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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverfassungsgericht
Beschluss verkündet am 29.04.2002
Aktenzeichen: 1 BvR 1819/96
Rechtsgebiete: BVerfGG, AAÜG, GG


Vorschriften:

BVerfGG § 34 a Abs. 2
BVerfGG § 93 b
BVerfGG § 93 a
BVerfGG § 93 c Abs. 1
BVerfGG § 93 a Abs. 2 Buchstabe b
BVerfGG § 95 Abs. 2
AAÜG § 11 Abs. 5 Satz 2
GG Art. 3 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT

- 1 BvR 1819/96 -

In dem Verfahren über die Verfassungsbeschwerde

gegen

a) das Urteil des Landessozialgerichts für das Land Brandenburg vom 24. Juli 1996 - L 4 R 121/95 -,

b) das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 27. April 1995 - S 3 An 21/94 -,

c) den Bescheid des Wehrgebürnisamtes VII in Strausberg vom 22. Juli 1993 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides der Wehrbereichsverwaltung VII in Strausberg vom 29. Dezember 1993 - II B 4.030 Az 20-01-10 -

hat die 1. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch den Präsidenten Papier und die Richter Steiner, Hoffmann-Riem gemäß § 93 b in Verbindung mit § 93 a BVerfGG in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. August 1993 (BGBl I S. 1473)

am 29. April 2002 einstimmig beschlossen:

Tenor:

1. Das Urteil des Landessozialgerichts für das Land Brandenburg vom 24. Juli 1996 - L 4 R 121/95 -, das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 27. April 1995 - S 3 An 21/94 - und der Bescheid der Wehrgebührnisamtes VII in Strausberg vom 22. Juli 1993 in der Fassung des Widerspruchsbescheides der Wehrbereichs-verwaltung VII in Strausberg vom 29. Dezember 1993 - II B 4.030 Az 20-01-10 - verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes. Das Urteil des Landessozialgerichts wird aufgehoben. Die Sache wird an das Landessozialgericht für das Land Brandenburg zurückverwiesen.

2. Die Bundesrepublik Deutschland hat dem Beschwerdeführer die notwendigen Auslagen zu erstatten.

Gründe:

1. Die Kammer nimmt die zulässige Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an, weil dies zur Durchsetzung des Grundrechts des Beschwerdeführers aus Art. 3 Abs. 1 GG angezeigt ist (§ 93 a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Die Voraussetzungen für eine stattgebende Entscheidung der Kammer nach § 93 c Abs. 1 BVerfGG liegen vor. Die von der Verfassungsbeschwerde aufgeworfene verfassungsrechtliche Frage ist durch das Bundesverfassungsgericht bereits entschieden. Der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts hat mit Beschluss vom 21. November 2001 (Az. 1 BvL 19/93, 1 BvR 1318/94, 1 BvR 1513/94, 1 BvR 2358/94, 1 BvR 308/95; im Umdruck beigefügt) festgestellt, dass die Einstellung der Zahlung von Dienstbeschädigungsteilrenten aufgrund von § 11 Abs. 5 Satz 2 und § 9 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 AAÜG gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstößt. Die nach § 94 i.V.m. § 93 c Abs. 2 BVerfGG angehörte Wehrbereichsverwaltung Ost hat "auf Grund der gleichen Sach- und Rechtslage" in dem Verfahren 1 BvL 19/93 u.a. von einer Stellungnahme abgesehen.

Im vorliegenden Fall beruhen die angegriffenen Verwaltungs- und Gerichtsentscheidungen auf § 11 Abs. 5 Satz 2 AAÜG und verstoßen daher gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Zwar wurde die Einstellung der Dienstbeschädigungsteilrente durch die zuständige Behörde mit Wirkung zum 1. August 1993 pauschal auf § 11 Abs. 5 AAÜG gestützt und damit begründet, der Beschwerdeführer vollende am 21. Juli 1993 das 65. Lebensjahr. Daran knüpft wohl das Landessozialgericht an, wenn es § 11 Abs. 3 AAÜG als Rechtsgrundlage für die Einstellung heranzieht, obgleich Dienstbeschädigungsteilrenten keine Versorgungsleistungen im Sinne von § 11 Abs. 1 AAÜG sind. Als Rechtsgrundlage kommt allenfalls § 11 Abs. 5 Satz 4 AAÜG in Betracht. Es kann offen bleiben, ob diese Vorschrift insoweit eine eigenständige Rechtsgrundlage für die Einstellung der Dienstbeschädigungsteilrente enthält, als sie den Anspruch auf Versorgungsleistungen unbeschadet des Bezugs einer Altersrente mit dem 65. Lebensjahr wegfallen lässt. Denn der Beschwerdeführer hat ab 1. August 1993 Altersruhegeld bezogen. Damit kommt vorrangig als Rechtsgrundlage § 11 Abs. 5 Satz 2 zum Tragen, der nach dem oben genannten Beschluss des Bundesverfassungsgerichts verfassungswidrig ist.

2. Das angegriffene Urteil des Landessozialgerichts ist aufzuheben und die Sache an das Gericht zurückzuverweisen (§ 95 Abs. 2 BVerfGG). Das Ausgangsverfahren ist vom Landessozialgericht auszusetzen, damit der Beschwerdeführer die Möglichkeit hat, aus der gesetzlichen Neuregelung Nutzen zu ziehen.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 34 a Abs. 2 BVerfGG.

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