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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverfassungsgericht
Beschluss verkündet am 01.03.2000
Aktenzeichen: 1 BvR 1781/97
Rechtsgebiete: GG


Vorschriften:

GG Art. 3 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT

- 1 BvR 1781/97 -

In dem Verfahren

über

die Verfassungsbeschwerde

der S... GmbH

gegen § 105 Abs. 5 c Arzneimittelgesetz in der Fassung des Sechsten Änderungsgesetzes vom 20. Dezember 1996 (BGBl I S. 2084)

hat die 1. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch den Vizepräsidenten Papier und die Richter Steiner, Hoffmann-Riem gemäß § 93 b in Verbindung mit § 93 a BVerfGG in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. August 1993 (BGBl I S. 1473)

am 1. März 2000 einstimmig beschlossen:

Tenor:

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.

Gründe:

I.

Die Verfassungsbeschwerde wendet sich unmittelbar gegen § 105 Abs. 5 c des Gesetzes über den Verkehr mit Arzneimitteln (Arzneimittelgesetz) vom 24. August 1976 (- AMG -, BGBl I S. 2445) in der Fassung des Sechsten Gesetzes zur Änderung des Arzneimittelgesetzes vom 20. Dezember 1996 (BGBl I S. 2084).

1. Die Beschwerdeführerin ist ein pharmazeutisches Unternehmen, das sich auf die Herstellung homöopathischer Arzneimittel spezialisiert hat.

a) Gemäß § 21 Abs. 1 Satz 1 AMG dürfen Fertigarzneimittel im Geltungsbereich dieses Gesetzes grundsätzlich nur in den Verkehr gebracht werden, wenn sie durch die zuständige Bundesoberbehörde zugelassen sind, während nach dem Gesetz über den Verkehr mit Arzneimitteln vom 16. Mai 1961 (BGBl I S. 533) lediglich eine Registrierungspflicht bestand. Art. 3 § 7 des Gesetzes zur Neuordnung des Arzneimittelrechts vom 24. August 1976 (- AMNG -, BGBl I S. 2445), der gemäß Art. 1 Nr. 60 des Fünften Gesetzes zur Änderung des Arzneimittelgesetzes vom 9. August 1994 (BGBl I S. 2071) als § 105 AMG fortgilt, enthält eine Übergangsregelung für alle Fertig-arzneimittel, die sich zum Stichtag 1. Januar 1978, dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des Arzneimittelgesetzes vom 24. August 1976, zulässigerweise im Verkehr befanden. Diese Arzneimittel gelten nach Absatz 1 als zugelassen. Diese fiktive Zulassung wird in Absatz 2 um eine Anzeigepflicht ergänzt. Absatz 3 befristet die Fiktionswirkung für nach Absatz 2 fristgerecht angezeigte Arzneimittel. Danach erlischt die Zulassung - abweichend von der Fünfjahresfrist des § 31 Abs. 1 Nr. 3 AMG - grundsätzlich am 30. April 1990. Um das Erlöschen der Zulassung zu verhindern, ist grundsätzlich ein Antrag auf Verlängerung der Zulassung oder auf Registrierung erforderlich. Die Zulassungsfiktion dauert fort, bis über den Antrag auf Verlängerung entschieden ist.

Durch das Fünfte Gesetz zur Änderung des Arzneimittelgesetzes ist Art. 3 § 7 AMNG, nunmehr § 105 AMG, teilweise geändert worden. Gemäß dem neu eingefügten Absatz 5 c erlischt die Zulassung eines nach Absatz 2 der Vorschrift fristgerecht angezeigten Arzneimittels abweichend von Absatz 3 am 1. Januar 2005, sofern der pharmazeutische Unternehmer bis zum 31. Dezember 1995 erklärt, dass er den Antrag auf Verlängerung der Zulassung nach Absatz 3 Satz 1 zurücknimmt.

Durch Art. 1 Nr. 2 des am 28. Dezember 1996 in Kraft getretenen Sechsten Gesetzes zur Änderung des Arzneimittelgesetzes wurde schließlich in § 105 Abs. 5 c AMG die Angabe "1995" durch die Angabe "1999" ersetzt.

