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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverfassungsgericht
Beschluss verkündet am 09.12.2008
Aktenzeichen: 2 BvL 7/04
Rechtsgebiete: KostO, BNotO, BVerfGG, GG


Vorschriften:

KostO § 140
BNotO § 3
BNotO § 114
BNotO § 115
BNotO § 116
BVerfGG § 80 Abs. 2
GG Art. 138
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
In den Verfahren zu den verfassungsrechtlichen Prüfungen

...

hat die 1. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts

durch

den Vizepräsidenten Voßkuhle,

die Richterin Osterloh und

den Richter Mellinghoff

gemäß § 81a BVerfGG in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. August 1993 (BGBl. I S. 1473)

am 9. Dezember 2008

einstimmig beschlossen:

Tenor:

Die Vorlagen werden zur gemeinsamen Entscheidung verbunden.

Die Vorlagen sind unzulässig.

Gründe:

Die Vorlagen betreffen die Frage, ob die Kostenerhebung durch baden-württembergische Amtsnotare aufgrund § 140 KostO mit dem Grundgesetz vereinbar ist.

I.

1.

a)

Das Organisationsrecht der Notare in Deutschland kennt neben den beiden freiberuflichen Notariatsformen im Sinne von § 3 BNotO das Amtsnotariat in Baden-Württemberg nach Maßgabe der §§ 114 - 116 BNotO sowie landesrechtlicher Vorschriften. Die baden-württembergischen Amtsnotare sind Beamte im Landesdienst (vgl. § 17 Abs. 1 des Landesgesetzes über die freiwillige Gerichtsbarkeit in Baden-Württemberg - LFGG). Der Bestand des bereits bei Inkrafttreten des Grundgesetzes bestehenden Amtsnotariats in Baden-Württemberg ist nach Maßgabe des Art. 138 GG geschützt.

b)

Die Erhebung von Notarkosten wurde bereits durch die Reichskostenordnung vom 25. November 1935 (RGBl I S. 1371) für alle Notariatsformen im damaligen Reichsgebiet vereinheitlicht. Die für die Vereinheitlichung maßgebliche Vorschrift befand sich in § 143 der Reichskostenordnung und wurde durch das Gesetz zur Änderung und Ergänzung kostenrechtlicher Vorschriften vom 26. Juli 1957 (BGBl. I S. 861 <960>) im Wesentlichen wortgleich in den noch heute gültigen § 140 KostO übernommen. § 140 KostO lautet:

Die Kosten der Notare bestimmen sich, soweit bundesrechtlich nichts anderes vorgeschrieben ist, ausschließlich nach diesem Gesetz. Vereinbarungen über die Höhe der Kosten sind unwirksam.

Die Kostenordnung, die nicht nur die Erhebung von Notarkosten regelt, sondern die Kostenerhebung im gesamten Bereich der freiwilligen Gerichtsbarkeit (§ 1 KostO), beruht überwiegend auf einem Wertgebührensystem, bei dem sich die Höhe der zu entrichtenden Gebühr nach dem Geschäftswert (§ 18 KostO) richtet, auf den der Gebührentarif (§ 32 KostO) anzuwenden ist. Auch die Gebührentatbestände des Gerichtskostengesetzes basieren grundsätzlich auf einem solchen Wertgebührensystem (vgl. §§ 3 Abs. 1, 34 GKG).

c)

Während den freiberuflich tätigen Notaren im Sinne von § 3 BNotO die Gebühren für ihre Tätigkeit selbst zufließen, werden die Notarkosten der im Landesdienst stehenden baden-württembergischen Amtsnotare nach Maßgabe des Landesjustizkostengesetzes des Landes Baden-Württemberg (LJKG) zur Staatskasse erhoben. Den Amtsnotaren verbleiben allerdings Gebührenanteile (vgl. im Einzelnen §§ 10 ff. LJKG sowohl in der Fassung des LJKG vom 15. Januar 1993, GBl S. 109, als auch in der Fassung des LJKG vom 28. Juli 2005, GBl S. 580). Die konkurrierende Gesetzgebung des Bundes nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG, der das Kostenrecht der Notare unterfällt, steht einer solchen ergänzenden landesrechtlichen Regelung des Gebührenaufkommens im Bereich des baden-württembergischen Amtsnotariats grundsätzlich nicht entgegen (vgl. BVerfGK 7, 117).

