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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverfassungsgericht
Beschluss verkündet am 07.01.2009
Aktenzeichen: 1 BvR 312/08 (2)
Rechtsgebiete: BVerfGG, GG, ZVG


Vorschriften:

BVerfGG § 23 Abs. 1
BVerfGG § 92
BVerfGG § 93a Abs. 2
BVerfGG § 93b
BVerfGG § 93c Abs. 1
GG Art. 14 Abs. 1
ZVG § 149 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
In dem Verfahren

...

hat die 1. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts

durch

den Präsidenten Papier und

die Richter Eichberger, Masing

am 7. Januar 2009

einstimmig beschlossen:

Tenor:

Der Beschluss des Amtsgerichts Osterholz-Scharmbeck vom 8. Juni 2007 - 15 L 37/05 - verletzt die Beschwerdeführer in ihrem Grundrecht auf Eigentum aus Artikel 14 Absatz 1 Satz 1 des Grundgesetzes, soweit damit den Beschwerdeführern aufgegeben wird, das unter Zwangsverwaltung stehende Objekt in der . . . zu räumen (Ziffer 2 des Tenors). Der Beschluss des Landgerichts Verden vom 4. September 2007 - 1 T 379/07 - verletzt die Beschwerdeführer in ihrem Grundrecht auf Eigentum aus Artikel 14 Absatz 1 Satz 1 des Grundgesetzes, soweit darin ihre sofortige Beschwerde gegen die vorgenannte Entscheidung des Amtsgerichts und ihr Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe für das Verfahren der sofortigen Beschwerde zurückgewiesen wird. Insoweit werden die Beschlüsse aufgehoben. Die Sache wird an das Amtsgericht Osterholz-Scharmbeck zurückverwiesen.

Der Beschluss des Landgerichts Verden vom 2. Januar 2008 - 1 T 379/07 - ist gegenstandslos.

Im Übrigen wird die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen.

Das Land Niedersachsen hat den Beschwerdeführern ihre notwendigen Auslagen für das Verfassungsbeschwerdeverfahren einschließlich des einstweiligen Rechtsschutzes zu erstatten.

Der Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit für das Verfassungsbeschwerdeverfahren wird auf 16.000 EUR (in Worten: sechzehntausend Euro) festgesetzt. Der Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit für das Verfahren der einstweiligen Anordnung wird auf 4.000 EUR (in Worten: viertausend Euro) festgesetzt.

Der Antrag der Beschwerdeführer auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist mit der Anordnung der Kostenerstattung erledigt.

Gründe:

I.

Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Räumung einer Wohnung im Rahmen der Zwangsverwaltung. Die Beschwerdeführer sind Miteigentümer eines mit einem Mehrfamilienhaus bebauten Grundstücks. Sie hatten das Grundstück an eine GmbH & Co. KG vermietet und waren als Geschäftsführer der Komplementär-GmbH tätig. Die GmbH & Co. KG vermietete wiederum die Wohnungen des Mehrfamilienhauses an Dritte. Einen Teil des Grundstücks nutzten die Beschwerdeführer zu eigenen Wohnzwecken.

Mit Beschluss vom 27. Oktober 2005 ordnete das Amtsgericht hinsichtlich des Grundstücks der Beschwerdeführer wegen einer grundpfandrechtlich gesicherten Darlehensverbindlichkeit die Zwangsverwaltung an. Der vom Amtsgericht bestellte Zwangsverwalter konnte das Objekt jedoch erst am 28. Februar 2007 in Besitz nehmen, und zwar anlässlich eines vom Landgericht in anderer Sache durchgeführten Ortstermins. Zuvor hatte der Zwangsverwalter das Mietverhältnis zwischen den Beschwerdeführern und der GmbH & Co. KG wirksam gekündigt. Nach seinem Inbesitznahmebericht vom 2. März 2007 überließ der Zwangsverwalter den Beschwerdeführern die für ihren Hausstand unentbehrlichen Räume zur Nutzung. Unter dem 12. April 2007 beantragte der Zwangsverwalter jedoch, den Beschwerdeführern die vollständige Räumung des Grundstücks aufzugeben. Diesen Antrag begründete er mit einer von den Beschwerdeführern ausgehenden Gefährdung der Zwangsverwaltung. Die Beschwerdeführer hätten der Inbesitznahme massiven Widerstand entgegengesetzt. Sie hätten über die von ihnen beherrschte GmbH & Co. KG zu Unrecht Mieten eingezogen sowie die Weitervermietung der auf dem Grundstück vorhandenen freien Wohnungen verhindert. In ihren Stellungnahmen hierzu bestritten die Beschwerdeführer dies.

