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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverfassungsgericht
Beschluss verkündet am 09.03.2007
Aktenzeichen: 1 BvR 1946/04
Rechtsgebiete: GG


Vorschriften:

GG Art. 1 Abs. 1
GG Art. 2 Abs. 1
GG Art. 3 Abs. 1
GG Art. 20 Abs. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT IM NAMEN DES VOLKES

- 1 BvR 1946/04 -

In dem Verfahren

über

die Verfassungsbeschwerde

gegen a) den Beschluss des Kammergerichts vom 14. Juli 2004 - 9 W 44/04 -,

b) den Beschluss des Landgerichts Berlin vom 1. April 2004 - 27 O 29/04 -,

c) den Beschluss des Landgerichts Berlin vom 16. März 2004 - 27 O 29/04 -

und Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung, dem Beschwerdeführer Prozesskostenhilfe für die Rechtsverfolgung vor den Zivilgerichten zu gewähren

und Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe sowie Beiordnung von Rechtsanwalt E für die Verfassungsbeschwerde

hat die 1. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch den Präsidenten Papier, die Richterin Hohmann-Dennhardt und den Richter Hoffmann-Riem am 9. März 2007 einstimmig beschlossen:

Tenor:

1. Die Beschlüsse des Landgerichts Berlin vom 16. März 2004 und vom 1. April 2004 - 27 O 29/04 - sowie des Kammergerichts vom 14. Juli 2004 - 9 W 44/04 - verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 2 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 1 Abs. 1 des Grundgesetzes. Sie werden aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Entscheidung an das Landgericht Berlin zurück verwiesen.

2. Das Land Berlin hat die notwendigen Auslagen des Beschwerdeführers zu erstatten.

3. Damit erledigt sich der Antrag des Antragstellers auf Erlass einer einstweiligen Anordnung.

Gründe:

Das Beschwerdeverfahren hat die Versagung von Prozesskostenhilfe für eine Klage auf Schadensersatz und Geldentschädigung wegen einer das Persönlichkeitsrecht verletzenden Presseberichterstattung zum Gegenstand.

I.

1. Der Beschwerdeführer war im April des Jahres 2002 wegen sexuellen Missbrauchs eines Kindes zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt worden, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Der Verurteilung lag zugrunde, dass der Beschwerdeführer die im Tatzeitpunkt neun Jahre alte Tochter seiner damaligen Lebensgefährtin missbraucht habe.

Im Jahre 2003 ging aus der Ehe des Beschwerdeführers mit einer neuen Partnerin eine Drillingsgeburt hervor. Aufgrund eines Beschlusses des Abgeordnetenhauses von Berlin kann der Regierende Bürgermeister für solche Mehrlingsgeburten auf Antrag der Eltern eine Ehrenpatenschaft übernehmen. Dies geschieht durch feierliche Übergabe einer Patenschaftsurkunde. Der in Berlin ansässige Beschwerdeführer trug dem Regierenden Bürgermeister die Übernahme einer solchen Ehrenpatenschaft an.

Die Antragsgegnerin der von dem Beschwerdeführer beabsichtigten Rechtsverfolgung (nachfolgend: die Antragsgegnerin) verlegt eine in Berlin verbreitete Tageszeitung. Die Antragsgegnerin berichtete über die Feierlichkeit zur Übernahme der Ehrenpatenschaft durch den Regierenden Bürgermeister für die in der Familie des Beschwerdeführers eingetretene Mehrlingsgeburt. In dem Beitrag wurde der Beschwerdeführer mit Name und Vorname genannt. Ferner wurden mit Zustimmung des Beschwerdeführers gefertigte Lichtbilder veröffentlicht, die ihn während der Übergabe der Patenschaftsurkunde durch den Regierenden Bürgermeister zeigen. Noch am Tage der Veröffentlichung teilte die Antragsgegnerin dem Beschwerdeführer mit, dass sie Kenntnis von seiner Verurteilung wegen sexuellen Missbrauchs erlangt habe. Der Beschwerdeführer verbat sich jede Berichterstattung hierüber.