2.

a)

Die Erinnerungsführer der Ausgangsverfahren haben zwischen 2000 und 2003 vor einem badischen Amtsnotar Grundstückskaufverträge beurkunden lassen, und zwar zu Kaufpreisen von 600.000 DM (2 BvL 7/04), 613.550 EUR (2 BvL 8/04) und 435.000 EUR (2 BvL 9/04). In den Verfahren 2 BvL 7/04 und 2 BvL 8/04 wurden außerdem Grundschuldbestellungserklärungen beglaubigt. Die nach §§ 36, 45, 136, 146, 150 KostO in Rechnung gestellten Gebühren und Auslagen betrugen einschließlich Umsatzsteuer 4.070,44 DM (2 BvL 7/04), 2.619,51 EUR (2 BvL 8/04) und 1.774,45 EUR (2 BvL 9/04). Vor dem Amtsgericht Breisach wendeten sich die Erinnerungsführer gegen den Kostenansatz.

b)

Mit Beschlüssen vom 30. Juni 2004 (UR II 8 - 10/04) hat das Amtsgericht Breisach die Verfahren ausgesetzt und dem Bundesverfassungsgericht gemäß Art. 100 Abs. 1 GG die Frage vorgelegt, ob § 140 der Kostenordnung (Gesetz über die Kosten in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit in der Fassung vom 26. Juli 1957, BGBl. I S. 960) mit Art. 2 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1, Art. 14 Abs. 2 Satz 1 sowie Art. 70 Abs. 1, 105, 106 des Grundgesetzes vereinbar ist, soweit er vorschreibt, dass auch die Notare im Dienst des Landes Baden-Württemberg bei notariellen Beurkundungen und Beglaubigungen Kosten nach den Bestimmungen der §§ 141 ff. in Verbindung mit § 18 Abs. 1 (Geschäftswert) der Kostenordnung zu erheben haben.

3.

Die wortlautidentischen Vorlagebeschlüsse werden vom Amtsgericht im Wesentlichen wie folgt begründet:

a)

Die Kostenerhebung der baden-württembergischen Amtsnotare sei mit den Grundsätzen der Schutz- und Begrenzungsfunktion der Finanzverfassung, wie sie das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil vom 19. März 2003 (BVerfGE 108, 1) entwickelt habe, nicht zu vereinbaren.

Der Gebührenzweck der Kostendeckung rechtfertige die Kostenerhebung nicht. Den in den vorliegenden Fällen erhobenen Kosten stehe in Wahrheit nur ein "tatsächlicher Aufwand", berechnet nach der einschlägigen Verwaltungsvorschrift des Finanzministeriums Baden-Württemberg (GABl vom 18. Oktober 1995, S. 567), von 138,- EUR (2 BvL 7/04), 294,50 EUR (2 BvL 8/04) und 101,- EUR (2 BvL 9/04) gegenüber. Aus einem Bericht des Landesrechnungshofs Baden-Württemberg vom Mai 2000 (LT-Drs. 12/5154) ergebe sich für die notarielle Tätigkeit der Amtsnotare im Jahr 1998 ein Überschuss für den Landeshaushalt von Baden-Württemberg von 176 Mio. DM. Der Geschäftswert als Bemessungsgrundlage nach § 18 KostO stehe auch mit den tatsächlich verursachten Kosten in keinem Zusammenhang.

Der Zweck des Vorteilsausgleichs rechtfertige die Kostenerhebung ebenfalls nicht, da ein über die Beurkundungsleistung hinausgehender besonderer Vorteil nicht ersichtlich sei. Auch Lenkungszwecke würden mit den Notarkosten nicht verfolgt. Schließlich könnten auch soziale Zwecke eine generelle Überhöhung von Gebühren nicht rechtfertigen, da derartige Abstufungen nur unterhalb einer kostenorientierten Obergrenze des Gebührensatzes zulässig seien. Gegen diesen Befund lasse sich auch nicht einwenden, dass die Kostenerhebung der baden-württembergischen Amtsnotare auf Bundesrecht beruhe. Selbst wenn die bundesrechtlich geregelte Kostenerhebung nur in einem Bundesland in Konflikt mit der Schutz- und Begrenzungsfunktion der Finanzverfassung gerate, sei dies unzulässig.

b)