Mit dem angegriffenen Beschluss vom 8. Juni 2007 hat das Amtsgericht dem Antrag des Zwangsverwalters stattgegeben, die Beschwerdeführer mit einer dreimonatigen Frist ab Rechtskraft der Entscheidung zur Räumung verpflichtet und entgegenstehende Anträge der Beschwerdeführer zurückgewiesen. Die Voraussetzungen für eine Räumung nach § 149 Abs. 2 des Gesetzes über die Zwangsversteigerung und Zwangsverwaltung (ZVG) seien gegeben. Von Beginn des Verfahrens an sei dem Zwangsverwalter der Zutritt zu dem Grundstück verwehrt worden. Er habe das Zutrittsrecht in einem Rechtsstreit gegen die GmbH & Co. KG titulieren lassen und mit einem Zwangsgeld durchsetzen müssen. Erst nach einem auf die sofortige Beschwerde der GmbH & Co. KG hin anberaumten Ortstermin des Landgerichts habe der Zwangsverwalter das Grundstück betreten und den Inbesitznahmebericht anfertigen können. Hinzu komme, dass die Beschwerdeführerin weiter Mieten einziehe, obgleich der Zwangsverwalter das Mietverhältnis zur GmbH & Co. KG beendet habe. Da die Tätigkeit des Zwangsverwalters durch das Verhalten der Beschwerdeführer erheblich erschwert und auch der Ertrag des Grundstücks erheblich gefährdet werde, sei dem Antrag des Zwangsverwalters auf Erlass einer Räumungsanordnung stattzugeben.

Das Landgericht hat die sofortige Beschwerde mit dem angegriffenen Beschluss vom 4. September 2007 zurückgewiesen und die Bewilligung von Prozesskostenhilfe abgelehnt. Das Amtsgericht habe nach umfassender Würdigung und Abwägung des Verhaltens der Beschwerdeführer zu Recht eine Gefährdung der Verwaltung des Grundstücks angenommen. Dem sei unter Berücksichtigung der Weigerung der Beschwerdeführer, den Zwangsverwalter das Grundstück in Besitz nehmen zu lassen, sowie mit Rücksicht auf ihr weiteres Verhalten zuzustimmen. Denn die Beschwerdeführer zögen Mieten ein, die dem Zwangsverwalter nach der Kündigung des Mietverhältnisses zwischen den Beschwerdeführern und der GmbH & Co KG zustünden. Auch wenn der Zwangsverwalter ab 2006 durch ein Zahlungsverbot bewirkt gehabt habe, dass die von der Gemeinde für einzelne Mieter gezahlten Mieten an ihn abgeführt worden seien, hätten die Beschwerdeführer die Darstellung des Zwangsverwalters, dass sie von bestimmten Mietern weiterhin Mieten einzögen, nicht entkräftet. Die Einziehung ihnen nicht zustehender Mieten stelle eine erhebliche Gefährdung der Verwaltung dar. Deshalb sei es nicht ermessensfehlerhaft, wenn das Amtsgericht nicht zu Maßregeln im Sinne des § 25 ZVG gegriffen, sondern gemäß § 149 Abs. 2 ZVG die Räumung angeordnet habe. Schließlich seien die Beschwerdeführer dem Vortrag des Zwangsverwalters nicht entgegengetreten, sie hätten einem früheren Mieter bei seinem Auszug die Wohnungsschlüssel abgenommen und die Wohnung sodann unbekannten Nachmietern überlassen. Auch darin liege unzweifelhaft eine Gefährdung der Grundstücksverwaltung, weil die Beschwerdeführer die Verwaltung nachhaltig störten und sich weiterhin ihnen nicht mehr zustehende Eigentümerbefugnisse anmaßten. Dadurch würden die Aussichten der Gläubiger geschmälert, Befriedigung zu erlangen. Angesichts der erheblichen Eingriffe erscheine die angeordnete Räumung insgesamt erforderlich, um weiteren Schaden von der Gläubigerin abzuwenden. Im Hinblick auf die gewährte Räumungsfrist sei die Räumungsanordnung unter Berücksichtigung der wechselseitigen Interessen verhältnismäßig. Da das Rechtsmittel keine Aussicht auf Erfolg habe, komme nach § 114 ZPO auch die Gewährung von Prozesskostenhilfe nicht in Betracht.

