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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverfassungsgericht
Beschluss verkündet am 17.03.2005
Aktenzeichen: 1 BvR 42/03
Rechtsgebiete: GG


Vorschriften:

GG Art. 5 Abs. 1 Satz 1
GG Art. 14 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT

- 1 BvR 42/03 -

In dem Verfahren

über

die Verfassungsbeschwerde

gegen das Urteil des Amtsgerichts Hameln vom 25. Oktober 2002 - 23 C 227/02 (3) -

und Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung des Rechtsanwalts Rüdiger Zemlin, Hameln

hat die 1. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch den Präsidenten Papier, die Richterin Hohmann-Dennhardt und den Richter Hoffmann-Riem gemäß § 93 b in Verbindung mit § 93 a BVerfGG in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. August 1993 (BGBl I S. 1473) am 17. März 2005 einstimmig beschlossen:

Tenor:

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung eines Rechtsanwalts wird abgelehnt.

Gründe:

Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Errichtung einer Parabolantenne durch den Mieter einer Wohnung.

I.

1. Der Beschwerdeführer ist ein türkischer Staatsangehöriger. Er lebt seit mehr als zehn Jahren in Deutschland. Seit Dezember 2000 wohnt er in einer Mietwohnung in Hameln. Das Haus ist an das Breitbandkabelnetz angeschlossen. Der Beschwerdeführer stellte nach seinem Einzug auf dem Balkon seiner Wohnung eine Parabolantenne auf.

Im Ausgangsverfahren wurde er auf die Klage seiner Vermieterin - die Klägerin im Ausgangsverfahren - verurteilt, die Satellitenempfangsantenne zu entfernen und den ursprünglichen Zustand auf dem Balkon wieder herzustellen. Die Anbringung der Antenne verstoße gegen die mietvertraglichen Bestimmungen, nach denen der Mieter der vorherigen schriftlichen Zustimmung des Vermieters bedürfe, wenn er Antennen anbringe oder verändere. Bei einem vorhandenen Breitbandkabelanschluss brauche der Vermieter grundsätzlich die Aufstellung einer Parabolantenne nicht zu gestatten. Ein Ausnahmefall sei zwar gegeben, wenn ein ausländischer Mieter bei Inanspruchnahme des Breitbandkabelanschlusses nicht in einem ausreichenden Umfang mit Programmen seines Heimatlandes versorgt werde. So liege es hier aber nicht. Der Beschwerdeführer könne auf zumutbarem Wege unter Inanspruchnahme des Breitbandkabelnetzes ausreichend Sender in türkischer Sprache empfangen, wenn er einen kostenpflichtigen Vertrag mit dem Kabelnetzunternehmen über die Nutzung eines türkischsprachigen Zusatzpakets abschließe. Die finanziellen Aufwendungen seien dem Beschwerdeführer zumutbar. Der Vermieter sei auch nicht gehalten, schlechte wirtschaftliche Verhältnisse eines Mieters insoweit zu berücksichtigen, als er das Aufstellen einer Parabolantenne aus diesem Grund gestatten müsse.

Die von dem Beschwerdeführer nach § 321 a ZPO erhobene Rüge wies das Amtsgericht als unbegründet zurück.

2. Mit seiner Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer eine Verletzung von Art. 5 Abs. 1 Satz 1 und Art. 14 Abs. 1 GG.

II.

Die Voraussetzungen für die Annahme der Verfassungsbeschwerde gemäß § 93 a Abs. 2 BVerfGG liegen nicht vor.

1. Die Verfassungsbeschwerde wirft keine Fragen von grundsätzlicher verfassungsrechtlicher Bedeutung auf (§ 93 a Abs. 2 Buchstabe a BVerfGG). Das Bundesverfassungsgericht hat die zu erörternden Fragen zur Errichtung einer Parabolantenne bei Existenz einer Gemeinschaftsantenne oder eines Breitbandkabels schon entschieden (vgl. BVerfGE 90, 27).

