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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundessozialgericht
Urteil verkündet am 28.04.2005
Aktenzeichen: B 9a/9 VJ 1/04 R
Rechtsgebiete: BVG, BSchAV


Vorschriften:

BVG §§ 30 Abs 3 ff
BSchAV § 4 Abs 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESSOZIALGERICHT Im Namen des Volkes Urteil

in dem Rechtsstreit

Az: B 9a/9 VJ 1/04 R

Der 9a. Senat des Bundessozialgerichts hat ohne mündliche Verhandlung am 28. April 2005 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Loytved, den Richter Masuch und die Richterin Knickrehm sowie die ehrenamtlichen Richterinnen Pathe und Dr. Theren

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 29. Januar 2004 wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander auch für das Revisionsverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Gründe:

I

Der Kläger begehrt Gewährung eines höheren Berufsschadensausgleichs (BSchA) unter Berücksichtigung eines günstigeren Vergleichseinkommens (nach der Besoldungsgruppe <BesGr> R 3 statt nach der BesGr R 2 des Bundesbesoldungsgesetzes <BBesG>) und wendet sich (hilfsweise) gegen das Ruhen dieser Leistung in Höhe des wegen besonderen beruflichen Betroffenseins erzielten Mehrbetrags der Grundrente.

Der am 13. Februar 1943 geborene Kläger erlitt in Folge einer Poliomyelitisimpfung am 8. Februar 1962 eine gesundheitliche Schädigung und bezieht Versorgung nach dem Bundesseuchengesetz (BSeuchG; ab 1. Januar 2001: Infektionsschutzgesetz <IfSG>) iVm dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) wegen folgender anerkannter Schädigungsfolgen:

- Lähmung der rechten Schultermuskulatur und des rechten zweiköpfigen Oberarmmuskels

- Muskelschwund im Bereich des rechten Unterarmes und der rechten Hand (infolge Schädigung des peripher-motorischen Neurons)

- Leichte statische Beeinflussung der Halswirbelsäule

- Postpoliosyndrom

- Muskuläre Überlastung der linken Schulter

- Statische Beeinflussung der oberen Brustwirbelsäule.

Infolge der erlittenen Schädigung konnte er nach dem Abitur im Jahre 1964 den ursprünglich angestrebten Beruf eines katholischen Priesters nicht verwirklichen und absolvierte zunächst - 1964 bis 1968 - eine Verwaltungslehre für den gehobenen Dienst, anschließend - von April 1968 bis Februar 1978 - Jurastudium und Referendariat. Im Juni 1978 trat er in den Richterdienst und wurde im Dezember 1991 zum Richter am Landessozialgericht Berlin (BesGr R 2) ernannt.

Die ursprünglich mit 50 vH festgestellte Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) des Klägers (Bescheid des Versorgungsamts Bayreuth vom 29. September 1972) wurde wegen einer Ver-schlimmerung der Schädigungsfolgen mit Wirkung vom 1. Juli 1993 auf 70 vH und mit Wirkung vom 1. April 1997 auf 80 vH (gemäß § 30 Abs 1 BVG) erhöht (Ausführungsbescheid des Amtes für Versorgung und Familienförderung München I - Versorgungsamt - <im Folgenden: Versorgungsamt München I> vom 20. März 1998). Wegen besonderer beruflicher Betroffenheit wurde die festgestellte MdE ab 1. Juli 1993 jeweils (gemäß § 30 Abs 2 BVG) um 10 Prozentpunkte erhöht (Teilabhilfebescheid des Versorgungsamts München I vom 24. Juli 2001). Nachdem der Beklagte die MdE gemäß § 30 Abs 2 BVG - zunächst im Hinblick auf die vorzeitige Pensionierung des Klägers mit Wirkung vom 1. Januar 2001 um weitere 10 Prozentpunkte (auf insgesamt 100 vH) angehoben hatte (Teilabhilfebescheid des Versorgungsamts München I vom 11. Juni 2002), tat er dies später bereits ab 1. Dezember 1999 mit der Begründung, der Kläger sei ganz außergewöhnlich beruflich betroffen, da er bei gedachtem normalen Verlauf seines Berufslebens in dieser Zeit eine Beförderung in die BesGr R 3 erlangt hätte (Ausführungsbescheid des Versorgungsamts München I vom 11. Juli 2003).