Mit einem ebenfalls angegriffenen Beschluss vom 2. Januar 2008 hat das Landgericht die Anhörungsrüge der Beschwerdeführer zurückgewiesen. Unzutreffend führten die Beschwerdeführer aus, dass keine Auseinandersetzung mit ihrem Vorbringen stattgefunden habe. Der angefochtene Beschluss setze sich zum einen mit dem maßgebenden Vorbringen der Beschwerdeführer, zum anderen mit den zur Gerichtsakte gereichten Aktenteilen anderer Verfahren auseinander. In der Gesamtschau erweise sich das Vorbringen des Zwangsverwalters als überzeugend.

II.

Die Beschwerdeführer rügen die Verletzung ihrer Rechte aus Art. 2 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1, Art. 19 Abs. 4, Art. 20 Abs. 3, Art. 101 Abs. 1 Satz 2 sowie Art. 103 Abs. 1 GG.

Obgleich sie sämtliche Tatsachen bestritten hätten, welche der Zwangsverwalter zur Begründung seines Antrages auf Anordnung der Räumung nach § 149 Abs. 2 ZVG und zur Darlegung einer Gefährdung der Zwangsverwaltung herangezogen habe, hätten sowohl das Amts- als auch das Landgericht die angegriffenen Entscheidungen ohne Beweisaufnahme auf den streitigen Vortrag des Zwangsverwalters gestützt.

Ferner hätten die Gerichte das ihnen in Zusammenhang mit den § 25, § 149 Abs. 2 ZVG zustehende Ermessen nicht gebraucht. In den Begründungen fänden sich keine entsprechenden Ausführungen, etwa zu milderen Mitteln. Weder der Zwangsverwalter noch die Gerichte hätten beachtet, dass es sich bei der Räumung nach § 149 Abs. 2 ZVG um eine nur als ultima ratio in Betracht kommende Maßnahme handele.

III.

Gelegenheit zur Stellungnahme haben für das Land Niedersachsen das Niedersächsische Justizministerium sowie der Zwangsverwalter und die Gläubigerin erhalten.

IV.

1.

Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an und gibt ihr statt, soweit sich die Beschwerdeführer gegen die vom Amtsgericht mit seinem angegriffenen Beschluss ausgesprochene Verpflichtung zur Räumung der ihnen überlassenen Wohnräume sowie gegen die Zurückweisung der sofortigen Beschwerde und ihres Prozesskostenhilfeantrages mit dem angegriffenen Beschluss des Landgerichts vom 4. September 2007 wenden (§ 93a Abs. 2 Buchst. b, § 93b, § 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG). Insofern ist die Verfassungsbeschwerde zulässig und unter Berücksichtigung der in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bereits hinreichend geklärten verfassungsrechtlichen Maßstäbe des als verletzt gerügten Eigentumsgrundrechts aus Art. 14 Abs. 1 GG offensichtlich begründet. Dagegen ist die Verfassungsbeschwerde hinsichtlich der weiteren Gegenstände der angegriffenen Entscheidung des Amtsgerichts unzulässig, weil die Beschwerdeführer sie nicht in einer den Anforderungen von § 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG genügenden Weise begründet haben. Insofern kommt eine Annahme der Verfassungsbeschwerde nicht in Betracht. Der Beschluss des Landgerichts vom 2. Januar 2008 über die Anhörungsrüge wird mit der Aufhebung der vorangegangenen, angegriffenen Entscheidungen gegenstandslos.

