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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverfassungsgericht
Beschluss verkündet am 27.06.2007
Aktenzeichen: 1 BvR 1470/07
Rechtsgebiete: GG, ZPO


Vorschriften:

GG Art. 103 Abs. 1
ZPO § 321 a
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT

- 1 BvR 1470/07 -

In dem Verfahren

über

die Verfassungsbeschwerde

gegen

a) den Beschluss des Oberlandesgerichts München vom 24. April 2007 - 17 U 4599/06 -,

b) den Beschluss des Oberlandesgerichts München vom 15. März 2007 - 17 U 4599/06 -

hat die 3. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch den Präsidenten Papier und die Richter Steiner, Gaier gemäß § 93 b in Verbindung mit § 93 a BVerfGG in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. August 1993 (BGBl I S. 1473) am 27. Juni 2007 einstimmig beschlossen:

Tenor:

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.

Gründe:

I.

Die Verfassungsbeschwerde betrifft einen Maklerprovisionsanspruch.

1. a) Im Ausgangsrechtsstreit machte eine gewerbliche Immobilienmaklerin (im Folgenden: Klägerin) für den Nachweis eines Baugrundstücks die Zahlung einer Maklerprovision geltend. Die Beschwerdeführerin wurde während des Ausgangsverfahrens Komplementärin der beklagten Kommanditgesellschaft (im Folgenden: Beklagte); in der Folgezeit haben sämtliche Kommanditisten ihre Gesellschaftsanteile auf die Beschwerdeführerin übertragen.

b) Das Landgericht verurteilte die Beklagte nach Beweisaufnahme antragsgemäß zur Zahlung. Das Oberlandesgericht wies die Berufung der Beklagten durch einstimmigen Beschluss zurück.

Hiergegen erhob die Beklagte Anhörungsrüge und brachte vor, der Senat sei in seiner Entscheidung nicht auf das zentrale Problem des Rechtsstreits eingegangen und habe damit wichtiges Parteivorbringen übergangen. Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung entstehe kein Provisionsanspruch, wenn - wie hier - einer von mehreren Miteigentümern im Zeitpunkt der Nachweisleistung des Maklers nicht verkaufsbereit sei. Auch wenn der Senat meine, die Zeugin F. habe die Verkaufsabsicht ihres Ehemannes nachträglich gebilligt, beantworte dies nicht die (zu verneinende) Rechtsfrage, ob eine spätere Billigung für den Nachweis einer Abschlussmöglichkeit im Zeitpunkt des Nachweises ausreiche.

Die Anhörungsrüge blieb ohne Erfolg.

2. Die Beschwerdeführerin rügt die Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör durch die beiden angegriffenen Entscheidungen des Oberlandesgerichts aus zwei Gründen.

Das Oberlandesgericht habe sich in beiden angegriffenen Entscheidungen nicht mit der aufgeworfenen und entscheidungserheblichen Frage auseinander gesetzt, ob die im Zeitpunkt des Nachweises fehlende Verkaufsabsicht der Miteigentümerin F. durch nachträgliche Billigung der dieser zuvor nicht bekannten Verkaufsabsicht ihres nicht bevollmächtigten Ehemanns ersetzt werden könne.

Außerdem habe das Landgericht zu der von der Beklagten behaupteten Aufgabe der Verkaufsabsicht im Juni 2003 aus steuerlichen Gründen nur das Verkäuferehepaar und zwei Gegenzeugen der Klägerin, nicht aber den von der Beklagten bereits in der Klageerwiderung hierfür als Zeugen benannten Steuerberater vernommen. Das Oberlandesgericht habe die Beweisaufnahme und das Ergebnis der Beweiswürdigung, die Aufgabe der ursprünglichen Verkaufsabsicht durch die Verkäufer sei von der Beklagten nicht bewiesen, unbeanstandet gelassen, ohne für die unterbliebene Vernehmung des Steuerberaters Gründe des materiellen oder formellen Rechts anzuführen.