Gleichwohl berichtete die Antragsgegnerin in den drei nachfolgenden Ausgaben der von ihr verlegten Tageszeitung über den Umstand, dass der Regierende Bürgermeister die Ehrenpatenschaft für die Abkömmlinge eines wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern vorbestraften Vaters übernommen habe. Der Beschwerdeführer wurde in den Beiträgen mit Vornamen sowie dem Anfangsbuchstaben seines Nachnamens genannt. Den Beiträgen waren ferner Lichtbilder beigegeben, die den Beschwerdeführer während der Übergabe der Patenschaftsurkunde sowie mit seinen Drillingen zeigen. Das Gesicht des Beschwerdeführers war auf den Abbildungen mit einem so genannten Augenbalken versehen worden. In der begleitenden Wortberichterstattung warf die Antragsgegnerin unter anderem die Frage auf, ob dem Beschwerdeführer das Sorgerecht für seine Drillinge zu entziehen sei. Ein Lichtbild, welches den Beschwerdeführer bei der Pflege seiner Säuglinge zeigt, wurde mit der Frage kommentiert, wohin "die Hände des Kinderschänders" wohl in Abwesenheit der Kamera glitten.

2. Der Beschwerdeführer beantragte die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für eine beabsichtigte Klage auf Geldentschädigung und Ersatz seines materiellen Schadens wegen einer unzulässigen Identifizierung als verurteilter Straftäter durch diese Berichterstattung.

Das Landgericht wies den Antrag zurück. Die beabsichtigte Rechtsverfolgung habe keine Aussicht auf Erfolg. Eine rechtswidrige Verletzung des Persönlichkeitsrechts liege nicht vor. Zwar könne ein Straftäter grundsätzlich Schutz vor einer erneuten Medienberichterstattung über seine Verurteilung beanspruchen, falls die Verurteilung ihre Aktualität verloren habe. Anderes gelte jedoch, wenn ein neues berichtenswertes Ereignis eingetreten sei. Davon sei hier auszugehen. Der Beschwerdeführer habe sich mit einer Berichterstattung über die Übernahme einer Ehrenpatenschaft des Regierenden Bürgermeisters für seine Drillinge einverstanden gezeigt. Er habe somit selbst die Öffentlichkeit gesucht und müsse es deshalb auch hinnehmen, wenn die Presse nunmehr seinem Vorleben nachgehe. Hierbei bestehe ein legitimes Interesse der Öffentlichkeit daran, auch von einer Verurteilung wegen sexuellen Missbrauchs zu erfahren. Denn dies könne die Übernahme einer Ehrenpatenschaft in anderem Licht erscheinen lassen. Mit der Übernahme der Ehrenpatenschaft werde zudem die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf Familien mit mehreren Kindern gelenkt. Die angegriffene Berichterstattung habe das Schicksal sexuell missbrauchter Kinder zum Gegenstand gehabt. Die Straftat weise daher einen ausreichenden Bezug zu dem Anlass auf, aus dem heraus sie erneut thematisiert worden sei. Die Verurteilung liege zudem noch nicht so weit zurück, dass es unangemessen erscheine, hierüber aus Anlass der Übernahme einer Ehrenpatenschaft für die Abkömmlinge des Beschwerdeführers zu berichten.

Der gegen diese Entscheidung eingelegten Beschwerde half das Landgericht nicht ab. Das Kammergericht wies die Beschwerde unter Verweis auf die zutreffenden Gründe der angefochtenen Entscheidung zurück. Die Berichterstattung habe keinen rechtswidrigen Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Beschwerdeführers bewirkt. Das Landgericht habe mit vertretbarer Begründung angenommen, dass in der Übernahme einer Ehrenpatenschaft ein hinreichender Anlass liege, über die Vorstrafe des Beschwerdeführers zu berichten. Mit einer Berichterstattung über die Übernahme der Ehrenpatenschaft habe sich der Beschwerdeführer einverstanden gezeigt. Da er seinen Anspruch auf Anonymität aufgegeben habe, müsse er es auch hinnehmen, wenn die Presse aus diesem Anlass über seine frühere Verurteilung wegen eines Sexualdelikts berichte. Diese Vorstrafe stelle eine die sensibilisierte Öffentlichkeit erheblich interessierende Angelegenheit dar, die auch die Übernahme der Ehrenpatenschaft in einem anderen Licht erscheinen lasse. Die Berichterstattung sei deshalb selbst unter Würdigung der Belange einer Resozialisierung des Beschwerdeführers rechtmäßig und rechtfertige im Übrigen nicht die Zuerkennung einer Geldentschädigung.

