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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverfassungsgericht
Beschluss verkündet am 30.01.1998
Aktenzeichen: 1 BvR 1713/96
Rechtsgebiete: GG


Vorschriften:

GG Art. 2 Abs. 2
GG Art. 14 Abs. 1
GG Art. 20 Abs. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.

BUNDESVERFASSUNGSGERICHT

- 1 BvR 1713/96 -

In dem Verfahren

über

die Verfassungsbeschwerde

des Herrn T...

gegen

den Beschluß des Oberverwaltungsgerichts des Saarlandes vom 15. Juli 1996 - 9 W 1/96 -

hat die 1. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch den Vizepräsidenten Seidl und die Richter Grimm, Hömig

gemäß § 93 b in Verbindung mit § 93 a BVerfGG in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. August 1993 (BGBl I S. 1473)

am 30. Januar 1998 einstimmig beschlossen:

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.

Gründe:

I.

Der Beschwerdeführer ist Miteigentümer eines Wohnhauses, das von der geplanten Erweiterung einer saarländischen Steinkohlegrube betroffen ist. Seinem Wohnhaus drohen infolge des unterirdischen Kohleabbaus geringe bis mittlere Bergschäden. Der Beschwerdeführer wurde am behördlichen Verfahren über die Zulassung des bergrechtlichen Sonderbetriebsplans nicht beteiligt. Er hat gegen die Zulassung Widerspruch eingelegt und die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs beantragt. Nach erfolglosem Verlauf des verwaltungsgerichtlichen Eilverfahrens hat der Beschwerdeführer Verfassungsbeschwerde erhoben. Er rügt im wesentlichen eine Verletzung der Art. 2 Abs. 2, 14 Abs. 1 und 20 Abs. 3 GG.

II.

Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung an. Die Annahmevoraussetzungen des § 93 a BVerfGG liegen nicht vor, weil die Verfassungsbeschwerde unzulässig ist. Ihr steht der aus § 90 Abs. 2 BVerfGG folgende Grundsatz der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde entgegen. Dieser verlangt, daß ein Beschwerdeführer über das Gebot der Rechtswegerschöpfung im engeren Sinne hinaus die ihm zur Verfügung stehenden und zumutbaren Möglichkeiten ergreift, um eine Korrektur der geltend gemachten Grundrechtsverletzung zu erwirken. Für Entscheidungen im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes folgt daraus, daß die Erschöpfung des Rechtswegs im Eilverfahren nicht ohne weiteres ausreicht, um die Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde zu begründen, wenn das Hauptsacheverfahren ausreichende Möglichkeiten bietet, der Grundrechtsverletzung abzuhelfen. Dies ist regelmäßig der Fall, wenn mit der Verfassungsbeschwerde ausschließlich Grundrechtsverletzungen gerügt werden, die sich auf das Hauptsacheverfahren beziehen, und wenn die Beschreitung und Erschöpfung des Hauptsacherechtswegs im Einzelfall für den Beschwerdeführer zumutbar ist (BVerfGE 86, 15 <22 f.>).

Nach diesen Grundsätzen ist auch im vorliegenden Fall die Erschöpfung des Hauptsacherechtswegs geboten, denn der Beschwerdeführer macht - soweit seine Rügen hinreichend substantiiert sind - nur Grundrechtsverletzungen geltend, die sich auf das Hauptsacheverfahren beziehen. Die Verweisung auf die Anfechtungsklage ist dem Beschwerdeführer auch zumutbar. Zwar können durch den Sofortvollzug des Sonderbetriebsplans Folgen eintreten, die auch im Falle einer erfolgreichen Anfechtung nicht problemlos beseitigt werden können. Diese Nachteile sind aber nach dem derzeitigen Erkenntnisstand nicht derart gravierend, daß sie eine Vorabentscheidung zwingend erforderlich machen. Gesundheitliche Gefährdungen können weitestgehend ausgeschlossen werden. Schwere Bergschäden, die die Standfestigkeit des Wohnhauses des Beschwerdeführers berühren, sind gleichfalls nicht zu erwarten. Allerdings sind auch die bei kleineren und mittleren Bergschäden auftretenden Setzrisse und Mauerschäden für einen Hauseigentümer durchaus belastend und nötigen zu ständiger Wachsamkeit und wiederholten Reparaturen. Gleichwohl handelt es sich aber um Belastungen, die in Bergbauregionen eine Vielzahl von Eigentümern treffen, deren finanzielle Folgen durch Schadensersatzleistungen ausgeglichen und deren Ursachen durch Stabilisierung und Verfüllung der geplanten Bergwerksstollen bekämpft werden können.

Die Verfassungsbeschwerde ist auch nicht deswegen ausnahmsweise vor Durchschreitung des Hauptsacherechtswegs zulässig, weil die Entscheidung von keiner weiteren tatsächlichen Aufklärung abhängt und diejenigen Voraussetzungen gegeben sind, unter denen gemäß § 90 Abs. 2 Satz 2 BVerfGG vom Erfordernis der Rechtswegerschöpfung abgesehen werden kann (BVerfGE 86, 15 <22 f.>). Der Beschwerdeführer selbst hat in tatsächlicher Hinsicht neue Fragen aufgeworfen, die im Hauptsacheverfahren zu klären sind. Darüberhinaus bedarf auch in rechtlicher Hinsicht die Frage einer vertieften fachgerichtlichen Prüfung, inwieweit Oberflächeneigentümer mit kleineren und mittleren Bergschäden am behördlichen Zulassungsverfahren für bergrechtliche Sonderbetriebspläne zu beteiligen sind. Über diese Frage ist jedenfalls noch nicht im Sinne einer ständigen fachgerichtlichen Rechtsprechung derart abschließend entschieden, daß die Verweisung auf den Hauptsacherechtsweg unzumutbar wäre. Vielmehr ist die Diskussion über eine Beteiligung sämtlicher Oberflächeneigentümer noch keineswegs abgeschlossen (vgl. etwa Wolf-Rüdiger Schenke, Bergbau contra Oberflächeneigentum und kommunale Selbstverwaltung? Berlin 1994, S. 20 ff.). Bei dieser Sachlage kann nicht auf die Beschreitung des Hauptsacherechtswegs verzichtet werden. Das ergibt sich aus dem Sinn des Subsidiaritätsgrundsatzes, der vor allem sichern soll, daß durch die umfassende fachgerichtliche Vorprüfung der Beschwerdepunkte dem Bundesverfassungsgericht ein nicht nur in mehreren Instanzen geprüftes Tatsachenmaterial unterbreitet wird, sondern daß ihm auch die Fallanschauung und Rechtsauffassung der Gerichte, inbesondere der obersten Bundesgerichte, vermittelt werden (BVerfGE 86, 15 <27>).

Diese Entscheidung ist unanfechtbar. ar.

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