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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundessozialgericht
Urteil verkündet am 12.02.2003
Aktenzeichen: B 9 VG 2/02 R
Rechtsgebiete: OEG


Vorschriften:

OEG § 1 Abs 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESSOZIALGERICHT Im Namen des Volkes Urteil

in dem Rechtsstreit

Verkündet am 12. Februar 2003

Az: B 9 VG 2/02 R

Der 9. Senat des Bundessozialgerichts hat auf die mündliche Verhandlung vom 12. Februar 2003 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Loytved, die Richter Prof. Dr. Bürck und Dau sowie die ehrenamtlichen Richterinnen Szopinski und Dr. Theren

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 17. Januar 2002 aufgehoben, soweit er Beschädigtenrente von dem Beklagten zu 2. verlangt.

In diesem Umfang wird die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

Im Übrigen wird die Revision zurückgewiesen.

Gründe:

I

Der Kläger beansprucht als (elterliches) Opfer einer Kindesentziehung Beschädigtenrente nach dem Opferentschädigungsgesetz (OEG) iVm mit dem Bundesversorgungsgesetz (BVG).

Dem Kläger stand zusammen mit seiner geschiedenen Ehefrau das Sorgerecht für die gemeinsame, 1993 geborene Tochter M. zu. Das Recht, über den Aufenthalt des Kindes zu bestimmen, lag beim Jugendamt D. . Am 30. November 1996 brachte der Kläger das bei ihm in D. wohnende Kind nach Berlin zu einem Besuch bei der Mutter. Am nächsten Tag wollte der Kläger M. - wie vereinbart - wieder abholen. Dem widersetzte sich die Mutter mit der Begründung, das Kind sei krank. Die Eltern stritten sich heftig. Die Mutter zerrte an dem Kläger und am Kind. Schließlich einigte man sich auf den 4. Dezember 1996 als neuen Abholtermin. An diesem Tage gelang es dem Kläger zwar, M. - unter erneutem Gezerre - an sich zu nehmen und mit ihr bis auf die Straße zu gehen. Die Eltern stritten sich dort aber weiter über die Herausgabe des Kindes. Herbeigerufene Polizeibeamte trennten dann den Kläger von seinem Kind und übergaben es der Mutter. In deren Wohnung durfte sich der Kläger von M. noch verabschieden. Am 9. und am 12. Dezember 1996 scheiterten Versuche des Klägers, einen inzwischen erwirkten gerichtlichen Herausgabebeschluss vollstrecken zu lassen. Der Aufenthalt von Mutter und Kind ist seither unbekannt.

Im April 1997 beantragte der Kläger bei dem Beklagten zu 1. Entschädigung als Opfer einer Kindesentziehung, die bei ihm zu nicht beherrschbaren Erregungs- und Erschöpfungszuständen geführt habe. Der Beklagte zu 1. lehnte den Antrag ab, weil sich hier der in § 1 Abs 1 Satz 1 OEG geforderte rechtswidrige tätliche Angriff nicht feststellen lasse (Bescheid vom 25. Juni 1998; Widerspruchsbescheid vom 30. März 1999).

Im April 1999 beantragte der Kläger auch bei dem Beklagten zu 2., als Gewaltopfer entschädigt zu werden. Bei Wegnahme des Kindes durch Polizeibeamte habe er körperliche Verletzungen und daraus folgende schwerwiegende seelische Traumata erlitten. Der Beklagte zu 2. lehnte den Antrag mit der Begründung ab: Die bei der Wegnahme des Kindes erlittenen Körperverletzungen hätten keine dauernden Folgen gehabt. Psychische Folgen der Kindesentziehung seien nicht auf einen vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriff zurückzuführen (Bescheid vom 4. Mai 1999; Widerspruchsbescheid vom 30. September 1999).