Der Antrag des Klägers vom 12. März 2000 auf Gewährung von BSchA zum frühestmöglichen Zeitpunkt, der mit der schädigungsbedingten Verhinderung eines weiteren beruflichen Aufstiegs in die BesGr R 3 begründet wurde, blieb zunächst ohne Erfolg (Bescheid des Versorgungsamts München I vom 21. September 2000). Auf Widerspruch des Klägers erkannte das Versorgungsamt München I mit Teilabhilfebescheid vom 19. Dezember 2001 wegen eines mit der Versetzung in den Ruhestand eingetretenen schädigungsbedingten Einkommensverlustes ab 1. Januar 2001 einen BSchA an, für dessen Berechnung als Vergleichseinkommen die BesGr R 2 zu Grunde gelegt wurde (Hinweis auf § 4 Abs 2 Berufsschadensausgleichsverordnung <BSchAV>). Im Bescheid vom 15. Januar 2002 berechnete das Versorgungsamt München I den BSchA für die Zeit ab Januar 2001 und stellte den sich aus § 30 Abs 2 BVG ergebenden Mehrbetrag der Grundrente gemäß § 30 Abs 13 BVG ruhend; mit weiteren Bescheiden vom 6. Juni 2002 und 26. Juni 2002 stellte es die Versorgungsbezüge für die Zeit ab 1. Juli 2002 bzw ab 1. Januar 2001 neu fest. Mit Widerspruchsbescheid vom 19. Juli 2002 wies das Amt für Versorgung und Familienförderung München I - Landesversorgungsamt - den Widerspruch gegen den Bescheid vom 21. September 2000 zurück, soweit ihm nicht abgeholfen worden war.

Mit seiner dagegen erhobenen Klage hat der Kläger einen Anspruch auf höheren und früheren BSchA weiterverfolgt. Während des Klageverfahrens erging ein Bescheid vom 6. Juni 2003 über die Neufeststellung der Versorgungsbezüge ab Juli 2003. Mit Urteil vom 29. Januar 2004 hat das Sozialgericht (SG) Berlin die Klage abgewiesen. Es hat zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Die Klage sei hinsichtlich des Hauptantrages (Berücksichtigung der BesGr R 3 als Durchschnittseinkommen) ebenso wie hinsichtlich des Hilfsantrages (Anfechtung der Ruhensanordnung nach § 30 Abs 13 BVG) unbegründet. Dem Kläger stehe auf Grund eines schädigungsbedingten Einkommensverlustes ab 1. Januar 2001 ein BSchA zu, für dessen Berechnung nach § 4 Abs 2 BSchAV als Vergleichseinkommen die BesGr R 2 zu Grunde zu legen sei, da der Kläger trotz des Impfschadens den Beruf des Richters ausgeübt und das 50. Lebensjahr vollendet habe. Die vorzeitige Berufsaufgabe sei wesentlich durch die Schädigungsfolgen mit verursacht. Die begehrte Anwendung der BesGr R 3 sei hingegen gemäß § 4 Abs 2 BSchAV nicht vorgesehen. Nach der vorliegenden ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) sei die pauschalierte Ermittlung der Durchschnittsbesoldung und deren Begrenzung von der gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage des § 30 BVG gedeckt. Die Ruhensregelung in § 30 Abs 13 BVG differenziere nicht hinsichtlich der Erhöhungsgründe des § 30 Abs 2 Buchst a bis c BVG. Das Ruhen berücksichtige den wegen besonderer beruflicher Betroffenheit erzielten Mehrbetrag iS von § 31 Abs 1 Satz 1 BVG und vermeide eine teilweise Doppelkompensation. Durch die Erhöhung der MdE gemäß § 30 Abs 2 BVG um 20 Prozentpunkte ab Dezember 1999 sei die besondere berufliche Betroffenheit des Klägers hinsichtlich der Nichterreichung der BesGr R 3 bereits berücksichtigt worden. Die einzige denkbare Alternative zu der vom Beklagten insoweit maximal zu Gunsten des Klägers angewendeten Verfahrensweise sei eine Änderung des Gesetzes bzw der BSchAV.

