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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverfassungsgericht
Beschluss verkündet am 01.03.2004
Aktenzeichen: 1 BvR 1454/02
Rechtsgebiete: BVerfGG, AAÜG, SGB VI, GG


Vorschriften:

BVerfGG § 90 Abs. 2 Satz 1
BVerfGG § 93 a
BVerfGG § 93 a Abs. 2
BVerfGG § 93 b
BVerfGG § 93 d Abs. 1 Satz 3
AAÜG § 6 Abs. 1
AAÜG § 6 Abs. 2
AAÜG § 6 Abs. 3
SGB VI § 307 a
GG Art. 20 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT

- 1 BvR 766/01 - - 1 BvR 1454/02 -

In den Verfahren

über

die Verfassungsbeschwerden

gegen a) den Beschluss des Bundessozialgerichts vom 21. März 2001 - B 4 RA 150/00 B -,

b) das Urteil des Landessozialgerichts für das Land Brandenburg vom 6. Juni 2000 - L 2 RA 186/99 -,

c) das Urteil des Sozialgerichts Cottbus vom 11. Mai 1999 - S 13 RA 302/97 (3) -,

d) den Widerspruchsbescheid der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte vom 12. Mai 1997 - 44 281023 S 005/4570 SG -,

e) den Bescheid der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte vom 19. November 1996 - 44 282023 S 005/4570 -

- 1 BvR 766/01 -

den Beschluss des Bundessozialgerichts vom 27. Mai 2002 - B 4 RA 79/01 B -

und Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand

- 1 BvR 1454/02 -

hat die 3. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch den Präsidenten Papier, den Richter Steiner und die Richterin Hohmann-Dennhardt gemäß § 93 b in Verbindung mit § 93 a BVerfGG in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. August 1993 (BGBl I S. 1473) am 1. März 2004 einstimmig beschlossen:

Tenor:

Die Verfassungsbeschwerden werden zur gemeinsamen Entscheidung verbunden.

Die Verfassungsbeschwerden werden - unbe-schadet der Entscheidung über den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand - nicht zur Entscheidung angenommen.

Gründe:

I.

Der Beschwerdeführer verlangt, dass ihm für Zeiten der Verfolgung nach dem Beruflichen Rehabilitierungsgesetz Rentenwerte über diejenigen hinaus anerkannt werden, die dieses Gesetz in pauschalierender Weise vorsieht, weil er höhere individuelle verfolgungsbedingte Verdienstausfälle nachweisen könne.

II.

Die Verfassungsbeschwerden sind nicht zur Entscheidung anzunehmen, weil die Voraussetzungen des § 93 a Abs. 2 BVerfGG nicht vorliegen. Sie haben keine Aussicht auf Erfolg.

1. Bereits gegen die Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerden bestehen Bedenken. Der aus § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG abgeleitete Grundsatz der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde erfordert, dass der Betroffene über das Gebot der Erschöpfung des Rechtswegs hinaus alle ihm zur Verfügung stehenden prozessualen Mittel ergreift, um eine Korrektur der geltend gemachten Verfassungsverletzung zu erwirken. Es ist fraglich, ob die Verfassungsbeschwerden diese Anforderung erfüllen, weil das Bundessozialgericht die Nichtzulassungsbeschwerde des Beschwerdeführers wegen ungenügender Darlegungen als unzulässig verworfen hat (vgl. BVerfGE 1, 12 <13>; 34, 204 <205>; stRspr). Angesichts des Fehlens einer höchstrichterlichen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zu den aufgeworfenen Rechtsfragen wäre es dem Beschwerdeführer auch zumutbar gewesen, zunächst den fachgerichtlichen Rechtsschutz auszuschöpfen und hierbei eingelegte Rechtsmittel in zulässiger Form zu begründen.

