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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverfassungsgericht
Beschluss verkündet am 28.01.2004
Aktenzeichen: 1 BvR 994/98
Rechtsgebiete: GG


Vorschriften:

GG Art. 2 Abs. 1
GG Art. 6 Abs. 2 Satz 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT

- 1 BvR 994/98 -

In dem Verfahren über die Verfassungsbeschwerde

gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 3. April 1998 - 3 Wx 90/98 -

hat die 3. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch den Präsidenten Papier, den Richter Steiner und die Richterin Hohmann-Dennhardt gemäß § 93 b in Verbindung mit § 93 a BVerfGG in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. August 1993 (BGBl I S. 1473) am 28. Januar 2004 einstimmig beschlossen:

Tenor:

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.

Gründe:

I.

Mit ihrer Verfassungsbeschwerde wendet sich die Beschwerdeführerin dagegen, dass die Gerichte die Anzahl der für ihren Sohn zu bestimmenden Vornamen begrenzt haben.

Die Beschwerdeführerin gab gegenüber dem Standesamt die Erklärung ab, ihrem neugeborenen Sohn zwölf - von ihr ausgewählte - Vornamen geben zu wollen. Das Amtsgericht entschied, dass dem Kind lediglich drei der angegebenen Vornamen beizuschreiben seien. Nachdem die Beschwerdeführerin die Vornamen beziehungsweise deren Reihenfolge mehrmals geändert hatte, beantragte sie schließlich mit der Beschwerde, dass das Kind die Vornamen "Chenekwahow, Tecumseh, Migiskau, Kioma, Ernesto, Inti, Prithibi, Pathar, Chajara, Majim, Henriko und Alessandro" erhalten solle, wobei die von ihr gewählte Reihenfolge der Namen auch deren jeweilige Vorrangigkeit bei der Namensgebung zum Ausdruck bringen soll. Das Landgericht änderte den Beschluss des Amtsgerichts ab und wies das Standesamt an, dem Kind die vier Vornamen "Chenekwahow, Tecumseh, Migiskau und Ernesto" beizuschreiben. Zur Begründung führte es unter anderem aus, dass die Namenswahl nicht dem Kindeswohl widersprechen dürfe, zwölf Vornamen aber einen erheblich belästigenden Charakter für das Kind hätten. Es wäre gehalten, sich in seinem späteren Leben sämtliche zwölf Vornamen in der richtigen Reihenfolge und der richtigen Schreibweise zu merken. Bei den zum großen Teil ungewöhnlichen Namen sei dies keine leichte Aufgabe für das Kind. Zudem werde das Kind in seinem späteren Leben immer wieder auffallen, wenn die Ausstellung einer Urkunde notwendig sei.

Auf die weitere Beschwerde der Beschwerdeführerin änderte das Oberlandesgericht den Beschluss des Landgerichts geringfügig dahin ab, dass dem Kind zusätzlich der Vorname "Kioma" beizuschreiben sei. Dabei machte es sich im Wesentlichen die Begründung der landgerichtlichen Entscheidung zu Eigen und führte zusätzlich aus, dass sich die staatlich-gesellschaftliche Kennzeichnungsfunktion des Namens wie auch sein Wert für die Selbstidentifikation des Kindes mit zunehmender Zahl der Vornamen verflüchtige.

Mit ihrer gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts gerichteten Verfassungsbeschwerde rügt die Beschwerdeführerin die Verletzung ihrer Grundrechte unter anderem aus Art. 2 Abs. 1 und Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG.

II.

Die Voraussetzungen für die Annahme der Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung liegen nicht vor (§ 93 a BVerfGG). Der Verfassungsbeschwerde kommt weder grundsätzliche Bedeutung zu (1.), noch ist sie zur Durchsetzung der Grundrechte der Beschwerdeführerin angezeigt (2.).

1. Die für die Beurteilung der Verfassungsbeschwerde maßgeblichen Fragen zum Elternrecht beziehungsweise zum Namensbestimmungsrecht der Eltern (auch hinsichtlich des Vornamens) sind durch das Bundesverfassungsgericht bereits entschieden (vgl. BVerfGE 24, 119 <143>; 31, 194 <204>; 55, 171 <182>; 61, 358 <371 f.>; 75, 201 <218>; 104, 373 <385 f.>).