Auch die Grundrechte der Erinnerungsführer seien durch die Erhebung der Notarkosten verletzt. Die Kostenerhebung verstoße gegen Art. 2 Abs. 1 GG, da sie in einem Missverhältnis zum Wert der erbrachten Leistung stünden. Art. 3 Abs. 1 GG sei unter zwei Gesichtspunkten verletzt. Zum einen sei der Grundsatz der Belastungsgleichheit nicht gewahrt, weil wegen der Kostenüberdeckung im notariellen Bereich die Gebührenschuldner der Amtsnotare über ihre allgemeinen Steuerpflichten hinaus zur Finanzierung der öffentlichen Haushalte herangezogen würden. Zum anderen verstoße es gegen Art. 3 Abs. 1 GG, dass aufgrund der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für notarielle Geschäfte im Anwendungsbereich der Richtlinie 69/335/EWG (Gesellschaftsteuerrichtlinie) nur noch aufwandsbezogene Gebühren erhoben werden dürften, während außerhalb des Anwendungsbereichs weiter das tradierte Wertgebührensystem der Kostenordnung gelte. Art. 3 Abs. 1 GG verlange hier, dass alle Gebühren im staatlichen Notariat ausschließlich nach konkretem Aufwand zu bemessen seien. Schließlich sei auch Art. 14 Abs. 2 Satz 1 GG verletzt, denn Individualvermögen, auch das Eigentum am Geld, sei nur im Rahmen der allgemeinen Steuerpflicht gemeinwohlpflichtig, prinzipiell aber nicht für fremde Personen sozialpflichtig.

4.

Zu den Vorlagen haben das Justizministerium Baden-Württemberg, das Bundesministerium der Justiz, der Badische Notarverein und das mit den Beurkundungen befasste Notariat Stellung genommen.

a)

Das Justizministerium Baden-Württemberg hält die Vorlagen für unzulässig. Die Unzulässigkeit ergebe sich unter anderem daraus, dass das Amtsgericht sich lediglich auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 19. März 2003 (BVerfGE 108, 1) stütze, eine Auseinandersetzung mit den einschlägigen Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zu den Wertgebühren im Bereich der Justizkosten (BVerfGE 80, 103; 85, 337) aber unterlasse. In diesen Entscheidungen habe das Bundesverfassungsgericht die Anknüpfung von Gerichtsgebühren an den Streit- oder Geschäftswert ausdrücklich gebilligt und dabei auch die Berücksichtigung sozialer Zwecke zugelassen. Auch auf die einschlägige fachgerichtliche Rechtsprechung zu den Wertgebühren im Bereich der Justizkosten, etwa der Entscheidung des Bayerischen Obersten Landesgerichts vom 6. Dezember 2000 (NJW-RR 2001, S. 880) gehe das Amtsgericht nicht ein.

Ungeachtet der Unzulässigkeit der Vorlagen sei § 140 KostO auch mit dem Grundgesetz vereinbar. Wertgebührensysteme gebe es seit Inkrafttreten des Grundgesetzes nicht nur bei der Kostenerhebung der Amtsnotare, sondern auch im Bereich der Gerichtsgebühren. Hinsichtlich der Amtsnotare werde das bei Inkrafttreten des Grundgesetzes bestehende System überdies durch Art. 138 GG geschützt. Die Kostenerhebung der Amtsnotare sei auch vom Gebührenzweck der Kostendeckung gerechtfertigt. Bei den zu betrachtenden Kosten sei nicht nur der beim konkreten Geschäft anfallende Arbeitsaufwand zu berücksichtigen, sondern unter anderem auch kalkulatorische Kosten und das mit der notariellen Tätigkeit verbundene Haftpflichtrisiko. Ein grobes Missverhältnis von Gebühr und erbrachter Leistung sei nicht gegeben. Zudem komme es bei Geschäften mit niedrigem Geschäftswert auch zu einer Gebühr, die die Kosten der konkreten Leistung gerade nicht decke. Mit dem Wertgebührensystem und der damit verbundenen Mischkalkulation würden soziale Zwecke verfolgt, die auch in engem Zusammenhang mit dem Justizgewährungsanspruch stünden. Auch rechtfertige der Gebührenzweck des Vorteilsausgleichs die Kostenerhebung, denn mit zunehmendem Geschäftswert steige das wirtschaftliche Interesse der Beteiligten an der durch die Beurkundung vermittelten Rechtssicherheit und der damit verbundenen rechtlichen Beratung und Belehrung.