Mit seiner vom SG zugelassenen Sprungrevision, deren Einlegung der Beklagte mit Schreiben vom 11. März 2004 zugestimmt hat, rügt der Kläger eine Verletzung von Bundesrecht (insbesondere von § 30 Abs 3 ff BVG sowie § 4 Abs 2 BSchAV). Er trägt dazu vor: Ohne die anerkannten Schädigungsfolgen hätte er ein nach BesGr R 3 besoldetes Richteramt erreicht, wovon auch der Beklagte ausgehe. Werde dies bei Anwendung von § 30 Abs 3 ff BVG, § 4 Abs 2 und § 6 Abs 2 BSchAV nicht berücksichtigt, führe es zu dem unbilligen Ergebnis eines nicht hinreichend ausgeglichenen Einkommensverlusts. Bei Eintritt der Verschlimmerung der Schädigungsfolgen 1993 habe er bereits die BesGr R 2 erreicht gehabt; in der Folgezeit sei er durch die Schädigungsfolgen am weiteren beruflichen Aufstieg gehindert worden. Eine pauschalisierende Nichtberücksichtigung der BesGr R 3 im Rahmen des BSchA verletze die Ermächtigungsgrundlage des § 30 Abs 14 BVG. Die um weitere 10 Prozentpunkte erhöhte MdE stelle im Verhältnis zum Unterschied zwischen beiden BesGr keinen angemessenen Ausgleich dar. Die vom SG herangezogene Rechtsprechung des BSG bedürfe der Überprüfung. Dies gelte besonders in Ansehung des Umstandes, dass es sich bei der Entschädigung von Impfschäden eher um Einzelfälle handele als bei der Entschädigung von Kriegsfolgen.

Ein teilweises Ruhen des BSchA wegen des Mehrbetrages auf Grund besonderer beruflicher Betroffenheit, die auf der Verhinderung des beruflichen Aufstiegs von BesGr R 2 nach R 3 beruhe, sei nicht gerechtfertigt, wenn gerade diese Differenz beim BSchA unberücksichtigt bleibe. Hätte er seinen Beruf als Richter - in der BesGr R 2 - weiter ausüben können, hätte der Beklagte auch die nach § 30 Abs 2 BVG erhöhte Grundrente über den 1. Januar 2001 hinaus zahlen müssen. Auf Grund des schädigungsbedingten vorzeitigen Ausscheidens aus dem Berufsleben beziehe er nicht nur deutlich geringeres Einkommen, sondern es werde ihm auch noch die wegen der verhinderten Beförderung erhöhte Grundrente beim BSchA abgezogen. § 30 Abs 13 BVG enthalte zu Unrecht keine Differenzierung hinsichtlich der Erhöhungsgründe des § 30 Abs 2 Buchst a bis c BVG. Die Annahme einer Doppelkompensation sei unzulässig, da ein doppelter Schaden durch das vorzeitige Ausscheiden und den verhinderten Aufstieg vorliege. Auch hierin zeige sich eine Fehlerhaftigkeit des Systems von Grundrente, Ausgleichsrente und BSchA.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

das Urteil des SG Berlin vom 29. Januar 2004 aufzuheben und den Beklagten unter Änderung der Bescheide vom 21. September 2000, 19. Dezember 2001, 15. Januar 2002, 6. und 26. Juni 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. Juli 2002 sowie des Bescheides vom 6. Juni 2003 zu verurteilen, ihm vom frühestmöglichen Zeitpunkt an höheren BSchA unter Zugrundelegung der BesGr R 3 des BBesG als Vergleichseinkommen zu gewähren,

hilfsweise,

ihm den bewilligten BSchA ohne Feststellung eines Ruhens in Höhe des sich aus seiner besonderen beruflichen Betroffenheit ergebenden Mehrbetrags der Grundrente zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Während des anhängigen Revisionsverfahrens hat der Beklagte gemäß § 48 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) die Bescheide vom 2. April 2004, 7. Mai 2004 und 18. November 2004 zur Neufeststellung der Versorgungsbezüge des Klägers erlassen.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz <SGG>).