Nach der in Art. 1 Nr. 7 des Regierungsentwurfs eines Zehnten Gesetzes zur Änderung des Arzneimittelgesetzes vom 2. Dezember 1999 (BTDrucks 14/2292) vorgesehenen Übergangsvorschrift des § 136 Abs. 3 AMG soll § 105 Abs. 5 c AMG für Arzneimittel, die nach einer im Homöopathischen Teil des Arzneibuchs beschriebenen Verfahrenstechnik hergestellt worden sind, in dieser Fassung fortgelten.

b) Im Jahre 1967 hat die Beschwerdeführerin - so ihr Vortrag - mehrere so genannte Altarzneimittel in das damals bestehende Spezialitätenregister beim Bundesgesundheitsamt eintragen lassen. Im Jahre 1978 habe sie diese Altarzneimittel gemäß Art. 3 § 7 Abs. 2 AMNG gegenüber dem Bundesgesundheitsamt angezeigt und schließlich im Jahre 1990 einen Antrag auf Verlängerung der Zulassung gemäß Art. 3 § 7 Abs. 3 AMNG gestellt. 1993 habe sie dann auf Grund der damals bestehenden Rechtslage auf eine Verlängerung der Zulassung für insgesamt neun verschiedene Arzneimittel verzichtet, um die so genannte Aufbrauchs- bzw. Abverkaufsfrist des § 31 Abs. 4 AMG nutzen zu können. Entsprechend dem Bescheid des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte vom 7. Dezember 1993 sei diese Abverkaufsfrist mit dem 31. Dezember 1996 beendet.

2. Mit ihrer am 15. September 1997 eingegangenen Verfassungsbeschwerde rügt die Beschwerdeführerin die Verletzung ihres Grundrechts aus Art. 3 Abs. 1 GG. Hierzu trägt sie vor: Sie werde gegenüber den pharmazeutischen Unternehmern ungerechtfertigt benachteiligt, die vor Inkrafttreten der Neuregelung des § 105 Abs. 5 c AMG nicht auf eine Verlängerung der Zulassung verzichtet hätten und nunmehr ihre Altpräparate, die keine Chance auf Verlängerung der Zulassung gehabt hätten, mindestens bis zum 31. Dezember 2004 weiterverkaufen könnten. Der Gesetzgeber hätte Unternehmern wie der Beschwerdeführerin, die bereits vor Inkrafttreten des Fünften Gesetzes zur Änderung des Arzneimittelgesetzes auf eine Verlängerung der Zulassung verzichtet hätten, die Möglichkeit eines Widerrufs des Verzichts einräumen müssen. Dem Sechsten Gesetz zur Änderung des Arzneimittelgesetzes komme insoweit eine eigenständige Bedeutung zu, als hierdurch der Handlungsspielraum derjenigen Unternehmer, die bis Ende 1995 noch keinen Verzicht erklärt hätten, vergrößert und damit die Wettbewerbssituation der Beschwerdeführerin weiter verschlechtert werde.

II.

Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen. Die Annahmevoraussetzungen des § 93 a BVerfGG liegen nicht vor. Weder kommt der Verfassungsbeschwerde grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung zu (§ 93 a Abs. 2 Buchstabe a BVerfGG) noch ist ihre Annahme zur Durchsetzung der als verletzt bezeichneten Verfassungsrechte angezeigt (§ 93 a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Die Annahme scheidet nämlich dann aus, wenn die Verfassungsbeschwerde keine Aussicht auf Erfolg hat (vgl. BVerfGE 90, 22 <25 f.>).

