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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverfassungsgericht
Beschluss verkündet am 05.08.1998
Aktenzeichen: 1 BvR 2470/94
Rechtsgebiete: GG


Vorschriften:

GG Art. 2 Abs. 1
GG Art. 3 Abs. 1
GG Art. 101 Abs. 1 Satz 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT

- 1 BvR 2470/94 -

In dem Verfahren

über

die Verfassungsbeschwerde

des Herrn Dr. S...

- Bevollmächtigte: Rechtsanwälte Dr. Bernd Tremml und Partner, Martiusstraße 5/II, München -

gegen

die Entscheidung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs vom 17. November 1994 - 96-IX-94 -

hat die 1. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch den Vizepräsidenten Papier und die Richter Grimm, Hömig gemäß § 93 b in Verbindung mit § 93 a BVerfGG in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. August 1993 (BGBl I S. 1473)

am 23. Juli 1998 einstimmig beschlossen:

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.

Gründe:

Die Verfassungsbeschwerde betrifft eine Entscheidung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs darüber, daß die Voraussetzungen für die Zulassung eines Volksbegehrens nicht gegeben sind.

I.

1. 1994 wurde beim Bayerischen Staatsministerium des Innern die Zulassung eines Volksbegehrens über den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Bayerischen Gesetzes über das Erziehungs- und Unterrichtswesen beantragt (Volksbegehren "Bessere Schulen"). Beauftragter der Antragsteller im Sinne des Art. 64 Abs. 2 des Landeswahlgesetzes (LWG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 9. März 1994 (GVBl S. 135) war der Beschwerdeführer.

2. Das Staatsministerium hielt die gesetzlichen Voraussetzungen für die Zulassung des Volksbegehrens nicht für gegeben und beantragte gemäß Art. 65 Abs. 1 Satz 1 LWG die Entscheidung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs. Der Beschwerdeführer war im Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof als Beauftragter der Unterzeichner des Zulassungsantrags beteiligt. Er verteidigte den Gesetzentwurf und rügte darüber hinaus eine verfassungswidrige Besetzung des Gerichtshofs.

3. Mit der angegriffenen Entscheidung hat der Bayerische Verfassungsgerichtshof festgestellt, daß die gesetzlichen Voraussetzungen für die Zulassung des Volksbegehrens nicht gegeben seien (vgl. BayVerfGH 47, 276). Zur Begründung hat er im wesentlichen ausgeführt:

Die Rügen gegen die Besetzung des Gerichts seien unbegründet (unter Hinweis auf BayVerfGH 40, 94 <99 ff.>; 43, 107 <117 ff.>; 46, 1 <9 ff.>).

Die Voraussetzungen für die Zulassung des Volksbegehrens seien nicht gegeben. Die in dem Gesetzentwurf vorgesehenen Regelungen über die schulische Selbstverwaltung im Schulforum, über die Schülerzeitungen, über die neue Schulart "Regionalschule" und über die Klassenhöchststärke verstießen gegen die Verfassung des Freistaats Bayern (im folgenden: BV). Die Verfassungswidrigkeit dieser Bestimmungen führe dazu, daß die Voraussetzungen für die Zulassung des gesamten Volksbegehrens nicht gegeben seien. Die teilweise Zulassung eines Volksbegehrens komme grundsätzlich nicht in Betracht. Nur wenn die die Unzulässigkeit des Volksbegehrens begründenden Vorschriften einen unwesentlichen Teil des Gesetzentwurfs darstellten und von diesem sachlich getrennt werden könnten, könne ein Volksbegehren mit den verbleibenden Vorschriften ausnahmsweise zugelassen werden. Weiter könne eine Ausnahme möglich sein, wenn ein Volksbegehren zwei deutlich voneinander unterschiedene Gesetzesanträge enthalte, von denen nur einer unzulässig sei. Hier seien maßgebliche Bestimmungen des dem Volksbegehren zugrunde liegenden Gesetzentwurfs verfassungswidrig. Sie beträfen wesentliche Teile des Entwurfs. Eine Ausnahme von dem Grundsatz der Unzulässigkeit des Volksbegehrens im ganzen könne deshalb nicht angenommen werden.