II

Die Revision des Klägers ist unbegründet. SG und Beklagter haben es mit Recht abgelehnt, den BSchA des Klägers nach einem Vergleichseinkommen zu berechnen, dem die BesGr R 3 zu Grunde gelegt wird (dazu näher unter 1.). Auch das teilweise Ruhen des BSchA wegen der erhöhten MdE erfolgte zu Recht (dazu näher unter 2.).

Gegenstand des Revisionsverfahrens sind - entgegen ihren Rechtsmittelbelehrungen - nicht die während seines Verlaufs ergangenen Bescheide des Beklagten vom 2. April 2004, 7. Mai 2004 und 18. November 2004; diese gelten gemäß § 171 Abs 2 SGG als mit der Klage beim SG angefochten. Im vorliegenden Rechtsstreit sind mithin nur die davor vom Beklagten erlassenen Verwaltungsakte zu prüfen, soweit sie den streitigen BSchA betreffen (vgl §§ 86, 96 Abs 1 SGG).

1. Entgegen der Auffassung des Klägers hat der Beklagte dessen BSchA zutreffend unter Zugrundelegung eines Vergleichseinkommens nach BesGr R 2 berechnet. Maßgebliche Rechtsgrundlage ist § 30 Abs 3 BVG in der am 1. Juli 1990 in Kraft getretenen Fassung des Gesetzes vom 23. März 1990 (BGBl I 582), geändert durch das Gesetz vom 26. Juni 1990 (BGBl I 1211). Danach gilt:

Rentenberechtigte Beschädigte, deren Einkommen aus gegenwärtiger oder früherer Tätigkeit durch die Schädigungsfolgen gemindert ist, erhalten nach Anwendung des Absatzes 2 einen BSchA in Höhe von 42,5 vom Hundert des auf volle Deutsche Mark nach oben abgerundeten Einkommensverlustes (Absatz 4) oder, falls dies günstiger ist, einen BSchA nach Absatz 6.

a) Die Wendung "nach Anwendung des Absatzes 2" kennzeichnet das Nebeneinander der gemäß § 30 Abs 2 BVG wegen besonderer beruflicher Betroffenheit erhöhten Grundrente und des nach § 30 Abs 3 zu gewährenden BSchA. Beide Formen der Entschädigung besonderer beruflicher Folgen stehen in einem inneren Zusammenhang. Durch die Anwendung des Absatzes 2 aaO können berufliche Schäden ausgeglichen werden, die vom BSchA nicht erfasst werden (vgl Wilke/Förster, Soziales Entschädigungsrecht, 7. Aufl, § 30 BVG RdNr 25); der "besonderen beruflichen Betroffenheit" kommt vor diesem Hintergrund die Bedeutung einer Härtevorschrift zu (Senatsurteil vom 18. Oktober 1995, SozR 3-3100 § 30 Nr 14 S 26, 29), nach der - allerdings auch nur ausnahmsweise - individuelle berufliche Belastungen zur Erhöhung der festgestellten MdE führen können (vgl auch Rohr/Sträßer/Dahm, Bundesversorgungsrecht mit Verfahrensrecht, Handkommentar, § 30 BVG - K 14 f; allgemein zum systematischen Zusammenhang der beiden Entschädigungsformen vgl Wilke/Förster, aaO, RdNr 23 f mwN auch zu den Gesetzesmotiven und Rohr/Sträßer/Dahm, aaO, K 15). BSchA ist auch dann zu zahlen, wenn - anders als im Falle des Klägers - die Voraussetzungen nach § 30 Abs 2 BVG nicht erfüllt werden (vgl BSGE 29, 208, 211 ff = SozR Nr 36 zu § 30 BVG; Senatsurteil vom 21. März 1969 - 9 RV 286/67, BVBl 1970, 23; stRspr; Wilke/Förster, aaO, RdNr 26); ebenso kann - wie hier - ein (allerdings modifizierter) BSchA neben der Grundrentenerhöhung wegen besonderer beruflicher Betroffenheit stehen.

b) Die Berechnung des BSchA in Höhe von 42,5 vH des Einkommensverlustes folgt hier den Regelungen in § 30 Abs 4 BVG.

