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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverfassungsgericht
Beschluss verkündet am 02.07.2004
Aktenzeichen: 1 BvR 1335/04
Rechtsgebiete: GG


Vorschriften:

GG Art. 12 Abs. 1
GG Art. 2 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT

- 1 BvR 1335/04 -

In dem Verfahren

über

die Verfassungsbeschwerde

1. des Herrn K...,

2. der Frau R...

1. unmittelbar gegen

a) den Beschluss des Hamburgischen Oberverwaltungsgerichts vom 4. Mai 2004 - 3 Bs 172/04 -,

b) den Beschluss des Hamburgischen Oberverwaltungsgerichts vom 4. Mai 2004 - 3 Bs 173/04 -,

2. mittelbar gegen die Teil-Studienordnung für Anglistik und Amerikanistik des Fachbereichs Sprach-, Literatur- und Medienwissenschaft der Universität Hamburg vom 8. Mai 2002 (Amtlicher Anzeiger S. 3144)

und Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung

hat die 2. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch die Richterin Jaeger und die Richter Hömig, Bryde am 2. Juli 2004 einstimmig beschlossen:

Tenor:

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.

Damit erledigt sich zugleich der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung.

Gründe:

I.

Die Beschwerdeführer erstreben im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Teilnahme an sprachpraktischen Lehrveranstaltungen des Englisch-Grundstudiums, ohne zuvor mittels einer Eingangsprüfung das Vorhandensein ausreichender Sprachkenntnisse nachweisen zu müssen.

1. Die Beschwerdeführer sind an der Universität Hamburg im Studiengang Lehramt für die Oberstufe im Fach Englisch eingeschrieben. Beide nahmen ohne Erfolg an einer Spracheignungsprüfung teil, die Voraussetzung für die Teilnahme an einigen sprachpraktischen Lehrveranstaltungen des Grundstudiums ist. Ihnen wurde daher die Kursteilnahme in diesen Fächern verweigert.

Die Beschwerdeführer haben daraufhin beim Verwaltungsgericht jeweils Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt, mit dem sie erstreben, bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung im Hauptsacheverfahren zur Teilnahme an den fraglichen Kursen auch ohne bestandene Eingangsprüfung zugelassen zu werden. Das Verwaltungsgericht hat den Anträgen stattgegeben. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung erscheine zur Abwendung wesentlicher Nachteile für den Studienfortschritt der Beschwerdeführer geboten; anderenfalls verzögere sich der Übergang in das Hauptstudium unzumutbar. Den Beschwerdeführern stehe auch ein Anordnungsanspruch zu. Die Studienordnung, auf deren Grundlage der Spracheingangstest durchgeführt werde, sei verfahrensfehlerhaft erlassen worden und deshalb nichtig. Nach den Vorschriften des Hamburgischen Hochschulgesetzes hätte über ihren Erlass der Fachbereichsrat zu entscheiden gehabt. Eine entsprechende Entscheidung sei jedoch nicht erfolgt. Auch fehle es an der erforderlichen Mitwirkung des Hochschulsenats.

Gegen diese Entscheidungen hat die Universität erfolgreich Beschwerde eingelegt. Das Oberverwaltungsgericht hat die Beschlüsse des Verwaltungsgerichts jeweils abgeändert und den Antrag der Beschwerdeführer abgelehnt. Es sei schon zweifelhaft, ob ein Anordnungsgrund bejaht werden könne. Zwar verlängere sich möglicherweise das Studium der Beschwerdeführer, wenn sie von den fraglichen Englischveranstaltungen zunächst bis zur Entscheidung in der Hauptsache ausgeschlossen würden. Dies sei jedoch nicht unzumutbar, denn die Beschwerdeführer seien nicht gehindert, alle übrigen für ihr Studium erforderlichen Lehrveranstaltungen zu besuchen. In jedem Falle fehle es jedoch an einem Anordnungsanspruch. Es lasse sich bei summarischer Prüfung nicht mit der erforderlichen hohen Wahrscheinlichkeit feststellen, dass die in Frage stehende Studienordnung nicht wirksam erlassen worden sei. Bedenken hinsichtlich der materiellen Rechtmäßigkeit der Teil-Studienordnung seien ebenfalls nicht ersichtlich. Nach § 52 Abs. 4 Satz 3 des Hamburgischen Hochschulgesetzes vom 18. Juli 2001 (GVBl S. 171) könne der Zugang zu einzelnen Lehrveranstaltungen von bestimmten Voraussetzungen abhängig gemacht werden. Es sei nicht zu erkennen, dass die Antragsgegnerin von dieser Regelungsbefugnis in einer nicht dem Gesetzeszweck entsprechenden Weise Gebrauch gemacht habe. Die Regelung dürfte vielmehr gerade dazu dienen, den Hochschulen zu ermöglichen, nicht ausreichend qualifizierten Studierenden den Zugang zu einzelnen Lehrveranstaltungen zu verwehren.

