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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverfassungsgericht
Beschluss verkündet am 19.03.2007
Aktenzeichen: 1 BvR 2426/04
Rechtsgebiete: BVerfGG, SGB I, GG, EGV


Vorschriften:

BVerfGG § 23 Abs. 1 Satz 2
BVerfGG § 92
BVerfGG § 93 a
BVerfGG § 93 a Abs. 2
BVerfGG § 93 b
BVerfGG § 93 d Abs. 1 Satz 3
SGB I § 33 a
GG Art. 2 Abs. 1
GG Art. 14 Abs. 1
GG Art. 101 Abs. 1 Satz 2
EGV Art. 234
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT

- 1 BvR 2426/04 -

In dem Verfahren

über

die Verfassungsbeschwerde

gegen

das Urteil des Bundessozialgerichts vom 19. Mai 2004 - B 13 RJ 26/03 R -

hat die 3. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch den Präsidenten Papier und die Richter Steiner, Gaier gemäß § 93 b in Verbindung mit § 93 a BVerfGG in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. August 1993 (BGBl I S. 1473) am 19. März 2007 einstimmig beschlossen:

Tenor:

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.

Gründe:

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen, weil die Voraussetzungen des § 93 a Abs. 2 des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes (BVerfGG) nicht vorliegen. Die Verfassungsbeschwerde ist infolge mangelnder Substantiierung gemäß § 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG unzulässig.

1. Die Beschwerdeführerin legt eine mögliche Verletzung des Art. 14 Abs. 1 GG nicht ausreichend substantiiert dar. Zwar genießen Versichertenrenten und Anwartschaften auf Versichertenrenten aus der gesetzlichen Rentenversicherung den Schutz des Art. 14 Abs. 1 GG (vgl. BVerfGE 53, 257 <290>; 58, 81 <109>; stRspr). Der Vortrag der Beschwerdeführerin lässt jedoch nicht erkennen, dass sie vor In-Kraft-Treten des § 33 a des Ersten Buches Sozialgesetzbuch (SGB I) über eine verfassungsrechtlich gesicherte Rechtsposition in Bezug auf den konkreten Beginn ihrer Altersrenten verfügt hat. Die Beschwerdeführerin konnte gerade nicht auf die Maßgeblichkeit des durch das Landgericht T.../Griechenland korrigierten Geburtsdatums vertrauen. Die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit hatten vielmehr selbst im Streitfall von Amts wegen das Geburtsdatum der Beschwerdeführerin festzustellen. Auch die Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 2. Dezember 1997 (Rs. C-336/94, Slg. I 1997, S. 6761) besagt nicht, dass das frühere Geburtsdatum in Deutschland ungeprüft hätte Beachtung finden müssen. Der Europäische Gerichtshof hält Personenstandsurkunden, die von zuständigen Stellen anderer Mitgliedsstatten der Europäischen Union ausgestellt wurden, vielmehr für unverbindlich, wenn deren Richtigkeit durch konkrete einzelfallbezogene Anhaltspunkte ernstlich in Frage gestellt ist. Von derartigen Anhaltspunkten ist das Sozialgericht Hamburg ausgegangen. Ob dies gerechtfertigt war, lässt sich anhand des Vortrags der Beschwerdeführerin nicht überprüfen. Sie teilt die Gründe des Sozialgerichts Hamburg nicht näher mit.

Da die Beschwerdeführerin schon das Vorliegen eines Vertrauenstatbestandes im gegebenen Fall nicht substantiiert begründet hat, fehlt es auch an der hinreichenden Darlegung einer möglichen Verletzung des Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem rechtsstaatlichen Vertrauensschutzgrundsatz und dem Sozialstaatsprinzip durch das Fehlen einer Übergangsregelung für die Anwendung des § 33 a SGB I auf bereits laufende Rentenverfahren.

2. Auch eine Verletzung des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG ist nicht schlüssig vorgetragen. Dessen Auslegung und Anwendung ist verfassungsrechtlich nur zu beanstanden, wenn sie bei verständiger Würdigung der das Grundgesetz bestimmenden Gedanken nicht mehr verständlich erscheint und offensichtlich unhaltbar ist (vgl. BVerfGE 82, 159 <194>). Anhaltspunkte für ein willkürliches Unterlassen der Vorlage gemäß Art. 234 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EGV) bestehen nicht. Das Bundessozialgericht hat eine mögliche Vorlagepflicht eingehend erörtert und sich mit der einschlägigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs auseinandergesetzt. Die Beschwerdeführerin begründet eine Verletzung von Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG ausschließlich damit, der Europäische Gerichtshof hätte klären müssen, ob der nationale Gesetzgeber die Bindungswirkung der in Frage stehenden Vorabentscheidung durch die Schaffung von § 33 a SGB I rückwirkend aufheben durfte. Diese Argumentation übersieht, dass eine Vorabentscheidung gemäß Art. 234 EGV allein die den Rechtsstreit entscheidenden Gerichte, nicht aber unmittelbar den nationalen Gesetzgeber bindet (vgl. Gaitainides, in: von der Groeben/Schwarze, Kommentar zum EU-/EG-Vertrag, 6. Aufl. 2003, Art. 234 EGV, Rn. 89; Wegener, in: Calliess/Ruffert, Das Verfassungsrecht der Europäischen Union, 3. Aufl. 2007, Art. 234 EGV, Rn. 36). Mit den umfangreichen Ausführungen des Bundessozialgerichts hat sich die Beschwerdeführerin dagegen nicht auseinandergesetzt.

Von einer weiteren Begründung wird nach § 93 d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

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