II.

1. Mit seiner Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer eine Verletzung von Art. 2 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1 und Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG. Zur Begründung trägt er im wesentlichen vor:

a) Die an der Entscheidung beteiligten neun Richter seien nicht die gesetzlichen Richter im Sinne von Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG.

Die Wahl der berufsrichterlichen Verfassungsrichter durch den Landtag mit einfacher Mehrheit nach Art. 4 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes über den Bayerischen Verfassungsgerichtshof (VfGHG) vom 10. Mai 1990 (GVBl S. 122) in Verbindung mit Art. 23 Abs. 1 BV sei verfassungsrechtlich bedenklich, weil sie geeignet sei, Einfluß auf die richterliche Unabhängigkeit auszuüben. Darin liege zugleich ein Verstoß gegen den Gewaltenteilungsgrundsatz. Insbesondere in Anbetracht der Tatsache, daß der Bayerische Verfassungsgerichtshof auch für "politische" Verfahren zuständig sei, sei es erforderlich, daß die Richter mit einer qualifizierten Mehrheit gewählt würden. Vor allem im Zusammenspiel mit der Möglichkeit einer Wiederwahl nach Art. 4 Abs. 3 VfGHG und den unterschiedlichen Amtszeiten der Mitglieder des Gerichts nach Art. 4 Abs. 1 und 2 VfGHG werde in die persönliche Unabhängigkeit der Verfassungsrichter eingegriffen. Die Position der berufsrichterlichen Mitglieder werde weiter dadurch geschwächt, daß diese der Staatsregierung nach Art. 6 Abs. 1 VfGHG vom Präsidenten des Verfassungsgerichtshofs vorgeschlagen würden.

Der Verfassungsgerichtshof sei verfassungswidrig überbesetzt. Art. 3 Abs. 1 VfGHG lege eine höhere Anzahl von Verfassungsrichtern fest, als sie in Art. 68 Abs. 2 BV bestimmt sei. Für die Verfahren, zu denen das Ausgangsverfahren gehört habe, seien nach dem Geschäftsverteilungsplan des Verfassungsgerichtshofs für das Jahr 1994 insgesamt 13 Spruchgruppen gebildet worden. Dies verstoße gegen Bundesverfassungsrecht. Im übrigen hätte die Zahl der Spruchkörper durch Gesetz und nicht durch den Geschäftsverteilungsplan bestimmt werden müssen. Gleiches gelte für die Zuweisung des Generalsekretärs des Gerichts an mehrere Spruchgruppen.

Art. 8 Satz 2 VfGHG, nach dem der Generalsekretär, der auch im Ausgangsverfahren mitgewirkt habe, von den Aufgaben im richterlichen Hauptamt freigestellt sei, verstoße gegen den in der Bayerischen Verfassung enthaltenen Grundsatz der Nebenamtlichkeit der Verfassungsrichter. Die herausragende Stellung, die der Generalsekretär innehabe, schließe seine persönliche Unabhängigkeit aus.

Bei der Wahl der nichtberufsrichterlichen Mitglieder des Verfassungsgerichtshofs, die gemäß Art. 4 Abs. 2 VfGHG nach den Grundsätzen des Verhältniswahlrechts durchzuführen sei, sei das Verfahren d'Hondt angewandt worden. Das sei mit dem Grundsatz der Wahlgleichheit nicht vereinbar. Zudem verstoße Art. 4 Abs. 2 VfGHG gegen Art. 23 Abs. 1 BV, wonach der Landtag mit einfacher Mehrheit der abgegebenen Stimmen entscheide, sofern die Verfassung kein anderes Stimmverhältnis vorschreibe. Das Verfahren der Wahl der berufsrichterlichen Mitglieder gemäß Art. 4 Abs. 1 Satz 2, 5 und 7 VfGHG verletze das in Art. 22 Abs. 1 BV normierte Gebot der Öffentlichkeit der Verhandlungen des Landtags und zugleich das bundesverfassungsrechtliche Demokratieprinzip.