Die gesetzliche Alternative, einen BSchA nach Absatz 6 zu gewähren, kommt nach dem Wortlaut nur in Betracht, "falls dies günstiger ist"; der einschlägige "Nettovergleich" ist nach den vom Kläger nicht angegriffenen Feststellungen des Beklagten indessen nicht günstiger, sondern führt von vorneherein nicht zur Gewährung eines BSchA (vgl dazu die Vergleichsberechnung im Bescheid vom 26. Juni 2002).

Einkommensverlust ist gemäß § 30 Abs 4 Satz 1 BVG der Unterschiedsbetrag zwischen dem derzeitigen Bruttoeinkommen aus gegenwärtiger oder früherer Tätigkeit zuzüglich der Ausgleichsrente (derzeitiges Einkommen) und dem höheren Vergleichseinkommen. Letzteres errechnet sich gemäß § 30 Abs 5 Satz 1 BVG nach dessen Sätzen 2 bis 6 aus dem monatlichen Durchschnittseinkommen der Berufs- oder Wirtschaftsgruppe, der der Beschädigte ohne die Schädigung nach seinen Lebensverhältnissen, Kenntnissen und Fähigkeiten und dem bisher betätigten Arbeits- und Ausbildungswillen wahrscheinlich angehört hätte. Durch die Bezugnahme auf ein "Durchschnittseinkommen der Berufs- oder Wirtschaftsgruppe" kommt bereits deutlich eine gesetzliche Vorgabe zur Pauschalierung bei der Feststellung des Vergleichseinkommens zum Ausdruck.

§ 30 Abs 14 Buchst a BVG ermächtigt die Bundesregierung, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates zu bestimmen, welche Vergleichsgrundlage und in welcher Weise sie zur Ermittlung des Einkommensverlustes heranzuziehen ist. Die auf dieser Ermächtigungsgrundlage erlassene BSchAV (Fassung vom 16. Januar 1991, BGBl I 136) verweist in ihrem § 2 Abs 1 Satz 1 Nr 2 für Beschädigte im öffentlichen Dienst auf § 4 BSchAV. § 2 Abs 1 und 2 BSchAV gelten auch, wenn der Beschädigte - wie hier der Kläger - die nach diesen Vorschriften in Betracht kommende Tätigkeit ausübt; ein durch die Schädigung verhinderter Aufstieg im Beruf ist zu berücksichtigen (§ 2 Abs 3 BSchAV).

c) Die Begrenzung des maßgeblichen monatlichen Durchschnittseinkommens der einschlägigen Berufsgruppe als Vergleichseinkommen folgt aus dem hier anzuwendenden § 4 Abs 2 BSchAV:

Durchschnittseinkommen ist abweichend von Absatz 1 bei Richtern und Staatsanwälten das Grundgehalt der folgenden Besoldungsgruppe und Lebensaltersstufe des BBesG, und zwar - bis zur Vollendung des 50. Lebensjahres BesGr R 1, Dienstaltersstufe 6 - vom vollendeten 50. Lebensjahr an BesGr R 2, Dienstaltersstufe 10.

Das ermittelte Grundgehalt ist um den Ortszuschlag nach Stufe 2 des BBesG (Anlage V) und um die Stellenzulage nach Vorbemerkung Nr 1a zu der Besoldungsordnung R (Anlage III des BBesG) zu erhöhen.

Damit ist in Fällen wie dem des Klägers ab dem vollendeten 50. Lebensjahr das Vergleichseinkommen auf der Basis der BesGr R 2 und der Dienstalterstufe 10 zu ermitteln; von einer höheren BesGr - hier also R 3, wie es der Kläger im Sinne einer individuellen Schadensermittlung wünscht - darf nicht ausgegangen werden: Ein wahrscheinlich durch die Schädigung verhinderter Berufsaufstieg kann nicht in der Weise berücksichtigt werden, dass nach (zutreffender) Einstufung in die Berufsgruppe als Richter mit dem sich daraus ergebenden Durchschnittseinkommen noch eine - in der BSchAV nicht vorgesehene und damit auch nicht zugelassene - Differenzierung nach (höheren) BesGr vorgenommen wird. Daran hält der Senat auch nach erneuter Prüfung der vorliegenden ständigen Rechtsprechung fest.

