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Gericht: Bundesverfassungsgericht
Beschluss verkündet am 02.08.2004
Aktenzeichen: 2 BvR 1204/04
Rechtsgebiete: BVerfGG, StGB


Vorschriften:

BVerfGG § 93a
BVerfGG § 93a Abs. 2
BVerfGG § 93b
StGB § 20
StGB § 21
StGB § 63
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT

- 2 BvR 1204/04 -

In dem Verfahren

über

die Verfassungsbeschwerde

gegen a) den Beschluss des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 7. Mai 2004 - III 4 Ws 235/04 -,

b) den Beschluss des Landgerichts Kleve vom 18. Februar 2004 - 181 StVK 131/03 -

hat die 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch den Vizepräsidenten Hassemer, die Richterin Osterloh und den Richter Mellinghoff gemäß § 93b in Verbindung mit § 93a BVerfGG in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. August 1993 (BGBl I S. 1473) am 2. August 2004 einstimmig beschlossen:

Tenor:

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.

Gründe:

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen, weil die Annahmevoraussetzungen gemäß § 93a Abs. 2 BVerfGG nicht vorliegen. Die Verfassungsbeschwerde hat keine Aussicht auf Erfolg.

1. Die Freiheit der Person darf nur aus besonders gewichtigen Gründen und unter strengen formellen Gewährleistungen eingeschränkt werden (Art. 2 Abs. 2, 104 Abs. 1 GG). Zu diesen wichtigen Gründen gehören in erster Linie solche des Strafrechts und des Strafverfahrensrechts. Eingriffe in die persönliche Freiheit auf diesem Gebiet dienen vor allem dem Schutz der Allgemeinheit; zugleich haben diese gesetzlichen Eingriffstatbestände aber auch freiheitsgewährleistende Funktion, da sie die Grenzen zulässiger Einschränkung bestimmen (vgl. BVerfGE 70, 297 <307>). Bei der Entscheidung über die bedingte Entlassung ist der mit Verfassungsrang ausgestattete Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu prüfen. Die mögliche Gefährdung der Allgemeinheit muss zur Dauer des erlittenen Freiheitsentzugs in Beziehung gesetzt werden (vgl. BVerfGE 70, 297 <311 f.>).

2. Die fachgerichtliche Gefährlichkeitsprognose der Erwartung erheblicher, der Anlassverurteilung entsprechender Straftaten ist auf der Grundlage der Legalbiographie des Beschwerdeführers, seines bisherigen Behandlungsprozesses und postdeliktischen Verhaltens sowie des auf diese Umstände bezogenen Gutachtens - auch unter Berücksichtigung der bisherigen Dauer der Unterbringung (vgl. hierzu BVerfGE 70, 297 <315 f.>) - von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden.

3. Auch soweit die Prüfung der Anordnungsvoraussetzungen einer Unterbringung gemäß § 63 StGB durch die Strafvollstreckungsgerichte im Verfahren über die Fortdauer der Unterbringung betroffen ist, kann eine Grundrechtsverletzung nicht festgestellt werden. Zwar ist es zutreffend, dass nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht jedes abweichende Sexualverhalten in Form einer Pädophilie ohne weiteres einer schweren Persönlichkeitsverletzung im Sinne einer schweren anderen seelischen Abartigkeit im Sinne der §§ 20, 21 StGB gleichzusetzen ist (vgl. BGH, NStZ 2001, S. 243 <244>; NStZ 1999, S. 610 <611>). Das Oberlandesgericht Düsseldorf hat jedoch - auf der Grundlage eines eingeholten nervenfachärztlichen Gutachtens und unter Bezugnahme auf vorangegangene Gutachten - das Vorliegen der Voraussetzungen einer Persönlichkeitsstörung im Sinne von § 20 StGB festgestellt. Dies ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Eine weitere Begründung dieser erneuten Feststellung war schon deswegen nicht geboten, weil der Beschwerdeführer insoweit im Verhältnis zu den vorangegangenen Feststellungen - insbesondere auch durch das erkennende Gericht zur Anordnung der Unterbringung - keine veränderte Tatsachengrundlage vorgetragen hat.

4. Ob die herrschende Auffassung, wonach sich die Unterbringung bei einem Wegfall der Voraussetzungen des § 63 StGB - auch bei fortbestehender Gefährlichkeit des Verurteilten - erledigt hat und nicht weiter vollstreckt werden darf (vgl. BGHSt 42, 306 <310> m.w.N.; Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 28. Dezember 1994 - 2 BvR 1914/92 -, NJW 1995, S. 2405 <2406>, hat diese Rechtsfortbildung nicht beanstandet; nach OLG Frankfurt, NStZ 2003, S. 222 <224>, darf aber das Vollstreckungsgericht bei einem im Tatsächlichen unveränderten Zustand des Verurteilten nicht die Rechtskraft des Anlassurteils aushebeln), von Verfassungs wegen geboten ist, kann auf dieser Grundlage offen bleiben.

Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (§ 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG).

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

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