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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverfassungsgericht
Beschluss verkündet am 11.02.2009
Aktenzeichen: 1 BvR 1644/07
Rechtsgebiete: VwGO, BVerfGG


Vorschriften:

VwGO § 65 Abs. 2
BVerfGG § 34a Abs. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
In dem Verfahren

...

hat die 1. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts

durch

den Präsidenten Papier und

die Richter Eichberger, Masing

gemäß § 93d Abs. 2 Satz 1 BVerfGG

in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. August 1993 (BGBl. I S. 1473)

am 11. Februar 2009

einstimmig beschlossen:

Tenor:

Die Anträge auf Erstattung der notwendigen Auslagen und Festsetzung des Gegenstandswerts der anwaltlichen Tätigkeit für das Verfassungsbeschwerdeverfahren werden abgelehnt.

Gründe:

I.

Der Landkreis hatte auf Antrag der Beschwerdeführerin gegen ihren Nachbarn eine bauordnungsrechtliche Verfügung erlassen, eine Zufahrt wegen Verstoßes gegen nachbarschützende Vorschriften zu entfernen. In dem vom Nachbarn angestrengten Verwaltungsrechtsstreit gegen diese Verfügung lehnten das Verwaltungsgericht und das Oberverwaltungsgericht den Antrag der Beschwerdeführerin auf Beiladung ab, weil die Voraussetzungen einer notwendigen Beiladung nach § 65 Abs. 2 VwGO nicht vorlägen und im Verfahren eines Bauherrn gegen eine bauaufsichtliche Ordnungsverfügung es unter dem Gesichtspunkt der Prozessökonomie der ständigen Spruchpraxis entspreche, einen Nachbarn, der die Verletzung von Nachbarrechten behaupte, nicht gemäß § 65 Abs. 1 VwGO beizuladen. Hiergegen erhob die Beschwerdeführerin Verfassungsbeschwerde mit der Begründung, ihr Recht aus Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG auf effektiven Rechtsschutz sei verletzt. Nach Erhebung der Verfassungsbeschwerde hob der Landkreis die Beseitigungsverfügung auf und erklärte gegenüber dem Verwaltungsgericht den Rechtsstreit für erledigt; der Nachbar schloss sich der Erledigungserklärung an.

Die Beschwerdeführerin hat die Erledigung der Verfassungsbeschwerde erklärt und die Auslagenerstattung aus Billigkeitsgründen sowie die Festsetzung des Gegenstandswerts für die anwaltliche Tätigkeit auf 10.000 EUR beantragt.

II.

Über die Erstattung der durch die Verfassungsbeschwerde der Beschwerdeführerin entstandenen Auslagen hat gemäß § 93d Abs. 2 Satz 1 BVerfGG die Kammer zu entscheiden. Gemäß § 34a Abs. 3 BVerfGG ist auch im Falle der Erledigung der Verfassungsbeschwerde über die Erstattung der Auslagen der Beschwerdeführerin nach Billigkeitsgesichtspunkten zu entscheiden. Dabei kommt insbesondere dem Grund, der zur Erledigung geführt hat, wesentliche Bedeutung zu. Maßgeblich ist, ob die öffentliche Gewalt von sich aus den mit der Verfassungsbeschwerde angegriffenen Akt beseitigt, ob eine Erfolgsaussicht der Verfassungsbeschwerde ohne weiteres unterstellt werden kann oder ob die verfassungsrechtliche Lage - etwa durch eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts in einem gleich liegenden Fall - bereits geklärt ist. Eine überschlägige Beurteilung der Sach- und Rechtslage findet im Auslagenerstattungsverfahren hingegen regelmäßig nicht statt. Eine solche kursorische Prüfung entspricht nicht der Aufgabe des Bundesverfassungsgerichts, verfassungsrechtliche Zweifelsfragen mit bindender Wirkung inter omnes zu klären. Sie erscheint auch im Hinblick auf die Kostenfreiheit des Verfahrens, den fehlenden Anwaltszwang und das Fehlen eines bei Unterliegen des Beschwerdeführers erstattungsberechtigten Gegners nicht als geboten (vgl. BVerfGE 33, 247 <264 f.>; 85, 109 <115 f. >; 87, 394 <397 f.>).

Nach diesen Grundsätzen kommt eine Erstattung der notwendigen Auslagen der Beschwerdeführerin nicht in Betracht. Die Gerichte haben die mit der Verfassungsbeschwerde angegriffenen Entscheidungen nicht aufgehoben. Die verfassungsrechtliche Lage ist nicht bereits geklärt, vielmehr ist die Erfolgsaussicht der Verfassungsbeschwerde offen (zur Beiladung im Normenkontrollverfahren vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 19. Juli 2000 - 1 BvR 1053/93 -, NVwZ 2000, S. 1283). Eine überschlägige Beurteilung der Frage, ob die Rechtsschutzmöglichkeiten der Beschwerdeführerin in einem nachfolgenden Verpflichtungsrechtsstreit auf bauaufsichtliches Einschreiten zumindest faktisch in verfassungsrechtlich erheblicher Weise beeinträchtigt wären, weil der Anfechtungsprozess des Bauherrn ohne Beteiligung der Beschwerdeführerin stattfand und dabei die Ablehnung der begehrten Beiladung allein auf Gründe der Prozessökonomie gestützt wurde, hat im Auslagenerstattungsverfahren zu unterbleiben.

Für den Antrag auf Festsetzung des Gegenstandswerts der anwaltlichen Tätigkeit fehlt es danach am Rechtsschutzbedürfnis.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

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