Das geltende Recht ist vom Pauschalierungsgrundsatz geprägt, wonach - wie bei der Rente - auch beim BSchA der Gesichtspunkt einer individuellen Entschädigung zu Gunsten eines generalisierten oder pauschalierten Schadensausgleichs zurücktritt (BSGE 27, 69 = SozR Nr 1 zu § 6 DVO zu § 30 Abs 3 und 4 BVG vom 30. Juli 1964). Die einschlägigen Regelungen der BSchAV sind weder systemwidrig noch willkürlich, sie verletzen auch nicht den Grundsatz der Gleichbehandlung nach Art 3 Grundgesetz (Senatsurteil vom 26. November 1968 - 9 RV 724/66 -, KOV 1969, 29 = Praxis 1969, 181 mwN). Wie der Senat dort schon dargelegt hat, führt eine weitere Differenzierung, wie sie vorliegend vom Kläger gewünscht wird, zu einer einseitigen und sozial kaum vertretbaren Begünstigung von Anwärtern auf hohe und höchste Stellen mit entsprechend hoher Besoldung (vgl KOV 1969, 29). Die "Deckelung" durch die vorliegende BSchAV beinhaltet auch keine planwidrige Regelungslücke (Senatsurteil vom 23. Oktober 1985 - 9a RV 39/83 -, VersorgB 1986, 35 mwN); der Verordnungsgeber hat vielmehr eine nach dem Pauschalierungsprinzip zulässige durchschnittliche Besoldung als Vergleichsmaßstab bestimmt, namentlich auch hinsichtlich der Heranziehung der Bundesbesoldungsordnung bei Richtern und Staatsanwälten ab dem 1. Juli 1975.

Etwas anderes folgt nicht aus dem Urteil des BSG vom 28. Juni 1973 (SozR Nr 2 zu § 4 DVO zu § 30 Abs 3 und 4 BVG), wonach die Einstufung der Richter in die BesGr A 14 BBesG seinerzeit - noch - nicht zu beanstanden gewesen ist; daraus lässt sich nicht ableiten, dass eine über die jetzige Einstufung in die BesGr R 2 hinausgehende Höherbewertung angezeigt wäre. Entsprechendes gilt auch für das Urteil des Senats vom 13. August 1986 - 9a RV 12/84 - (VersorgB 1987, 11), das den Fall eines Richters in der BesGr R 1 betrifft, der einen Aufstieg in eine Richterstelle der BesGr R 2 mangels hinreichender Qualifizierung, mithin aus schädigungsunabhängigen Gründen nicht erreicht hatte.

Die von der Revision geforderte, dem Pauschalierungsprinzip widersprechende Begünstigung lässt sich insbesondere auch nicht aus dem Gedanken herleiten, für die - wenigen - Impfschadensfälle müssten wegen insoweit bestehender Besonderheiten andere Maßstäbe als für die große Zahl der Kriegsopfer gelten. Soweit Gesetze, wie hier das BSeuchG bzw das IfSG - vergleichbar insbesondere dem Soldatenversorgungsgesetz, Häftlingshilfegesetz oder Opferentschädigungsgesetz -, hinsichtlich der zu erbringenden Versorgung für gesundheitliche Schädigungen jeweils auf das BVG ("in entsprechender Anwendung") verweisen, müssten sich die Gründe für eine abweichende Auslegung der maßgeblichen Vorschriften dem jeweiligen Ausgangsgesetz entnehmen lassen. Das ist im vorliegenden Zusammenhang nicht ersichtlich. Allein der (quantitative) Gesichtspunkt der kleinen Zahl rechtfertigt keine andersartige Festlegung des Versorgungsumfangs oder differenziertere Schadensermittlung samt des damit einhergehenden höheren Verwaltungsaufwands im Einzelfall. Für eine (qualitative) Differenzierung im Hinblick auf die hier einschlägige Schädigungsursache lässt die Revision im Übrigen jegliche Begründung vermissen.