Art. 5 Abs. 2 VfGHG verstoße gegen das Gewaltenteilungsprinzip des Art. 20 Abs. 2 GG. Die gesetzliche Regelung schließe nicht aus, daß nichtberufsrichterliche Mitglieder des Verfassungsgerichtshofs bayerische Beamte im staatlichen oder kommunalen Bereich seien. Dies gelte auch für die nichtberufsrichterlichen Richter, die an der angegriffenen Entscheidung mitgewirkt hätten.

Schließlich sei der Geschäftsverteilungsplan des Verfassungsgerichtshofs verfassungswidrig. Die Verteilung der nichtberufsrichterlichen Richter sei so vorgenommen worden, daß auch die Zusammensetzung der einzelnen Spruchgruppen den Grundsätzen der Verhältniswahl entspreche. Im Wege der Geschäftsverteilung habe offenbar das vermutete Entscheidungsverhalten der Richter neutralisiert werden sollen.

b) Die angegriffene Entsccheidung verletze auch Art. 3 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip. Es dränge sich der Schluß auf, daß sie auf sachfremden Erwägungen beruhe. Die Ausführungen des Verfassungsgerichtshofs zur Unzulässigkeit der im Gesetzentwurf vorgesehenen Regelungen über die Schülerzeitungen, die Regionalschule und die Klassenhöchststärke verstießen gegen das Willkürverbot.

c) Der Beschwerdeführer werde schließlich in seinem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG verletzt. Ihm sei es nicht mehr möglich, seine allgemeine Handlungsfreiheit dadurch zu verwirklichen, daß er in Bayern im Wege des Volksbegehrens und des Volksentscheids die Gesetzesinitiative ausübe, weil Volksbegehren, die nach den vom Verfassungsgerichtshof aufgestellten Kriterien zulässig seien, nicht mehr denkbar seien.

2. Die Bayerische Staatsregierung, der Bayerische Landtag und der Bayerische Senat haben zur Verfassungsbeschwerde Stellung genommen. Sie halten sie zum Teil für unzulässig, jedenfalls aber für unbegründet.

III.

Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen. Die Annahmevoraussetzungen liegen nicht vor.

1. Die Verfassungsbeschwerde hat keine grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung (vgl. § 93 a Abs. 2 Buchstabe a BVerfGG). Die aufgeworfenen verfassungsrechtlichen Fragen lassen sich ohne weiteres aus dem Grundgesetz beantworten oder sind in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bereits hinreichend geklärt (vgl. BVerfGE 90, 22 <24 f.>). Das ergibt sich aus den nachstehenden Ausführungen und den dort gegebenen Rechtsprechungsnachweisen.

2. Die Annahme der Verfassungsbeschwerde ist auch nicht zur Durchsetzung der als verletzt bezeichneten Grundrechte und grundrechtsgleichen Rechte angezeigt (vgl. § 93 a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Dabei kann offenbleiben, ob der Beschwerdeführer, der bei verständiger Auslegung seines Begehrens die Verfassungsbeschwerde sowohl als Unterzeichner des Antrags auf Zulassung des Volksbegehrens als auch als Beauftragter der Gesamtheit der Unterzeichner eingelegt hat, in der zuletzt genannten Eigenschaft mit der Rüge einer Verletzung von Art. 3 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 GG politische Individualrechte aus dem status activus oder aber Rechte geltend macht, die auf einer besonderen kompetentiellen Funktion beruhen und durch ein gesetzlich begründetes gegenseitiges Rechte- und Pflichtenverhältnis geregelt sind, mithin mit der Verfassungsbeschwerde nicht verteidigt werden können (zuletzt offengelassen auch in BVerfGE 96, 231 <241>). Denn unabhängig davon hat die Verfassungsbeschwerde keine hinreichende Aussicht auf Erfolg (vgl. BVerfGE 90, 22 <25 f.>).

a) Die mit der Verfassungsbeschwerde erhobenen Rügen sind teilweise unzulässig.

aa) Soweit der Beschwerdeführer eine Verletzung von Art. 3 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip und von Art. 2 Abs. 1 GG geltend macht, folgt dies schon daraus, daß sein Vorbringen nicht den Begründungserfordernissen des § 23 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1 und des § 92 BVerfGG genügt. Es läßt die Möglichkeit eines Verfassungsverstoßes der angegriffenen Entscheidung insoweit nicht hinreichend deutlich erkennen (vgl. BVerfGE 78, 320 <329>).