2. Die Verfassungsbeschwerde ist auch ohne Aussicht auf Erfolg.

a) Die angegriffene Entscheidung des Oberlandesgerichts Düsseldorf verletzt die Beschwerdeführerin insbesondere nicht in ihrem Elternrecht aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG.

aa) Das Recht der Eltern, Sorge für ihr Kind zu tragen, umfasst auch das Recht, ihrem Kind einen Namen zu geben (vgl. BVerfGE 104, 373 <384 f.>). Die Entscheidung, welchen Namen es tragen soll, haben die Eltern in Ausübung der Verantwortung für das Kind zu treffen. Dies betrifft auch die Wahl eines Vornamens, der ausschließlich der Individualität einer Person Ausdruck verleiht, den Einzelnen bezeichnet und diesen von anderen unterscheidet (vgl. BVerfGE 104, 373 <385>). Es ist zuvörderst Aufgabe der Eltern, ihrem Kind in freier gemeinsamer Wahl einen Namen zu bestimmen, den es sich selbst noch nicht geben kann, wobei sie mangels einschlägiger Bestimmungen im Namensrecht in der Wahl des Vornamens grundsätzlich frei sind. Diesem Recht der Eltern zur Vornamenswahl für ihr Kind darf allein dort eine Grenze gesetzt werden, wo seine Ausübung das Kindeswohl zu beeinträchtigen droht (vgl. BVerfGE 24, 119 <143>; 104, 373 <385>). Der Staat ist in Wahrnehmung seines Wächteramtes nach Art. 6 Abs. 2 Satz 2 GG nicht nur berechtigt, sondern auch verpflichtet, das Kind als Grundrechtsträger vor verantwortungsloser Namenswahl durch die Eltern zu schützen. Für einen darüber hinausgehenden Eingriff in das Elternrecht auf Bestimmung des Vornamens für ihr Kind bietet Art. 6 Abs. 2 GG keine Grundlage (vgl. BVerfGE 104, 373 <385 f.>).

bb) Diesen Anforderungen wird die angegriffene Entscheidung gerecht. Das Oberlandesgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass das von Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG umfasste Recht der Beschwerdeführerin, ihrem Kind (einen) Vornamen zu geben, dort seine Grenze findet, wo die Namensbestimmung dem Kindeswohl widerspricht. Seine Ausführungen dazu, dass die Beschwerdeführerin die ihr bei der Namenswahl gesetzten Grenzen nicht eingehalten habe, halten einer verfassungsrechtlichen Überprüfung stand. Das Landgericht hat in seiner Begründung, die sich das Oberlandesgericht insoweit zu Eigen gemacht hat, im Einzelnen ausgeführt, dass zwölf Vornamen einen erheblich belästigenden Charakter für das Kind hätten. Es müsste sich die richtige Reihenfolge und Schreibweise der größtenteils ungewöhnlichen Namen merken und würde durch diese immer wieder auffallen. Schließlich hat das Oberlandesgericht maßgeblich darauf abgestellt, dass die Selbstidentifikation des Kindes mit zunehmender Zahl seiner Vornamen nicht mehr gewährleistet sei. Dass das Gericht vor diesem Hintergrund eine Beeinträchtigung des Kindeswohls bejaht hat, ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, auch wenn die der angegriffenen Entscheidung zugrunde liegenden Wertungen mit Blick auf das Elternrecht der Beschwerdeführerin in verfassungsrechtlich vertretbarer Weise auch anders hätten ausfallen können. Dem richterlichen Ermessen muss ein gewisser Spielraum bleiben, der die Berücksichtigung der besonderen Lage des Einzelfalles ermöglicht. Eine Grundrechtswidrigkeit liegt daher noch nicht vor, wenn die Anwendung einfachen Rechts durch den hierzu zuständigen Richter zu einem Ergebnis geführt hat, über dessen "Richtigkeit" sich streiten lässt, insbesondere weil sie den Interessen der einen oder anderen Seite zu viel oder zu wenig Gewicht beigelegt hat (vgl. BVerfGE 18, 85 <93>).

b) Ebenso wenig verletzt die angegriffene Entscheidung die Beschwerdeführerin in ihrem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG. Das Recht, ihren Kindern einen Namen zu geben, ist Eltern grundrechtlich nicht im Interesse eigener Persönlichkeitsentfaltung, sondern allein im Rahmen ihrer Sorgeverantwortung nach Art. 6 Abs. 2 GG im Interesse ihrer Kinder eingeräumt (vgl. BVerfGE 104, 373 <392>).

Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (§ 93 d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG).

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

Ende der Entscheidung

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