d) Eine Ermittlung des Durchschnittseinkommens in besonderen Fällen, wie sie in § 6 BSchAV vorgesehen ist, scheitert schon an den Voraussetzungen. Eine Höherstufung in das Endgrundgehalt einer seiner erreichten Stellung angemessenen Besoldungsgruppe (§ 6 Abs 1 Satz 1 BSchAV) kommt nach dem Wortlaut des § 6 Abs 2 Satz 5 BSchAV für Richter nur zum Zuge, solange sie das 47. Lebensjahr noch nicht vollendet haben. Daraus folgt zwingend, dass bei Beschädigten, die - wie der Kläger - nach Vollendung des 47. Lebensjahres tatsächlich in die höhere BesGr eingestuft worden sind, von da ab ein höherer BSchA durch Anwendung eines erhöhten Durchschnittseinkommens nicht mehr geleistet werden soll. Keinesfalls ermöglicht diese Bestimmung die Zugrundelegung eines Vergleichseinkommens nach BesGr R 3. Diese Folge gilt im Übrigen auch unbeschadet der Bedenken, die sich angesichts des Regelungsinhalts von § 6 Abs 2 Satz 5 BSchAV einstellen könnten: Während durch die Erste Verordnung zur Änderung der BSchAV vom 16. Januar 1991 (BGBl I 136) die Altersgrenze für das Durchschnittseinkommen (§ 4 Abs 2 Satz 1 aaO) vom 47. auf das vollendete 50. Lebensjahr angehoben worden ist, blieb dieser Schritt bei § 6 Abs 2 Satz 5 BSchAV unberücksichtigt. Die Anhebung des Lebensalters war damit begründet worden, auf Grund von statistischem Material über die Zahl der Richter und Staatsanwälte und Vertreter des öffentlichen Interesses per Stichtag 1. Januar 1989 habe sich ergeben, dass Richter und Staatsanwälte regelmäßig bis zum 50. Lebensjahr in der BesGr R 1 verblieben; wegen der Veränderung der Lebensaltersschnittstelle (50. statt 47. Lebensjahr) sei auch von einer höheren Lebensaltersstufe auszugehen; die Veränderungen seien überwiegend auf eine längere Ausbildungsdauer und den damit verbundenen späteren Berufseinstieg zurückzuführen (vgl BR-Drucks 719/90 S 17 f). Die genannte Begründung der Anhebung hätte es bei konsequenter Handhabung nahe gelegt, auch in § 6 Abs 2 Satz 5 BSchAV entsprechend vorzugehen und die Lebensaltersschnittstelle auf das 50. Lebensjahr anzuheben.

2. Auch der Hilfsantrag des Klägers ist unbegründet. Gemäß § 30 Abs 13 Satz 1 BVG (Fassung vom 23. März 1990, BGBl I 582) gilt:

Ist die Grundrente wegen besonderen beruflichen Betroffenseins erhöht worden, so ruht der Anspruch auf BSchA in Höhe des durch die Erhöhung der Grundrente nach § 31 Abs 1 Satz 1 erzielten Mehrbetrags.

SG und Beklagter haben zutreffend entschieden, dass diese Ruhensregelung in vollem Umfang greift. Die Grundrente des Klägers ist wegen seines besonderen beruflichen Betroffenseins für die Zeit ab Dezember 1999 nach einer um 20 Prozentpunkte höheren MdE als der gemäß § 30 Abs 1 BVG festgesetzten (80 vH) gewährt worden, nachdem diese Erhöhung zunächst wegen des vorzeitigen Ausscheidens aus dem Richteramt nur ab Januar 2001 erfolgt war (vgl § 30 Abs 2 Satz 2 Buchst a BVG). Die vom Beklagten ab Dezember 1999 getroffene Festsetzung der MdE beruhte ausdrücklich auf der Regelung in § 30 Abs 2 Satz 2 Buchst c BVG, wonach von einer besonderen beruflichen Betroffenheit besonders dann auszugehen ist, wenn der rentenberechtigte Beschädigte in Folge der Schädigung nachweisbar am weiteren Aufstieg in seinem Beruf gehindert ist. Die hier geltend gemachten Umstände der individuellen beruflichen Betroffenheit sind bei der MdE-Bemessung - unstreitig - in ganzer Breite eingeflossen. Anders als der Kläger zu meinen scheint (vgl etwa S 9, 2. und 5. Abs, S 10, 3. Abs der Revisionsbegründung), wird ihm diese Leistung auch nicht etwa vorenthalten, sondern die Grundrente in voller Höhe nach der MdE um 100 vH ausgekehrt. Allerdings lässt dies die Höhe des BSchA nicht unberührt, sondern führt zur "Anrechnung" des Mehrbetrags der Grundrente auf den BSchA.