Der Verfassungsgerichtshof hat im Anschluß an die Darlegungen zur Verfassungswidrigkeit der im Gesetzentwurf vorgeschlagenen Regelungen über die schulische Selbstverwaltung im Schulforum, über die Schülerzeitungen, über die Regionalschule und über die Beschränkung der Klassenstärke ausgeführt, die Verfassungswidrigkeit dieser Regelungen habe zur Folge, daß die Voraussetzungen für die Zulassung des gesamten Volksbegehrens nicht gegeben seien. Nur wenn die die Unzulässigkeit eines Volksbegehrens begründenden Vorschriften einen unwesentlichen Teil des zugrunde liegenden Gesetzentwurfs darstellten und von diesem sachlich getrennt werden könnten, könne ein Volksbegehren mit den verbleibenden Vorschriften ausnahmsweise zugelassen werden. Weiter könne eine Ausnahme möglich sein, wenn ein Volksbegehren zwei deutlich voneinander unterschiedene Gesetzesanträge enthalte, von denen nur einer unzulässig sei. Hier seien maßgebliche Bestimmungen des dem Volksbegehren zugrunde liegenden Gesetzentwurfs verfassungswidrig. Den Antragstellern sei es auf die genannten Bestimmungen wesentlich angekommen. Unter diesen Umständen sei es nicht möglich, einen Ausnahmefall anzunehmen.

Bei dieser Argumentation hätte eine substantiierte, den Anforderungen des § 23 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1 und des § 92 BVerfGG standhaltende Begründung der Verfassungsbeschwerde erfordert, daß sich diese mit den Ausführungen des Verfassungsgerichtshofs zu allen von ihm als verfassungswidrig angesehenen Regelungen des Gesetzentwurfs auseinandersetzt. Das ist jedoch nicht geschehen. Der Beschwerdeführer ist nur auf die Darlegungen des Verfassungsgerichtshofs eingegangen, die sich mit den Bestimmungen über die Schülerzeitungen, über die Regionalschule und über die Beschränkung der Klassenstärke befassen. Die Ausführungen zur schulischen Selbstverwaltung im Schulforum, die nach der Rechtsauffassung des Verfassungsgerichtshofs allein schon zur Unzulässigkeit des Gesetzentwurfs im ganzen geführt haben, hat er dagegen nicht als verfassungswidrig gerügt. Mit Rücksicht darauf kann nicht angenommen werden, daß die angegriffene Entscheidung auf dem geltend gemachten Grundrechtsverstoß beruht.

bb) Nicht ausreichend begründet ist auch die Rüge, der gesetzliche Richter im Sinne des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG sei im Ausgangsverfahren nicht gewährleistet gewesen, weil Art. 4 Abs. 1 Satz 2, 5 und 7, Abs. 2, Art. 5 Abs. 2 und Art. 8 Satz 2 VfGHG wegen Verstoßes gegen Bundes- und Landesverfassungsrecht verfassungswidrig seien.

Soweit der Verstoß gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG mit der Unvereinbarkeit des Art. 4 Abs. 1 Satz 2, 5 und 7, Abs. 2 und des Art. 8 Satz 2 VfGHG mit Landesverfassungsrecht begründet wird, unterläßt es der Beschwerdeführer, sich mit der - in der angegriffenen Entscheidung insoweit jeweils in Bezug genommenen - gegenteiligen Auffassung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs (vgl. BayVerfGH 46, 1 <10-13>) auseinanderzusetzen. Die Verfassungsbeschwerde beschränkt sich vielmehr auf die bloße Behauptung eines Verstoßes der genannten Vorschriften gegen Regelungen der Bayerischen Verfassung. Inwieweit Art. 4 Abs. 1 Satz 2, 5 und 7 VfGHG darüber hinaus das Demokratieprinzip des Grundgesetzes verletzen könnte, wird ebenfalls nicht gesagt. Der Beschwerdeführer hat schon nicht vorgetragen, welche Anforderungen das Demokratieprinzip an die Öffentlichkeit des parlamentarischen Verfahrens in den Ländern stellt.