1. Es bestehen bereits Bedenken, ob die Beschwerdeführerin geltend machen kann, durch das Sechste Gesetz zur Änderung des Arzneimittelgesetzes beschwert zu sein (§ 90 Abs. 1 BVerfGG). Dies ist nämlich nur dann der Fall, wenn sie auf Grund der Neuregelung des § 105 Abs. 5 c AMG durch Art. 1 Nr. 2 des Sechsten Gesetzes zur Änderung des Arzneimittelgesetzes gegenüber anderen pharmazeutischen Unternehmern (weitere) Nachteile hinnehmen müsste, die ihr bei Fortgeltung der Altfassung der Vorschrift entsprechend dem wegen Ablaufes der Jahresfrist nicht mehr mit der Verfassungsbeschwerde unmittelbar anfechtbaren Fünften Gesetz zur Änderung des Arzneimittelgesetzes erspart geblieben wären.

2. Diese Bedenken können jedoch auf sich beruhen, da die Verfassungsbeschwerde, ihre Zulässigkeit unterstellt, jedenfalls unbegründet ist.

Art. 1 Nr. 2 des Sechsten Gesetzes zur Änderung des Arzneimittelgesetzes verletzt die Beschwerdeführerin nicht in ihrem Grundrecht aus Art. 3 Abs. 1 GG. Denn für die vom Gesetzgeber vorgenommene Differenzierung bestehen Gründe solcher Art und solchen Gewichts, dass sie die ungleichen Rechtsfolgen rechtfertigen können.

Der Gesetzgeber hat einerseits für solche Altpräparate, über deren Verlängerungsantrag noch nicht entschieden und die damit gemäß § 105 Abs. 3 AMG zugelassen waren, die Erklärungsfrist des § 105 Abs. 5 c AMG bis zum 31. Dezember 1999 verlängert, andererseits für solche Altpräparate, auf deren Zulassung bereits vor Inkrafttreten des Fünften Änderungsgesetzes verzichtet worden war, die aber noch gemäß § 31 Abs. 4 Satz 1 AMG in Verkehr gebracht werden durften, die Wahlmöglichkeit nicht eröffnet. Vom Gesetzgeber verfolgter Zweck des mit dem Fünften Änderungsgesetz eingeführten § 105 Abs. 5 c AMG war es, wie sich aus den Materialien zur Entstehungsgeschichte ergibt (BTDrucks 12/7572, S. 7), die Zulassungsbehörde zu entlasten. Pharmazeutische Unternehmer hatten offenbar Nachzulassungsanträge auch für solche Altpräparate, für die nach den Anforderungen des Gesetzes über den Verkehr mit Arzneimitteln vom 24. August 1976 die erforderlichen Nachweise nicht erbracht werden konnten, gestellt, um so die Vertriebsfähigkeit nach § 105 Abs. 3 AMG aufrecht zu erhalten. Für die pharmazeutischen Unternehmer sollte durch die bis 31. Dezember 2004 befristete Fortgeltung der Zulassung ein Anreiz zur Rücknahme solcher Anträge geschaffen werden. Nach der Begründung des zuständigen Ausschusses für Gesundheit des Bundestages zur Beschlussempfehlung des Art. 1 Nr. 2 des Sechsten Gesetzes zur Änderung des Arzneimittelgesetzes hatte sich die im Fünften Änderungsgesetz normierte Erklärungsfrist bis zum 31. Dezember 1995 als zu kurz erwiesen. Die Zulassungsbehörde habe sich - so die Begründung - in der Vergangenheit vornehmlich mit Nachzulassungsanträgen im pauschalierten Verfahren nach § 109 a AMG befassen müssen, so dass den pharmazeutischen Unternehmern eine für die Entscheidung über den Verzicht auf ihren Nachzulassungsantrag wichtige Grundlage gefehlt habe (vgl. BTDrucks 13/6102, S. 3 f.).

Der Gesetzgeber verfolgt mit dem Sechsten Änderungsgesetz - wie bereits mit dem Fünften Änderungsgesetz - einen legitimen Zweck, nämlich durch Entlastung der zuständigen Behörde deren Funktionsfähigkeit zu sichern und damit eine auch zeitlich angemessene Bearbeitung der (aufrechterhaltenen) Anträge zu gewährleisten.