2. Die Frage der Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerden kann jedoch offen gelassen werden. Sie haben, ihre Zulässigkeit unterstellt, keine Aussicht auf Erfolg. Es ist nicht ersichtlich, dass der Beschwerdeführer in seinen verfassungsmäßigen Rechten verletzt ist.

a) Zunächst ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass die Arbeitsentgelte des Beschwerdeführers durch die Anlage 3 zum AAÜG begrenzt werden. Das AAÜG ist auf den Beschwerdeführer anzuwenden, weil er vor seiner politischen Verfolgung der Zusatzversorgung der pädagogischen Intelligenz angehörte (vgl. Nr. 4 der Anlage 1 zum AAÜG). Die hieraus resultierende Entgeltbegrenzung nach § 6 Abs. 1 AAÜG ist verfassungsgemäß (vgl. BVerfGE 100, 1 <40>). Eine Entgeltbegrenzung nach § 6 Abs. 2 oder 3 AAÜG ist nicht erfolgt.

b) Im Übrigen hat das Landessozialgericht zutreffend darauf hingewiesen, dass von Verfassungs wegen keine Vollentschädigung nach dem Beruflichen Rehabilitierungsgesetz zu erfolgen hat. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts hatte der Gesetzgeber nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges wie auch nach der Wiedervereinigung bei dem Bemühen, von einem anderen Staat zu verantwortendes Unrecht wiedergutzumachen, einen weiten Gestaltungsspielraum (vgl. BVerfGE 13, 39 <43>; 84, 90 <125 f.>; 94, 315 <326>). Die dem Beruflichen Rehabilitierungsgesetz zu Grunde liegende Entscheidung, nur gravierende Fälle individuellen Unrechts zu entschädigen, nicht aber die beruflichen Benachteiligungen, die systemimmanent in mehr oder weniger großem Ausmaß allgemeines Schicksal der Bürger der Deutschen Demokratischen Republik gewesen sind, hält sich im Rahmen dieses Spielraums (vgl. Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 20. Juli 1999 - 1 BvR 1668/98 -).

Hieraus ergibt sich, dass die von dem Beschwerdeführer angestrebte individuelle Verdienstberechnung unter Berufung auf das Grundgesetz nicht verlangt werden kann. Bereits die vollständige Rekonstruktion der tatsächlich in der Deutschen Demokratischen Republik erzielten Verdienste ist häufig nicht mehr möglich, weswegen in § 307 a SGB VI für die Bestandsrentner eine Pauschalisierung in der Rentenberechnung vorgesehen ist. Nichts anderes gilt für die Ermittlung von Entgelten nach dem Fremdrentengesetz. Hier wird auf die Bestimmung des erzielten Entgeltes gänzlich verzichtet und nur noch darauf abgestellt, in welchen Leistungsgruppen und Arbeitsbereichen die Tätigkeit verrichtet wurde. Auf Pauschalisierungen kann im Rentenversicherungsrecht beim Übergang zwischen sozialen Sicherungssystemen nicht verzichtet werden.

c) Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Urteil vom 22. November 2000 (BVerfGE 102, 254). In dieser Entscheidung wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass sich aus dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG nur die Pflicht zu einer Lastenverteilung nach Maßgabe einer gesetzlichen Regelung ableiten läßt. Erst diese Regelung kann konkrete Ausgleichsansprüche der einzelnen Geschädigten begründen. Wie ein solcher Ausgleich zu gestalten ist, hängt von den jeweiligen Umständen, besonders von Art und Umfang der Sonderbelastung sowie davon ab, in welchem Ausmaß eine Beteiligung der Gesamtheit durch die soziale Gerechtigkeit gefordert wird und im Gesamtinteresse vertretbar erscheint. Der Gesetzgeber hat hier einen besonders weiten Regelungs- und Gestaltungsspielraum. Das gilt sowohl für die Art der Wiedergutmachung als auch für deren Umfang (vgl. BVerfG, a.a.O., S. 298).

3. Von einer weiteren Begründung wird nach § 93 d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

Ende der Entscheidung

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