Schließlich wird, soweit der Beschwerdeführer eine Verletzung des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG daraus herleitet, daß die Inkompatibilitätsregelung des Art. 5 Abs. 2 VfGHG gegen den Gewaltenteilungsgrundsatz des Art. 20 Abs. 2 GG verstoße, nicht dargelegt, welcher der an der angegriffenen Entscheidung beteiligten nichtberufsrichterlichen Verfassungsrichter Beamter des Freistaats Bayern oder einer bayerischen Kommune sein soll.

cc) Der Zulässigkeit der Rügen, die Zahl der Spruchgruppen des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs und die Zuweisung des Generalsekretärs des Gerichts an mehrere Spruchgruppen hätten durch Gesetz geregelt werden müssen, steht der Grundsatz der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde entgegen.

Dieser Grundsatz gebietet es, daß ein Beschwerdeführer im Ausgangsverfahren alle prozessualen Möglichkeiten ausschöpft, um es gar nicht erst zu einem Verfassungsverstoß kommen zu lassen oder um eine erfolgte Grundrechtsverletzung zu beseitigen (vgl. BVerfGE 85, 80 <86> m.w.N; stRspr). Deswegen sind auch Besetzungsrügen bereits vor dem zuständigen Gericht zu erheben (vgl. BVerfGE 16, 124 <127>; BVerfG, 3. Kammer des Zweiten Senats, NVwZ 1993, S. 1080 <1081>). Das ist hier nicht geschehen. Der Beschwerdeführer hat die genannten Rügen erstmals im Verfassungsbeschwerdeverfahren geltend gemacht.

b) Die übrigen Rügen des Beschwerdeführers sind jedenfalls unbegründet.

aa) Der von ihm vertretenen Auffassung, Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG sei verletzt, weil die in Art. 4 Abs. 1 Satz 1 VfGHG in Verbindung mit Art. 23 Abs. 1 und Art. 68 Abs. 3 Satz 1 BV vorgesehene Wahl der berufsrichterlichen Mitglieder des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs mit einfacher Landtagsmehrheit verfassungsrechtlich unzulässig sei, kann nicht gefolgt werden.

Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG setzt zwar voraus, daß die Gerichte in jeder Hinsicht den Anforderungen des Grundgesetzes entsprechen. "Ungesetzlich" ist auch der Richter, dessen sachliche oder persönliche Unabhängigkeit (Art. 97 GG) oder dessen Unparteilichkeit nicht gewährleistet erscheint (vgl. BVerfGE 10, 200 <213>; 60, 175 <214>; 82, 286 <298>). Hierfür ist vorliegend jedoch nichts ersichtlich.

Die durch Art. 97 Abs. 1 GG garantierte sachliche Unabhängigkeit der berufsrichterlichen Mitglieder wird durch die genannte Regelung nicht verletzt. Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, daß diese Richter im Hinblick auf ihre Wahl mit einfacher Mehrheit bei ihrer späteren Entscheidungsfindung beeinflußbar sein könnten, so daß ihre durch Art. 97 Abs. 1 GG verbürgte Weisungsunabhängigkeit (vgl. BVerfGE 26, 186 <198>; 87, 68 <85>) berührt wäre. Auch die persönliche Unabhängigkeit der berufsrichterlichen Mitglieder des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs nach Art. 97 Abs. 2 GG wird durch den Wahlmodus ersichtlich nicht betroffen.

Durch die Wahl der Verfassungsrichter mit einfacher Mehrheit des Bayerischen Landtags wird aber auch die Unparteilichkeit im Sinne innerer Unabhängigkeit und Neutralität nicht in verfassungswidriger Weise beeinträchtigt. Verfassungspolitisch mag es zwar wünschenswert sein, Stellung, Ansehen und demokratische Legitimation der Verfassungsrichter durch eine Wahl mit qualifizierter Mehrheit, etwa mit der für die Wahl der Bundesverfassungsrichter in § 6 Abs. 5, § 7 BVerfGG vorgeschriebenen Zweidrittelmehrheit, zu stärken. Von Bundesverfassungsrechts wegen ist eine qualifizierte Mehrheit jedoch nicht geboten. Das Grundgesetz enthält insoweit - zumal für die Wahl von Verfassungsrichtern in den Ländern, deren Verfassungsbereiche grundsätzlich selbständig neben dem verfassungsrechtlichen Bereich des Bundes stehen und die deshalb auch in der Ausgestaltung ihrer jeweiligen Verfassungsgerichtsbarkeit weitgehende Freiheit genießen (vgl. BVerfGE 96, 231 <242> m.w.N.) - keine bindenden Vorgaben.