Soweit für Altpräparate die Zulassung bereits vor Inkrafttreten des Fünften Änderungsgesetzes durch Verzicht erloschen und die Zulassungsbehörde daher mit einem entsprechenden Antrag nicht mehr befasst war, bestand für den Gesetzgeber keine Veranlassung, zur Erreichung des oben dargestellten Zieles solche abgeschlossenen Sachverhalte in die Neuregelung einzubeziehen. Dasselbe gilt für die hier angegriffene Verlängerung der Erklärungsfrist durch das Sechste Gesetz zur Änderung des Arzneimittelgesetzes.

Eine nachträgliche Einbeziehung solcher Altpräparate, auf deren Zulassung bereits vor Inkrafttreten des Fünften Gesetzes zur Änderung des Arzneimittelgesetzes verzichtet worden war, erscheint auch deshalb nicht geboten, weil die gesetzliche Hinnahme des Abverkaufs bis zum 31. Dezember 2004 auch oder gerade solche Altpräparate erfasst, die den materiellen Anforderungen des Gesetzes über den Verkehr mit Arzneimitteln vom 24. August 1976 nicht entsprechen. Wenn der Gesetzgeber eine solche Minderung bzw. Herabsetzung materieller Standards für eine Übergangszeit aus anderen legitimen Gründen hinnimmt, darf er dies im Interesse der Konsumenten der entsprechenden Präparate auf den zur Erreichung des Entlastungseffektes unabdingbar gebotenen Umfang beschränken. Die sich auch aus den grundrechtlichen Schutzpflichten ergebende Verantwortung des Gesetzgebers, für die Sicherheit im Verkehr mit Arzneimitteln durch Schaffung entsprechender Regeln Sorge zu tragen - einfachrechtlich in § 1 AMG normiert -, verträgt keine darüber hinausgehenden Regelungen. Die Eröffnung der Wahlmöglichkeit durch das Fünfte Gesetz zur Änderung des Arzneimittelgesetzes wie auch die Verlängerung der Erklärungsfrist durch das Sechste Gesetz zur Änderung des Arzneimittelgesetzes betrafen nur Altpräparate, deren Zulassung ohnehin auf Grund der Regelung des § 105 Abs. 3 AMG solange, bis über deren jeweiligen Nachzulassungsantrag abschlägig entschieden würde, fortgalt. Der befristete Verzicht auf die Durchsetzung der materiellen Standards des Gesetzes über den Verkehr mit Arzneimitteln vom 24. August 1976 bis zum 31. Dezember 2004 war demnach im Hinblick auf die Arzneimittelsicherheit beschränkt. Dies wäre anders gewesen, wenn zusätzlich noch solche Altpräparate, auf deren Zulassung bereits zuvor verzichtet worden war und die nur in der Abverkaufsfrist des § 31 Abs. 4 AMG in Verkehr gebracht werden durften, wieder in den Genuss einer Zulassungsfiktion gekommen wären. Mithin erweist sich die angegriffene Beschränkung des Sechsten Gesetzes zur Änderung des Arzneimittelgesetzes im Interesse des Gebotes der Arzneimittelsicherheit als erforderlich.

Diese sachliche Einschränkung ist auch angemessen. Die Beschwerdeführerin hatte bereits im Jahre 1993 eine unternehmerische Entscheidung auf der Grundlage der damaligen Gesetzeslage getroffen, um die ihr günstig erscheinende Abverkaufsfrist des § 31 Abs. 4 AMG in Anspruch nehmen zu können. Diese Frist konnte sie auch voll ausnutzen. Die Beschwerdeführerin kann nicht mit Erfolg geltend machen, dass sie ihre Entscheidung im Vertrauen auf den Fortbestand der damaligen gesetzlichen Regelung getroffen habe. Ein solches Vertrauen auf das Ausbleiben einer günstigeren gesetzlichen Regelung ist nicht geschützt. Daher ist es nicht zu beanstanden, dass der Gesetzgeber die Beschwerdeführerin an der getroffenen Entscheidung festhält und nicht in eine aus anderen, übergeordneten Gründen beschlossene Übergangsregelung unter Hintanstellen der Arzneimittelsicherheit einbezieht.

Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 93 d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.



Ende der Entscheidung

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