2. Mit ihrer jeweils gegen die ablehnenden Beschlüsse des Oberverwaltungsgerichts gerichteten Verfassungsbeschwerde rügen die Beschwerdeführer insbesondere eine Verletzung von Art. 12 Abs. 1 GG (so der Beschwerdeführer zu 1) beziehungsweise (so die Beschwerdeführerin zu 2 als Nicht-Deutsche) mit derselben Begründung eine Verletzung von Art. 2 Abs. 1 GG.

Es fehle am Vorliegen einer rechtmäßigen gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage. Die durch die Universität eingeführte Studienordnung sei schon formell fehlerhaft erlassen worden. Insbesondere liege aber ein Verstoß gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz vor. Der Sprachtest sei nicht von wichtigen Gemeinwohlinteressen getragen. Offensichtlich gehe es der Universität lediglich darum, die Zahlen der Kursteilnehmer zu begrenzen und ein gewisses Kursniveau zu sichern. Zudem gebe es mildere Mittel festzustellen, ob jemand für ein Englischstudium geeignet sei. Insoweit komme beispielsweise eine studienbegleitende Prüfung in Betracht. Schließlich sei der fragliche Eingangstest nicht angemessen. Er beschränke sie unzumutbar, ohne dass dies aus der Sicht der Universität unverzichtbar sei.

3. Zugleich mit ihrer Verfassungsbeschwerde haben die Beschwerdeführer Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt, mit der sie die vorläufige Zulassung zu den sprachpraktischen Kursen mit anschließender Prüfung begehren.

II.

Die Voraussetzungen des § 93 a Abs. 2 BVerfGG für eine Annahme der Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung liegen nicht vor, weil die Verfassungsbeschwerde unzulässig ist. Ihrer Zulässigkeit steht der in § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG zum Ausdruck kommende Grundsatz der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde entgegen.

1. Zwar ist der Rechtsweg im Ausgangsverfahren erschöpft. Mit den Beschlüssen des Oberverwaltungsgerichts liegt jeweils eine das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes abschließende letztinstanzliche Entscheidung vor (vgl. § 152 VwGO). Doch kann der Grundsatz der Subsidiarität in solchen Fällen zur Unzulässigkeit der Verfassungsbeschwerde führen, wenn Verfassungsverstöße gerügt werden, die sich nicht speziell auf das Eilverfahren beziehen, sondern Fragen aufwerfen, die sich genau so auch im Hauptsacheverfahren stellen, so dass dieses geeignet ist, der behaupteten verfassungsrechtlichen Beschwer abzuhelfen (vgl. BVerfGE 77, 381 <401>; 80, 40 <45>; 93, 1 <12>). Allerdings darf ein Beschwerdeführer nicht auf das Verfahren der Hauptsache verwiesen werden, wenn die Verletzung von Grundrechten durch die Eilentscheidung selbst geltend gemacht wird oder wenn die Entscheidung von keiner weiteren tatsächlichen oder einfachrechtlichen Aufklärung abhängt und die Voraussetzungen gegeben sind, unter denen gemäß § 90 Abs. 2 Satz 2 BVerfGG vom Erfordernis der Rechtswegerschöpfung abgesehen werden kann (vgl. BVerfGE 79, 275 <279>; 93, 1 <12>).