Die für das Amt des Verfassungsrichters notwendige demokratische Legitimation wird - wie bei anderen Wahlen - auch durch eine Wahl mit einfacher Mehrheit ausreichend vermittelt. Akzeptanz in der Öffentlichkeit, Amtsverständnis und Wahrnehmung (auch verfassungs)richterlicher Funktionen sind nicht von bestimmten Mehrheiten bei der Richterwahl, sondern vom Selbstverständnis des Richters, von seiner inneren Integrität und von der Art seiner Amtsführung abhängig. Sie und die durch Art. 97 GG gewährleistete Unabhängigkeit nach außen prägen auch seine innere Unabhängigkeit, von der unter diesen Umständen grundsätzlich ausgegangen werden kann (vgl. BVerfGE 73, 330 <337>). Das gilt auch für die berufsrichterlichen Mitglieder des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs, die entsprechend dem von ihnen nach Art. 5 Abs. 1 und 2 des Bayerischen Richtergesetzes zu leistenden Amtseid verpflichtet sind, neutral und unparteiisch zu entscheiden.

Im übrigen ist für den Fall, daß besondere Umstände hervortreten, die Zweifel an der Unparteilichkeit eines Richters des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs begründen, in Art. 9 VfGHG vorgesehen, daß dieser Richter entsprechend § 24 StPO wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden kann.

Da nach allem die Neutralität der berufsrichterlichen Mitglieder des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs durch deren Wahl mit einfacher Parlamentsmehrheit nicht in verfassungsrechtlich erheblicher Weise beeinträchtigt wird, greift auch der Einwand des Beschwerdeführers nicht durch, durch den Wahlmodus werde der Gewaltenteilungsgrundsatz verletzt. Es liegt deshalb im Gestaltungsraum des Landesgesetzgebers, für die Wahl der Verfassungsrichter lediglich eine einfache Mehrheit vorzusehen.

bb) Die in Art. 4 Abs. 3 VfGHG vorgesehene Möglichkeit der Wiederwahl der Richter des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs und das in Art. 6 Abs. 1 Satz 1 VfGHG dem Präsidenten des Gerichts eingeräumte Vorschlagsrecht für die berufsrichterlichen Mitglieder zwingen weder für sich noch im Zusammenhang mit der Wahl durch einfache Mehrheit des Landtags zu einer anderen verfassungsrechtlichen Beurteilung.

Auch die Eröffnung der Möglichkeit einer Wiederwahl von Verfassungsrichtern liegt grundsätzlich im Gestaltungsermessen des Gesetzgebers, der bei seiner Entscheidung insbesondere die Stärkung der Kontinuität der Rechtsprechung, die Arbeitsfähigkeit des Verfassungsgerichts und die Länge der Amtszeit berücksichtigen kann (vgl. BVerfGE 40, 356 <363 f.>). Soweit der Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang auf die Länge der Amtszeit der berufsrichterlichen Mitglieder des Verfassungsgerichtshofs von acht Jahren (Art. 4 Abs. 1 Satz 1 VfGHG) und der nichtberufsrichterlichen Mitglieder von vier Jahren (Art. 4 Abs. 2 VfGHG i.V.m. Art. 16 Abs. 1 Satz 1 BV) hinweist, ist nicht ersichtlich, daß der Gesetzgeber insoweit seinen Gestaltungsspielraum in verfassungsrechtlich bedenklicher Weise überschritten haben könnte (vgl. BVerfGE 18, 241 <255>; 26, 186 <199>; 40, 356 <363 f.>).