Schließlich seien auch Grundrechte durch die Kostenerhebung nicht verletzt. Insbesondere führe die Auslegung von Art. 3 Abs. 1 GG durch das Amtsgericht mittelbar zu einer Kompetenzerweiterung der europäischen Rechtsetzungsorgane, die weder im nationalen noch im europäischen Recht eine Grundlage finde.

b)

Das Bundesministerium der Justiz verweist auf den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 6. Juli 2004 (BVerfGK 3, 310) zu den Gebühren in Grundbuchsachen, der die verfassungsrechtlichen Bedenken des Amtsgerichts entkräfte. Der Bundesgesetzgeber sei im Übrigen auf jeden Fall befugt, für Amtsnotare und freiberufliche Notare dasselbe Gebührensystem vorzusehen. Eine Reduzierung der Gebühren für Amtsnotare würde unweigerlich einen Wettbewerbsnachteil für die auch in Baden-Württemberg tätigen freiberuflichen Notare zur Folge haben. Die hier drohende Grundrechtsverletzung (Art. 12 Abs. 1 GG) könne der Bundesgesetzgeber auch nicht verhindern, da ihm eine Änderung der baden-württembergischen Notariatsverfassung wegen Art. 138 GG nicht möglich sei.

c)

Der Badische Notarverein und das mit den Beurkundungen befasste Notariat schließen sich den Vorlagebeschlüssen des Amtsgerichts Breisach an.

II.

Die Vorlagen sind unzulässig

1.

Das Bundesverfassungsgericht legt in ständiger Rechtsprechung einen strengen Maßstab an die Begründungspflicht nach § 80 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG an, der auch der Entlastung des Bundesverfassungsgerichts dienen soll (BVerfGE 65, 265 <277>). Das vorlegende Gericht muss zum einen ausführen, inwiefern seine Entscheidung von der Gültigkeit der zu prüfenden Norm abhängt (BVerfGE 65, 265 <277>; 89, 329 <336> ). Ergeben sich verfassungsrechtliche Bedenken dabei erst aus dem Zusammenwirken mehrerer Bestimmungen des einfachen Rechts, so kann zwar grundsätzlich jede von ihnen Gegenstand einer Vorlage sein, doch müssen die mit der zur Prüfung gestellten Norm zusammenwirkenden Vorschriften in die Darstellung der einfachrechtlichen Rechtslage einbezogen werden (BVerfGE 80, 96 <100 f.>; 89, 329 <337>). Das vorlegende Gericht muss außerdem die für seine Überzeugung von der Verfassungswidrigkeit der Norm maßgeblichen Erwägungen erschöpfend darlegen (BVerfGE 78, 165 <171 f.>). Zweifel des Gerichts oder bloße Bedenken reichen nicht aus (vgl. bereits BVerfGE 1, 184 <188 f.>). Das vorlegende Gericht muss deutlich machen, mit welchem verfassungsrechtlichen Grundsatz die zur Prüfung gestellte Regelung seiner Ansicht nach nicht vereinbar ist und aus welchen Gründen es zu dieser Auffassung gelangt ist. Dabei muss es sich intensiv mit der einfachen Rechtslage auseinandersetzen, auf naheliegende tatsächliche und rechtliche Gesichtspunkte eingehen und die in Rechtsprechung und Schrifttum vertretenen Auffassungen ebenso verarbeiten wie die Entstehungsgeschichte der betreffenden Norm (vgl. BVerfGE 76, 100 <104> ; 79, 240 <243 f.>; 80, 96 <100>; 86, 52 <57>; 86, 71 <77 f.>; 89, 329 <337>; 92, 277 <312>; 105, 48 <56>).

2.

Diesen Anforderungen genügen die Vorlagen nicht.

a)

Die bundesrechtliche Vorschrift des § 140 KostO besagt nur, dass Notarkosten in ganz Deutschland nach der Kostenordnung zu erheben sind, gleichgültig ob es sich um freiberufliche Notare oder Amtsnotare handelt. Finanzverfassungsrechtliche Bedenken können sich bei dieser Sachlage erst dadurch ergeben, dass die Notarkosten der baden-württembergischen Amtsnotare nach baden-württembergischem Landesrecht gemäß § 10 Abs. 1 LJKG zur Staatskasse erhoben werden. Erst die auf diese Weise für den Landeshaushalt möglicherweise erwirtschafteten Überschüsse können Fragen nach der Schutz- und Begrenzungsfunktion der Finanzverfassung überhaupt aufwerfen. Auf diesen Punkt der Überschusserzielung für den Landeshaushalt konzentriert sich zwar auch die verfassungsrechtliche Argumentation des Amtsgerichts. Dabei setzt sich das Amtsgericht jedoch nicht mit dem Zusammenwirken der bundesrechtlichen Vorschrift des § 140 KostO und der landesrechtlichen Vorschrift des § 10 Abs. 1 LJKG auseinander. Das genügt nicht den Anforderungen des § 80 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG an die Begründung eines Vorlagebeschlusses.