2. Danach haben die Beschwerdeführer hier zunächst den Hauptsacherechtsweg zu beschreiten.

a) Die Verfassungsbeschwerde hat mit den geltend gemachten Grundrechtsverstößen ausschließlich Rügen zum Gegenstand, die nicht speziell die im Ausgangsverfahren ergangenen Eilentscheidungen betreffen, sondern sich auf verlässlicher Grundlage erst nach Durchführung des fachgerichtlichen Hauptsacheverfahrens beurteilen lassen. Denn es besteht insoweit in einfachrechtlicher Hinsicht noch zusätzlicher Aufklärungsbedarf. Die Beschwerdeführer werfen mit ihrem Vorbringen die Frage auf, ob die erlassene Studienordnung eine hinreichende Rechtsgrundlage für die Durchführung von Sprachprüfungen als Voraussetzung für die Teilnahme an bestimmten Grundstudiumskursen darstellt. Sie ziehen dies sowohl in formeller wie in materieller Hinsicht in Zweifel. Die Gerichte haben sich mit der Beantwortung dieser Frage bislang lediglich in summarischer Prüfung auseinander gesetzt. Insbesondere die Frage, ob ein Spracheingangstest wie der vorliegende materiell rechtmäßig ist, ist durch die Fachgerichte umfassend - auch im Hinblick auf die durch die Beschwerdeführer als verletzt gerügten Grundrechte - zu klären.

b) Es ist für die Beschwerdeführer schließlich trotz des Fortschreitens der Zeit und der damit verbundenen möglichen Verzögerung des Studienfortgangs nicht unzumutbar, auf den Abschluss des Hauptsacheverfahrens verwiesen zu werden.

Das Ergebnis der Hauptsache ist offen. Es ist denkbar, dass auch nach abschließender fachgerichtlicher Klärung der Rechtslage das Vorschalten einer Spracheingangsprüfung rechtlich nicht zu beanstanden ist. Das Ziel, Studierende frühzeitig von einem langjährigen Studium abzuhalten, für das sie sich als nicht geeignet erweisen, kommt jedenfalls als wichtiger Gemeinwohlbelang in Betracht, nicht zuletzt, weil eine solche Regelung im Ergebnis auch den betroffenen Studierenden dient, die sich noch rechtzeitig beruflich umorientieren können. Dass eine solche Regelung auch dem Gemeinwohl dienen soll, indem die überprüften Mindestkenntnisse der Teilnehmer ermöglichen, dass Universitätskurse das ihnen angemessene Niveau erreichen, kann nicht ernsthaft in Frage gestellt werden.

Zweifelhaft ist allenfalls, ob die Spracheingangsprüfung auf der Grundlage einer Studienordnung durchgeführt werden durfte, die wie die vorliegende verfahrensrechtlich nicht auf dem üblichen Wege erlassen wurde. Selbst wenn jedoch die Studienordnung im Hauptsacheverfahren als formell rechtswidrig qualifiziert werden sollte, so ist nicht unmittelbare Konsequenz, dass die Beschwerdeführer ohne Sprachprüfung an den fraglichen Grundkursen teilnehmen dürfen. Die Gerichte werden insbesondere zu überprüfen haben, ob der Universität nicht innerhalb einer Übergangsfrist die Möglichkeit zur Nachbesserung beziehungsweise zum Neuerlass einer formell rechtmäßigen Studienordnung einzuräumen ist, die Wirkung auch für die Beschwerdeführer zeitigte.

Ferner ist dem Oberverwaltungsgericht darin zuzustimmen, dass das Abwarten einer Entscheidung in der Hauptsache die Beschwerdeführer auch deshalb nicht unzumutbar schwer trifft, weil ihnen zwar die Teilnahme mit anschließendem Scheinerwerb in zwei sprachpraktischen Veranstaltungen des Grundstudiums verwehrt wird, sie dadurch jedoch von der Fortsetzung ihres Studiums im Übrigen nicht grundsätzlich ausgeschlossen sind.

Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 93 d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG angesehen.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 93 d Abs. 1 Satz 2 BVerfGG).



Ende der Entscheidung

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