3. Mit seiner Verfassungsbeschwerde wendet sich der Beschwerdeführer gegen die Beschlüsse des Landgerichts und des Kammergerichts. Er rügt eine Verletzung seines von Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG gewährleisteten allgemeinen Persönlichkeitsrechts sowie eine Verletzung seines aus Art. 3 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG folgenden Anspruchs auf Rechtsschutzgleichheit.

Es beruhe auf einer verfehlten Abwägung und überspanne deshalb zugleich die Anforderungen an die Erfolgsaussicht der beabsichtigten Rechtsverfolgung, dass die Gerichte zu einem Überwiegen der von der Antragsgegnerin verfolgten Berichterstattungsinteressen gelangt seien. Straftat und Verurteilung des Beschwerdeführers hätten im Zeitpunkt der Berichterstattung geraume Zeit zurück gelegen. Um eine aktuelle Berichterstattung über eine Verurteilung habe es sich nicht gehandelt. Sein Resozialisierungsinteresse sei vernachlässigt worden, als die Gerichte in der sozialüblichen Übernahme einer Ehrenpatenschaft des Regierenden Bürgermeisters für die in der Familie des Beschwerdeführers eingetretene Mehrlingsgeburt einen aktuellen Anlass für die Thematisierung seiner Verurteilung gesehen haben. Zudem hätten die Gerichte unbeachtet gelassen, dass zugleich der Schutzbereich des Art. 6 Abs. 1 GG berührt sei. Dem Schutz des familiären Zusammenlebens unterfalle auch das Anliegen des Beschwerdeführers, seinen Abkömmlingen die öffentliche Ehrung der Übernahme einer Ehrenpatenschaft des Regierenden Bürgermeister zuteil werden zu lassen. Von der Teilhabe an solchen öffentlichen Ehrungen könne ein vorbestrafter Elternteil jedoch nachhaltig abgehalten werden, falls er aus einem solchen Anlass heraus eine Medienberichterstattung über seine Vorstrafe befürchten müsse. Auch hätten die Gerichte den stigmatisierenden Inhalt der Berichterstattung nur unzureichend gewürdigt. Diese habe den Beschwerdeführer in sachlich nicht gerechtfertigter Weise als "Kinderschänder" herausgestellt.

4. Der Beschwerdeführer beantragt die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Verfahren der Verfassungsbeschwerde. Mit einem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung begehrt er ferner, ihm vorab Prozesskostenhilfe auch für die beabsichtigte Rechtsverfolgung vor den Fachgerichten zu gewähren.

5. Das Land Berlin sowie die Antragsgegnerin hatten Gelegenheit zur Stellungnahme.

II.

Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an und gibt ihr nach § 93 c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG in Verbindung mit § 93 a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG statt. Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig und offensichtlich begründet. Ihre Annahme ist zur Durchsetzung des Grundrechts des Beschwerdeführers aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG angezeigt (§ 93 a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG).

Die von den Zivilgerichten bei der Beurteilung der rechtlichen Zulässigkeit einer Medienberichterstattung über Straftaten zu beachtenden verfassungsrechtlichen Anforderungen sind in der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung geklärt (vgl. BVerfGE 35, 202 <226 ff.>). Gleiches gilt für die Voraussetzungen, unter denen der Schutzanspruch des Persönlichkeitsrechts eine Bestärkung durch den von Art. 6 Abs. 1 GG gewährleisteten Schutz des Zusammenlebens von Eltern mit ihren Kindern erfährt (vgl. BVerfGE 101, 361 <385 f.>).