b)

Die Vorlagebeschlüsse setzen sich auch mit der vorhandenen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Schutz- und Begrenzungsfunktion der Finanzverfassung (Art. 104a ff. GG) nicht hinreichend auseinander.

Das Amtsgericht erörtert die verfassungsrechtliche Problematik ausschließlich aus dem Blickwinkel des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 19. März 2003 (BVerfGE 108, 1) zu den Rückmeldegebühren nach dem baden-württembergischen Universitätsgesetz, ohne auf die im vorliegenden Fall einschlägige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu den Wertgebührensystemen im Justizkostenbereich einzugehen. Dem Amtsgericht ist zwar zuzugestehen, dass zum Zeitpunkt seiner Vorlage der Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 6. Juli 2004 betreffend die Erhebung von Grundbuchgebühren (BVerfGK 3, 310; vgl. bestätigend BVerfGE 115, 381 <390>) noch nicht veröffentlicht war. Das Bundesverfassungsgericht hatte aber bereits zuvor in mehreren Senatsentscheidungen festgestellt, dass die im Justizkostenbereich bestehenden Wertgebührensysteme im Grundsatz nicht zu beanstanden sind (vgl. BVerfGE 80, 103; 85, 337) . Auf diese Entscheidungen geht das Amtsgericht nicht ein, was geboten gewesen wäre. Die im Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 19. März 2003 (BVerfGE 108, 1) behandelten Rückmeldegebühren unterscheiden sich wesentlich von den hier betroffenen Wertgebühren. Die Rückmeldegebühren betrafen eine Gebühr jeweils gleicher Höhe für eine jeweils gleiche Verwaltungsleistung. Aus dem Gebührenaufkommen sollten auch ausweislich des Gesetzeswortlauts ausschließlich die speziellen Kosten für die Bearbeitung der Rückmeldung gedeckt werden, nicht jedoch andere Kosten. Auch wurden mit diesen Gebühren erkennbar keine sozialen Ausgleichszwecke verfolgt (vgl. BVerfGE 108, 1 <21 u. 32>).

Die Wertgebühren der Kostenordnung weisen demgegenüber eine deutlich komplexere Struktur auf. Sie dienen nach Systematik und Entstehungsgeschichte einer Vielzahl von Zielen (vgl. BVerfGK 3, 310 <312>). Neben der Kostendeckung bezweckt der Gesetzgeber durch das Wertgebührensystem auch den Ausgleich des durch die notarielle Leistung empfangenen Vorteils. Hinzu tritt der einem Wertgebührensystem immanente soziale Ausgleich zwischen nicht kostendeckenden Leistungen mit niedrigem Geschäftswert und kostendeckenden Leistungen mit hohem Geschäftswert. Dieser Ausgleich wiederum findet seinen Rückhalt im Sozialstaatsprinzip gemäß Art. 20 Abs. 1 GG sowie im durch Art. 19 Abs. 4 GG und Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip gewährleisteten Justizgewährungsanspruch (vgl. BVerfGE 80, 103 <107> ; dem folgend BVerfGK 3, 310 <312>; BVerfGE 115, 381 <390>). Wertgebührensysteme setzen daher komplexe Kalkulationen, Bewertungen, Einschätzungen und Prognosen voraus, bei denen die verfassungsgerichtliche Kontrolle der gesetzgeberischen Gebührenbemessung nicht überspannt werden darf (vgl. BVerfGE 108, 1 <19>). Mit der Komplexität des betroffenen Gebührensystems steigen auch die Anforderungen an die Durchdringung der Materie durch das vorlegende Fachgericht. Dem werden die Vorlagebeschlüsse nicht gerecht.