a)

Sowohl der Beschluss des Amtsgerichts vom 8. Juni 2007 als auch der Beschluss des Landgerichts vom 4. September 2007 verstoßen gegen das Eigentumsgrundrecht der Beschwerdeführer aus Art. 14 Abs. 1 GG.

aa)

Der Eigentumsgarantie kommt im sozialen Rechtsstaat eine besondere Bedeutung zu. Sie will den konkreten Bestand des Eigentums in der Hand des Eigentümers sichern. Ihr kommt von Verfassungs wegen die Aufgabe zu, dem Träger des Grundrechts einen Freiheitsraum im vermögensrechtlichen Bereich zu erhalten und dem Einzelnen damit eine Entfaltung und eigenverantwortliche Lebensgestaltung zu ermöglichen. Diese Garantiefunktion beeinflusst nicht nur die Ausgestaltung des materiellen Vermögensrechts, sondern wirkt auch auf das zugehörige Verfahrensrecht ein. Daraus folgt bereits unmittelbar die Pflicht, bei Eingriffen in dieses Grundrecht einen effektiven Rechtsschutz zu gewähren. Das schließt den Anspruch auf eine "faire Verfahrensführung" ein, der nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu den wesentlichen Ausprägungen des Rechtsstaatsprinzips gehört. Dies gilt auch für die Durchführung von Zwangsversteigerungen, bei denen der Staat im Interesse des Gläubigers schwerwiegende Eingriffe in das verfassungsrechtlich geschützte Eigentum des Schuldners vornimmt. Ein solcher Eingriff erscheint zwar gerechtfertigt, wenn und soweit er dazu dient, begründete Geldforderungen des Gläubigers zu befriedigen. Zugleich sind aber auch die Belange des Schuldners zu wahren, für den zumindest die Möglichkeit erhalten bleiben muss, gegenüber einer unverhältnismäßigen Verschleuderung seines Grundvermögens um Rechtsschutz nachzusuchen (vgl. BVerfGE 46, 325 <334 f.> sowie auch BVerfGE 49, 220 <225> ; 51, 150 <156> ).

Für den mit der hier vorliegenden Zwangsverwaltung eines Grundstücks verbundenen Eingriff in das Eigentum der Schuldner ergeben sich entsprechende Anforderungen an die Auslegung und Anwendung der hierzu ermächtigenden Bestimmungen im Gesetz über die Zwangsversteigerung und die Zwangsverwaltung. Der Eingriff in das durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützte Grundeigentum ist lediglich im Hinblick auf den legitimen Zweck des Vollstreckungsrechts, nämlich die Durchsetzung der titulierten Forderung des Gläubigers, und unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes gerechtfertigt. Dies strahlt auf die Auslegung und Anwendung der Bestimmungen des Zwangsversteigerungsgesetzes aus und ist von den zuständigen Fachgerichten zu beachten.

Allerdings kontrolliert das Bundesverfassungsgericht die Berücksichtigung der Ausstrahlungswirkung materieller Grundrechte und darunter auch des Art. 14 Abs. 1 GG nur eingeschränkt. So hat das Bundesverfassungsgericht in Zusammenhang mit der Auslegung und Anwendung des materiellen Zivilrechts entschieden, dass die Fachgerichte zwar die durch die Eigentumsgarantie gezogenen Grenzen zu beachten haben und die im betreffenden Gesetz aufgrund verfassungsmäßiger Grundlage zum Ausdruck kommende Interessenabwägung in einer Weise nachvollziehen müssen, die den Eigentumsschutz beachtet und unverhältnismäßige Eigentumsbeschränkungen vermeidet. Die Schwelle eines Verstoßes gegen Verfassungsrecht, den das Bundesverfassungsgericht zu korrigieren hat, ist jedoch erst erreicht, wenn die Auslegung der Zivilgerichte Fehler erkennen lässt, die auf einer grundsätzlich unrichtigen Anschauung von der Bedeutung der Eigentumsgarantie, insbesondere vom Umfang ihres Schutzbereichs, beruhen und auch in ihrer materiellen Bedeutung für den konkreten Rechtsfall von einigem Gewicht sind (vgl. BVerfGE 68, 361 <372>; 79, 292 <303> ; 89, 1 <9 f. >).