cc) Eine Verletzung des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG wird auch durch die Regelungen über die besondere Stellung des Generalsekretärs des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs nicht nahegelegt. Anhaltspunkte für die Gefahr einer Beeinträchtigung der persönlichen Unabhängigkeit des Generalsekretärs im Sinne des Art. 97 Abs. 2 GG sind nicht erkennbar. Das gilt auch insoweit, als der Generalsekretär nach Art. 11 Satz 1 VfGHG durch den Präsidenten des Verfassungsgerichtshofs ernannt wird. Dieser Umstand ändert nichts daran, daß auch vom Generalsekretär erwartet werden darf, daß er seinen Amtseid ernst nimmt und über beim Bayerischen Verfassungsgerichtshof anhängige Verfassungsrechtsstreitigkeiten ohne Ansehen der Person nach bestem Wissen und Gewissen entscheidet. Der Gefahr einer Befangenheit im Einzelfall kann auch insoweit mit der Möglichkeit einer Ablehnung nach Art. 9 VfGHG in Verbindung mit § 24 StPO begegnet werden.

dd) Von einer Verletzung des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG kann auch nicht deswegen ausgegangen werden, weil nach der Ansicht des Beschwerdeführers in Art. 3 Abs. 1 VfGHG die Zahl der Verfassungsrichter unter Verstoß gegen die als abschließend zu verstehende Regelung des Art. 68 Abs. 2 BV zu hoch bestimmt worden ist.

Ob die dieser Ansicht zugrunde liegende Auffassung vom Inhalt des Art. 68 Abs. 2 BV zutrifft, ist, weil nicht die Auslegung von Bundesverfassungsrecht in Rede steht, nicht vom Bundesverfassungsgericht zu entscheiden. Nach der Beurteilung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs ist Art. 3 Abs. 1 VfGHG landesverfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (vgl. BayVerfGH 46, 1 <9> unter Hinweis auf Knöpfle, VerwArch 83. Bd., 1992, S. 213 <216 f.>). Art. 68 Abs. 2 BV lege nicht die Zahl der Mitglieder des Verfassungsgerichtshofs fest, überlasse dies vielmehr dem Gesetzgeber. Durch Art. 68 Abs. 2 BV würden nur die Arten der Spruchkörper, deren Zusammensetzung und Zuständigkeit geregelt (vgl. Knöpfle, a.a.O.). Auch aus der weiteren Begründung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs geht hervor, daß dieser der Auffassung ist, Art. 68 Abs. 2 BV bestimme nur die Zusammensetzung der für die verschiedenen Verfahrensarten zuständigen Spruchkörper, nicht dagegen die Zahl der Richter oder der Spruchkörper (vgl. BayVerfGH 46, 1 <9 f.>).

Diese Beurteilung begegnet aus der Sicht des Bundesverfassungsrechts keinen Bedenken. Sie läßt sich mit dem Wortlaut des Art. 68 Abs. 2 BV ("in den Fällen ... aus") vereinbaren, ist nachvollziehbar begründet und steht auch im Einklang mit der im Schrifttum überwiegend vertretenen Auffassung (vgl. Pestalozza, NVwZ 1991, S. 1059 <1060>; Meder, Die Verfassung des Freistaates Bayern, 4. Aufl. 1992, Art. 68 Rn. 1 f.; Schweiger, in: Ders./Knöpfle, Die Verfassung des Freistaates Bayern, 2. Aufl., Art. 68 Rn. 4 <Stand Mai 1992>; Knöpfle, a.a.O.; Schmitt Glaeser/Horn, BayVBl 1994, S. 289 <290>; a.A. Schechinger, NVwZ 1993, S. 446 <447 f.>). Für die Annahme einer willkürlichen Verfassungsauslegung durch den Bayerischen Verfassungsgerichtshof ist deshalb kein Raum.

ee) Auch mit der weiter erhobenen Rüge, die Bildung von 13 Spruchgruppen für die - hier einschlägigen - Verfahren nach Art. 68 Abs. 2 Buchstabe c BV durch den Geschäftsverteilungsplan des Verfassungsgerichtshofs für das Jahr 1994 habe eine gegen Bundesverfassungsrecht verstoßende Überbesetzung dargestellt, kann der Beschwerdeführer nicht durchdringen.