Bei der Erörterung des Gebührenzwecks der Kostendeckung stellt das Amtsgericht auf die von den Notariaten vorgelegten "Listen über Arbeitsaufwand" ab, die nach den einschlägigen Verwaltungsvorschriften des baden-württembergischen Finanz- und des Justizministeriums erstellt worden sein sollen. Anders als der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg in seinem Vorlagebeschluss vom 29. Juli 1998 (ESVGH 49, S. 29), der zum Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 19. März 2003 (BVerfGE 108, 1) führte, setzt sich das Amtsgericht nicht mit der Zusammensetzung dieses Aufwands und seiner Aussagekraft im vorliegenden Sachzusammenhang auseinander. So geht aus den Vorlagebeschlüssen an keiner Stelle hervor, ob bzw. in welchem Umfang in den angeführten Beträgen tatsächlich die in der einschlägigen Verwaltungsvorschrift des baden-württembergischen Finanzministeriums (VwV-Kostenfestlegung; vorliegend einschlägig die Fassungen vom 10. Dezember 1998, GABl vom 20. Januar 1999, S. 62 und vom 20. Dezember 2000, GABl vom 7. Februar 2001, S. 221) bezeichneten Kostenfaktoren berücksichtigt sind. Das Amtsgericht geht auch nicht darauf ein, dass in der VwV-Kostenfestlegung bestimmte Kostenfaktoren offensichtlich nicht berücksichtigt sind, insbesondere weder die den Amtsnotaren zustehenden Gebührenanteile noch das dem Land aus der notariellen Tätigkeit entstehende Haftungsrisiko. Ohne eine genaue Ermittlung und Analyse von Art und Umfang der in Frage kommenden Kosten kann ein Fachgericht aber seine Überzeugung von einer Verfehlung des Gebührenzwecks der Kostendeckung nicht in einer § 80 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG genügenden Weise darlegen.

Auch die sonst in Frage kommenden Gebührenzwecke erörtert das Amtsgericht nicht in ausreichendem Maße. Es übersieht zum Gebührenzweck des Vorteilsausgleichs, dass sich die notarielle Beurkundung nicht darin erschöpft, "für bestimmte Rechtsvorgänge den 'Vorteil' der Verlässlichkeit oder Rechtswirksamkeit zu erlangen". Die notarielle Leistung umfasste neben der Belehrung und Beratung der Beteiligten (§ 17 BeurkG) einschließlich der Übernahme der damit verbundenen Haftung in allen Vorlagefällen auch Vollzugstätigkeiten, auf die in den Ausgangsfällen auch ein Teil der erhobenen Gebühren gemäß § 146 KostO entfiel. Schließlich setzt sich das Amtsgericht auch nicht damit auseinander, dass die Wertgebühren im Justizkostenbereich - anders als die im Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 19. März 2003 behandelten Rückmeldegebühren - neben der Kostendeckung dem sozialen Ausgleich dienen (vgl. BVerfGE 80, 103 <107> einerseits und BVerfGE 108, 1 <32> andererseits). Der bloße Hinweis des Amtsgerichts darauf, dass ein sozialer Ausgleich nur unterhalb einer kostenorientierten Obergrenze des Gebührensatzes zulässig sei (BVerfGE 108, 1 <18>), lässt eine hinreichende Auseinandersetzung mit der aufgeworfenen Problematik im Kontext von Wertgebühren vermissen. Insbesondere geht das Amtsgericht ohne jede Erörterung davon aus, dass bei der Betrachtung derjenigen Justizleistungen, die dem wertgebührentypischen sozialen Ausgleich unterliegen, ausschließlich auf den Bereich der notariellen Tätigkeiten abzustellen ist, andere Leistungsbereiche der Justiz - insbesondere der freiwilligen Gerichtsbarkeit -, die ebenfalls aus dem Landeshaushalt finanziert werden, dabei aber auszuklammern sind. Schon vor dem Hintergrund von Art. 138 GG, der die Eingliederung des historisch gewachsenen Amtsnotariats in den staatlichen Bereich der freiwilligen Gerichtsbarkeit in Baden-Württemberg schützt, wäre diese Frage erörterungsbedürftig.

c)