bb)

Gemessen hieran verletzen sowohl der Beschluss des Amtsgerichts vom 8. Juni 2007 als auch die Beschwerdeentscheidung des Landgerichts vom 4. September 2007 das Eigentumsgrundrecht der Beschwerdeführer aus Art. 14 Abs. 1 GG

(1)

Da Art. 14 Abs. 1 GG den mit der Zwangsverwaltung verbundenen Eingriff in das Grundeigentum nur zu dem Zweck gestattet, die vollstreckungsfähige Forderung des Gläubigers durchzusetzen, darf mit den auf das Eigentum zugreifenden Zwangsmitteln keine Sanktion für früheres Fehlverhalten des Schuldners, sondern nur Druck zur Begleichung der berechtigten Forderungen verbunden werden. Dem trägt § 149 Abs. 2 ZVG Rechnung, der die Räumung eines zwangsverwalteten Grundstücks gestattet, wenn der Schuldner oder ein Mitglied seines Hausstandes das Grundstück oder die Verwaltung gefährdet. Darf und muss bei der Prüfung dieser Tatbestandsvoraussetzung auch auf in der Vergangenheit liegende Umstände abgestellt werden, wie etwa ein Abschrecken von Miet- oder Pachtinteressenten oder die Weigerung, geschuldete Betriebs- oder Verbrauchskosten zu erstatten (vgl. Engels, in: Dassler/Schiffhauer/Hintzen/Engels/Rellermeyer, Zwangsversteigerungsgesetz, 13. Auflage 2008, § 149 Rn. 19 ff.; Stöber, in: ders., Zwangsversteigerungsgesetz, 18. Auflage 2006, § 149 Rn. 3.2), ist doch ausschlaggebend, dass der Ertrag des Grundstücks durch ein zu befürchtendes Verhalten gefährdet sein muss (vgl. LG Bremen, Beschluss vom 8. September 1955 - 5 T 559/55 -, MDR 1956, S. 48). Die Vorschrift knüpft damit zwar an ein in der Vergangenheit liegendes Verhalten des Schuldners an, verlangt mit dem Merkmal der Gefährdung aber davon ausgehende nachteilige Wirkungen für den Vollstreckungserfolg. Eine Auslegung und Anwendung des § 149 Abs. 2 ZVG, die zwar auf vergangene Umstände abstellt, aber nicht auf deren Bedeutung für die weitere Zwangsverwaltung und so auf eine Gefahrenprognose verzichtet, verwischt den Unterschied zwischen einer repressiv wirkenden Sanktion und der präventiven Sicherung der Zwangsverwaltung, der § 149 Abs. 2 ZVG ausschließlich dient. Ein solches Fehlverständnis des § 149 Abs. 2 ZVG verletzte nicht nur einfaches Verfahrensrecht, sondern würde auch die Bedeutung des Eigentumsgrundrechts in diesem Bereich verkennen.

Das Grundeigentum verlangt bei der Anwendung von Maßnahmen der Zwangsverwaltung darüber hinaus insofern Beachtung, als es, wie bei jedem anderen Grundrechtseingriff auch, nur den Einsatz des bei gleicher Eignung jeweils mildesten und gemessen an sonst zur Verfügung stehenden Maßnahmen verhältnismäßigen Zwangsmittels gestattet. Bei Behinderungen der Zwangsverwaltung durch Gefährdung des Grundstücksertrages räumt das Zwangsvollstreckungsrecht dem Gericht ein Auswahlermessen zwischen der in § 149 Abs. 2 ZVG vorgesehenen Räumungsanordnung und anderen zur Abwendung der Gefährdung erforderlichen Maßregeln ein, wie sie § 25 Satz 1 ZVG vorsieht, der nach § 146 Abs. 1 ZVG auch im Verfahren der Zwangsverwaltung Anwendung findet (vgl. Engels, a.a.O., § 146 Rn. 52). Danach kommen beispielsweise auch eine bloße Androhung der Räumung oder die Verhängung eines Zwangsgeldes für den Fall weiterer Behinderungen in Betracht. Maßgebend sind die Umstände des jeweiligen Einzelfalls. Das zuständige Gericht entscheidet hier nach pflichtgemäßem Ermessen (vgl. Engels, a.a.O., § 149 Rn. 27; Stöber, a.a.O., § 149 Rn. 3.6 und 3.7.). Eine Auslegung und Anwendung des § 149 Abs. 2 ZVG, welche die über § 25 Satz 1 ZVG eröffnete Möglichkeit anderer, namentlich milderer Zwangsmittel nicht in den Blick nimmt und den damit eingeräumten Ermessensspielraum übersieht oder in einer nicht nachvollziehbaren Weise ausübt, verletzt mit dem Vollstreckungsrecht in aller Regel auch Art. 14 Abs. 1 GG.