2. Die Annahme der Verfassungsbeschwerde ist auch nicht zur Durchsetzung der als verletzt gerügten Grundrechte erforderlich (vgl. § 93 a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG).

a) Das Grundrecht der Informationsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG) ist nicht verletzt. Es gewährleistet das Recht, sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten (vgl. BVerfGE 103, 44 <60>). Hörfunk- und Fernsehsendungen gehören zu diesen Informationsquellen (vgl. BVerfGE 35, 307 <309>; 90, 27 <32>). Einen Unterschied zwischen in- und ausländischen Informationsquellen macht das Grundgesetz nicht. Allgemein zugänglich sind daher auch alle ausländischen Rundfunkprogramme, deren Empfang in der Bundesrepublik Deutschland möglich ist. Die Einrichtung einer Parabolantenne, die den Empfang von Rundfunkprogrammen ermöglicht, welche über Satellit ausgestrahlt werden, ist von dem Grundrecht der Informationsfreiheit geschützt (vgl. BVerfGE 90, 27 <32 f.>).

b) Die Informationsfreiheit findet nach Art. 5 Abs. 2 GG ihre Schranken unter anderem in den allgemeinen Gesetzen. Dazu gehören die miet- und eigentumsrechtlichen Bestimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuches, durch die Rechte und Pflichten von Mietern und Vermietern festgelegt werden. Bei der Auslegung und Anwendung wertausfüllungsbedürftiger Begriffe muss der wertsetzende Gehalt der Grundrechte für die Rechtsordnung zur Geltung kommen (vgl. BVerfGE 7, 198 <205 ff.>; stRspr). In Fällen der hier vorliegenden Art ist neben dem Grundrecht der Informationsfreiheit das Grundrecht des Eigentümers aus Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG zu berücksichtigen.

Es ist Aufgabe der Fachgerichte, der Bedeutung der Grundrechte bei der Auslegung und Anwendung des Zivilrechts Rechnung zu tragen. Dementsprechend haben sie und im Zuge der Überprüfung solcher Entscheidungen auch das Bundesverfassungsgericht eine Reihe von Grundsätzen zur rechtlichen Behandlung der Anbringung von Parabolantennen in Mietwohnungen entwickelt. So muss der Vermieter die Zustimmung zur Errichtung regelmäßig erteilen, wenn er keinen Kabelanschluss bereitstellt (vgl. OLG Frankfurt, NJW 1992, S. 2490 <2491 f.>; vgl. auch OLG Karlsruhe, NJW 1993, S. 2815 <2816 f.>; zur Parabolantenne im Wohnungseigentum vgl. BGH, NJW 2004, S. 937 <939>), wie umgekehrt bei Verfügbarkeit eines solchen Anschlusses regelmäßig ein sachbezogener Grund zur Versagung der Genehmigung einer Parabolantenne gegeben ist (vgl. OLG Frankfurt, NJW 1992, S. 2490 <2491>). Das Interesse ständig in Deutschland lebender Ausländer am Empfang von Rundfunkprogrammen ihrer Heimatländer ist bei der Abwägung zwischen den Mieter- und Vermieterbelangen zu berücksichtigen (vgl. BVerfGE 90, 27 <36 f.>; BVerfG, 3. Kammer des Ersten Senats, Beschluss vom 9. Juni 1994 - 1 BvR 439/93 -, NJW 1994, S. 2143).

c) Danach verstößt die fachgerichtliche Entscheidung nicht gegen Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG.

Das Amtsgericht hat eine an den vorstehenden Maßstäben orientierte verfassungsrechtlich vertretbare Abwägung vorgenommen. Es hat darauf abgestellt, dass das Anbringen einer Satellitenantenne nicht unter den vertragsmäßigen Mietgebrauch falle. Es bestehe ein überwiegendes Interesse der Klägerin an der Verweigerung der Zustimmung zur Installation einer Parabolantenne, weil das Haus über einen Kabelanschluss verfüge. Der Beschwerdeführer könne sein Informationsbedürfnis realisieren. Diese Auffassung ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.

