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Gericht: Bundesverfassungsgericht
Beschluss verkündet am 02.06.2001
Aktenzeichen: 2 BvR 1261/99
Rechtsgebiete: BVerfGG, GG


Vorschriften:

BVerfGG § 93b
BVerfGG § 93a
BVerfGG § 93a Abs. 2
BVerfGG § 93a Abs. 2 Buchstabe b
BVerfGG § 23 Abs. 1 Satz 2 1. Halbsatz
GG Art. 33 Abs. 5
GG Art. 12 Abs. 1
GG Art. 33 Abs. 2
GG Art. 19 Abs. 4
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT

- 2 BvR 1261/99 -

In dem Verfahren

über

die Verfassungsbeschwerde

des Herrn B ...

gegen

a) den Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Berlin vom 27. April 1999 - OVG 4 N 6.99 -,

b) das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 6. Oktober 1998 - VG 28 A 215.96 -,

c) den Widerspruchsbescheid der Senatsverwaltung für Inneres des Landes Berlin vom 2. Juli 1996 - III C 222 - 0388/9 (Beddies) -,

d) den Bescheid des Polizeipräsidenten in Berlin vom 8. August 1995 - LPVA I B 126 -

hat die 1. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgericchts durch die Richter Sommer Broß, Mellinghoff gemäß § 93b in Verbindung mit § 93a BVerfGG in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. August 1993 (BGBl I S. 1473)

am 25. Mai 2001 einstimmig beschlossen:

Tenor:

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.

Gründe:

1. Gegenstand der Verfassungsbeschwerde ist die verwaltungsgerichtlich bestätigte Entlassung des Beschwerdeführers aus dem (Polizei-)Beamtenverhältnis auf Probe wegen früherer Tätigkeit für das Ministerium für Staatssicherheit der DDR (MfS). Der Beschwerdeführer rügt die Verletzung von Art. 12 Abs. 1 und 33 Abs. 2 GG.

2. Die Annahmevoraussetzungen nach § 93a Abs. 2 BVerfGG liegen nicht vor. Die Annahme der Verfassungsbeschwerde, der keine grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung zukommt, ist mangels hinreichender Aussicht auf Erfolg nicht im Sinne von § 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG zur Durchsetzung der als verletzt bezeichneten Verfassungsrechte angezeigt (vgl. BVerfGE 90, 22 <25 f.>).

Das Vorbringen des Beschwerdeführers genügt mangels hinreichend differenzierter (vgl. BVerfGE 82, 43 <49>; 83, 82 <83 f.>) und verfassungsrechtlich erheblicher Auseinandersetzung mit den angegriffenen fachgerichtlichen Entscheidungen und der darin enthaltenen umfangreichen und detaillierten rechtlichen Würdigung sowie mangels Vorlage von für die verfassungsrechtliche Beurteilung wesentlichen und unverzichtbaren Unterlagen (vgl. zu diesem Erfordernis BVerfGE 88, 40 <45>; auch BVerfGE 78, 320 <327>) - etwa der fachgerichtlichen Entscheidungen aus dem vorläufigen Rechtsschutzverfahren, auf die sich Verwaltungs- und Oberverwaltungsgericht beziehen, des Berichts des Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik, der jeweils von den Fachgerichten in Bezug genommenen Unterlagen des MfS, des Antrages auf Zulassung der Berufung und der vom Oberverwaltungsgericht erwähnten Schriftsätze vom 8. und 24. Februar 1999 - schon nicht dem gesetzlichen Begründungserfordernis gemäß den §§ 23 Abs. 1 Satz 2 1. Halbsatz, 92 BVerfGG (vgl. BVerfGE 6, 132 <134>; 9, 109 <114 f.>; 81, 208 <214>; stRspr).

Abgesehen davon führt das Vorbringen der Verfassungsbeschwerde, insbesondere soweit darin ein Grundrechtsverstoß wegen der nach Ansicht des Beschwerdeführers verspäteten Entlassung gerügt wird, in der Sache nicht zu dem behaupteten Verfassungsverstoß.

a) Zu den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums nach Maßgabe von Art. 33 Abs. 5 GG, aus denen auch grundrechtsgleiche subjektive Ansprüche folgen, gehört der Grundsatz der Fürsorgepflicht des Dienstherrn gegenüber dem Beamten (vgl. BVerfGE 43, 154 <165 ff.>; 8, 332 <356 f.>). Er verpflichtet den Dienstherrn, den Beamten gegen unberechtigte Angriffe in Schutz zu nehmen, ihn entsprechend seiner Eignung und Leistung zu fördern und bei seinen Entscheidungen die wohl verstandenen Interessen des Beamten in gebührender Weise zu berücksichtigen. Aus diesem Grunde hat der Dienstherr auch bei der Entlassung aus dem Beamtenverhältnis auf Probe, für die dem Dienstherrn grundsätzlich ein Beurteilungsspielraum zusteht, seine Fürsorgepflicht zu beachten (vgl. Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 15. Dezember 1989 - 2 BvR 1574/89 -, NVwZ 1990, S. 853). Daneben hat der Dienstherr Art. 12 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 33 Abs. 2 GG als verfassungsrechtlichen Maßstab zu beachten, wenn es - wie hier - um die Auslegung und Anwendung von Kündigungsvorschriften im öffentlichen Dienst geht (vgl. BVerfGE 96, 189 <199>; vgl. zum Verhältnis von Art. 12 Abs. 1 GG zu Art. 33 Abs. 2 und 5 GG auch BVerfGE 39, 334 <369 f.>).