Über diese Ausstrahlungswirkung hinaus ergibt sich aus dem Eigentumsgrundrecht das Gebot effektiven Rechtsschutzes (vgl. auch BVerfGE 49, 252 <257> ). Effektiver Rechtsschutz wiederum erfordert eine grundsätzlich umfassende tatsächliche und rechtliche Prüfung des Streitgegenstandes durch den zuständigen Richter (vgl. BVerfGE 85, 337 <345> ; 97, 169 <185> ). Dies gilt auch für die Auslegung und Anwendung des § 149 Abs. 2 ZVG.

(2)

Diesen Anforderungen wird die Anwendung des § 149 Abs. 2 ZVG durch das Amtsgericht weder auf der Tatbestands- noch auf der Rechtsfolgenseite gerecht.

(a)

So hat das Amtsgericht zwar zutreffend allgemein ausgeführt, dass § 149 Abs. 2 ZVG die Gefährdung des Grundstücksertrages erfordert. Soweit es diese Gefährdung jedoch darauf gestützt hat, dass die Beschwerdeführer dem Zwangsverwalter von Beginn an den Zutritt zu dem zu verwaltenden Grundstück verweigert hätten, hat es nicht dargetan, auf welcher Grundlage es zu dieser Feststellung gelangt ist. Vielmehr hat das Amtsgericht insofern lediglich auf das Vorbringen des Zwangsverwalters Bezug genommen und ist diesem ohne die von Verfassungs wegen gebotene umfassende tatsächliche Prüfung gefolgt. Mit dem diesbezüglichen Vorbringen der Beschwerdeführer insbesondere in dem Schriftsatz vom 7. Mai 2007 - die Beschwerdeführer haben hier ausdrücklich bestritten, dass sie der Besitzergreifung durch den Zwangsverwalter massiven Widerstand entgegengesetzt hätten - hat sich das Amtsgericht jedoch nicht auseinandergesetzt, sondern es hat lediglich festgestellt, dass die Beschwerdeführer den entsprechenden Behauptungen des Zwangsverwalters entgegengetreten seien. Von der gebotenen Würdigung des beiderseitigen Vorbringens sowie der Erhebung und Würdigung von Beweisen hat es jedoch ohne erkennbaren Grund abgesehen.

Ebenso wenig hat das Amtsgericht dargetan, inwiefern von einer Zutrittsverweigerung in der Vergangenheit auch nach der zwischenzeitlich unstreitig erfolgten Inbesitznahme des zu verwaltenden Grundstücks durch den Zwangsverwalter noch auf eine Gefährdung des Grundstücksertrages geschlossen werden kann. Das Amtsgericht hat keinerlei Erwägungen dazu angestellt, ob dem Zwangsverwalter von den Beschwerdeführern gegenwärtig oder zukünftig noch eine Besitzentziehung oder -störung droht. Solches ist auch nicht ohne weiteres erkennbar.

