusatz des BayStMAS vom 31. März 1995 im Einvernehmen mit dem BayStMAS abgeändert hat.

Im Kostenpunkt beruht die Entscheidung auf § 193 SGG.

Ende der Entscheidung

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