Das Sozialgericht Dortmund hat die gegen die Entscheidungen beider Beklagten gerichteten Klagen verbunden und durch Urteil vom 23. Mai 2000 abgewiesen. Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung zurückgewiesen (Urteil vom 17. Januar 2002). Es hat im Wesentlichen ausgeführt: Zwar sei der Kläger Opfer einer strafbaren Kindesentziehung geworden, es lägen jedoch nicht die Voraussetzungen des § 1 Abs 1 Satz 1 OEG vor. Die Kindesmutter habe nicht mit Gewalt, sondern mit List und deshalb ohne den erforderlichen Eingriff in die körperliche Integrität des Klägers oder des Kindes gehandelt. Das gewaltsame Vorgehen der Polizisten sei schon nicht rechtswidrig gewesen, allenfalls hätten sich die Polizisten über das Vorliegen eines Rechtfertigungsgrundes geirrt, sodass nach § 1 Abs 1 Satz 2 OEG eine vorsätzliche Gewalttat nicht vorgelegen habe.

Der Kläger macht mit der vom LSG zugelassenen Revision geltend: Das Berufungsurteil verletze § 1 Abs 1 OEG. Als tätlicher Angriff sei bereits das Gezerre an ihm und am Kind einzustufen. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) erfasse § 1 Abs 1 Satz 1 OEG darüber hinaus auch den gewaltlos, aber mit List handelnden Angreifer (BSGE 77, 7, 9 f = SozR 3-3800 § 1 Nr 6). Im Übrigen seien die gewaltsam gegen ihn vorgehenden Polizisten Werkzeug der Mutter gewesen.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Landesozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 17. Januar 2002 sowie das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 23. Mai 2000 aufzuheben und den Beklagten zu 1. unter Aufhebung des Bescheides vom 25. Juni 1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. März 1999 - hilfsweise den Beklagten zu 2. unter Aufhebung des Bescheides vom 4. Mai 1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. September 1999 - zu verurteilen, ihm wegen der Folgen der Gewalttat vom 4. Dezember 1996 Beschädigtenrente nach den Vorschriften des OEG zu gewähren.

Die Beklagten zu 1. und 2. beantragen,

die Revision zurückzuweisen.

Nach Auffassung des Beklagten zu 1. liegt ein tätlicher Angriff iS des OEG nur vor, wenn der Täter in strafbarer Weise die Integrität eines anderen rechtswidrig verletze. Das habe die geschiedene Ehefrau des Klägers nicht getan. Ob in dem Vorgehen der Polizei ein nach § 1 Abs 1 Satz 2 OEG geschützter tätlicher Angriff auf den Kläger gelegen habe, sei im Berufungsurteil zwar offen geblieben. Dieses einmalige Ereignis vom 4. Dezember 1996 komme aber als wesentliche Ursache der beim Kläger jetzt vorliegenden psychischen Erkrankung nicht in Betracht.

Der Beklagte zu 2. verteidigt das angegriffene Urteil.

II

Die Revision des Klägers ist nur zum Teil begründet.

Mit seinem Hauptantrag, also soweit er einen Anspruch auf Beschädigtenrente gegen den Beklagten zu 1. geltend macht, kann der Kläger keinen Erfolg haben.

Das Land Nordrhein-Westfalen ist nach den Umständen des vorliegenden Falles nicht als Kostenträger passiv-legitimiert. Gemäß § 4 Abs 1 Satz 1 OEG ist zur Gewährung der Versorgung das Land verpflichtet, in dem die Schädigung eingetreten ist. Dieses Land soll den Anspruch dem Grunde wie der Höhe nach verwaltungsmäßig feststellen und den Berechtigten in den Genuss der festgestellten Leistungen bringen, und zwar zu eigenen Lasten (Schoreit/Düsseldorf, OEG, 1977, § 4 RdNr 6).