Soweit das Amtsgericht die Gefährdung des Grundstücksertrages auf die unberechtigte Einziehung von Mietforderungen durch die Beschwerdeführer gestützt hat, liegt dem insofern ein Verstoß gegen das Gebot effektiven Rechtsschutzes zugrunde, als das Gericht sich auch diesbezüglich nicht mit dem entgegenstehenden Vorbringen aus dem Schriftsatz der Beschwerdeführer vom 7. Mai 2007 auseinandergesetzt hat. Die Beschwerdeführer hatten vorgetragen, sie hätten selbst keine Mieten eingezogen und die GmbH & Co. KG sei bis zur wirksamen Kündigung des Mietverhältnisses durch den Zwangsverwalter zur Einziehung von Mieten berechtigt gewesen. Ferner habe das Sozialamt für bestimmte Mieter die Mieten bereits seit Monaten unmittelbar an den Zwangsverwalter gezahlt. Auch insofern fehlt es an der gebotenen umfassenden tatsächlichen Prüfung.

(b)

Im Zusammenhang mit der ausgesprochenen Rechtsfolge hat das Amtsgericht die Ausstrahlungswirkung des Art. 14 Abs. 1 GG dadurch verletzt, dass es sich nach den die Räumungsanordnung betreffenden Entscheidungsgründen nicht mit anderen Möglichkeiten der Gefahrenabwehr, namentlich nicht mit § 25 Satz 1 ZVG auseinandergesetzt hat. Den Gründen der angegriffenen Entscheidung des Amtsgerichts ist nicht einmal zu entnehmen, ob es überhaupt ein Ermessen erkannt und ausgeübt hat. Seine Ausführungen zu den Voraussetzungen des § 149 Abs. 2 ZVG sprechen eher dagegen.

(c)

Die Entscheidung des Amtsgerichts beruht auch auf den vorgenannten Verfassungsverstößen. Denn sie betreffen tragende Gründe; andere, selbständig tragende Erwägungen hat das Amtsgericht im Rahmen des § 149 Abs. 2 ZVG nicht angestellt.

(3)

Auch das Landgericht hat mit seiner Entscheidung vom 4. September 2007 Art. 14 Abs. 1 GG verletzt.

(a)

Das Landgericht hat ebenso wenig wie das Amtsgericht im Hinblick auf die Zutrittsverweigerung durch die Beschwerdeführer in der Vergangenheit dargetan, inwiefern der Zwangsverwalter trotz der zwischenzeitlich erfolgten Inbesitznahme des Grundstücks von den Beschwerdeführern auch in Zukunft Behinderungen der Zwangsverwaltung zu befürchten hat. Außerdem hat das Landegericht zum tatsächlichen Nachweis der in der Vergangenheit erfolgten Zutrittsverweigerung lediglich auf den Vermerk eines Einzelrichters in einem Verfahren unter Beteiligung des Zwangsverwalters und der GmbH & Co. KG abgestellt, ohne sich mit dem diesbezüglichen Bestreiten der Beschwerdeführer hinreichend auseinanderzusetzen. Eine den Anforderungen effektiven Rechtsschutzes entsprechende Würdigung ist schon deshalb unterblieben. Den Ausführungen des Landgerichts ist insofern lediglich zu entnehmen, dass es - wie das Amtsgericht - dem Vortrag des Zwangsverwalters gefolgt ist und den Beschwerdeführern die Widerlegung des gegnerischen Vortrages nicht gelungen sein soll, nicht hingegen, warum den Beschwerdeführern die Widerlegung des Vortrages des Zwangsverwalters überhaupt oblegen hat, warum ihnen dies nicht gelungen sein soll und warum es dazu nicht einer Beweisaufnahme bedurft hat.

Soweit das Landgericht auf die Einziehung von Mietforderungen abgestellt hat, bestehen hier die bereits zum Beschluss des Amtsgerichts ausgeführten verfassungsrechtlichen Bedenken in gleicher Weise. Das Landgericht hat sich ebenfalls nicht erkennbar mit dem Vorbringen der Beschwerdeführer auseinandergesetzt. Diesbezüglich fehlt es an der von Verfassungs wegen gebotenen umfassenden tatsächlichen Prüfung des Streitstoffs.