Hätte sich das Gericht mit den Argumenten der Beklagten hinsichtlich des maßgeblichen Zeitpunkts des Vorliegens der Verkaufsbereitschaft auseinander gesetzt, so sei nicht auszuschließen, dass ein Maklerlohnanspruch abgelehnt worden wäre, weil ein Nachweis der Gelegenheit zum Abschluss eines Vertrages nicht vorliege. Ebenso wenig sei auszuschließen, dass die Vernehmung des Steuerberaters das Oberlandesgericht von der vollständigen Aufgabe der Verkaufsabsicht überzeugt hätte und deswegen eine Unterbrechung des Kausalzusammenhangs bejaht worden wäre.

II.

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen, weil die Annahmevoraussetzungen des § 93 a Abs. 2 BVerfGG nicht vorliegen (vgl. dazu BVerfGE 90, 22 <24>). Die Verfassungsbeschwerde ist unzulässig.

Vor Erhebung der Verfassungsbeschwerde muss ein Beschwerdeführer gemäß § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG den in der maßgeblichen Prozessordnung vorgesehenen Rechtsweg erschöpfen. Es sind alle nach Lage der Dinge zur Verfügung stehenden Rechtsbehelfe zu ergreifen, um die Verfassungsverletzung auszuräumen. Auch wenn sich die Verfassungsbeschwerde auf die Rüge einer Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör beschränkt, muss dem Vorrang des Verfahrens vor den Fachgerichten Rechnung getragen werden. Der subsidiären Funktion der Verfassungsbeschwerde würde es zuwiderlaufen, sie anstelle oder gleichsam wahlweise neben einer fachgerichtlichen Anhörungsrüge zuzulassen (stRspr; vgl. BVerfGE 68, 376 <381>; 70, 180 <185 f.>). Wird eine Verfassungsbeschwerde erhoben, ohne dass der Beschwerdeführer die behauptete Grundgesetzverletzung der Sache nach zuvor in allen in Betracht kommenden fachgerichtlichen Verfahren geltend gemacht hat, ist seine Verfassungsbeschwerde grundsätzlich unzulässig. Dabei macht es keinen Unterschied, ob jener Rechtsbehelf an eine Frist gebunden ist und der Beschwerdeführer durch die Verwerfung seiner Verfassungsbeschwerde in aller Regel endgültig seine Rechtsschutzmöglichkeiten verliert, oder ob der Rechtsbehelf keiner Frist unterliegt und der Beschwerdeführer ihn deshalb nach der Verwerfung seiner Verfassungsbeschwerde noch ergreifen kann (stRspr; vgl. BVerfGE 70, 180 <186>; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 25. April 2005 - 1 BvR 644/05 -, NJW 2005, S. 3059).

Nach den dargelegten Grundsätzen ist die Verfassungsbeschwerde unzulässig. Die Beklagte des Ausgangsverfahrens hat zwar gegen den die Berufung unanfechtbar (§ 522 Abs. 3 der Zivilprozessordnung <ZPO>) zurückweisenden Beschluss des Oberlandesgerichts die Anhörungsrüge nach § 321 a ZPO erhoben. Darin rügte die Beklagte jedoch nur, dass sich der Senat nicht mit der Frage auseinander gesetzt habe, ob die bei der Miteigentümerin F. nicht vorhandene Verkaufsabsicht im Zeitpunkt des Nachweises durch nachträgliche Billigung der ihr zuvor nicht bekannten Verkaufsabsicht ihres nicht bevollmächtigten Ehemanns ersetzt werden könne. Erstmals mit der Verfassungsbeschwerde rügt die Beschwerdeführerin neben diesem Gehörsverstoß eine weitere Verletzung von Art. 103 Abs. 1 GG durch das Übergehen eines erheblichen Beweisantrags. Von der Möglichkeit, die unterbliebene Vernehmung des von der Beklagten als Zeugen benannten Steuerberaters durch die Anhörungsrüge beim judex a quo - dem Oberlandesgericht - geltend zu machen, hat die Beklagte des Ausgangsverfahrens mithin keinen Gebrauch gemacht und so dem aus § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG abgeleiteten Grundsatz der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde nicht genügt.