Hiernach ist die Verfassungsbeschwerde offensichtlich begründet. Die angegriffenen Entscheidungen, die im Rahmen der Prüfung eines Antrags auf Gewährung von Prozesskostenhilfe die Begründetheit des vom Beschwerdeführer zu verfolgenden Anspruchs auf Schadensersatz und Geldentschädigung verneinen, verletzen den Beschwerdeführer in seinem von Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG gewährleisteten Persönlichkeitsrecht.

1. Die angegriffenen gerichtlichen Entscheidungen betreffen eine schwere Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts des Beschwerdeführers durch die Berichterstattung.

a) aa) Das von Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG gewährleistete allgemeine Persönlichkeitsrecht kann auch durch zutreffende Darstellungen beeinträchtigt werden. Die Berichterstattung kurz nach dem unter voller Namensnennung und mit Bild erfolgten Bericht über die Ehrung durch den Regierenden Bürgermeister erlaubte die Identifizierung, obwohl der Nachname abgekürzt und die Abbildung des Gesichts des Beschwerdeführers in dem nachfolgenden Bericht mit einem Augenbalken versehen war. Eine identifizierende Berichterstattung über eine Straftat macht das Fehlverhalten des Täters öffentlich bekannt. Dies qualifiziert den Betroffenen in den Augen der Adressaten von vornherein negativ (vgl. BVerfGE 35, 202 <226>). Ist der Vorwurf eines sexuellen Missbrauchs Gegenstand der Berichterstattung, so hat dies regelmäßig eine besonders gravierende Stigmatisierung des Betroffenen zur Folge (vgl. BVerfGE 97, 391 <404>). Diese kann den verfassungsrechtlich fundierten Anspruch des verurteilten Straftäters auf Resozialisierung beeinträchtigen (vgl. BVerfGE 35, 202 <233 f.>; 36, 174 <188>).

In den Schutzbereich des Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG fällt auch die spezifisch elterliche Hinwendung zu den Kindern. Ist sie betroffen, erfährt der Schutzgehalt des allgemeinen Persönlichkeitsrechts eine Verstärkung durch Art. 6 Abs. 1 und 2 GG (vgl. BVerfGE 101, 361 <385 f.>). Knüpft eine Medienberichterstattung an Vorgänge aus dem familiären Zusammenleben von Eltern mit ihren Kindern an, so wird das Gewicht der Persönlichkeitsverletzung auch davon beeinflusst, ob nachteilige Rückwirkungen auf die Bereitschaft zur Entfaltung der spezifisch elterlichen Hinwendung zu den eigenen Kindern zu erwarten sind.

bb) Die Berichterstattung der Antragsgegnerin machte aus Anlass der Übernahme der Ehrenpatenschaft den Umstand öffentlich, dass der Beschwerdeführer wegen eines Sexualdelikts verurteilt worden war. Dies berührte nicht nur das Resozialisierungsinteresse des Beschwerdeführers, sondern konnte zugleich seine Bereitschaft beeinträchtigen, zusammen mit seinen Abkömmlingen unbefangen am sozialen und öffentlichen Leben teilzunehmen. Es waren deshalb auch die von Art. 6 Abs. 1 GG vermittelten Bestärkungen des Persönlichkeitsschutzes zu berücksichtigen.

b) Die Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts ist nicht durch das Grundrecht der Meinungsfreiheit gerechtfertigt.

Die Berichterstattung genießt den Schutz der Freiheit der Meinungsäußerung gemäß Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG. Von dem Schutz der Meinungsfreiheit ist auch eine Berichterstattung der Massenmedien umfasst (vgl. BVerfGE 85, 1 <11 f.>). Wird die Presse durch ein zivilgerichtliches Unterlassungsurteil an einer erneuten Berichterstattung, hier über die Vorstrafe einer Person, gehindert, so liegt darin eine Beeinträchtigung des Grundrechts aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG.