Indem § 4 Abs 1 Satz 1 OEG auf den Eintritt der Schädigung abstellt, knüpft er an ein Tatbestandsmerkmal des § 1 Abs 1 Satz 1 OEG an, der bestimmt: Wer im Geltungsbereich dieses Gesetzes oder auf einem deutschen Schiff oder Luftfahrzeug infolge eines vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffs gegen seine oder eine andere Person oder durch dessen rechtmäßige Abwehr eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat, erhält wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen auf Antrag Versorgung in entsprechender Anwendung der Vorschriften des Bundesversorgungsgesetzes. Zwar kann sich die gesundheitliche Schädigung auch auf die Psyche des Opfers beziehen (vgl zB BSGE 49, 98, 99 = SozR 3800 § 1 Nr 1 S 1 f), sie muss jedoch unmittelbar durch einen tätlichen Angriff verursacht worden sein (vgl BSGE 88, 240, 242 ff = SozR 3-3800 § 1 Nr 20 S 85 ff). Danach kann die vom Kläger behauptete traumatische Schädigung - ausgehend von den berufungsgerichtlichen Tatsachenfeststellungen - nicht in Nordrhein-Westfalen, sondern nur in Berlin eingetreten sein, da sich der Kläger am 4. Dezember 1996 dort aufhielt. Das gilt für äußere Verletzungen durch den von der Polizei an diesem Tage angewendeten körperlichen Zwang (nach Darstellung des Klägers: multiple Verletzungen wie Blutergüsse und Platzwunden) ebenso wie für eine mögliche psychische Schädigung durch diesen Polizeieinsatz; sei es wegen eines tätlichen Angriffs gegen den Kläger selbst, sei es wegen des Miterlebens eines solchen Angriffs auf M. . Für die Kostenträgerschaft und damit für die Passivlegitimation allein des Beklagten zu 2. kommt es hingegen nicht darauf an, dass sich weitere gesundheitliche Folgen eines am 4. Dezember 1996 in Berlin erfolgten schädigenden Psychotraumas erst entwickelt haben mögen, nachdem der Kläger an seinen Wohnort in Nordrhein-Westfalen zurückgekehrt war.

Eine unter § 1 Abs 1 OEG fallende gesundheitliche Schädigung durch einen tätlichen Angriff hätte der Kläger auch dann nicht in Nordrhein-Westfalen erlitten, wenn seine Psyche erst dort infolge andauernder Ungewissheit über das Schicksal seines Kindes verletzt worden sein sollte. In diesem Fall wäre der tätliche Angriff in Berlin zwar als ein Tatmittel der Kindesentziehung - im naturwissenschaftlichen Sinne - notwendige Bedingung für den daraus folgenden Dauerzustand einer ohne weitere Tätlichkeit über Wochen, Monate und mittlerweile Jahre aufrecht erhaltenen Kindesentziehung gewesen. Das würde aber nicht genügen. Vielmehr müsste sich der durch den tätlichen Angriff in Gang gesetzte schädigende Vorgang selbst auf die Zeit des Aufenthaltes des Klägers in Nordrhein-Westfalen erstreckt haben. Davon kann hier nicht ausgegangen werden. Die Gewaltanwendung gegen den Kläger war beendet, als dieser durch die Polizei "erst mal" von seinem Kind getrennt und M. in die Wohnung der Mutter zurückgebracht worden war. Das gilt unabhängig davon, dass die strafbare Kindesentziehung bis heute andauert. Zwar mögen von dieser für sich genommen - allein schon wegen der langen Dauer und der damit verbundenen völligen Ungewissheit über das Schicksal des Kindes - erhebliche Gefahren für die psychische Gesundheit des Klägers ausgehen. Dessen Situation wird insoweit jedoch nicht derart durch die in Berlin erfolgte Gewaltanwendung geprägt, dass der tätliche Angriff als fortwirkend angesehen werden könnte. Dies zeigt sich schon daran, dass sich der Kläger einige Zeit nach den zuletzt auf der Straße erfolgten Tätlichkeiten in der Wohnung seiner geschiedenen Ehefrau von der Tochter verabschieden konnte. Nach den vom Kläger insoweit nicht mit zulässigen Rügen angegriffenen und damit für den erkennenden Senat bindenden Feststellungen des LSG (vgl § 163 SGG) hat die geschiedene Ehefrau des Klägers die Kindesentziehung im Wesentlichen durch List bewirkt. Insoweit unterscheidet sich der vorliegende Sachverhalt von dem Fall, der dem Urteil des BSG vom 24. September 1992 - 9a RVg 5/91 - (NJW 1993, 880) zu Grunde lag. Bei der dort gegebenen gewaltsamen Aussetzung eines behinderten Menschen in unwegsamem Gelände hat der Senat angenommen, dass der schädigende Vorgang bis zur Rettung des Opfers fortgedauert hat, weil in dieser Zeit ein Zustand der Hilflosigkeit mit Gesundheits- und Lebensgefahr bestand und dadurch die Bemühungen des Betroffenen, sich aus dieser Lage zu befreien, den Charakter einer Flucht erhielten.