Schließlich setzt sich das Amtsgericht mit den Besonderheiten nicht hinreichend auseinander, die sich aus dem Zusammenhang zwischen dem in Art. 138 GG dem Grunde nach für zulässig erklärten Sonderorganisationsrecht des baden-württembergischen Amtsnotariats mit dessen historischem Bestandteil der Ertragshoheit des Landeshaushalts für die Notargebühren einerseits (jetzt § 10 Abs. 1 LJKG) und dem bundesweit aufgrund einer konkurrierenden Bundesgesetzgebung vereinheitlichten Notarkostenrecht (§ 140 KostO) andererseits ergeben. Nach Art. 138 GG bedarf eine Änderung der Einrichtungen des baden-württembergischen Amtsnotariats der Zustimmung der Regierung des Landes Baden-Württemberg. Art. 138 GG schränkt somit die dem Bundesgesetzgeber in Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG zugewiesene konkurrierende Gesetzgebungskompetenz im Bereich des Notariats durch einen Zustimmungsvorbehalt ein. Art. 138 GG lässt sich über diesen Zustimmungsvorbehalt hinaus zwar kein allgemeiner materieller Aussagegehalt dahingehend entnehmen, dass in seinem Anwendungsbereich die allgemeinen verfassungsrechtlichen Anforderungen an das notarielle Organisations- und Kostenrecht außer Acht gelassen werden könnten (vgl. auch BVerfGE 111, 191 <222 f.>). Zu beachten ist aber, dass bei Inkrafttreten des Grundgesetzes das notarielle Kostenrecht anders als das Organisationsrecht aufgrund des damals gemäß Art. 123 Abs. 1, Art. 125 Nr. 1, Art. 74 Nr. 1 (jetzt: Art. 74 Abs. 1 Nr. 1) GG fortgeltenden § 143 der Reichskostenordnung, dessen Regelungsgehalt sich nun in § 140 KostO wiederfindet, vereinheitlicht war. Art. 138 GG ist also vor dem Hintergrund eines vereinheitlichten Notarkostenrechts zu sehen. Bei dieser Sachlage stellt sich offensichtlich die Frage, ob bzw. in welchem Umfang der Bundesgesetzgeber bei der bundeseinheitlichen Gestaltung des Notarkostenrechts die landespezifischen Besonderheiten der baden-württembergischen Notariatsverfassung, die wegen Art. 138 GG nur eingeschränkt seiner Gesetzgebungskompetenz unterliegt, überhaupt berücksichtigen muss. Hierauf geht das Amtsgericht an keiner Stelle ein. Der Sache nach unterstellt es ohne nähere Begründung, dass sich aus der Schutz- und Begrenzungsfunktion der Finanzverfassung (Art. 104a ff. GG) ohne Rücksicht auf Art. 138 GG und dessen Entstehungsgeschichte die Notwendigkeit eines Notarkostensonderrechts für baden-württembergische Amtsnotare ableiten lässt. Auch dies genügt nicht den Begründungsanforderungen des § 80 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG.

d)

Auch soweit das Amtsgericht einen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG rügt, weil im Anwendungsbereich der Gesellschaftsteuerrichtlinie eine Umstellung des Gebührensystems gemeinschaftsrechtlich erforderlich geworden ist, während außerhalb des Anwendungsbereichs dieser Richtlinie weiter das herkömmliche Wertgebührensystem Anwendung findet, ist die Vorlage nicht hinreichend begründet. Zum einen problematisiert das Amtsgericht in diesem Zusammenhang nicht die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, wonach ein Gleichheitsverstoß grundsätzlich nicht damit begründet werden kann, dass unterschiedliche Hoheitsträger innerhalb ihrer jeweiligen Rechtsetzungskompetenz unterschiedliche Sachregelungen treffen (vgl. BVerfGE 10, 354 <371> ; 42, 20 <27> ; 52, 42 <57 f.>; 93, 319 <351>; vgl. auch BVerfGK 3, 310 <313 f.>; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 1. Oktober 2004 - 1 BvR 2221/03 -, NJW 2005, S. 737 <738>). Unabhängig davon ergibt sich vorliegend offensichtlich die Problematik, dass die durch die Gesellschaftsteuerrichtlinie mittelbar bewirkte Zweiteilung des Systems der Notargebühren in Baden-Württemberg zwar zu einer Ungleichbehandlung führt, diese aber ihren Ursprung jedenfalls im beschränkten Schutzzweck der Gesellschaftsteuerrichtlinie hat, der sich nicht ohne weiteres auf Sachverhalte außerhalb des Anwendungsbereichs der Richtlinie übertragen lässt (vgl. auch BVerfGE 116, 135 <159 f.>). Auch hierauf geht das Amtsgericht nicht ein.

Ende der Entscheidung

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