Dieses Grundrecht findet seinerseits Schranken in den allgemeinen Gesetzen. Die vorliegend maßgeblichen zivilrechtlichen Normen über die Gewährung von Schadensersatz und Geldentschädigung wegen Verletzung eines Persönlichkeitsrechts sind allgemeine Gesetze. Die Auslegung und Anwendung dieser Gesetze ist Sache der Zivilgerichte. Das Bundesverfassungsgericht überprüft die Entscheidungen der Zivilgerichte daraufhin, ob sie bei der Anwendung der Zivilrechtsnormen der wertsetzenden Bedeutung der betroffenen Grundrechtsnormen hinreichend Rechnung getragen haben (vgl. BVerfGE 101, 361 <388; stRspr>).

Die angegriffenen Entscheidungen des Landgerichts und des Kammergerichts genügen den an sie zu stellenden verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht.

aa) Die von Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG gewährleistete Meinungsfreiheit schließt auch die Information der Öffentlichkeit über Vorstrafen einer in das Blickfeld der Öffentlichkeit getretenen Person ein (vgl. BVerfGE 35, 202 <230 ff.>). Über die Zulässigkeit einer solchen Berichterstattung ist im Einzelfall durch Abwägung mit den Belangen des Persönlichkeitsschutzes zu entscheiden.

Es trägt gewichtigen Belangen des Persönlichkeitsschutzes Rechnung, ohne die von Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG geschützte Meinungsfreiheit in unverhältnismäßiger Weise zurück zu drängen, wenn hierbei nicht jeder aus publizistischer Sicht nachvollziehbare Anlass für eine Berichterstattung über den Betroffenen als Rechtfertigung für die Offenlegung einer Vorstrafe ausreicht. Je schwerwiegender das Persönlichkeitsrecht des Betroffenen beeinträchtigt wird, umso dringlicher muss das Informationsinteresse sein, dessen Befriedigung die Berichterstattung über die Vorstrafe dient.

bb) Diesen verfassungsrechtlichen Anforderungen tragen die angegriffenen Entscheidungen nicht hinreichend Rechnung.

Die Gerichte haben maßgebend darauf abgestellt, dass der Beschwerdeführer durch Beantragung der Patenschaft seitens des Regierenden Bürgermeisters selbst die Öffentlichkeit gesucht habe und dass die betroffene Straftat einen inhaltlichen Bezug zur Übernahme der Patenschaft aufweise. Dabei haben sie nicht berücksichtigt, dass es als Ausdruck der von Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG geschützten und von Art. 6 Abs. 1 und 2 GG bestärkten Hinwendung zu den eigene Kindern zu werten war, dass der Beschwerdeführer seinen Abkömmlingen eine Ehrenpatenschaft des Regierenden Bürgermeisters zukommen ließ. Es kann einen vorbestraften Elternteil davon abhalten, seinen Abkömmlingen die Teilhabe an solchen öffentlichen Ehrungen zu verschaffen und wirkt sich damit auch zum Nachteil seiner Kinder aus, hätte er aus diesem Anlass eine Offenlegung von Vorstrafen durch die Massenmedien zu befürchten.

Die von den Gerichten als maßgebend angesehene Selbstöffnung der eigenen Privatsphäre für eine Medienberichterstattung bewirkte für sich allein nicht, dass das Interesse des Beschwerdeführers an der Geheimhaltung der Bestrafung bei der Abwägung zurückzutreten hatte. Zwar kann der Schutz der Privatsphäre vor öffentlicher Kenntnisnahme im Rahmen der Abwägung entfallen, wenn sich der Betroffene damit einverstanden gezeigt hat, dass bestimmte als privat geltende Angelegenheiten öffentlich gemacht werden. Deshalb kann auch die über Art. 6 Abs. 1 und 2 GG vermittelte Bestärkung des Schutzgehalts des Persönlichkeitsrechts zurück treten, wenn sich Eltern mit ihren Kindern bewusst der Öffentlichkeit zuwenden, indem sie sich etwa in den Mittelpunkt einer Veranstaltung stellen (vgl. BVerfGE 101, 361 <386>). Dies rechtfertigt aber nicht jeden Gegenstand der Berichterstattung. Führt diese zu einer eigenständigen Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts, bedarf es einer darauf bezogenen Abwägung.