b) Die Auslegung und Anwendung von Nr. 10 Buchstabe c Satz 1 der Anlage 2 - Abschnitt VI - zum Gesetz über die Vereinheitlichung des Berliner Landesrechts vom 28. September 1990 (GVBl S. 2119) in der Fassung des Artikel I § 2 Nr. 1 Buchstabe b des Dritten Gesetzes über die Vereinheitlichung des Berliner Landesrechts vom 19. Dezember 1991 (GVBl S. 294) in Verbindung mit Anlage I, Kapitel XIX, Sachgebiet A, Abschnitt III Nr. 1 Abs. 5 Nr. 2 des Einigungsvertrages (Einigungsvertragsgesetz vom 23. September 1990 <BGBl II S. 885>; nachfolgend: Abs. 5 Nr. 2 EV) als Rechtsgrundlage der gegen den Beschwerdeführer ergangenen Entlassungsverfügung durch die Fachgerichte sind unter Zugrundelegung dieses verfassungsrechtlichen Maßstabes nicht zu beanstanden. Insbesondere wird in der Verfassungsbeschwerde nicht dargelegt und ist auch sonst nicht zu erkennen, inwiefern - ungeachtet des vom Verwaltungsgericht angenommenen und vom Beschwerdeführer beanstandeten Regel-Ausnahmeverhältnisses hinsichtlich der Zumutbarkeit einer Weiterbeschäftigung von Polizeivollzugsbeamten, die für das MfS tätig waren - die im konkreten Fall des Beschwerdeführers vorgenommene Einzelfallwürdigung an verfassungsrechtlichen Fehlern leiden solle.

Aus Art. 12 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 33 Abs. 2 GG sowie der beamtenrechtlichen Fürsorgepflicht folgt insbesondere nicht, dass eine auf Abs. 5 Nr. 2 EV gestützte Entlassung zulässigerweise nur innerhalb eines Zeitraums von sechs Monaten seit Kenntnis des Dienstherrn von den die Entlassung rechtfertigenden Tatsachen erfolgen kann. Eine derart konkrete Fristenregelung mit der Folge der Verwirkung des Kündigungs- bzw. Entlassungsrechts lässt sich aus den genannten Grundgesetzbestimmungen nicht herleiten. Nach der verfassungsrechtlich nicht zu beanstandenden Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist die nach Abs. 5 Nr. 2 EV mögliche Entlassung eines Beamten auf Probe - jenseits der befristeten Geltung der Sonderregelung bis zum 31. Dezember 1996 - nicht an die Einhaltung einer (weiteren) Frist gebunden (vgl. Urteil vom 11. März 1999 - 2 C 13.98 -, LKV 2000, S. 111). Art. 33 Abs. 5 GG gebietet zwar, dass die Frage, ob ein Beamter auf Probe im öffentlichen Dienst wegen einer bekannt gewordenen Tätigkeit für das frühere MfS nicht mehr weiter beschäftigt werden darf, mit der sachlich gebotenen Beschleunigung zu klären ist. Indes lässt sich die angemessene Verfahrensdauer bis zur Entlassungsverfügung nicht generell begrenzen; ob dem Beschleunigungsgebot genügt ist, hängt vielmehr u.a. wesentlich von dem Umfang der im Einzelfall erforderlichen Prüfung ab (vgl. zum Ganzen BVerwG, a.a.O.).

Die in diesem Zusammenhang vom Oberverwaltungsgericht angeführte - im Rahmen der Berufungszulassung in erster Linie am Maßstab des Art. 19 Abs. 4 GG zu messende - Erwägung, die zeitliche Verzögerung finde ihre Ursache allein in dem notwendigen personalvertretungsrechtlichen Verfahren nach Verweigerung der Zustimmung durch den zuständigen Personalrat, ist jedenfalls verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Im Hinblick darauf, dass dem Beschwerdeführer bereits mit Bescheid vom 28. April 1994 die weitere Amtsführung unter gleichzeitiger Ankündigung der fristlosen Entlassung verboten worden war, ist auch im Übrigen für einen - verfassungsrechtlich geschützten - Vertrauenstatbestand nichts ersichtlich.

Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (§ 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG).

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.



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