Sein Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, nach der eine verfassungswidrige Überbesetzung eines Spruchkörpers vorliege, wenn es die Zahl seiner Mitglieder gestatte, in zwei oder mehr personell voneinander verschiedenen Sitzgruppen Recht zu sprechen (vgl. BVerfGE 17, 294 <301>; 18, 344 <350>; 19, 145 <147>), liegt schon deshalb neben der Sache, weil die Spruchgruppen, die in dem genannten Geschäftsverteilungsplan gemäß Art. 3 Abs. 2 Satz 2 VfGHG gebildet worden sind, keine Sitzgruppen eines Spruchkörpers des Verfassungsgerichtshofs darstellen. Durch den Geschäftsverteilungsplan sind die Spruchkörper (= Spruchgruppen) für die verschiedenen Verfahrensarten vielmehr erst geschaffen worden. Dabei sind für Verfahren der hier nach Art. 68 Abs. 2 Buchstabe c BV, Art. 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VfGHG einschlägigen Art die 13 Spruchgruppen entsprechend den gesetzlichen Vorgaben mit neun Richtern besetzt und die Zuständigkeiten der Spruchgruppen bestimmt worden. Von einer Überbesetzung in dem von der oben angeführten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts verstandenen Sinne kann unter diesen Umständen nicht gesprochen werden.

ff) Schließlich vermag auch das Vorbringen, der Geschäftsverteilungsplan des Verfassungsgerichtshofs sei verfassungswidrig gewesen, weil die nichtberufsrichterlichen Mitglieder nach Verhältniswahlgrundsätzen auf die 13 Spruchgruppen verteilt worden seien, einen Verstoß gegen die Gewährleistung des gesetzlichen Richters nicht zu begründen.

Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG soll insbesondere verhindern, daß im Einzelfall durch eine gezielte Auswahl von Richtern das Ergebnis der Entscheidung beeinflußt wird, gleichgültig von welcher Seite eine solche Manipulation ausgeht (vgl. BVerfGE 95, 322 <327> m.w.N.). Für eine derartige Auswahl ist vorliegend nichts ersichtlich.

Nach den Darlegungen des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs in seiner im Ausgangsverfahren in Bezug genommenen Entscheidung vom 8. Januar 1993 knüpft der Geschäftsverteilungsplan des Gerichts an die Regelung des Art. 4 Abs. 2 VfGHG an, nach der die nichtberufsrichterlichen Mitglieder nach den Grundsätzen des Verhältniswahlrechts gewählt werden. Der Geschäftsverteilungsplan nehme damit jeweils darauf Bedacht, daß sich das in der Wahl zum Ausdruck gekommene Kräfteverhältnis auch bei der Heranziehung der fünf nichtberufsrichterlichen Mitglieder in den Spruchgruppen so gut wie möglich widerspiegele. Dem Gebot der Entsendung der nichtberufsrichterlichen Mitglieder durch den Landtag entsprechend den dortigen Kräfteverhältnissen entspräche es nicht, wenn der Geschäftsverteilungsplan für die genannten Fälle Spruchgruppen aufwiese, in denen ausschließlich die von einer Partei vorgeschlagenen nichtberufsrichterlichen Mitglieder mitwirkten (vgl. BayVerfGH 46, 1 <13>). Dagegen ist aus der Sicht des Bundesverfassungsrechts nichts einzuwenden.

Es spricht nichts für das Vorliegen von sachfremden, manipulativen Erwägungen, wenn sich der Bayerische Verfassungsgerichtshof bei seiner Geschäftsverteilung an Art. 4 Abs. 2 VfGHG orientiert und die Wahl der nichtberufsrichterlichen Mitglieder nach den Grundsätzen des Verhältniswahlrechts auch bei der Zusammensetzung der einzelnen Spruchgruppen berücksichtigt. Im übrigen fehlt für die Vermutung des Beschwerdeführers, daß mit der genannten Verteilung die von den Oppositionsparteien vorgeschlagenen nichtberufsrichterlichen Mitglieder "neutralisiert" werden sollten, auch jeglicher Anhalt.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

Ende der Entscheidung

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