Das Unterlassen der Rüge eines übergangenen Beweisangebots, als zweiten die Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör begründenden Sachverhalts in der fachgerichtlichen Anhörungsrüge, hat zur Folge, dass die Verfassungsbeschwerde nicht nur in Bezug auf die mit diesem Sachvortrag begründete Verletzung von Art. 103 Abs. 1 GG, sondern insgesamt, hier also auch mit Blick auf die Rüge der fehlenden Auseinandersetzung des Berufungsgerichts mit der wesentlichen Frage, ob eine nachträgliche Billigung der zum Nachweiszeitpunkt nicht bekannten Verkaufsabsicht eines anderen Miteigentümers zur Bejahung des Kausalzusammenhangs ausreicht, unzulässig ist. Dies gilt jedenfalls in Fällen, in denen sich - wie hier - die erstmals in der Verfassungsbeschwerde behauptete Gehörsverletzung auf den gesamten Streitgegenstand des fachgerichtlichen Verfahrens erstreckt. Denn läge ein Gehörsverstoß vor, so würde das Ausgangsgericht ihm abhelfen, indem es das Verfahren fortführt, soweit dies auf Grund der Rüge geboten ist (§ 321 a Abs. 5 Satz 1 ZPO). Das Verfahren würde in die Lage zurückversetzt, in der es sich vor dem Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung (§ 321 a Abs. 5 Satz 2 ZPO) - oder bis zu dem Schriftsätze eingereicht werden können (§ 321 a Abs. 5 Satz 4 ZPO) - befand. Hier wäre demnach das fachgerichtliche Verfahren in vollem Umfang mit der Möglichkeit wieder eröffnet gewesen, auch hinsichtlich des weiteren Vorbringens rechtliches Gehör zu finden.

§ 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG zielt darauf ab, eine ordnungsgemäße Vorprüfung der Beschwerdepunkte durch die zuständigen gerichtlichen Instanzen zu gewährleisten, dadurch das Bundesverfassungsgericht zu entlasten und für seine eigentliche Aufgabe des Verfassungsschutzes freizumachen (vgl. BVerfGE 4, 193 <198>). Mit diesem Zweck des Subsidiaritätsgrundsatzes vertrüge es sich nicht, von unterschiedlichen Gehörsverletzungen nur eine in der fachgerichtlichen Anhörungsrüge geltend zu machen und eine andere erst im Verfassungsbeschwerdeverfahren zu rügen. Das Bundesverfassungsgericht soll nicht mit einem Gehörsverstoß befasst werden, mit dem sich nicht zuvor die Fachgerichte auseinander setzen konnten. Liegt ein solcher tatsächlich vor und war er entscheidungserheblich (vgl. § 321 a Abs. 1 Nr. 2 ZPO), wird das Fachgericht ihm abhelfen. Der Beschwerdeführer erlangt deshalb jedenfalls bei einem einheitlichen Streitgegenstand die Möglichkeit, auch in Bezug auf weitere Gehörsverletzungen oder auch hinsichtlich materieller Grundrechtsrügen nach Durchführung des Anhörungsrügeverfahrens nicht mehr in gleicher Weise beschwert zu sein. Nach Durchführung des Anhörungsrügeverfahrens steht dem Beschwerdeführer die mit einer Verletzung von Art. 103 Abs. 1 GG begründete Verfassungsbeschwerde daher nur offen, wenn alle in der Verfassungsbeschwerde dargelegten - wie hier nicht offensichtlich aussichtlosen - Gehörsrügen auch Gegenstand der fachgerichtlichen Anhörungsrüge waren.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.



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