(b)

Auf der Rechtsfolgenseite des § 149 Abs. 2 ZVG hat das Landgericht zwar erkannt, dass auch Sicherungsmaßnahmen nach § 25 Satz 1 ZVG in Frage kommen könnten, von dem ihm danach eingeräumten Auswahlermessen aber nicht inhaltlich oder jedenfalls in schwerwiegend fehlerhafter Weise Gebrauch gemacht. Denn das Landgericht hat in den Entscheidungsgründen zwar auf § 25 und § 149 Abs. 2 ZVG Bezug genommen, zur Rechtfertigung der vom Amtsgericht getroffenen Auswahl aber lediglich ausgeführt, dass in dem Einziehen dem Zwangsverwalter zustehender Mietforderungen seitens der Beschwerdeführer eine erhebliche Gefährdung der Verwaltung liege. Diese Begründung hat das Landgericht später wiederholt und zur Verhältnismäßigkeit der Maßnahme auf die Räumungsfrist hingewiesen. Erwägungen zur Eignung, Erforderlichkeit und Angemessenheit der Räumungsanordnung und zu alternativ in Betracht kommenden Maßregeln der Gefahrenabwehr im Hinblick auf den Zweck der Zwangsverwaltung, wie sie nicht nur nach § 25 Satz 1, § 149 Abs. 2 ZVG, sondern auch von Verfassungs wegen geboten gewesen wären, hat das Landgericht jedoch nicht angestellt.

(c)

Die Entscheidung des Landgerichts über die sofortige Beschwerde beruht auf den vorgenannten Verfassungsverstößen, weil diese die tragenden Erwägungen im Rahmen des § 149 Abs. 2 ZVG betreffen und das Landgericht darüber hinaus keine selbständig tragenden Gründe genannt hat.

(d)

Die festgestellten Verfassungsverstöße betreffen nicht nur die Entscheidung des Landgerichts über die sofortige Beschwerde und die Räumungsanordnung nach § 149 Abs. 2 ZVG, sondern auch die Ablehnung der für das Beschwerdeverfahren begehrten Prozesskostenhilfe. Denn das Landgericht hat seine diesbezügliche Entscheidung ebenfalls ausschließlich auf die Erfolgsaussichten der sofortigen Beschwerde und § 114 ZPO gestützt. Auch aus der Entscheidung über die Anhörungsrüge ergibt sich nichts anderes.

b)

Da die Verfassungsbeschwerde bereits allein mit Rücksicht auf die Erwägungen zu Art. 14 Abs. 1 GG anzunehmen war, erübrigen sich Ausführungen zu den weiteren als verletzt gerügten Rechten.

2.

Da sowohl die angegriffene Entscheidung des Amtsgerichts als auch der Beschluss des Landgerichts vom 4. September 2007 gegen Art. 14 Abs. 1 GG verstoßen, ist der Verfassungsbeschwerde hinsichtlich beider Entscheidungen stattzugeben. Im Hinblick auf den hier grundsätzlich auf zwei Instanzen begrenzten Rechtszug sowie die Art der festgestellten Rechtsfehler ist nicht nur die Entscheidung des Landgerichts über die sofortige Beschwerde und das entsprechende Prozesskostenhilfegesuch der Beschwerdeführer aufzuheben, sondern es bedarf der Aufhebung auch der erstinstanzlichen Entscheidung. Danach ist die Sache an das Amtsgericht zurückzuverweisen, § 95 Abs. 2 BVerfGG.

Die Entscheidung über die Auslagenerstattung beruht auf § 34a Abs. 2, Abs. 3 BVerfGG.

Bei der Festsetzung der Gegenstandswerte hat die Kammer neben der nach § 22 Abs. 1 RVG gebotenen Zusammenrechnung das objektive und das subjektive Interesse sowie den Umfang und die Schwierigkeit der erforderlichen anwaltlichen Tätigkeit berücksichtigt (vgl. BVerfGE 79, 357 sowie 79, 365).

Einer Entscheidung über den Prozesskostenhilfeantrag der Beschwerdeführer bedarf es nicht mehr, weil sich Anträge auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe mit der Anordnung der Auslagenerstattung erledigen (vgl. BVerfGE 105, 239 <240> ).

Ende der Entscheidung

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