Zur Begründung eines andauernden schädigenden Vorganges iS des OEG kann sich der Kläger auch nicht mit Erfolg auf die Urteile des BSG vom 7. November 1979 (BSGE 49, 98 = SozR 3800 § 1 Nr 1) und vom 18. Oktober 1995 (BSGE 77, 7 = SozR 3-3800 § 1 Nr 6) berufen. Die Aussagen dieser beiden Entscheidungen betreffen andere Sachverhalte, sie lassen sich nicht zu Gunsten des Klägers auf den vorliegenden Fall übertragen.

In seinem Urteil vom 7. November 1979 ist der Senat zu der Auffassung gelangt, dass eine Mutter, die auf Grund der Nachricht von einem vorsätzlichen rechtswidrigen Angriff gegen ihr Kind (dort: von seiner Ermordung) einen Schockschaden in Gestalt einer dauernden psychischen Gesundheitsstörung erleidet, wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen Anspruch auf Versorgung nach dem OEG hat (vgl BSG aaO). Soweit darin ausgeführt worden ist, das schadenstiftende Geschehen sei gegenüber der Mutter für sich zu betrachten, und zwar unabhängig von dem Ende der Gewalttat gegenüber dem Kinde (BSGE 49, 98,103 = SozR 3800 § 1 Nr 1 S 6), so folgt daraus nicht, dass jede aus dem Verhalten eines anderen herrührende psychische Einwirkung auf einen Menschen unabhängig von dem Vorliegen einer Gewalttat als Schädigung iS des OEG anzusehen wäre (vgl dazu BSGE 87, 276 = SozR 3-3800 § 1 Nr 18). Vielmehr ist den betreffenden Ausführungen lediglich zu entnehmen, dass sich in Schockschadensfällen der schädigende Vorgang in Bezug auf den Angehörigen des Primäropfers solange fortsetzt, bis die Nachricht über die Gewalttat diesen erreicht und bei ihm unmittelbar beeinträchtigende Wirkungen entfaltet. Eine derartige zeitliche Erstreckung kommt hier nicht in Betracht, da der Kläger bei den im Berlin erfolgten Tätlichkeiten persönlich zugegen war und nach den Feststellungen des LSG hinsichtlich der Folgezeit keine Anhaltspunkte für ein gewaltsames Handeln der Kindesmutter gegenüber ihrer Tochter vorliegen.

Wenn der Kläger weiter darauf hinweist, nach der Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 18. Oktober 1995, BSGE 77, 7 = SozR 3-3800 § 1 Nr 6) schließe der Wortlaut des § 1 Abs 1 OEG die Entschädigung nicht in Fällen aus, in denen der Täter mit List vorgegangen sei, so verkennt er, dass daraus nicht der generelle Schluss gezogen werden kann, listiges Handeln stelle in jedem Fall einen schädigenden Vorgang iS des OEG dar. Vielmehr hat der Senat den Rechtsbegriff des tätlichen Angriffs speziell in Fällen eines sexuellen Missbrauchs von Kindern aus Gründen des sozialen und psychischen Schutzes der Opfer (auch vor Gefahren einer sekundären Viktimisierung; vgl zu Konsequenzen dieses Schutzgedankens im OEG auch BMGS, Rundschreiben vom 26. November 2002, BArbBl 2003, Heft 1, 111) unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck des OEG in der Weise ausgelegt, dass er auch ohne Gewaltanwendung die Ausübung des Geschlechtsverkehres eines erwachsenen Mannes mit einem Kind unter 14 Jahren erfasst (vgl dazu auch BSGE 77, 11 = SozR 3-3800 § 1 Nr 7). Die hier vorliegende Kindesentziehung gibt keine Veranlassung zu einer entsprechenden Begriffserweiterung, zumal eine solche Auslegung nicht zum Schutz des betroffenen Kindes geboten ist. Das an sich verständliche Entschädigungsbegehren des Klägers rechtfertigt dies nicht. Es würde zu einer Ausweitung der vom OEG erfassten Tatbestände führen, die mit der auf eine körperliche Gewaltanwendung abstellenden gesetzgeberischen Konzeption unvereinbar wäre (vgl BT-Drucks 7/2506 S 10).

