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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverfassungsgericht
Beschluss verkündet am 20.08.2003
Aktenzeichen: 1 BvR 1354/03
Rechtsgebiete: GG, BVerfGG


Vorschriften:

GG Art. 2 Abs. 1
BVerfGG § 93 a
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT

- 1 BvR 1354/03 -

In dem Verfahren über die Verfassungsbeschwerde

gegen

den Beschluss des Oberlandesgerichts Hamm vom 29. Mai 2003 - 2 WF 142/03 -

und Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung von Rechtsanwalt Ingo Alberti in Delbrück

hat die 3. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch den Präsidenten Papier, den Richter Steiner und die Richterin Hohmann-Dennhardt gemäß § 93 b in Verbindung mit § 93 a BVerfGG in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. August 1993 (BGBl I S. 1473)

am 20. August 2003 einstimmig beschlossen:

Tenor:

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung von Rechtsanwalt Alberti wird abgelehnt.

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.

Gründe:

I.

Der 15-jährige Beschwerdeführer wendet sich mit seiner Verfassungsbeschwerde gegen die Weigerung der Gerichte, ihm in dem Sorgerechtsstreit seiner Eltern die Stellung eines formell Beteiligten einzuräumen mit der Möglichkeit, Anträge zu stellen und insbesondere einen Rechtsanwalt mit seiner Interessenwahrnehmung zu beauftragen.

Der von dem Beschwerdeführer beauftragte Rechtsanwalt beantragte, dem Beschwerdeführer unter seiner Beiordnung Prozesskostenhilfe zu bewilligen sowie Akteneinsicht zu gewähren. Mit Beschluss vom 15. April 2003 wies das Amtsgericht den Antrag zurück. Der hiergegen eingelegten Beschwerde half es nicht ab. Der Beschwerdeführer sei im erstinstanzlichen Verfahren nicht prozess- beziehungsweise verfahrensfähig. Die Beauftragung eines Rechtsanwalts habe mangels Geschäftsfähigkeit nicht erfolgen können. Eine wirksame gesetzliche Vertretung bei der erfolgten Beauftragung des Rechtsanwalts durch beide sorgeberechtigte Elternteile sei nicht gegeben. Zwar könne ein Kind, das das 14. Lebensjahr vollendet habe, im Beschwerdeverfahren formell Beteiligter sein und insoweit als prozessfähig angesehen werden. Aus dieser Norm ließe sich indes nicht herleiten, dass ein solches Kind im erstinstanzlichen Verfahren als Beteiligter hinzugezogen werden müsse. Durch seine Anhörung sei der Beschwerdeführer hinreichend beteiligt worden.

Mit Beschluss vom 29. Mai 2003 verwarf das Oberlandesgericht die durch den Rechtsanwalt namens des Beschwerdeführers erhobene Beschwerde gegen den amtsgerichtlichen Beschluss.

Gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts vom 29. Mai 2003 hat der Beschwerdeführer Verfassungsbeschwerde erhoben. Er rügt unter anderem die Verletzung seines Grundrechts aus Art. 2 Abs. 1 GG.

II.

Die Voraussetzungen für die Annahme der Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung liegen nicht vor (§ 93 a BVerfGG). Die Verfassungsbeschwerde hat keine Aussicht auf Erfolg.

Die angegriffene Entscheidung des Oberlandesgerichts verletzt den Beschwerdeführer nicht in seinen Grundrechten. Der von Verfassungs wegen gebotenen hinreichenden Berücksichtigung der grundrechtlichen Stellung des Beschwerdeführers in dem Sorgerechtsverfahren seiner Eltern dient das Institut des Verfahrenspflegers gemäß § 50 FGG.

1. a) Jede gerichtliche Lösung eines Konflikts zwischen Eltern, die sich auf die Zukunft des Kindes auswirkt, muss auf das Wohl des Kindes ausgerichtet sein und das Kind in seiner Individualität als Grundrechtsträger berücksichtigen (vgl. BVerfGE 37, 217 <252>). Wegen seiner sich aus Art. 6 Abs. 2 Satz 2 und Art. 2 Abs. 1 GG ergebenden Schutzpflichten hat der Staat für sorgerechtliche Verfahren in materiell- und verfahrensrechtlicher Hinsicht normative Regelungen zu schaffen, die eine hinreichende Berücksichtigung der grundrechtlichen Stellung des betroffenen Kindes garantieren (vgl. BVerfGE 55, 171 <179>; 72, 122 <134>; 99, 145 <162 f.>).

b) Mit der Einführung des Verfahrenspflegers ("Anwalt des Kindes") gemäß § 50 FGG, der durch das am 1. Juli 1998 in Kraft getretene Kindschaftsrechtsreformgesetz vom 16. Dezember 1997 (BGBl I S. 2942) in das FGG eingefügt worden ist, ist der Gesetzgeber dieser Verpflichtung nachgekommen. Nach § 50 Abs. 1 FGG kann das Gericht dem minderjährigen Kind einen Pfleger für ein seine Person betreffendes Verfahren bestellen, soweit dies zur Wahrnehmung seiner Interessen erforderlich ist. Mit der Einführung des Verfahrenspflegers wollte der Gesetzgeber verhindern, dass das Kind zum "bloßen Verfahrensobjekt" wird (vgl. BTDrucks 13/8511, S. 68 f.; 13/4899, S. 129 ff.), da es im Sorgerechtsverfahren - mit Ausnahme des Beschwerdeverfahrens ab Vollendung des 14. Lebensjahres - nicht formell beteiligt wird (vgl. OLG Hamm, FamRZ 2002, 1127; OLG München, FamRZ 1978, 614 <616 f.>; BTDrucks 13/8511, S. 68 f.; 13/4899, S. 129 ff.) und somit auch kein eigenes Antragsrecht hat. Durch den Verfahrenspfleger wird zudem sichergestellt, dass der Minderjährige an dem Verfahren in einer Weise beteiligt wird, die es ihm ermöglicht zu entscheiden, ob er von seinem Beschwerderecht nach § 59 FGG Gebrauch macht.

c) Auch wenn der Gesetzgeber in § 50 FGG ein Antragsrecht des Kindes nicht ausdrücklich vorgesehen hat, ist die grundrechtliche Stellung des betroffenen Kindes jedoch hinreichend berücksichtigt, da es eine Bestellung zumindest anregen kann. Bei der anschließenden von Amts wegen durchzuführenden Prüfung haben die Fachgerichte die grundrechtliche Stellung des Kindes gemäß Art. 6 Abs. 2 Satz 2 und Art. 2 Abs. 1 GG gebührend zu berücksichtigen. Ob dies vorliegend geschehen ist, lässt sich indes nicht feststellen. Der Beschwerdeführer hat weder vorgetragen, dass er die Bestellung eines Verfahrenspflegers begehrt hat, noch hat er dargelegt, ob eine Entscheidung über eine solche Bestellung überhaupt erfolgt ist.

2. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Verfassungsbeschwerdeverfahren war mangels Erfolgsaussicht in der Hauptsache analog § 114 ZPO abzulehnen (vgl. BVerfGE 79, 252, 253).

Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (§ 93 d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG).

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

Ende der Entscheidung

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