Hinsichtlich des sich gemäß § 31 Abs 1 Satz 1 BVG errechnenden Mehrbetrags der Grundrente gehen SG und Beklagter zutreffend davon aus, dass eine Differenzierung nach den Gründen der besonderen beruflichen Betroffenheit (§ 30 Abs 2 Satz 2 Buchst a, b oder c BVG) in § 30 Abs 13 Satz 1 BVG nicht vorgesehen ist (vgl dazu BSG vom 23. Juli 1970 - 8 RV 269/68 -, KOV 1971, 143; Wilke/Förster, aaO, RdNr 45 mwN). Das Begehren der Revision, die Ruhensbestimmung im Hinblick auf die genannten Umstände teleologisch zu reduzieren, ist schon mit dem klaren Gesetzeswortlaut nicht zu vereinbaren; auch die systematische Nähe der Regelungen in § 30 Abs 2 und 13 BVG schließt es aus, im Wege der Auslegung der letztgenannten Bestimmung eine abweichende Lösung zu suchen. Letztlich besteht der von der Revision gegen das teilweise Ruhen des BSchA angeführte Wertungswiderspruch nicht, im Gegenteil: Mit der Einführung der Ruhensregelung 1977 wurde verdeutlicht, dass die "Anrechnung" des Mehrbetrags der Grundrente den Anspruch auf BSchA dem Grunde nach nicht beeinträchtigt (vgl Wilke/Förster, aaO, RdNr 45), mithin die Gewährung von BSchA nicht schon wegen der erhöhten Grundrente ausgeschlossen ist. Beide "Systeme" der Entschädigung der beruflichen Betroffenheit stehen folglich nebeneinander, ohne sich vollends zu verdrängen, zugleich aber in einem Zusammenhang, der eine Obergrenze der Gesamtversorgung beachtet. Der Kläger kann deshalb nicht zusätzlich eine Leistung von BSchA in voller Höhe verlangen, sondern muss sich bei dessen Ermittlung das für ihn günstige Ergebnis der "Anwendung des Abs 2" anrechnen lassen. Damit erreicht der Kläger eine optimale Entschädigung seiner besonderen beruflichen Betroffenheit bis zu einer Obergrenze, die durch das systematische Zusammenwirken von MdE-Erhöhung gemäß § 30 Abs 2 BVG und BSchA gemäß § 30 Abs 3 ff BVG vorgegeben ist. Ein Überschreiten der dem BSchA immanenten Grenze durch die geforderte Anrechnungsfreiheit des Mehrbetrags der erhöhten Grundrente ist nicht zulässig. Denn "ungekürzter", also zusätzlich zum Mehrbetrag gemäß § 30 Abs 2, § 31 Abs 1 BVG gewährter BSchA enthielte praktisch doch eine "R 3-spezifische" Komponente. Eine Nichtanwendung des § 30 Abs 13 BVG auf den Mehrbetrag der Grundrente liefe hier im Ergebnis auf einen höheren, den individuellen Berufsschaden des Klägers berücksichtigenden BSchA - und damit auf eine Umgehung von Recht und Gesetz - hinaus. Eine solche Ausnahme müsste, worauf das SG schon hingewiesen hat, vom Gesetzgeber selbst zugelassen werden und könnte nicht Ergebnis richterrechtlicher Rechtsfortbildung sein.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Ende der Entscheidung

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