Der gegen den Beklagten zu 2. gerichtete Hilfsantrag des Klägers führt zu einer entsprechenden Aufhebung des angegriffenen Urteils und in diesem Umfang zur Zurückverweisung der Sache an das LSG (§ 170 Abs 2 Satz 2 SGG), weil sich nach den vom Berufungsgericht getroffenen tatsächlichen Feststellungen nicht abschließend entscheiden lässt, ob der Kläger - gegen diesen Beklagten - nach § 1 Abs 1 Satz 1 OEG einen Anspruch auf Beschädigtenrente wegen der Folgen einer durch vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriff erlittenen Schädigung hat.

Der angegriffenen Entscheidung lässt sich allerdings noch entnehmen, dass Polizisten am 4. Dezember 1996 in Berlin körperlichen Zwang gegen den Kläger angewendet haben. "Unter Berücksichtigung des vom Kläger geschilderten Geschehensablaufes" nimmt das LSG ferner eine Schädigung in Form "multipler Verletzungen wie Blutergüssen und Platzwunden" an. Auch die Frage der Rechtswidrigkeit beantwortet das LSG: Es verneint sie unter pauschalem Hinweis auf die vom Kläger geschilderte eskalierte Situation auf der Straße, auf Grund der die Beamten befugt gewesen seien, polizeiliche Gewalt anzuwenden. Der Senat kann nicht überprüfen, ob diese Beurteilung auf der Grundlage des Berliner Polizeirechts zutrifft. Dazu fehlen Einzelheiten über Kreis und Verhalten der beteiligten Personen und über den genauen Ablauf der Ereignisse. Tatsachenfeststellungen hierzu sind nicht etwa deshalb entbehrlich, weil das LSG einen Anspruch des Klägers - hilfsweise - jedenfalls am fehlenden Vorsatz der tätlich eingreifenden Polizisten hat scheitern lassen. Zwar trifft die Auffassung des LSG zu, bei einem Irrtum der Beamten über die polizeirechtliche Rechtfertigung ihres gewaltsamen Vorgehens fehle der Vorsatz. Wie das LSG unter Hinweis auf Rechtsprechung des Senats (SozR 3-3800 § 2 Nr 7) aber selbst ausführt, ist auch das Opfer eines im Erlaubnistatbestandsirrtum und damit nur fahrlässig handelnden Täters nach der besonderen Vorschrift des § 1 Abs 1 Satz 2 OEG in den Schutzbereich dieses Gesetzes einbezogen. Ein derartiger Irrtum des Täters steht mithin einer Entschädigung nicht entgegen.

Sollte das LSG im wieder eröffneten Berufungsverfahren zu dem Ergebnis kommen, die Polizisten hätten (vorsätzlich oder iS von § 1 Abs 1 Satz 2 OEG fahrlässig) rechtswidrig körperlichen Zwang gegen den Kläger angewendet, so wird weiter festzustellen sein, ob dieser an einer - von ihm allein als Schädigungsfolge geltend gemachten - psychischen Krankheit leidet. Ist auch das der Fall, so wird das LSG weiter zu prüfen haben, ob diese Krankheit wahrscheinliche Folge des Ereignisse vom 4. Dezember 1996 ist. Nach der Rechtsprechung des Senats (vgl BSGE 74, 51, 52 ff = SozR 3-3800 § 1 Nr 3; BSGE 77, 1, 2 ff = SozR 3-3800 § 1 Nr 4; BSG SozR 3-3800 § 2 Nr 11) wird sich ein (wahrscheinlicher) Ursachenzusammenhang nur dann feststellen lassen, wenn der Kläger an einer psychischen Krankheit leidet, die nach allgemeinem medizinischen Erfahrungswissen im Anschluss an Vorgänge wie den von ihm erlebten (oder ein vergleichbar schweres psychisches Trauma) gehäuft auftritt.

Das LSG wird auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.

Ende der Entscheidung

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