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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverfassungsgericht
Beschluss verkündet am 10.03.2003
Aktenzeichen: 2 BvQ 6/03
Rechtsgebiete: BVerfGG, GG


Vorschriften:

BVerfGG § 32
BVerfGG § 32 Abs. 1
BVerfGG § 34a Abs. 3
BVerfGG § 93 Abs. 1
BVerfGG § 93d Abs. 2
GG Art. 19 Abs. 4
GG Art. 33 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT

- 2 BvQ 6/03 -

IM NAMEN DES VOLKES

In dem Verfahren über den Antrag

im Wege der einstweiligen Anordnung dem Niedersächsischen Ministerium für Frauen, Arbeit und Soziales aufzugeben, bis zur Entscheidung über die Verfassungsbeschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 30. Januar 2003 - 5 ME 26/03 - eine der am 13. November 2001 hausintern ausgeschriebenen Beförderungsstellen der Besoldungsgruppe A 13 BBesO (Regierungsoberamtsrat) freizuhalten,

hat die 1. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch die Richter Sommer, Di Fabio und die Richterin Lübbe-Wolff gemäß § 32 Abs. 1 in Verbindung mit § 93d Abs. 2 BVerfGG in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. August 1993 (BGBl I S. 1473)

am 10. März 2003 einstimmig beschlossen:

Tenor:

1. Dem Niedersächsischen Ministerium für Frauen, Arbeit und Soziales wird aufgegeben, bis zur Entscheidung über die Verfassungsbeschwerde 2 BvR 311/03, längstens für die Dauer von sechs Monaten, eine der am 13. November 2001 hausintern ausgeschriebenen Beförderungsstellen der Besoldungsgruppe A 13 BBesO (Regierungsoberamtsrätin/-rat) nicht zu besetzen.

2. Das Land Niedersachsen hat dem Antragsteller die entstandenen notwendigen Auslagen zu erstatten.

Gründe:

I.

Der Antragsteller steht als Regierungsamtsrat der Besoldungsgruppe A 12 im Dienst des Niedersächsischen Ministeriums für Frauen, Arbeit und Soziales. Nachdem er sich ohne Erfolg auf eine Beförderungsstelle beworben hatte, nahm er vorläufigen gerichtlichen Rechtsschutz in Anspruch. Das Verwaltungsgericht Hannover gab dem auf Freihaltung einer Beförderungsstelle gerichteten Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung statt, weil die letztlich allein nach dem Beförderungsdienstalter getroffene Auswahlentscheidung gegen den Leistungsgrundsatz verstoße. Da alle 21 Bewerber unabhängig von ihrer tatsächlichen Leistung mit der Höchstnote dienstlich beurteilt worden seien, fehle es an der für die Bestenauslese erforderlichen Grundlage. Das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht hob den erstinstanzlichen Beschluss auf, weil der Antragsteller die Rechtswidrigkeit der der Auswahlentscheidung zugrunde liegenden dienstlichen Beurteilungen nicht glaubhaft gemacht habe.

II.

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist zulässig und begründet.

Nach § 32 BVerfGG kann das Bundesverfassungsgericht im Streitfall einen Zustand durch einstweilige Anordnung vorläufig regeln, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus einem anderen wichtigen Grund zum gemeinen Wohl dringend geboten ist. Dabei haben die Gründe, die für die Verfassungswidrigkeit des angegriffenen Hoheitsaktes vorgetragen werden, grundsätzlich außer Betracht zu bleiben, es sei denn, die Verfassungsbeschwerde wäre von vornherein unzulässig oder offensichtlich unbegründet (vgl. BVerfGE 7, 367 <371>; 68, 233 <235>; 71, 158 <161>; 79, 379 <383>; 91, 140 <144>; 103, 41 <42>, stRspr). Bei offenem Ausgang muss das Bundesverfassungsgericht die Folgen, die einträten, wenn eine einstweilige Anordnung nicht erginge, die Verfassungsbeschwerde aber Erfolg hätte, gegenüber den Nachteilen abwägen, die entstünden, wenn die begehrte einstweilige Anordnung erlassen würde, der Verfassungsbeschwerde aber der Erfolg zu versagen wäre (vgl. BVerfGE 88, 169 <172>; 88, 173 <179 f.>; 91, 140 <144>; 99, 57 <66>, stRspr).

1. Die am 28. Februar 2003 innerhalb der Frist des § 93 Abs. 1 BVerfGG erhobene Verfassungsbeschwerde ist weder unzulässig noch offensichtlich unbegründet. Sie wirft die Frage auf, ob das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht bei der Überprüfung der angegriffenen beamtenrechtlichen Auswahlentscheidung das Recht des Antragstellers auf gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amt nach Befähigung, Eignung und fachlicher Leistung aus Art. 33 Abs. 2 GG durch übersteigerte Anforderungen an die Glaubhaftmachung eines Anordnungsanspruchs unzulässig verkürzt hat, Art. 19 Abs. 4 GG.

2. Die somit erforderliche Folgenabwägung fällt zugunsten des Antragstellers aus. Sie ergibt, dass die Gründe für den Erlass einer einstweiligen Anordnung überwiegen.

a) Unterbliebe die einstweilige Anordnung, so könnten die durch das Ministerium für Frauen, Arbeit und Soziales ausgewählten Mitbewerber zu Regierungsoberamtsräten ernannt werden. Stellte sich später die Verfassungswidrigkeit des mit der Verfassungsbeschwerde angegriffenen Beschlusses des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts heraus, ließe sich der Eingriff in das Recht des Antragstellers auf gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amt nach bisheriger fachgerichtlicher Rechtsprechung durch eine erneute Durchführung des Auswahlverfahrens nicht mehr korrigieren (vgl. BVerwGE 80, 127 <129 f.>; zur Verfassungskonformität Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 19. September 1989 - 2 BvR 1576/88 -, NJW 1990, S. 501; s. hierzu allerdings jetzt auch BVerwGE 115, 89 <91 f.>).

b) Gegenüber dem irreparablen Rechtsverlust, der dem Antragsteller droht, sind die Nachteile, die entstünden, wenn die einstweilige Anordnung erlassen würde, der Verfassungsbeschwerde aber der Erfolg zu versagen wäre, weniger gewichtig. Wegen der Beschränkung des Antrags auf Freihaltung nur einer Beförderungsstelle könnten drei der ausgewählten Mitbewerber sofort befördert werden. Lediglich ein Mitbewerber müsste eine zeitliche Verzögerung seiner Beförderung in Kauf nehmen. Dies erscheint hinnehmbar. Das Interesse des Niedersächsischen Ministeriums für Frauen, Arbeit und Soziales an einer möglichst umgehenden Besetzung aller ausgeschriebenen Stellen fällt nicht entscheidend ins Gewicht. Hierbei ist auch zu berücksichtigen, dass sämtliche von den Bewerbern innegehabten Dienstposten nach der Besoldungsgruppe A 13 bewertet sind und die Ausgewählten nach ihrer Beförderung offenbar auf ihrem Dienstposten verbleiben.

3. Die Anordnung der Auslagenerstattung beruht auf § 34a Abs. 3 BVerfGG.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

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