Es ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass die Gerichte angenommen haben, durch die Mitwirkung des Beschwerdeführers an einer Feierlichkeit aus Anlass der Übernahme einer Ehrenpatenschaft für seine Abkömmlinge und eine Duldung oder Zustimmung zu der Medienberichterstattung hierüber sei die Antragsgegnerin des Ausgangsverfahrens zur Berichterstattung über das Ereignis und damit zusammenhängend den Beschwerdeführer berechtigt. Dies schuf aber keinen zureichenden Anlass, die frühere Verurteilung des Beschwerdeführers wegen eines Sexualdelikts zum Thema der Medienberichterstattung zu machen. Diesen Umstand hatte er zu keinem Zeitpunkt gegenüber der Öffentlichkeit offenbart, so dass es einer gesonderten Abwägung bedurfte.

Dass der Regierende Bürgermeister die Ehrenpatenschaft für die Abkömmlinge eines wegen sexuellen Kindesmissbrauchs rechtskräftig abgeurteilten Vaters übernommen hatte, bot keine zureichende Veranlassung, den Beschwerdeführer als wegen eines Sexualdelikts vorbestrafte Person zu identifizieren. Die Ehrung galt den Abkömmlingen und die Mitwirkung des Beschwerdeführers an ihr drückte sein Bekenntnis zur Übernahme elterlicher Verantwortung für eine Mehrlingsgeburt aus. Die Patenschaft knüpfte an den Tatbestand der Geburt an, hatte aber nicht die Würdigung der Lebensführung des Beschwerdeführers zum Gegenstand. Die aktive Mitwirkung des Beschwerdeführers an der Ehrung konnte es für sich allein nicht rechtfertigen, in einer Medienberichterstattung hierüber der Frage seines straffreien Vorlebens nachzugehen. Hierfür bot auch die von den Gerichten betonte besondere Sensibilisierung der Öffentlichkeit für die Straftat des sexuellen Missbrauchs von Kindern keine zureichende Grundlage. Gerade wegen dieser Sensibilisierung war auch in Rechnung zu stellen, dass das Bekanntwerden der Vorstrafe den Beschwerdeführer besonders nachteilig beeinträchtigen könnte.

Zudem ging die Berichterstattung über die Mitteilung der Vorstrafe hinaus. In ihr wurde erörtert, ob dem Beschwerdeführer mit Blick auf seine Vorstrafe das Sorgerecht für seine Abkömmlinge zu entziehen sei. Auch war ein Lichtbild, welches den Beschwerdeführer bei der Pflege seiner Säuglinge zeigt, mit der Frage kommentiert worden, wohin die Hände des Beschwerdeführers in Abwesenheit der Kamera wohl glitten. Die deutlich stigmatisierende Wirkung gerade dieser inhaltlichen Aufmachung der beanstandeten Berichterstattung haben die Gerichte ebenfalls nicht zureichend in die Abwägung eingestellt.

Auch ist dem Resozialisierungsinteresse des Beschwerdeführers nicht in dem gebotenen Umfang Rechnung getragen worden. Das Landgericht hat insbesondere in der zeitlichen Nähe der Berichterstattung zu der Verurteilung des Beschwerdeführers einen für die Zulässigkeit der Berichterstattung sprechenden Gesichtspunkt gesehen. Dieser Umstand hätte maßgebend sein können, wenn es um eine aktuelle Befriedigung des Informationsinteresses der Öffentlichkeit an Verlauf und Ergebnis einer Gerichtsverhandlung über die Straftat gegangen wäre. Hier aber wurde die frühere Verurteilung des Beschwerdeführers aus anderem Anlass zum Gegenstand des Zeitungsartikels genommen.

c) Die angegriffenen Entscheidungen beruhen auf dem dargelegten Grundrechtsverstoß. Das Landgericht hat in die Abwägung nicht alle verfassungsrechtlich maßgebenden Gesichtspunkte eingestellt. Diese Abwägung hat das Kammergericht bestätigt. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Gerichte bei Beachtung der sich aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG ergebenden Anforderungen und ihrer Bestärkung durch die Gewährleistung des Art. 6 GG zur Rechtswidrigkeit der Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts des Beschwerdeführers gelangt wären.