Nach der fachgerichtlichen Rechtsprechung kann dem Mieter regelmäßig zugemutet werden, die Kabelanlage statt einer Satellitenempfangsanlage zu nutzen, wenn auf diese Weise Zugang zu Programmen in der Sprache des ausländischen Mieters besteht (vgl. beispielsweise LG Lübeck, NJW-RR 1999, S. 1532; LG Ellwangen, Der Wohnungseigentümer 2000, S. 146; LG Köln, WuM 2001, S. 235; LG Wuppertal, Zeitschrift für Miet- und Raumrecht 2001, S. 747 <748>; LG Konstanz, WuM 2002, S. 210; AG Tiergarten, Grundeigentum 2000, S. 814; AG Hannover, Der Wohnungseigentümer 2004, S. 165). Diese Rechtsprechung ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Sie baut darauf auf, dass die Informationsfreiheit die Zugänglichkeit zu Informationsquellen im Rahmen der allgemeinen Gesetze (Art. 5 Abs. 2 GG) gewährleistet, hingegen nicht die Kostenlosigkeit des Informationszugangs sichert. Zu den allgemeinen Gesetzen gehören die mietrechtlichen Regeln über die Anbringung einer Parabolantenne, aber auch die allgemeinen zivilrechtlichen Vorschriften, die dazu führen, dass die Nutzung einer Kabelanlage gegen eine Grundgebühr und der Bezug besonderer Programmangebote gegen ein zusätzliches Entgelt vertraglich vereinbart und vorgesehen werden können. Die für den Bezug der Programmpakete mit weiteren ausländischen Programmen aufzubringenden Kosten sind ihrerseits bei der mietrechtlichen Prüfung eines Rechts auf Anbringung einer Parabolantenne in der Abwägung zwischen den Vermieter- und Mieterinteressen zu berücksichtigen. Es ist auch in Anerkennung der Ausstrahlungswirkung des objektiv rechtlichen Gehalts der Informationsfreiheit auf Privatrechtsverhältnisse nicht zu beanstanden, wenn die Abwägung zu Lasten des Mieters ausfällt, sofern die Zusatzkosten nicht so hoch sind, dass sie nutzungswillige Interessenten typischerweise davon abhalten, das Programmpaket zu beziehen.

Der in Hameln wohnende Beschwerdeführer kann nach den Feststellungen des Amtsgerichts eine Vielzahl heimatsprachiger Fernsehsendungen empfangen, wenn er ein zusätzliches digitales Kabelprogramm über den Kabelnetzbetreiber bezieht. Der Kabelnetzbetreiber speist in das dem Beschwerdeführer zugängliche Breitbandkabelnetz kostenpflichtige Pakete mit zahlreichen zusätzlichen türkischsprachigen Fernsehprogrammen ein. Der Beschwerdeführer hat nicht dargelegt, dass diese das von ihm geltend gemachte besondere Informationsinteresse nicht befriedigen können. Für den Empfang der türkisch-sprachigen Programme bedarf es eines Kabel-TV-Anschlusses und eines Digital-Receivers mit einer frei geschalteten Smart-Card. Die Anschaffungskosten für einen Digital-Receiver sind ähnlich hoch wie die Kosten für die Anschaffung und die fachmännische Installation einer Parabolantenne (vgl. LG Konstanz, WuM 2002, S. 210). Zu diesen Kosten kommen monatliche Aufwendungen für den Empfang des Kabelprogramms hinzu, die sich beim Bezug eines weiteren Pakets mit digitalisierten Kabelprogrammen je nach Programmpaket erhöhen. Nach den Feststellungen des Amtsgerichts ist in Hameln ein Programmpaket zu empfangen, das sechs türkischsprachige Programme enthält. Seine Inanspruchnahme kostet monatlich 5,95 EUR. Die Aufwendung von zusätzlichen Kosten in dieser Höhe führt typischerweise nicht dazu, dass nutzungswillige Interessenten davon abgehalten werden, ein Paket aus Programmen in der eigenen Heimatsprache zu beziehen. Da der Beschwerdeführer nicht dargelegt hat, dass ihm die Aufbringung der Zusatzkosten unmöglich ist, bedarf keiner Entscheidung, ob auch auf die individuellen Vermögensverhältnisse abzustellen ist.

3. Soweit der Beschwerdeführer eine Verletzung von Art. 14 Abs. 1 GG geltend macht, hat die Rüge aus Gründen ihrer Unzulässigkeit keinen Erfolg. Das Vorbringen hierzu enthält keine verfassungsspezischen Ausführungen (vgl. § 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG.

4. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist abzulehnen, weil es der Verfassungsbeschwerde an hinreichenden Erfolgsaussichten fehlt (vgl. § 114 ZPO).

5. Von einer weiteren Begründung wird nach § 93 d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.



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