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Gericht: Bundesverfassungsgericht
Beschluss verkündet am 15.12.1997
Aktenzeichen: 1 BvR 1953/97
Rechtsgebiete: GG


Vorschriften:

GG Art. 2 Abs. 2 Satz 1
GG Art. 3 Abs. 1
GG Art. 14
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.

BUNDESVERFASSUNGSGERICHT

- 1 BvR 1953/97 -

In dem Verfahren

über

die Verfassungsbeschwerde

des Herrn S...

- Bevollmächtigte: Rechtsanwälte Helmut Beyer und Partner Theaterstraße 12, 37073 Göttingen -

gegen

a) den Beschluß des Bundessozialgerichts vom 2. September 1997 - 1 BK 8/97 -,

b) das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 19. Dezember 1996 - L 4 Kr 166/96 -,

c) das Urteil des Sozialgerichts Hildesheim vom 29. Mai 1996 - S 20 Kr 33/95 -,

d) den Bescheid der Deutschen Angestellten-Krankenkasse vom 16. Dezember 1994 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. März 1995 - 15/1995, bt/K/67 -

hat die 2. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch den Richter Kühling, die Richterin Jaeger und den Richter Steiner

gemäß § 93 b in Verbindung mit § 93 a BVerfGG in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. August 1993 (BGBl I S. 1473) am 15. Dezember 1997 einstimmig beschlossen:

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.

G r ü n d e :

I.

Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Frage der Erstattung der für die Tätigkeit eines Heilpraktikers aufgewendeten Kosten durch die gesetzliche Krankenversicherung.

1. Der Beschwerdeführer leidet an der erblichen Stoffwechselkrankheit Mukoviszidose. Er erhielt deswegen Heilbehandlungsmaßnahmen im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung. Nach seinen Angaben ist es im Jahre 1987 zu einer rapiden Verschlechterung seines Gesundheitszustandes gekommen. Behandlungsmethoden der sogenannten Schulmedizin hätten die zunehmende Schwächung seines Immunsystems nicht aufhalten können. Er habe den nahen Tod vor Augen gehabt. In dieser Situation sei er auf den Heilpraktiker L. aufmerksam geworden, der sich infolge der Mukoviszidoseerkrankung seiner eigenen Kinder besonders intensiv mit dieser Krankheit unter therapeutischen Aspekten auseinandergesetzt habe. Dessen Behandlungskonzept sei auch in seinem Fall erfolgreich gewesen. Aufgrund der Behandlung durch L. sei es ihm möglich geworden, einer Erwerbstätigkeit als Krankengymnast bei 30 Wochenstunden nachzugehen.

2. Im November 1994 beantragte der Beschwerdeführer bei seiner Krankenkasse rückwirkend ab 1990 die Erstattung der durch die Behandlung bei L. angefallenen Kosten. Der Antrag wurde durch Bescheid vom 16. Dezember 1994 abgelehnt. Widerspruchsverfahren, Klage und Berufung blieben erfolglos. In allen Entscheidungen ist maßgeblich auf den in § 15 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) verankerten Arztvorbehalt für die selbständige medizinische Behandlung abgestellt worden. Die Nichtzulassungsbeschwerde hat das Bundessozialgericht als unzulässig verworfen.

3. Mit der Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer die Verletzung des Sozialstaatsprinzips in Verbindung mit Art. 2 Abs. 2 Satz 1 und des Art. 3 Abs. 1 GG sowie einen Verstoß gegen Art. 14 GG. Der Schutz in Fällen von Krankheit zähle nach der sozialstaatlichen Ordnung des Grundgesetzes zu den Grundaufgaben des Staates. In seinem - des Beschwerdeführers - Falle liege eine Versorgungslücke des gesetzlichen Versicherungssystems vor, die unter Beachtung der Wertungen des Sozialstaatsprinzips in Verbindung mit Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG in seinem Sinne geschlossen werden könne und müsse. Eine Ungleichbehandlung nach Art. 3 Abs. 1 GG sei gegeben, weil er wie jeder andere gegen Krankheit Versicherte einen Anspruch auf eine umfassende und seiner Krankheit angemessene Behandlung habe. Art. 14 GG sei dadurch verletzt, daß er als pflichtversichertes Mitglied gezwungen sei, Krankenversicherungsbeiträge zu leisten, wegen deren Höhe jedoch praktisch keine Möglichkeit habe, die Versorgungslücke durch eine zusätzliche private Krankenversicherung zu schließen.

II.

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen, weil Annahmegründe nach § 93 a Abs. 2 BVerfGG nicht vorliegen.

1. Der Verfassungsbeschwerde kommt keine grundsätzliche Bedeutung zu (§ 93 a Abs. 2 Buchstabe a BVerfGG).

a) Die mit der Verfassungsbeschwerde aufgeworfenen Fragen sind in der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung geklärt. Bereits im Beschluß vom 10. Mai 1988 hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfGE 78, 155 <163>) entschieden, daß die den Heilpraktiker betreffenden berufsrechtlichen Normen des Heilpraktikergesetzes und der dazu ergangenen Verordnung allein der Gefahrenabwehr im Sinne einer Unbedenklichkeitsbescheinigung dienen; bei der Heilpraktikererlaubnis solle es sich nicht um eine positive staatliche Anerkennung im Sinne eines Befähigungsnachweises handeln. Dieser Zweck werde dem Ziel der gesetzlichen Krankenversicherung nicht gerecht. Der Ausschluß der Heilpraktiker von der selbständigen Behandlung der Versicherten sei daher geeignet, aber auch erforderlich, das Ziel der gesetzlichen Krankenversicherung zu verwirklichen, dem Versicherten eine möglichst sachkundige Behandlung zukommen zu lassen. Daran ist festzuhalten. Der Gesetzgeber generalisiert in verfassungsrechtlich erlaubter Weise, wenn er nur durch approbierte Ärzte die Erhaltung des Gesundheitszustandes und eine rasche und sichere Heilung der Versicherten im Krankheitsfall gewährleistet sieht.

b) Der Beschluß vom 10. Mai 1988 ist zwar zum Begehren eines Heilpraktikers auf Zulassung zur Versorgung gesetzlich versicherter Personen ergangen. Im Vordergrund stand der Maßstab des Art. 12 Abs. 1 GG. Nichts anderes gilt aber für die verfassungsrechtliche Überprüfung aus der Sicht des Versicherten. Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 1, 28 Abs. 1 Satz 1 GG) räumt diesem keinen subjektiven Anspruch auf die Gewährung konkreter Leistungen durch die gesetzliche Krankenversicherung ein. Das hat das Bundesverfassungsgericht u.a. in seinen Beschlüssen vom 5. März 1997 zum Ausdruck gebracht (1 BvR 1068/96 = MedR 1997, S. 318; 1 BvR 1831/95; 1 BvR 418/96; 1 BvR 1071/95). Ebensowenig ergibt sich aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG ein verfassungsrechtlicher Anspruch darauf, daß ein bestimmter, im SGB V nicht vorgesehener Leistungserbringer im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung tätig werden darf.

2. Da die Verfassungsbeschwerde aus den genannten Gründen keine Erfolgsaussicht hat, ist ihre Annahme auch nicht zur Durchsetzung der in § 90 Abs. 1 BVerfGG genannten Rechte angezeigt.

Im übrigen wird von einer Begründung abgesehen (§ 93 b BVerfGG).

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

Kühling Jaeger Steiner Steiner

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