Ob die beabsichtigte Rechtsverfolgung in der Sache Erfolg haben würde, hängt bei Anerkennung einer Persönlichkeitsverletzung zusätzlich davon ab, ob ein materieller Schaden eingetreten ist beziehungsweise ob die für eine Geldentschädigung wegen Persönlichkeitsverletzung maßgebenden Voraussetzungen erfüllt waren. Nach der Rechtsprechung der Zivilgerichte setzt der Anspruch auf Geldentschädigung neben einer Verletzung des Persönlichkeitsrechts voraus, dass diese bei Abwägung der Gesamtumstände schwer wiegt und nicht anders als durch Gewährung einer Geldentschädigung ausgeglichen werden kann (vgl. BGHZ 132, 13 <27 f.>). Dabei wirkt die Verankerung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts in Art. 2 Abs. 1 und Art. 1 Abs. 1 GG auch auf die Anwendung dieser zur Verletzung des Persönlichkeitsrechts hinzutretenden Anspruchsvoraussetzungen ein (vgl. BVerfGK 3, 49 <52>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 25. August 2005 - 1 BvR 2165/00 -, NJW 2006, S. 595 f.).

Dass der beabsichtigten Rechtsverfolgung bei Beachtung solcher Einwirkungen ein Erfolg gänzlich versagt bleiben müsste, ist nicht hinreichend erkennbar. Mit der Frage der Zuerkennung von Schadensersatz und einer Geldentschädigung für den Fall der Bejahung der Persönlichkeitsverletzung hat das Landgericht sich nicht befasst. Die nicht mit Gründen versehene Feststellung des Beschwerdegerichts, dass es auch an den übrigen Voraussetzungen einer Geldentschädigung fehle, lässt nicht erkennen, ob dem eine verfassungsrechtlich tragfähige Erwägung zugrunde liegt.

2. Gemäß § 95 Abs. 1 Satz 1 BVerfGG ist die Verletzung des Grundrechts des Beschwerdeführers aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG durch die angegriffenen Entscheidungen festzustellen. Die angegriffenen Entscheidungen sind aufzuheben und die Sache ist an das Landgericht zurückzuverweisen (§ 95 Abs. 2 BVerfGG).

3. Die Erörterung der von dem Beschwerdeführer weiter erhobenen Rüge einer Verletzung des von Art. 3 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG verbürgten Anspruchs auf Rechtsschutzgleichheit in dem Verfahren auf Gewährung von Prozesskostenhilfe (dazu vgl. BVerfGE 81, 347 <356 f.>) ist entbehrlich. Mit der Aufhebung der angegriffenen Entscheidungen ist der verfassungsrechtlichen Beschwer auch insoweit abgeholfen, als der Beschwerdeführer sich mit seinen Rügen dagegen wendet, dass die Gerichte die von der beabsichtigten Rechtsverfolgung aufgeworfenen Rechtsfragen bereits in dem summarischen Verfahren auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe abschließend beantwortet haben, statt dies dem Hauptsacheverfahren vorzubehalten.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 34 a Abs. 2 BVerfGG. Von den notwendigen Auslagen des Beschwerdeführers umfasst sind auch die gesetzlichen Gebühren seines Verfahrensbevollmächtigten. Damit erledigt sich der Antrag des Beschwerdeführers auf Gewährung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung eines Rechtsanwalts (vgl. BVerfGE 81, 347 <362>; 104, 220 <222, 238>; 105, 1 <17>; 105, 239 <240>).

5. Mit dieser Entscheidung erledigt sich zugleich der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung.

Das Bundesverfassungsgericht darf davon ausgehen, dass die Fachgerichte in dem nach § 95 BVerfGG zurückverwiesenen Verfahren der verjährungshemmenden Wirkung des Antrags auf Prozesskostenhilfe nach § 204 Abs. 1 Ziffer 14 BGB Rechnung tragen und ferner auch einen im Beschwerdeverfahren von der Antragsgegnerin erklärten Verzicht auf die Einrede der Verjährung berücksichtigen werden.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

Ende der Entscheidung

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